Provinz Westfalen

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Disambiguation notice Westfalen ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Westfalen.

Hierarchie: Regional > Historisches Territorium > Preußen > Provinz Westfalen

Bild der 1816/17 gegründeten Kreise in der Provinz Westfalen

Vorgeschichte

Reichsdeputationshauptschluß

Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 sprach dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt für die Grafschaft Hanau-Lichtenberg, die Aufhebung von Rechten in Wetzlar und gegenüber Frankfurt sowie für die Abtretung seines Anteils an der Niedergrafschaft Katzenellenbogen und Eppstein in § 7 „das Herzogthum Westphalen mit Zugehörden, und namentlich Volkmarsen, sammt den im genannten Herzogthume befindlichen Kapiteln, Abteyen und Klöstern", mehrere mainzische und pfälzische Ämter, Besitzungen und Einkünfte, den Rest des Bistums Worms, die Abteien Seligenstadt und Marienschloß, die Propstei Wimpfen und die Reichsstadt Friedberg zu.

Volkmarsen

Für die Corveyischen Ansprüche auf Marsberg wurde Volkmarsen durch Vergleich vom 18. März 1806 an das Haus Oranien abgetreten.

Herzogtum Westfalen

Bei den Entschädigungsverhandlungen hatte Landgraf Ludwig X. zur Abrundung seines Territoriums zunächst die Mainzer Ämter um Aschaffenburg erstrebt, erst ganz zuletzt wurde ihm statt dessen das kölnische Herzogtum Westfalen zugewiesen. Bereits im September 1802 wurde das Herzogtum Westfalen militärisch besetzt und am 6. Oktober provisorisch in Besitz genommen; am 16. August 1803 erfolgte die offizielle Huldigung zu Arnsberg. Mit dem 12. Oktober 1802 hatten die kurkölnischen Zentralbehörden - Revisionsgericht, Regierung im Vest Recklinghausen, Offizialat in Arnsberg und Hofkammer in Brilon - ihre Tätigkeit für das Herzogtum eingestellt; gleichzeitig nahm in Arnsberg eine hessische Organisationskommission unter Oberleitung der Darmstädter Generalkommission für die Entschädigungslande die Geschäfte auf.

Provinz Westfalen im Großherzogtum Hessen

Auch unter der Regierung im Großherzogtum Hessen finden sich Hinweise auf westfälische Akten in den Staatsarchiven Münster und Darmstadt.

Westfälische Amtsreform

Nach der Vereinnahmung und Besetzung des Herzogtums Westfalen durch das Großherzogtum Hessen im Jahre 1803 als Entschädigungsland, führte Hessen-Darmstadt eine Verwaltungsreform durch. Die Organisationskommission befaßte sich auch mit einer Neugliederung der Ämter des Herzogtums Westfalen. Sie sollten arrondiert und etwa auf gleiche Größe an Umfang und Bevölkerungszahl gebracht werden. Am 13. August 1807 wird die Einteilung des Herzogtums in 18 Ämter (einschl. der Wittgensteinschen Ämter Laasphe und Berleburg) verkündet. Damit war im Rahmen dieser Reform im Herzogtum Westfalen die Ämterverfassung flächendeckend eingeführt.

Die den Ämtern zugeschlagenen Städte und Freiheiten bleiben bis 1809 im Besitz der konkurrierenden Gerichtsbarkeit, die Patrimonialgerichte auch darüber hinaus. Die hergebrachten Bezeichnungen „Gerichte, Richter" usw. entfielen. Die bisherigen Verrichtungen der Amtsdrosten und ihrer Amtsverwalter waren aufgehoben. Für die Kommunalverwaltung wurden, dem Beispiel der Provinzen Hessen und Starkenburg folgend, Schultheißen angestellt.

Einige Wochen später erging eine Generalinstruktion für die Beamten, die seit dem 3. Juli 1812 den Titel „Justiz-Amtmänner" trugen, am 22. September 1807. Sie regelte deren Tätigkeit auf dem Gebiet der Rechtspflege und der Lokalpolizei wie auch als Exekutivbehörde. Über die Einrichtung der Amtsregistraturen folgte am 23. Februar 1808 eine eigene Instruktion. Sie sah 14 „Glasses" vor, von denen die erste den Generalia, die zweite bis zwölfte der Zivil- und Kriminalrechtspflege, die dreizehnte der „Polizei" und die vierzehnte den „sonstigen Objekten der Staatsverwaltung" zugedacht waren.

Strukturübernahme durch Preußen

Die Ämter im Sauerland und nachfolgendem Regierungsbezirk Arnsberg überleben das Ende der hessischen Zeit, werden aber durch Preußen in ihrer Zuständigkeit alsbald auf die Rechtspflege beschränkt („Justiz-Ämter"). Deren Verwaltungsaufgaben gingen auf die neu eingerichteten Landratsämter über, und zwar in den Ämtern Attendorn, Balve, Belecke, Bilstein, Erwitte, Amt Gesecke|Geseke, Menden, Oestinghausen, Olpe und Rüthen zum 15. April 1817, in Arnsberg, Eslohe, Fredeburg, Medebach, Meschede und Werl zum 1. Juli 1817, in den Ämtern Brilon und Marsberg zum 1. Januar 1818.

Archiv

Die nachstehend verzeichneten Akten, die ganz überwiegend aus der Verwaltungstätigkeit der Ämter erwachsen sind, erstrecken sich damit bis in die erste preußische Zeit. Die Überlieferung ist sehr unterschiedlich; fünf Sechstel entfallen allein auf die Ämter Brilon, Marsberg und Medebach.

  • Landesarchiv NRW, Staatsarchiv Münster, Behörden der Übergangszeit 1802-1816, Entschädigungsländer, Großherzogtum Hessen, Bestand: Ämter
    • Umfang: 619 Aktenstücke (17 Pakete). Verzeichnung: Repertorium B 63.

Ämter (Bürgermeistereien)

Grundlage für die Bildung der Kreise und Gemeinden in der preußischen Provinz Westfalen in den Jahren 1816/17 war die politische Zugehörigkeit dieser Gebiete in der Zeit des Großherzogtums Hessen unmittelbar vor der preußischen Besitzergreifung. Aus diesen Ämtern wurden durch Preußen die Kreise Arnsberg, Bilstein (1819 in Olpe umbenannt), Brilon, Lippstadt, Medebach in der Provinz Westfalen gebildet.

Die Ämter Menden und Balve wurden in den Kreis Iserlohn eingekreist, während die Ämter Oestinghausen und Belecke in den Kreis Soest eingegliedert wurden. Die Ämter entsprechen nach einer Liste von 1817 den Bürgermeistereien und die Schultheißdistrikte den Gemeinden.

Rentämter und Rezepturen

Forstbehörden im Herzogtum Westfalen

  • Oberforst Arnsberg
  • Oberforst Brilon
  • Untere Forstbehörden

Bergbehörden

  • (Ober-) Bergamt Brilon / Eslohe
  • Bergamt Olpe, Kommissionsakten

Grafschaft Wittgenstein

  • Wittgensteinsche Debit- und Administrationskommission

Gießener Behörden

  • Organisationskommission, Regierung, Kirchen- und Schulrat, Hofgericht

Hessens Beitritt zun Rheinbund

Mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte vom 12.07.1806 sagten sich einschließlich des Landgrafs von Hessen 16 süd- und westdeutsche Reichststände formell vom Reich los und schlossen sich unter dem Schutz Napoleons in einer Konförderation zusammen. Prompt wurde der Landgraf am 14.08.1806 zum Range eines Großherzogs erhoben und nannte sich als solcher Ludwig I. Durch Edikt vom 13. August 1806 erklärte er die landgräflichen Lande zum souveränen Großherzogtum und hob zum 1. Oktober des Jahres die Landstände auf. Die Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 übertrug ihm in Artikel 24 die Souveränitätsrechte über eine Reihe bisher reichsunmittelbarer Territorien, darunter „les comtes de Wittgenstein et Berlebourg". Unter Wahrung standesherrlicher Rechte für die beiden Fürstenhäuser wurden die Wittgensteiner Grafschaften der Provinz Oberhessen angeschlossen und den Gießener Provinzialbehörden unterstellt.

Hessens Allianzbeitritt 1813

Als letzter der süddeutschen Staaten schloß sich das Großherzogtum am 2. November 1813 der antifranzösischen Allianz an, mußte sich aber am 23. November in Frankfurt zu Änderungen seines Gebietsstandes bei der bevorstehenden Neuordnung in Deutschland bereit erklären. Diese betrafen vornehmlich das Herzogtum Westfalen nebst Wittgenstein, das der Artikel 24 der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 und der österreichisch-preußische Vertrag mit dem Großherzogtum Hessen vom folgenden Tage Preußen zusprach. In Artikel 47 der Kongreßakte wird dem Großherzog von Hessen dafür ein linksrheinisches Gebiet - das spätere Rheinhessen -mit einer Bevölkerung von 140.000 Einwohnern zuerkannt.

Westfalen an Preußen

Im Rahmen des Preußisches Gouvernements zwischen Weser und Rhein ernannte der Kommandierende General des III. preußischen Armeekorps, Generalleutnant v. Bülow, am 14.11.1813 von Bielefeld aus den Freiherrn Ludwig v. Vincke (1774 bis 1844), der zuletzt als Regierungspräsident in Potsdam gewirkt hatte und seit 1810 auf dem Gute Ickern bei Dortmund lebte, zum einstweiligen Generalkommissar (Zivilgouverneur Ernennung am 21.11.1813) der wiedergewonnenen preußischen Provinzen in Westfalen.

Die Abtretung Herzogtum Westfalen nebst Wittgenstein zog sich indes bis in den Sommer 1816 hin; erst im Frankfurter Vertrag vom 30. Juni 1816 wurde sie im einzelnen geregelt. Dieser Vertrag behandelte auch die Auslieferung der Westfalen und Wittgenstein betreffenden Akten. Die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Preußen und Hessen zog sich bis zum 12. März 1817 hin.

Nachdem Großherzog Ludwig am 7. Juli 1816 den westfälischen Herzogstitel abgelegt hatte, um sich im Hinblick auf seine neue Provinz Rheinhessen fortan Großherzog von Hessen „und bei Rhein" zu nennen, entließ er die westfälischen Lande und Wittgenstein am 8. Juli aus dem hessischen Staatsverband. Vom 15. Juli 1816 datiert das preußische Besitzergreifungspatent; am gleichen Tage übernahm Oberpräsident von Vincke von Hofkammerdirektor von Kopp und Regierungsrat Haberkorn in Arnsberg das Herzogtum Westfalen, während die Wittgensteiner Grafschaften am 18. Juli in Berleburg und am 19. Juli in Laasphe durch Regierungsrat Peter Joseph von Bigeleben übernommen wurden. Zum 31. Juli stellten die Arnsberger Provinzialbehörden bis auf das Hofgericht ihre Tätigkeit ein; am 1. August 1816 nahm die neue preußische Regierung ihre Arbeit auf.

Archive

  • Landesarchiv NRW, Staatsarchiv Münster, Behörden der Übergangszeit 1802-1816, Entschädigungsländer, Großherzogtum Hessen.
    • Umfang: 5.000 Aktenstücke (188 Pakete)
      • Findbuch B 60 (Übersicht , Index)
      • Findbuch B 61 (Zentralbehörden zu Darmstadt)
      • Findbuch B 62 (Provinzialbehörden in Arnsberg und Gießen)
      • Findbuch B 63 (Unter- und Spezialbehörden, Kataster, Edikte)
  • Geheimes Preußisches Staatsarchiv in Berlin
    • II.HA, Abt.17: Minden und Ravensberg
    • V.HA Königreich Westphalen

Übernahme durch Preußen

Kernstück der "hessischen Provinz Westfalen" war das Gebiet des Sauerlandes, welches wir ab 1817 als Regierungsbezirk Arnsberg in der dann preussischen Provinz Westfalen kennen lernen. Das Verwaltungsgebiet der nunmehr preussischen Provinz Westfalen dehnt sich zu diesem Zeitpunkt auch über die neugeschaffenen Regierungsbezirke Minden und Münster aus.

Am 01.07.1817 war die Verwaltungsneugliederung dieser erweiterten preußischen Provinz Westfalen abgeschlossen.

Regierungsbezirke

Die preußische Provinz Westafalen war aufgeteilt in drei Regierungsbezirke, nämlich:

Kreiseinteilung

In den drei Regierungsbezirken wurden 36 Landkreise und die Immediatstadt Münster zum 1. Juli 1817 verwaltet:

Regierungsbezirk Arnsberg

Regierungsbezirk Minden

Regierungsbezirk Münster

Provinz Westfalen 1817

  • Provinz Westfalen; 1.057.956 Einwohner (Ew.), davon
    • Stadtkreis (Münster); abs. 15.088 Einwohner (Ew.) oder 1,4 Prozent
    • Landkreise; abs. 1.042.868 Einwohner (Ew.) oder 98,6 Prozent

Zeitzeichen 1895

Allgem. Geographie, Klima

Bevölkerung

Die Prov. Westfalen hatte um 1895

  • 2.428.661 Einwohner, davon 1.152.985 Ev., 1.250.603 Kath., 19.172 Juden.

Kultur, Religion, Bildung

  • Für die ev. Kirche besteht das Konsistorium in Münster, für die kath. die Bisthümer Münster u. Paderborn.
  • Die Provinz hat eine Akademie in Münster, 21 Gymnasien, 3 Progymnasien, 11 Realgymnasien, 4 Realprogymnasien, 7 Seminare (Schullehrer) etc.
  • Die Rechtspflege übt das Oberlandgericht in Hamm mit 8 Landgerichten u. 108 Amtsgerichten.

Produkte, Handel

  • Unter den Produkten sind die des Mineralreichs die ausgezeichnetsten, nämlich Eisen, Blei, Kupfer, Silber, Kohle, Kobalt, Galmei, Marmor, Kalk, Töpferthon, Mauersteine, Bruchsteine, Tuffstein, Schiefer, Torf, mineral. u. Salzquellen.
    • Bergbau, Hütten- u. Salinenwesen lieferten 1892:
      • 26.530.511 t Steinkohle
      • 1.188.908 t Eisen (Erz)
      • 42.575 t Zink (Erz)
      • 11.311 t Blei (Erz)
      • 42.078 t Kupfer (Erz)
      • 98.063 t Schwefelkies
      • 30.547 t Kochsalz
      • 47.765 t Schwefelsäure
      • 1.022.590 t Roheisen
      • 13.576 t Zink etc.

Von hoher Bedeutung ist die westfäl. Indust., namentl. in Bielefeld, Warendorf, Minden, Soest, Dortmund, Witten, Bochum, Hagen, Gütersloh, Iserlohn, Enneperstrasse, Altena, Brilon etc. Weberei (Wolle, Strümpfe, Bänder), Fabr. (Tuch, Baumwolle), berühmte Waren aus Leinwand, Eisen, Stahl u. Messing. Hüttenwerke (Glas), Fabr. (Papier, Zucker, Leder, Tabak, Holzwaren), Fabr. (Schiesspulver; Pulvermühle), Bleicherei. Auch der Handel ist sehr bedeutsam.

Regierungsform, Verwaltung

Die Provinz ist eingetheilt in die 3 Regierungsbezirke: Münster, Minden u. Arnsberg. Das Oberpräsidium der Provinz hat seinen Sitz in Münster. Die Provinz-Stände bestehen aus den vormals reichsunmittelbaren Reichsständen, dem Ritterstand, den Abgeordneten der Städte u. denen der übrigen Gutsbesitzer, Erbpächter u. Bauern, im ganzen 72 Mitglieder.

Militär

Die Prov. Westfalen ist Bezirk des VII. Armeekorps.

Quelle

Flagge

Datei:Fahne Provinz Westfalen.png

Wappen

Datei:Wappen Provinz Westfalen.png

Landesfarben

Politische Veränderungen

1816 wurde der Landkreis Essen in die Rheinprovinz eingegliedert. 1851 und auch während der Weimarer Republik wurden die Grenzen der Provinz geringfügig verändert.

Karten

Die Provinzialstände (Westfalen)

Vier Stände

Das Königlich Preußische Gesetz vom 27. März 1824 wegen Anordnung der Provinzialstände (Westfalen) bestimmte auf der Grundlage des am 5. Juni 1823 erlassenen Allgemeinen Gesetzes wegen Anordnung der Provinzialstände für den ständischen Verband der Provinz Westfalen die Einrichtung von vier Ständen.

Danach bestand:

I. Der erste Stand aus den vormals unmittelbaren Reichsständen; II. Der zweite Stand aus der Ritterschaft; III. Der dritte Stand aus den zur Vertretung des bürgerlichen Gewerbes geeigneten Städten; IV. Der vierte Stand aus den übrigen, im zweiten und dritten Stande nicht begriffenen, Grundbesitzern.

Erster Stand

Die Mitglieder des I. Standes, die Angehörigen der ehemals reichsunmittelbaren Fürsten- und Herrenhäuser, erhielten in der Ständeversammlung eine Virilstimme (d.h. Einzel- oder Kopfstimme), die durch ein Mitglied ihrer Familie oder durch ein Mitglied des II. Standes ver- treten werden konnte.

Dieser erste Stand wurde namentlich berufen. Die Häuser des ersten Standes besaßen demnach eine bedingte Landtagsfähigkeit für ihren Stand. Denn die Virilstimme konnte erlöschen, wenn der Übergang nicht im Erbwege erfolgte, wie es beim Verkauf der Grafschaft Rietberg durch den Grafen von Kaunitz-Rietberg an die Familie Tenge geschah.

2. bis 4. Stand

Für den II. bis IV. Stand wurde bestimmt, daß die Gruppe jeweils aus 20 zu wählenden Mitgliedern bestanden. Die zu Landtagsabgeordneten wählbaren Mitglieder hatten folgende Bedingungen zu erfüllen: 1. Grundbesitz in auf- und absteigender Linie ererbt oder auf andere Weise erworben und zehn Jahre nicht unterbrochen. Im Erbfalle wurde die Zeit des Besitzes des Erblassers und des Erben zusammengerechnet; von der Bedingung des zehnjährigen Besitzes konnte nur die Krone dispensieren. 2. Gemeinschaft mit einer der christlichen Kirchen. 3. Vollendung des dreißigsten Lebensjahres. 4. Unbescholtener Ruf.

Zweiter Stand

Im zweiten Stand wurde die Wählbarkeit begründet: 1. durch den Besitz eines früher landtagsfähigen Rittergutes, von dem jährlich an Grundsteuer wenigstens 75 Thaler zu entrichten waren; 2. durch den Besitz eines anderen größeren Landgutes, das die Krone in den zweiten Stand aufnahm.

Eine Matrikel sollte die hiernach zum zweiten Stand gehörigen Landgüter festsetzen.

Dritter Stand

Zu Abgeordneten des dritten Standes konnten nur städtische Grundbesitzer gewählt werden.

Vierter Stand

Abgeordnete des vierten Standes konnten nur Grundbesitzer werden, die einen selbst bewirtschafteten, im Eigentum stehenden oder erblich nutzbaren Grundbesitz besaßen.

Virilstimmen

Am 13. Juli 1827 erließ der König von Preußen die Verordnung zum Gesetz vom 24. März 1824. Sie bestimmte zunächst für Westfalen die elf Häuser, denen eine Virilstimme des I. Standes zufiel.

Wahlkreise

Sodann legte die Verordnung die sechs Wahlbezirke für die übrigen Stände fest (in Klammern die historischen Territorien):

  • 1. Minden-Ravensberg (Minden, Ravensberg, Reckenberg, Rheda und Rietberg)
  • 2. Paderborn (Paderborn und Corvey)
  • 3. Westphalen (Herzogtum Westphalen, Siegen, Wittgenstein und Lippstadt)
  • 4. Mark (Mark, Dortmund und Hohenlimburg)
  • 5. Ost-Münster (östl. Teil von Münster, Tecklenburg und Lingen)
  • 6. West-Münster (westl. Teil von Münster, Recklinghausen, Anholt, Gemen und Steinfurt).

Zahl der Abgeordneten

Für jeden Wahlbezirk wurde die Zahl der zu wählenden Abgeordneten des zweiten bis vierten Standes festgelegt.

Zutritt auf dem Landtag

Den vormalig unmittelbaren Reichsständen wurde der Zutritt auf den Landtagen nur gestattet, wenn der Besitzer dem Preußischen König gemäß § 3 der Instruktionen vom 30. Mai 1820 gehuldigt hatte.

Die übrigen Mitglieder des Standes der Fürsten und Herren, der Ritterschaft und der Besitzer landtagsfähiger Rittergüter hatten einen Treueid (sog. Homagialeid) zu leisten. Artikel X der Verordnung bestimmte, daß bei gemeinschaftlichem Besitz von Brüdern oder mehreren Mitgliedern eines Geschlechtes nur einer der Mitbesitzer zur Ausübung des Wahlrechts und zur Wählbarkeit in der Ritterschaft befugt war.

Verlust der Landtagsfähigkeit

Der Verlust der Rittergutseigenschaft trat gemäß Artikel XI bei Zerstückelungen von Rittergütern ein,

a) bei denen von weniger als 1000 Talern Reinertrag, bei jeder Veräußerung eines Teiles; b) bei denen von mehr als 1000 Talern Reinertrag, sobald der verbleibende Teil keinen Reinertrag von 1000 Talern mehr erreichte.

Rechte

Die Aufnahme in den I. Stand bzw. in die Rittergutsmatrikel brachte neben dem Vertretungsrecht in den Landtagen das Recht mit sich, gemäß § 4 der Kreisordnung für die Rheinprovinz und Westphalen vom 13. Juli 1827 geborene Mitglieder der Kreisstände zu sein. Abweichend von den Provinzialständen betrug das Alterserfordernis bei den Kreisständen 24 Jahre. Eines der Rechte der Kreisstände war es, drei Kandidaten für das Amt des Landrats dem König zur Ernennung vorzuschlagen. Der Kreistag konnte in der Regel für das Amt des Landrats nur Kandidaten vorschlagen, die Rittergutsbesitzer waren. Waren im Kreis nicht genügend geeignete Rittergutsbesitzer vorhanden, durfte auf sonstige „notable" Grundbesitzer zurückgegriffen werden. Auf jeden Fall mußten die Kandidaten im Kreis angesessen sein. Bei Wegfall der Voraussetzungen des ausreichenden Grundbesitzes, z.B. bei Streichung des Rittergutes aus der Matrikel, mußte der Landrat sein Amt niederlegen.

Durch die unter dem 13. Juli 1829 verkündete Ordnung wegen Ablösung der Real-Lasten in denjenigen Landestheilen, welche vormals zum Königreich Westphalen, zum Großherzogthum Berg oder zu den französischen Departements gehört hatten, kam es in einzelnen Fällen vor, daß bei der wählbaren Ablösung durch Kapitalzahlung sich das Einkommen eines landtagsfähigen Rittergutes aus dem Grundeigentum unter die festgesetzten Reinertragsgrenzen verminderte.

Verlust der Landtagsfähigkeit

Durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 1. August 1831, die Erhaltung der Landtagsfähigkeit ritterschaftlicher Güter nach Ablösung der Reallasten betreffend, wurden den Rittergutsbesitzern Erleichterungen und Auflagen gegeben, die Landtagsfähigkeit zu erhalten, indem sie durch den Ankauf von Grundstücken, die mit dem bisherigen Grundbesitz zusammenhängend bewirtschaftet werden konnten, den erforderlichen Reinertrag des Rittergutes aus Grundeigentum entsprechend steigerten. Gelang dieses innerhalb von vier Jahren nicht, war das Rittergut aus der Matrikel zu streichen. Bevor dieses geschah, mußte der Besitzer des Gutes gemäß Allerhöchster Kabinettsorder vom 11. Januar 1835 zu der beabsichtigten Streichung gehört werden, ob nämlich Gründe vorlagen, die die Streichung verhindern konnten. Nach Anhörung der Ritterschaft des jeweiligen Kreises, Berichten des Landrats und des Oberpräsidenten entschied der Minister des Innern und der Polizei endgültig.

Ausschnitt: Artikel 5 der Verordnung vom 13.07.1827 zur Regelung der Matrikel ritterschaftlicher Güter


Aufschwörungstafeln

1829 wurde auf Anordnung des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen aus den verschiedenen Archiven in Münster ein Sammelbestand von Aufschwörungstafeln von 1573 - 1976 zusammengeführt.

Matrikel ritterschaftlicher Güter

Kulturtechnik

Genealogische und historische Quellen

Genealogische Quellen

Zur Geschichte Westfalens

Einwohner

Gedruckte Quellen

Bibliografie

  • Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1820.
  • Gesetz-Sammlung ßr die Königlich Preußischen Staaten 1823.
  • Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1824.
  • Gesetz-Sammlung fir die Königlich Preußischen Staaten 1827.
  • Reglement vom 17. März 1828 bezüglich der Wahl von Kandidaten für das Landratsamt in Westfalen und der Qualifikation der Bewerber, veröffentlicht u.a. in Nr. 14 des Amtsblattes der Regierung Münster vom 5.4.1828.
  • Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1829.
  • Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1831.
  • Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1835.
  • Josef Häming: Die Matrikel der ritterschaftlichen Güter in der Provinz Westfalen 1830 -1886 in "Traditia Westphaliae"
  • Über die Bemühungen des Grafschaftsbesitzers Tenge zur Verleihung einer Virilstimme des I. Standes gibt das Archiv Tenge, Rietberg, Auskunft.
  • Dietrich Wegmann: Die leitenden staatlichen Verwaltungsbeamten der Provinz Westfalen 1815 - 1918.Münster 1969.
  • Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800- 1866, Bürgerwelt und starker Staat. München 1983.
  • Manfred Laubert: Die Rittergutsmatrikel in der Provinz Posen bis 1847. In: Deutsche wissenschaftliche Zeitschrift für Polen. 18.1930 S.97-141.
  • Hand-Matrikel der in sämtlichen Kreisen des Preussischen Staats auf Kreis- und Landtagen vertretenen Rittergüter. Hrsg. von Karl Friedrich Rauer. Berlin 1857.
  • Schmitz-Kallenberg, Monasticon Westfaliae. Verzeichnis der im Gebiet der Provinz Westfalen bis zum Jahr 1815 gegründeten Stifter, Klöster und sonstigen Ordensniederlassungen. Münster 1909
  • Schneider, Heinrich, Die Ortschaften der Provinz Westfalen bis zum 1300 nach urkundlichen Zeugnissen und geschichtlichen Nachrichten, Münster 1936


Bibliografie, hessische Zeit

  • Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde N. F. 7, Darmstadt 1910.
  • Arnsbergisches Intelligenzblatt, Jahrgänge 1802 bis 1816.
  • Carl Christian Eigenbrodt: Handbuch der Großherzoglich Hessischen Verordnungen vom Jahre 1803 an, Bd. 1-4, Darmstadt 1816-1818.
  • Dieterich, J. R.: Die Politik Landgraf Ludwig X. von Hessen-Darmstadt von 1790-1806, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Alter¬tumsvereine 58, 1910;
  • Dupuis, B. Bemerkungen und Übersicht über den Zustand des Archiv- und Registraturwesens im Herzogtum Westfalen im Jahre 1816, in: Westfälische Zeitschrift 51, 1893, II S. 97-120.
  • Fink, Georg, Geschichte des Hessischen Staatsarchivs zu Darmstadt, Darmstadt 1925 .
  • Großherzoglich Hessischer Militair-, Hof- und Civil-Etat vom Jahr 1810; desgl. 1811.
  • Großherzoglich Hessischer Civil-Etat mit angehängtem Amts- und Ortsregister vom Jahr 1812.
  • Großherzoglich Hessische Zeitung auf das Jahr 1806 (ab August); desgl. 1807 bis 1816.
  • Hessen-Darmstädtische Landzeitung auf das Jahr 1802; desgl. 1803 bis 1806 (Juli).
  • Kochendörffer, Heinrich, Der Übergang des Herzogtums Westfalen und der Grafschaften Wittgenstein an Preußen, in: Westfälisches Adelsblatt 5, 1928.
  • Koester, Ludwig Albert Wilhelm Systematisches Repertorium über die für das Herzogtum Westfalen bis Ende 1812 erlassenen Gesetze, Verfügungen usw., Arnsberg 1813.
  • Koester, Ludwig Albert Wilhelm Chronologisches Verzeichnis der für das Herzogtum Westfalen bis Ende 1812 erlassenen, in die Polizeiverordnung und Ediktensammlung nicht eingerückten Gesetze, Verfügungen usw., Arnsberg 1814.
  • Landgräflich Hessischer Staats-und Adreßkalender auf das Jahr 1804; desgl. 1805,1806.
  • Liedhegener, Clemens: Die Behörden-, insbesondere die Ämterorganisation im Herzogtum Westfalen unter Hessen-Darmstadt, in: Zeitschrift Westfalen 18, 1933.
  • Runde, Justus Friedrich, Über die Erhaltung der öffentlichen Verfassung in den Entschädigungsländern nach dem Deputationshauptschluß vom 25. 2. 1803 mit Anwendung auf das Herzogthum Westphalen, Göttingen 1805.
  • Schöne, Manfred „Herzogtum Westfalen unter hessischer Herrschaft 1802-1816" (Dissertation, Bonn, 1965)
  • Schöne, Manfred „Kreis Olpe unter hessischer Herrschaft 1802-1816" in (Heimatstimmen aus dem Kr. Olpe 52. Folge, 1963, Nr. 3 S. 124-127).
  • Scotti, J.J.: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Cöln ergangen sind vom Jahre 1463 bis 1816. Zweite Abteilung, landgräflich und großherzoglich Hessen-Darmstädtische Gesetzgebung für das Herzogthum Westphalen (2 Teile), Düsseldorf 1831.

Periodika

  • 1816 ff. Amtsblatt der (preußischen) Königlichen Regierung im jeweiligen Regierungsbezirk.
  • 1816 ff. Beilage zum Amtsblatt der (preußischen) Königlichen Regierung im jeweiligen Regierungsbezirk.
    • Darin z.B. Preise für Waren und Dienstleistungen, Angaben über die in Rußland gefallenen Soldaten des Napoleonischen Feldzuges, Auswanderer, Versteigerungen von Wohnbesitz und Vergleiche alter und neuer Maße und Gewichte.

Periodika Gesamtwestfalen

  • Archivpflege in Westfalen-Lippe. Im Auftrage des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - LWL-Archivamt für Westfalen- hrsg. von Norbert Reimann und Wolfgang Bockhorst. LWL-Archivamt für Westfalen, Redaktion, 48133 Münster, Tel.: 0251/591-5779 u. 591-3887, E-Mail: lwl-archivamt@lwl.org Nr.66/2007.
  • Droste-Jahrbuch 6, 2005/2006. Im Auftrag der Annette von Droste-Gesellschaft herausgegeben von Jochen Grywatsch und Winfried Woesler, Am Rüschhaus 81, 48161 Münster.
  • Westfalenspiegel. Ardey-Verlag, An den Speichern 6, 48157 Münster, Tel.: 0251/41320. 4/2007.

Bibliothek

  • Die Historische Bibliothek des Regierungsbezirks Arnsberg ISBN 3-931174-02-6

Internetlinks


Wappen von Nordrhein-Westfalen Regierungsbezirke in der Provinz Westfalen in (Nordrhein-Westfalen)

Arnsberg | Minden | Münster


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

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