Aus den Erlebnissen afrikanischer Missionare/E-Book

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Info
Dieses E-Book ist noch unvollständig, da ein Register fehlt. Hilf mit, es zu vervollständigen.



GenWiki - Digitale Bibliothek
Aus den Erlebnissen afrikanischer Missionare
Autor(en):Albert Gsell
Titel:Aus den Erlebnissen afrikanischer Missionare
Verlag:Turm Verlag
Druck:C. Grumbach in Leipzig, Fürstl. Wald. Hoflieferant.
Ort:Leipzig
Jahr:[1914]
Umfang: 56 Seiten
GenWiki E-Book
Editionshinweise zum E-Book:
Das Digitalisat (DjVu) dieses E-Books können Sie hier herunterladen.
Zur Druckversion des Textes gelangen Sie in der linken Navigation unter „Werkzeuge“.
Benutzerhinweise zu E-Books
Datei:Gsell.djvu
fertig
Dieser Text wurde zweimal anhand der angegebenen Quelle korrekturgelesen.


Datei:Gsell.djvu

Die

Turm-Bücherei

soll einführen in alle

Wissensgebiete,

sie behandelt alle

Kulturfragen,

sie erweitert mit ihren Büchern über

Erziehung und ethische

Fragen

die Ziele der billigen Büchersammlungen,

wobei sie nur das

Wissen der Volksschule

voraussetzt.


Sie dient keiner Partei und läßt Vertreter
der verschiedensten Standpunkte wissenschaftlicher,
religiöser, wirtschaftlicher und politischer
Art zu Worte kommen. Die Darstellung
ist durchaus volkstümlich
und allgemeinverständlich.

Aus den Erlebnissen

afrikanischer Missionare


Von


Missionar Albert Gsell

Vertreter der Basler Missionsgesellschaft in Frankfurt a. M.


Mit Bilderschmuck



<VERLAGSSIGNET>


Turm-Bücherei. Herausgegeben von
Georg Volk und Dr. Fr. Gagelmann
Band 25



Leipzig • Turm-Verlag



Alle Rechte vorbehalten.






Druck von C. Grumbach in Leipzig

Inhalt.

    Seite
I. Einleitung 5
II. Afrikanische Wanderungen:  
  a) Fieberkrank und dem Verdursten nahe 10
  b) Ein Gewittersturm 15
III. Etwas über Schlangen, Leoparden und Wanderameisen:  
  a) Die Schlangen 20
  b) Leoparden 24
  c) Von Wanderameisen 28
IV. Heidentum: In der Blutstadt Kumase 32
V. Missionsarbeit:  
  a) Durch Predigt und Krankenheilung 38
  b) Durch Arbeit an der schwarzen Jugend 48





Familie Gsell mit ihren schwarzen Hauskindern.

Familie Gsell mit ihren schwarzen Hauskindern.


I. Einleitung.

      Wenn ich jetzt daran gehe, einiges aus den eigenen und den Erlebnissen anderer, befreundeter Missionare zu schildern, so muß ich dem lieben Leser eigentlich zuerst meine Visitenkarte abgeben; vielleicht weiß er am Ende gar nicht recht, was eigentlich ein Missionar – Die
Mission.
oder wie man auch sagt: Missionär – ist. Da hat einer einmal, weil er mit dem Worte nichts anzufangen wußte, die beiden „ss“ in „ll“ umgewandelt, so daß es „Millionär“ hieß. Das sind aber die Missionare nicht, – ich kenne wenigstens keinen. Ich glaube es ist am besten, wenn ich zur Einleitung dem lieben Leser einmal die Bedeutung der Mission für unsere Kolonien schildere, dann weiß er, was Mission heißt, und daß auch der Missionar seine Daseinsberechtigung hat. Zuerst also einiges Allgemeine:

      Bekanntlich trat Deutschland im Jahre 1884 in die Reihe der Kolonialmächte ein; sein überseeischer Besitz umfaßt jetzt mit dem an Gütern und Gewinn vorerst noch zweifelhaften Neukamerun etwa 2 800 000 Quadratkilometer mit zirka 16 Millionen Einwohnern und steht der Ausdehnung nach unter den Kolonialreichen der Weltmächte an dritter Stelle. Vor der Erwerbung waren nur zwei Gebiete, Togo und Südwestafrika, Arbeitsfelder deutscher Missionare, und gerade dadurch war ihre Besitzergreifung veranlaßt worden; über „Südwest“ schrieb damals Major v. François: „Ohne die Pionierarbeit der Missionare wäre die Besitzergreifung des Landes ein Pionier-
arbeit.
völlig illusorischer Akt auf dem Papier gewesen“. In einigen Gebieten, wie Ostafrika, waren zum Teil nichtdeutsche Missionare tätig, welche keinen Grund hatten, nach Hissen der deutschen Flagge ihr Werk im Stich zu lassen, wie ja auch unsere Missionare unter britischer oder holländischer Flagge ungehindert

weiterarbeiten. Die Mission ist ein unpolitisches Werk und steht über den nationalen Grenzen. Damit ist aber nicht gesagt, daß unsere Missionsgesellschaften nicht sofort die besondere Aufgabe und Bedeutung ihrer Arbeit für die deutschen Kolonien erkannt hätten. Sie steigerten ihre Kraft und nahmen alle noch unbesetzten deutschen Kolonien in Angriff. Seit Beginn unserer Kolonialgeschichte stieg die Zahl der deutschen missionarischen Arbeitskräfte von 526 auf 1350, die der Beiträge von 23/4 auf über 8 Millionen Mark, und von diesem Wachstum ist der beträchtlichste Teil unseren Kolonien zugute gekommen.

      Daß die Arbeit der Missionen von eminenter Bedeutung für unsere Kolonien ist, wird nachgerade allgemein anerkannt; so sprachen sich z. B. auf dem 3. und 4. Kolonialkongreß mehrere Kongreßmitglieder, wie der Vorsitzende der Hamburger Handelskammer, Schinckel, und der bekannte Forschungsreisende Dr. Neuhaus, ebenso Exzellenz Dernburg, höchst anerkennend über die Wirksamkeit der Missionen aus. Die Bedeutung der Mission für unsere Kolonien liegt auf wirtschaftlichem, geistigem und sozialem Gebiet.

Wirt-
schaftliche
Bedeutung.
      Wir betrachten zuerst die wirtschaftliche Bedeutung der Mission. Wo immer die Missionare hinkommen, sind sie zugleich Kolonisatoren; planmäßig wird eine Station ausgebaut, die Eingeborenen werden zur Mitarbeit angeleitet, die Trinkwasserverhältnisse gebessert, der Boden wird urbar gemacht und Ackerbau getrieben; so bekamen meine Seminaristen von Akropong für europäisches Gemüse, wie gelbe Rüben, Bohnen usw., zu deren Anbau ich sie angeleitet hatte, bei einer Landwirtschaftsausstellung zwei erste und einen zweiten Preis. Wo die Erwerbung oder Urbarmachung von Ackerflächen untunlich ist, wird die Missionsstation eine Bildungsstätte für eingeborene Handwerker; so hat z. B. unsere Baseler Mission in Kamerun Werkstätten eingerichtet, in denen sie Schmiede, Schreiner, Schlosser, Wagner heranzieht und so die Schwarzen arbeiten lehrt. Interessant ist, daß durch die

Basler Missionshandlung ein in Westafrika bis dahin unbekannter Handelsartikel auf den Weltmarkt gebracht wurde, die Palmkerne, heute ein wichtiger Exportartikel. Und welcher Segen entsprießt der Kolonie aus der stillen Arbeit der deutschen Missionsfrau, die die Eingeborenen zur Reinlichkeit und zum Ordnungssinn erzieht und ihnen ein Vorbild edler deutscher Häuslichkeit gibt!

      Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, daß wir Missionare durch unser Vorbild die Arbeit, die namentlich in Afrika durch die jahrhundertelange Sklaverei mit dem Brandmal der Schande gestempelt ist, zu Ehren bringen und damit einen Kulturfaktor in Bewegung setzen, der für die gedeihliche Entwicklung eines jeden Volkes von großer Bedeutung ist.

Erweckung
geistigen
Lebens.
      Wichtiger noch ist der Dienst, den die Mission durch Hebung des geistigen Lebens den Kolonialvölkern erweist. Dazu gehört vor allem die Übersetzung der Bibel und Schaffung einer christlichen Literatur. Die deutschen Missionare erfreuen sich überall eines guten Rufes als Sprachforscher; ich erwähne Christaller, Dr. Spieth, Dr. Brincker, Dr. Krapf, Rebmann, Dr. Gundert, Prof. Westermann und andere. Vielfach haben die schwarzen Völker keinerlei Schrifttum-Literatur; nun kommen sie aber überall mit europäischer Kultur zusammen, es entsteht in ihnen ein Verlangen, sich Aufzeichnungen usw. zu machen, sich geistig weiterzubilden. Da greift die Mission ein und unterstützt solches Begehren; sie bewirkt durch ihre Bibelübersetzungen in die Landessprache (heute ist die Bibel in 622 Sprachen, meist von Missionaren, übersetzt worden!) in der heiden-christlichen Bevölkerung eine geistige Regsamkeit und eine Weiterbildung ihrer Sprachen.

Sprach-
forschung.
      Nehmen wir hinzu, daß außerdem in diesen Sprachen Grammatiken, Lesebücher usw. verfaßt worden sind, daß jetzt auf mehreren Missionsgebieten regelmäßig erscheinende Zeitschriften herausgegeben, Volkssagen und Sprichwörter gesammelt werden, – so stellt sich in diesen literarischen

Leistungen eine Kulturarbeit ersten Ranges dar.

Schul-
tätigkeit.
Und damit in engstem Zusammenhang steht die Schultätigkeit der Missionare; die Bedeutung der Schule für die Kolonialpolitik, für die Verwaltung der Kolonien, für die Erfüllung der Kulturaufgabe des herrschenden Volkes, gegenüber der eingeborenen Bevölkerung brauche ich hier nicht nachzuweisen. Unsere Basler Mission z. B. hat jetzt allein in Kamerun über 18 000 schwarze Schüler; überall in unseren Kolonien, wo deutsche Missionen arbeiten, finden wir ein weitverzweigtes Schulsystem mit Volksschule, Seminar, Kleinkinder-, Sonntags- und Handarbeitsschulen. Von der Schule hängt zum großen Teil die öffentliche Moral in der Kolonie ab, von ihr die sittlich-religiöse Bildung eines Volkes. Wo die europäische Kultur sich so unvermittelt und rasch durchsetzt, wie in Afrika, sind die Eingeborenen in großer Gefahr, allen inneren Halt zu verlieren; sie werden immer begehrlicher – unzufriedener – ihre alten Anschauungen werden durch das Hereinströmen moderner Kultur unterhöhlt –: darum ist eine geistige Befreiung, eine innere Umwandlung bei ihnen überaus nötig, sollen sie nicht Opfer der Kultur werden. Die Missionen, geleitet von dem höchsten Idealismus, der entspringt aus dem christlichen Glauben und aus dem hohen Begriff, den das Christentum vom Wert des Menschen gibt, haben die große Aufgabe der Volksbildung in unseren Kolonien in die Hand genommen, zum Teil mit großen Opfern an Geld und Menschenleben, in den meist ungesunden tropischen Ländern; sie haben es getan und tun es in der Überzeugung, daß auch diese Völker zum Reich Gottes berufen sind. Aber es ist kein Zweifel, daß die Missionen, indem sie die Völker der Kolonien bilden und erziehen, ein gutes Stück zur gesunden Entwicklung der Kolonien beitragen und dadurch dem Deutschen Reich und dem deutschen Volke einen wertvollen Dienst leisten.

      Nicht minder als die wirtschaftliche und geistige Arbeit

Soziale
Arbeit.

fällt die Fürsorge der Mission für die soziale Hebung der Eingeborenen ins Gewicht; wir erwähnen besonders die Kämpfe gegen die Sklaverei, die Erniedrigung der Frau in der Polygamie (Vielweiberei) und den Branntweinhandel. Der Charakter eines Volkes hängt wesentlich ab von dem ganzen Stand seiner materiellen und geistigen, insbesondere auch sittlichen Kultur; eine durch Sklaverei, Vielweiberei, Branntwein und liederlichen Lebenswandel degenerierte und demoralisierte, entnervte, abgestumpfte,[GWR 1] arbeitsscheue und verarmte Bevölkerung ist auch weder konsumtions- noch produktionsfähig! Hier hat nun besonders die Arbeit der ärztlichen Mission ein weites, ersprießliches Feld der Tätigkeit. Wer aus eigener Erfahrung die krasse Unkenntnis in der Behandlung der Krankheiten mit angesehen hat, wer die unter den Schwarzen weitverbreiteten Krankheiten, Syphilis, Dysentrie, Malaria, Aussatz, Schlaf-, Wurm- und Leberkrankheiten, und das durch sie erzeugte Elend miterlebt hat, der lernt die Bedeutung der ärztlichen Mission erst voll würdigen, – so würdigen, daß er selbst auch mithilft oder diesen Werken opferwillige Unterstützung leiht. Es bleibt doch dabei: die Nächstenliebe gehört zu den größten idealen Gütern des Christen; wehe unserm deutschen Volke, wenn es dieses ideale Gut gering achtet und Egoismus und Materialismus an seine Stelle setzt!

Damm
gegen den
Islam.
      Noch erwähne ich, daß der Mission in unseren Kolonien eine weitere Bedeutung gegen das Vordringen des Islams zukommt. Bedeutsam war die Resolution des 3. Kolonialkongresses im Reichstagsgebäude in Berlin: „Da von der Ausbreitung des Islams der Entwicklung unserer Kolonien ernste Gefahren drohen, rät der Kolonialkongreß zu sorgsamer Beachtung und gründlichem Studium dieser Bewegung; er empfiehlt daher die Kulturarbeit des Christentums, insbesondere auf dem Gebiete des Schulwesens und der Gesundheitsfürsorge der tatkräftigsten Unterstützung der Kolonialregierung.“

      Auch ich empfehle dem lieben Leser das Studium der Mission und lade ihn nun ein, mit mir nach Afrika zu kommen, wo ich selbst beinahe 10 Jahre im Dienst der Basler Mission unter den Aschanti- und Akemnegern der Goldküste in Westafrika zugebracht habe. Da gibt's manches zu erzählen, vom Urwald und der Savanne, von Tropenhitze und Regenzeit, von Abenteuern mit Schlangen, Leoparden, Wanderameisen, von Zauberern, Fetischpriestern und Götzenfesten, und ich glaube, nach all dem ist der freundliche Leser dann dankbar, daß er nicht in Afrika wohnen muß, sondern bei uns in unserm lieben deutschen oft mit Unrecht geschmähten Vaterlande leben und arbeiten darf.


II. Afrikanische Wanderungen.

a) Fieberkrank und dem Verdursten nahe!

Das
Fieber.
      Jeder nach Afrika ziehende Europäer muß dort im ersten und zweiten Jahr eine Akklimatisation durchmachen; wie ein in anderes Erdreich gepflanzter Baum braucht er Zeit, sich zuerst einzuwurzeln. Dabei hat er einen bösen Feind gerade im tropischen Afrika an der Malaria, jenem heimtückischen Fieber, das an seiner Kraft zehrt und etwa 25 Prozent aller Europäer in kurzer Zeit dahinrafft. Man nennt deshalb die Goldküste, Togo, Kamerun usw. „des weißen Mannes Grab“ – das hat einst Graf Zinzendorf, als die Nachricht vom Tod von sechs Missionaren einlief, in die Verse gefasst:

Es werden viele ausgesät
Als wären sie verloren –
Auf ihren Gräbern aber steht:
Das ist die Saat der Mohren!

      Und doch gilt es auch für den deutschen Kulturpionier:

Und setzet ihr nicht das Leben ein –
Nie wird euch das Leben gewonnen sein!

      Ich war etwa ein halbes Jahr erst draußen, da hatte ich schon die ersten schweren Fieber zu bestehen; – nicht

im schön eingerichteten Krankenhaus, nein, auf der Reise im Urwald, in der Harmattanzeit, der trockensten, heißen Jahreszeit kam es wie ein Sturm über mich:

Die
Trockenzeit
      Es ist Mittag. Die Februarsonne steht senkrecht im Zenit und brennt glühend heiß auf das Erdreich herab. Nach Wasser lechzend, zeigt der Boden allenthalben Risse; Blumen und Gräser neigen ermattet ihre Stengel. Alles ist ausgedörrt; selbst im schattigen Urwald ist es heiß und schwül. Die vielen Wasserläufe, die ihn sonst durchrieseln, sind ausgetrocknet. Schon seit drei Monaten ist kein Regen mehr gefallen; dazu hat seit 14 Tagen der Harmattan eingesetzt, der heiße, trockene Wind, der von Weihnachten an sich auf der Westküste Afrikas einstellt, ein echtes Kind der Wüste Sahara. Er durchwebt die Luft wie mit einem Dunstschleier; morgens kalt, mittags heiß, immer aber trocken und ausdörrend führt er große Massen von feinem Sandstaub mit sich. Man kennt diesen ununangenehmen Gast auf allen Missionsstationen, sei es in der Küstenebene, sei es auf den Höhen des Berglandes oder im Waldesdunkel der Urwildnis. Er ist schuld daran, daß Dienstboten, Schüler und die eingeborenen Missionsgehilfen frühmorgens nicht an die Arbeit gehen wollen; fröstelnd ziehen sie ihre Umschlagtücher sorgfältig über Hals und Kopf und kauern, Mumien gleich, vor der Tür ihrer Behausung, ab und zu Stoßseufzer ausstoßend: O wura, awo de yeng! ach Herr, die Kälte tötet uns! awura, opè sëe yeng, o Herrin, der Harmattan frißt uns, wie kann ich da arbeiten!

      Aber auch dem Europäer spielt der Wind übel mit; viele Weiße laufen mit blutigen, aufgesprungenen Lippen umher; an den Händen zeigen sich rissige Stellen. Im Hause kracht das Gebälk und das Wellblech des Daches ächzt in den Fugen. Auf dem Schreibpult krümmen sich die Deckel der Bücher und manche gehen aus dem Leim.

      Fast jedermann hat Schnupfen und Katarrh und unter den Negern herrscht Lungenentzündung. Der Wasservorrat

Wasser-
mangel.
in den Fässern ist längst zu Ende und stundenweit muß man das nötige Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen eimerweise herbeischleppen. An der Küste aber, wo das Wasser in Zisternen sorglich gesammelt wird, müssen diese ängstlich bewacht werden, damit kein Unberufener Wasser schöpft. Ja, in der Küstenstadt Akra kaufen die Regierungsbeamten das Wasser, wie zu Hause den Wein. Auf den Pflanzungen brennen die Feuer; in zwei, drei Tagen ist auch der dickste Stamm verkohlt. Von den Missionshäusern an der Küste und von den Höhen des Akuapemgebirges aus sieht man des Nachts die weithin leuchtenden feurigen Linien der Grasbrände. – Das ist die trockene, heiße Zeit des Jahres, der westafrikanische Winter, da alles Leben in der Natur erstirbt.

Im
Urwald.
      Auch der junge Missionar, der an einem heißen Februartag durch den Urwald wandert und sich auf dem Weg von Kukurantumi nach Akropong befindet, spürt die Hitze. Schwer drückt sie auf ihn herab, große Schweißtropfen perlen an ihm herunter. Er ist noch ein Neuling, kaum vier Monate im Land; statt um fünf Uhr ist er erst gegen sieben Uhr von Kukurantumi aufgebrochen. So trifft ihn die Mittagsglut mitten auf seinem Wege nach Obom, dem ersten Filial von Akropong, von dem ihn noch zwei jäh ansteigende Gebirgsrücken trennen. In Akropong aber soll nächste Woche die Generalkonferenz der Basler Missionare stattfinden.

      Hinter ihm drein keuchen seine schwarzen Begleiter, die ihn tragen – denn Pferde, Kühe, Ochsen, Esel gibt's nicht, da die Tsetsefliege alles größere Vieh tötet – es sind im ganzen drei Hängemattenträger und ein Kistenträger. Drei Stunden weit haben sie bereits ihren „Meister“ getragen, zwei Stunden ist er marschiert. „Du,“ sagt der stämmige Ata zu seinem Gefährten, dem hageren, baumlangen Abokyi, „du, heute kommt unser Meister gar nicht vorwärts; er ist wohl müde oder krank.“ Und wirklich, der junge „Meister“ fühlt sich ungewöhnlich müde und matt.


Der König Akufo von Akuapem, in dessen Hauptstadt Akropong wir 4 Jahre am Lehrerseminar zubrachten.

Der König Akufo von Akuapem, in dessen Hauptstadt Akropong wir
4 Jahre am Lehrerseminar zubrachten.


Die Füße wollen ihren Dienst versagen; und erst der entsetzliche Durst! Schon mehrmals hat er gefragt, ob's denn keinen Fluß oder Bach in der Nähe gebe, oder ob man denn nicht bald an eine Plantage oder an ein Dorf komme. Aber umsonst. Das nächste Dorf liegt noch zwei Studen vor ihm; die Bäche sind versiegt. Und woher nur diese Müdigkeit und das bohrende Kopfweh? Sonst ist er doch auch schon viel und oft marschiert – noch vor 2 Jahren beim Militär mit den 122 ern in Heilbronn a. N. ist er oft genug auf dem Exerzierplatz herumgesprungen! – heute kann er kaum den Felsen hinauf, über den der Weg führt; an beiden Armen müssen ihn die Träger hinaufziehen. Oben ruhen sie aus, dann geht's weiter. Ein Hochzeitszug kommt ihnen entgegen; ein junger Lehrer der Mission ist es, mit seiner Frau und einigen Freunden, die weiter landeinwärts ziehen, nach Abetisi, wohin der Lehrer versetzt ist. „Habt ihr kein Wasser oder eine erfrischende Frucht?“ „Nein, tut uns leid, daß wir nicht helfen können.“ – Also weiter. Endlich versagt die Kraft, und der junge Missionar kann nicht mehr weiter. „Geht,“ ruft er seinen Begleitern zu, „holt mir Wasser, und wenn ihr's eine Stunde weit herbeibringen müßt!“ Man sieht, er ist ein Neuling, denn sonst hätte er sich für seine Reise in der trockenen Jahreszeit mit etwas Trinkbarem versehen. Nun macht er die erste schlimme Erfahrung und er glaubt, sein letztes Stündlein sei gekommen.

      Doch gemach, so weit ist es noch nicht. Gott gibt dem Müden neue Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Die kurze Rast tut ihm gut; er erholt sich wieder, und da bringen auch seine Leute das ersehnte Wasser. Wie wohl tut der Labetrank! Nach einer Stunde wird die Reise fortgesetzt. Sorgsam betten die besorgten Schwarzen ihren Meister in die Hängematte, und nun tragen sie ihn dem Ziel entgegen. Endlich, am Abend, ist der Filialort Obom und am nächsten Morgen die Station Akropong erreicht. Hier bricht nun auch das Malariafieber, dessen Vorboten

sich den Tag zuvor durch Mattigkeit der Glieder gemeldet hatten, mit aller Heftigkeit aus – das erste Fieber in Afrika. Sechs Tage hält es an, endlich ist es gebrochen, und vierzehn Tage später geht's wieder hinein in den Urwald von Akem zu neuer Arbeit und neuem Wirken – dankbaren Herzens angesichts der erfahrenen Durchhilfe.

      Längst liegen jene Tage hinter mir, und das Bild davon will allmählich erblassen; aber noch gerne gedenke ich ihrer und wünschte, sie wären noch vorhanden. Manch treuer Gefährte und Arbeitsgenosse, der damals meine Wegfahrt teilte und an dem gleichen Werke stand, weilt nicht mehr hienieden oder hat anderwärts den Kreis seines Wirkens gefunden. Doch, wenn auch die Zeiten schwinden und mit ihnen unsere Spuren sich verwischen – das Werk, an dem wir damals Hand anlegen durften, ist und bleibt dasselbe Gotteswerk, an dessen Wachstum und Gedeihen wir uns freuen. Herr, dein Reich komme!

b) Ein Gewittersturm.

Die
Regenzeit.
      Ein Jahr später. Unerwartet bald hat die trockene Zeit, der Harmattan, der ersten Regenzeit weichen müssen. Täglich hängt der Himmel voll dunkler, schwerer Wolken. Der Reisende ist im Urwald von Akem nachmittags nicht mehr sicher vor einem gründlichen Regenbad. Von März an währt die sogenannte kleine Regenzeit mit vielen Gewittern und tropischen Tornados.

      Fast jeden Abend blitzt's und donnert's, bald in der Ferne, bald über unsern Häuptern. Schon sind einige schwere Gewitter über die Station Begoro im weiten Gebirgskessel hinweggezogen. Alle Fässer sind mit Regenwasser gefüllt. Die heftigen tropischen Regen haben die in der Zeit des Harmattans so schön hergestellten Wege der Station wieder zerrissen und die Erdkrume den Berg hinuntergeschwemmt. In der Stadt sind den Faulenzern ihre alten Hütten zusammengestürzt und ein reges Leben ist in die gesamte Bewohnerschaft gefahren. Alles repariert

Dächer und Häuser, um einer Überschwemmung ihrer winzigen Wohnräume vorzubeugen. Leider ist auch schon die Nachricht von einigen Außenstationen eingetroffen, daß da eine Kapelle, dort ein halbfertiges Lehrerhaus, das Werk mühsamer Gemeindearbeit, zusammengestürzt und in einen großen Lehmhaufen verwandelt sei. Schon sind zum Entsetzen des reisenden Missionars einige Bäche und Flüsse über die Ufer getreten, und die Wege sind zu Sümpfen und Morästen geworden. Aber dafür grünt und blüht nun auf den Pflanzungen der Pfeffer, Kaffee und Kakao. Die blühenden Orangen- und Limonenbäume strömen ihren starken betäubenden Duft aus, und auch die Öl-, Kokos- und Fächerpalmen bleiben hinter dem allgemeinen Sprossen und Blühen nicht zurück. Die Luft ist heiß, feucht und dämpfig. Im Wald macht sich der Modergeruch von verwesenden Pflanzenstoffen bemerklich, und überall steigt der unangenehme Erdgeruch auf.

      Es ist Nachmittag. Die Bewohner des Missionshauses stehen miteinander auf der Veranda und schauen nach dem östlichen Horizont aus. Dort beginnt sich ein prächtig schauriges Naturspiel zu entwickeln: schwarzes Gewölk bricht aus der hinteren Ecke der Talmulde hervor; unheimlich jagen die Wolken an den Bergketten entlang, und über die unbelebte, in dämmerndem Halbdunkel daliegende Waldregion der Schluchten ziehen in rasender Eile die schwarzen Wolkenmassen dahin, gerade auf den Stationshügel zu. Mit dumpfen Echo bricht sich der Donner an den Bergwänden; flammende, bläulichrote Blitze sind seine Begleiter.

Ein
tropisches
Gewitter.
      Und nun kommt das Wetter: Zuerst der Sturm. Hu, wie er heulend um das lange Haus herumfährt, wie er die Palmen schüttelt und zaust, daß ihre schlanken Stämme sich niederwärts neigen! Selbst der mächtige, wetterharte Odumbaum, dessen Stamm vier Männer kaum umspannen können, beginnt unter dem wilden Anbraus zu zittern und zu ächzen; einige seiner gewaltigen Äste werden mit

furchtbarer Macht aus der Höhe zu Boden geschleudert, daß es kracht und dröhnt. Und nicht besser ergeht es seinem Gefährten, dem alten Seidenwollbaum; der muß seine Federn lassen. Wie bei einem Schneesturm der Schnee, so stöbern seine weißen Seidenwollflocken in den Lüften herum und verwandeln die Gegend wie in eine Winterlandschaft.

      Der Sturm wird immer ärger. So schlimm war's noch nie, sagen die Missionsgeschwister ängstlich zueinander. Und nun rauschen auch noch die schweren Regenschauer auf das Dach herab, daß es klingt und tönt. Wie eine wilde Jagd fegt der Sturm auf der Bühne herum, daß die Balken knarren. Nun ein Donnerschlag, krachend und prasselnd, daß das ganze Haus erzittert. Dann wieder Blitz auf Blitz, Donner auf Donner, so daß es den Bewohnern ist, als ob sie sich mitten in einer schrecklichen Kanonade befänden. Und immer noch kein Ende; immer noch tost und heult der Sturm. Einer der Missionare versucht es, über die Veranda zu gehen; er wird aber vom Sturm und Regen zurückgetrieben. Plötzlich hört man von der Mittelschule her ein schrilles Pfeifen und Krachen, dann den dumpfen Fall von irgend etwas Schwerem. Doch schon übertönt das Heulen des Sturmes alles andere. Ach Herr, sei uns gnädig und hilf uns! seufzen die Geschwister.

      Endlich läßt des Sturmes Gewalt nach; nur noch der Regen flutet herab. Die Geschwister eilen hinaus, in der Richtung, von der sie den schweren Fall gehört. Sie sind bald darüber im klaren. Da steht das ganze lange Schulgebäude ohne Dach vor ihren Augen. Mit unheimlicher Gewalt hat der orkanartige Sturm das schwere, 35 Fuß lange Wellblechdach aufgehoben, wie einen Ball in die Höhe geworfen und weit ab in die Plantage hinein auf die Palmen geschleudert. Wie Zündhölzer sind die armdicken Sparren zerknickt, wie Papier das Wellblech zerrissen. Aber gottlob, kein Menschenleben ist dabei zu Schaden gekommen; es hätte noch viel schlimmer sein können!

      Das Haus freilich ist schwer vom Regen mitgenommen; seine Reparatur erfordert wieder Extrakosten, und bei dem chronischen Defizit schreibt man nicht gern ans Komitee um finanziellen Beistand. Noch eine andere Sorge bewegt die Missionsleute; der junge Missionar ist noch unterwegs auf der Predigtreise; er muß im Urwald nun gerade ins Gewitter gekommen sein. Wie ist's ihm gegangen? wo ist er jetzt mit seinen schwarzen Begleitern?

      Das tropische Gewitter war schnell und plötzlich hereingebrochen, ebenso schnell ist es auch wieder vorüber. Am Abend vergoldet die untergehende Sonne mit ihrem letzten Schein die Kuppen und Kämme der Berge von Begoro. Und als bereits die Nacht ihren dunkeln Mantel über Berg und Tal treibt, langt auch mit nassen Kleidern und knurrendem Magen der junge Stationsgenosse an. Lebhaft berichten seine Begleiter, die stämmigen Waldsöhne, von erlebter Durchhilfe Gottes: sie hätten ihren „Owura“ (Meister) gerade in der Hängematte getragen, als nur ein Meter vor ihnen, vom Sturmwind entwurzelt, ein Baum gerade über den Weg gestürzt sei – um haarbreit hatte der Tod sie und ihren Herrn gestreift. So war genug Grund zum Danken noch geblieben, und bei der Abendandacht gaben die Missionsgeschwister dem im Lied Ausdruck, indem sie miteinander sangen:

Mich hast du auf Adlersflügeln
Oft geleitet väterlich,
In den Tälern auf den Hügeln
Wunderbar errettet mich.
Schien mir alles zu zerrinnen,
Ward ich doch der Hilfe innen.
Tausend, tausendmal sei dir,
Großer König, Dank dafür!


III. Etwas über Schlangen, Leoparden und Wanderameisen.

      Nicht wahr, lieber Leser, da bekommt man schon eine Gänsehaut, wenn man nur den Titel liest; eine gefährliche


Eine Termitenburg. Gebäude von weißen Ameisen aufgeführt.

Eine Termitenburg.

Gebäude von weißen Ameisen aufgeführt.


Gesellschaft – und unwillkürlich denken wir dabei an einen langen Säbel, ein geladenes Gewehr und ein mächtiges Feuer; mit dem Säbel schlagen wir der Schlange den Kopf ab, mit dem Gewehr vertreiben wir den knurrenden Leoparden, und das Feuer verjagt uns auch die bissigen Wanderameisen. Wenn man nur immer alles gleich bei der Hand hätte; aber damit geht's oft wie mit dem Geld: es ist nicht da, wenn man's braucht.
a) Die Schlangen.

      Die Schlangen spielen in Afrika eine große Rolle; überall gibt's solche, bis in unsere Häuser dringen sie, und oft wenn man sie ergreifen oder totschlagen will, sind sie mit Blitzesschnelle und großer Behendigkeit auf und davon; nicht umsonst sagt das Wort, ihre Schlauheit vergleichend: „Seid klug wie die Schlangen.“ Meine erste Begegnung mit Schlangen hatte ich im Urwald; ich hatte einen langen Stock in der Hand und ging auf dem schmalen Fußpfad meinen schwarzen Begleitern voran; Schlangen
im Gras.
plötzlich erhebt sich kerzengerade an meiner Seite eine große, schwarzblaue Schlange etwa kindshoch in die Höhe, sperrt ihren Rachen auf und zischt uns an; sie mußte, schien es, unversehens von meinem Stock im niederen Gras, wo sie lag, getroffen worden sein! – es war ein unheimlicher Anblick und ein Augenblick großer Gefahr, denn sie suchte nach mir zu stoßen; ich war unwillkürlich zurückgesprungen, so entging ich ihrem giftigen Biß; noch ehe wir dann an einen Angriff unsererseits dachten, verschwand sie, immer noch mit dem Vorderleib hoch aufgerichtet, im Urwalddickicht.

      Nicht lange danach, ich war mit meinem Freund Missionar Lädrach zusammen, bekamen wir in unserem Hühnerhof Besuch von einer schwarzen Schlange; über 150 Zentimeter war sie lang, und stolz kam sie daher, bis die Prügel der Schüler auf sie herabregneten und einer ihr mit dem Buschmesser den Kopf abschlug. Der Kopf wird dann jeweilen

an eine Holzgabel gesteckt und diese irgendwo aufgehängt, bis der Schlangenkopf recht ausgetrocknet ist. Dann wird er herabgenommen – aber vorsichtig natürlich – und in einem Mörser mit allerlei Pflanzen und Heilkräutern zusammengestampft, und dann wird diese „Arznei“ von einem Jäger eines Morgens mit etwas Palmwein geschluckt, damit er in Falle eines bösen Schlangenbisses nicht sterben müsse.

      Im gleichen Jahr vernahm ich eines Abends vor meinem Haus ein langgezogenes wehmutsvolles Trauergeheul. Wie ich hinausgehe, kommt ein langer Zug von klagenden Weibern und trauernden Männern daher, und in einem alten schmutzigen Tuch, das an einer Stange getragen wird, liegt zusammengekauert und tot eine Frau – von einer Schlange gebissen! 20 Minuten nach dem Biß war sie schon tot!

      Einer unserer Hängematteträger schüttelte eines Abends noch vor dem Schlafen sein einziges Kissen zurecht; es kam ihm vor, es sei nicht so weich wie sonst. Nun, das Schütteln war auch nötig, denn eine Schlange hatte sich tagsüber darein gelegt und sprang nun zischend heraus.

Die
Schlange
im
Kirchturm.
      Einst wollten unsere Jungen in Nsaba die Kirchenglocken läuten; eifrig kletterten sie in das Türmlein hinauf; aber noch eifriger kamen sie wieder herunter. „Owo o; owo o, owo o“, riefen sie ängstlich, und eine Menge Volks sammelte sich ums Kirchlein herum. Nicht lange ging's und ein Bombardement von Steinen flog an das Wellblechtürmlein hinauf, und gleich darauf schleuderte sich eine große und gefährliche Schlange zum Türmlein heraus auf den Kirchplatz hinunter, wo ihr natürlich kein guter Empfang zuteil wurde.

      Einmal war auf der Treppe in Begoro eine Schlange und oft schoß ich eine mit der Kugel von einer Palme herunter. Auf den Palmen halten sie sich überhaupt gerne auf. Da erinnere ich mich an einen Neger, der auch eines Tages auf eine Palme heraufkletterte, um Ölkerne abzuernten.

Wie er aber schweißtriefend oben anlangt, da fährt mit wildem Gezische eine große Schlange auf ihn los. Er aber, auch nicht faul, schlägt mit seinem scharfen Messer nach ihr und haut ihr auch richtig den Kopf ab. Aber leider trifft das scharfe Messer auch das Kletterseil, das ihn trägt – und mit einem Schrei des Entsetzens fällt er hinunter, und abends findet man ihn als Leiche im stillen, dunkeln Urwald draußen.

      Wieder einmal, ich war damals in Begoro, im Innern, machten wir, zwei Engländer, Missionar Lädrach und ich, einen Ausflug mit unsern schwarzen Schülern zu einem berühmten Felsen. Plötzlich rufen unsere Schüler wild durcheinander: „Owo o, owo o; owo o!“ Und was für eine Schlange, ein großes Prachtexemplar! Ich hatte gerade einen Speer in der Hand und hatte fast im Sinn, sie auf den Boden anzuspießen, als sie unversehens von einem Neger am Halse gepackt und kräftig gehalten wurde. Die
gehäutete
Schlange.
Es war der Bediente eines der beiden englischen Herren, und wollte offenbar diesem eine besondere Freude machen, indem er anfing, die Schlange lebendig abzuhäuten. Ihr könnt euch denken, daß ihm niemand dabei half; wir staunten über seine Kühnheit und vergaßen fast den Atem zu ziehen, bis die „Häutung“ vorbei war. Dieser Neger behauptete, seine alte Mutter hätte ihm ein gutes Gegenmittel gegen Schlangengift eingegeben als er noch ein Kind gewesen, und er sei deshalb gefeit. Nun, er war auch vorsichtig, damit ihn die Schlange nicht beißen konnte; er packte sie mit festem Griff hinten am Kopf, so daß sie den Hals nicht drehen konnte; mit dem langen Körper und Schwanz schlug sie allerdings fest um sich.

      Auch Riesenschlangen haben wir auf der Goldküste, und ich habe schon welche gesehen, an der drei bis vier Männer genug zu tragen hatten; natürlich war sie vorher getötet worden. Die Riesenschlange hat keine Giftzähne, sondern umringt und erdrückt ihre Opfer.

      Einer unserer Goldküste-Missionare war auf der Reise

und lag für ein Stündchen in der Hängematte. Nun kam eine schwierige Stelle, kreuz und quer lagen Bäume über dem Weg, und die Träger kamen kaum durch mit der Hängematte. Der Missionar sagte: „Halt, ich will wieder eine Strecke gehen.“ – „Nein, nein, Meister,“ lautete die Antwort der Neger, die die Hängematte trugen, „bleib’ nur liegen, es geht schon zur Not!“ Aber der Missionar hatte eine unerklärliche Unruhe und sprang aus der Hängematte. Eine halbe Minute darauf lag auf dem Kopfkissen in der leeren Hängematte eine gefährliche Schlange! War das nicht eine sichtbare Bewahrung Gottes? Die Schlange war von einem Baum, an den die Hängemattestange hingestoßen war, heruntergefallen und hätte den Missionar unfehlbar getötet, wenn er noch darin gelegen hätte.

      Als Frau Missionar S. einst in Kamerun abends noch Wasser am Waschtisch trinken wollte, sah sie, wie eben eine Schlange aus der Waschschüssel Wasser schlürfte. Ihr Mann schlug sie tot. Doch am nächsten Morgen lag eine zweite in der Schlafstubenecke, die er auch tötete. Nachmittags erschien eine dritte, und als er nun nachsah, fand er in der Wand ein Loch, das weitere 11 Schlangen barg!

Die
Schlange
in der
Kirche.
      In Aburi war's, an einem Sonntag, in der Kirche. Da kriecht plötzlich neben mir eine der gefürchteten, grünen, giftigen vorüber; Missionar R. springt auf, zieht rasch den Schuh aus – Waffen waren sonst keine da – und schlägt damit auf ihren Kopf; doch die Schlange kriecht weiter am Altar vorbei, wo ein Kirchenältester ihr einen zweiten Schlag versetzt und ihren Leib dann hinten in den Chor wirft; aber das Tier ist noch nicht tot; als man es nach der Beendigung des Gottesdienstes hinausschaffen will, züngelst es noch und verendet erst nach weiteren wuchtigen Hieben. – Doch zum Schluß noch eine ungefährlichere Schlangengeschichte! Eine Missionslehrerin, Fräulein N., guckte vor dem Schlafengehen unter ihr Bett

und gewahrte mit Schrecken den zusammengeringelten Leib einer großen Schlange. Im Nachtkleid flieht sie und ruft um Hilfe. Alles im Hause eilt herbei, aber keiner wagt, mit einem Stecken vorzugehen. Da kommt der Koch mit der Flinte – er ist Retter in der Not. Er zielt bedachtsam durch das Fenster auf das Untier – aber – er drückt nicht ab. Er geht schelmisch lächelnd in die Stube und bringt zum allgemeinen Entsetzen unterm Arm die vermeintliche Schlange mit: es war nur eine herabgefallene Schlummerrolle gewesen!
b) Leoparden.

      Neben den Schlangen war mir das unangenehmste Tier der Leopard. Die Neger nennen ihn manchmal den Feuerkönig, wohl wegen des unheimlich feurig leuchtenden Blickes. Diesen Blick habe ich noch gut im Gedächnis, als im feierlich stillen Urwald einst ein Leopard unsern Pfad kreuzte; auch klingt mir noch heute das knurrende katzenartige Gebrüll jenes Leoparden im Ohr, der unser Nachtlager im Wald umschwärmte; nur ein gut unterhaltenes Feuer hielt ihn von einem Antrittsbesuch bei uns ab. Wir Missionare sehen oft die gräßlichen Verwundungen, die diese Bestien den schwarzen Jägern zufügen, wenn man die übelzugerichteten, zerfleischten Menschen zu uns bringt, damit wir uns ihrer erbarmen und sie womöglich heilen.

Kampf mit
Leoparden.
      Schon mancher Neger ist auf der Leopardenjagd verunglückt, dann vom Missionar oder Missionsarzt wochenlang verbunden worden und trägt nun große Narben auf seinem Leibe als „Kriegsmünze“ herum; mancher ist auch getötet worden. So erinnere ich mich, daß im Stationsgebiet Nsaba ein Jäger einen Leoparden anschoß, aber eben nicht tödlich traf. Ein zweiter Neger kommt zu Hilfe, aber beide schlägt das Tier zu Boden und seine kräftigen Tatzen bohren sich immer tiefer ins Fleisch der schlechten Schützen. Nun aber hört der Fetisch- (Götzen-)

Priester (= Zauberer, Medizinmann) das Schreien, er eilt herbei und behauptet, seine Fetischmedizin könne den Leoparden töten; aber bald liegt auch er am Boden, und nach ihm noch ein vierter Neger; zwei starben, die andern zwei waren lange siech und wund.

      In Nsaba bauten wir vor Jahren auch einmal eine kräftige Leopardenfalle aus Bambus und beschwerten sie mit Steinen. Eine Ziege und ein Schaf wurden abwechslungsweise als Lockköder verwendet und in die Falle hineingetan; doch durch eine sinnreiche Einrichtung war der Leopard verhindert, das Schaf oder die Ziege anzugreifen. Vier Wochen warteten wir der Dinge, die da kommen sollten, aber der „Monsieur Leopard“ war schlau genug, nicht in die Falle zu gehen, was ich an seiner Stelle auch nicht getan hätte. Aber in jenen vier Wochen wurden in Nsaba nächtlicherweise nicht weniger als 40 Schafe und Ziegen geraubt. Guter
Schlaf!
Die Neger schlafen meist so gut und sicher, daß der Leopard schon ganz unglaublich brüllen müßte, damit sie erwachten. Kommt's doch vor, daß Ratten und Mäuse dem Neger gelegentlich die Zehen nachts anfressen, ohne daß er's merkt; oder wenn es kalt ist in den Nächten der Regenzeit, so legt er sich neben einen brennenden, langsam glostenden Baumstamm, und erst am Morgen merkt er, daß er große Brandblasen hat und halb gebacken ist. Doch das bringt uns ab von unserm Thema, wir reden ja immer noch vom Leoparden.

      Jäger, die den Leoparden siegreich bezwungen, gelten als mutige Leute und mit Recht. Das Fell wird in der Regel dem Häuptling des Dorfes geschenkt, der dem tapferen Jäger ein Gegengeschenk in Geld gibt. Die Tatzen und scharfen Krallen werden gar zu gerne von den Mohammedanern und von den Fetischpriestern gekauft, um allerlei „kräftige“ Amulette, d. h. Zaubergeräte daraus zu machen, und diese Zaubergeräte werden dann zu hohen Preisen verkauft. Auch die Beinknochen und der Schädel des Leoparden wandern viel und oft in den Fetischtempel

oder werden draußen beim Dorfeingang aufgehängt, um allerlei Unheil zu bannen.

Fang mit
Fallen.
      Manchmal werden dem Leoparden Gewehrfallen gestellt, und wenn er dann nicht aufpaßt, so geht die lange afrikanische Donnerbüchse halt los und macht ihm den Garaus. Oder starke Raubtierfallen werden gestellt und mit Schaffleisch gedeckt, und wenn diese Falle dann zuklappt, so möchte ich mein Bein nicht gern drin haben. Unglücklicherweise geraten auch etwa Menschen in solche Gewehrfallen oder Eisenklammerfallen und werden dann schrecklich verstümmelt. Und weil dann oft kein Mensch in der Nähe ist, so bleiben die Armen noch lange in ihrem Blut liegen, und ich weiß sogar, daß einst in meinem Bezirk Akem ein Neger in eine Falle geriet, elend litt und dem dazukommmenden Nachbar viel Geld versprechen mußte, bevor der ihm aus seiner bedauernswerten Lage heraushalf. Das war echt heidnische Lieblosigkeit!

Amulette.       Einer meiner heidnischen Freunde hatte ein Amulett (Schutzgott), das ich einst aufmachte. Es war ein großer Leopardenzahn drin und ein Stück Leopardenfell dabei, in das ein großes Stück Papier eingenäht war. Auf dem Papier waren viele Quadrate und Kreise und Rechtecke eingezeichnet, und in diese Figuren sind allerlei Anrufungen, Beschwörungen und Buchstaben in arabischer Schrift eingeschrieben gewesen. Das Ganze sollte gut und nützlich sein und Leopardenstärke besitzen zur Abwehr etwaiger Feinde und Widersacher. Auch Negerkinder trifft man dann und wann, die einen Leopardenzahn an einer Schnur um den Hals tragen, oder Soldaten, die einen Leopardenzahn am Handgelenk befestigen, damit kein böser Einfluß oder eine feindliche Kugel sie je gefährden könne!

      Ich erinnere mich auch, gesehen zu haben, daß, wenn ein Leopard getötet wird, der Jäger gewisse Vorschriften zu befolgen hat, z. B. mit Palmöl die Schußwunde bestreichen, weiße Erde auf den Kopf des getöteten Leoparden streuen usw. Das hängt eben damit zusammen, daß

die Vorstellung da ist, es habe vielleicht ein Geist in dem Leoparden seine Wohnstätte gehabt. – Mit seinem Fell werden die Kriegstrommeln überzogen und für die Könige und Häuptlinge werden Kriegsmützen daraus gemacht.


Der Fetisch Odente von Date bei Akropong.

Der Fetisch Odente von Date bei Akropong.

In dem Lehmhaufen wurde seinerzeit ein Knabe lebendig als Götzenopfer begraben.


Auch die Fetischpriester tragen oft solche „Leopardenmützen“; sie dienen als Abzeichen königlicher oder priesterlicher Gewalt.

      Und wie die Asanteer vor langen Jahren das Herz des tapferen englischen Gouverneurs M’Carthy gegessen

haben, um sich dessen Heldenmut anzueignen und aus seiner „Seelenstärke“ Nutzen zu ziehen, so kommt es auch heute noch vor, daß ein Neger etwa das Herz des Leoparden verzehrt, um die Vorzüge dieses Tieres zu erben und sich übernatürliche Stärke zu verschaffen.

      Das erinnert mich aber daran, daß nicht nur die Zähne des Leoparden, sondern auch des Menschen eigene Zähne von den Negern als Zaubermittel verwendet werden. So konnte es vorkommen, daß, wenn ich in Afrika einen Zahn auszog und derselbe etwa auf den Boden fiel, ihn der Besitzer sorgfältig auflas und ihn sich nachher um das Handgelenk oder seinem Kinde um den Hals hängte; denn nach seiner Anschauung ist drin ja Seelenkraft, Lebensstoff enthalten und darf nicht so leichthin verschwendet werden. So ist auch Seelenstoff im Haar, und deshalb wird das Haar des Negers, wenn es ihm abgeschoren wird, nicht schlechtweg weggeworfen, sondern in die Fugen und Nischen der Lehmhütte hineingestopft.

c) Von Wanderameisen.

      Ein Tierchen, das einem das Leben in Afrika besonders erschwert, ist die Ameise, hierzulande geschätzt unter dem Gesichtspunkt: „Geh’ hin zur Ameise, du Fauler, und lerne von ihr“. In Afrika hat sie keinen so guten Ruf. Es gibt dort alle möglichen Arten; da sind die ganz winzig kleinen, die oft der Missionarsfrau in deren Speisekammer Verheerungen anrichten. Gefräßige
Tiere.
Dann die weißen Ameisen, die Termiten, so gefräßig wie ein Nimmmersatt, die es besonders aufs Holz abgesehen haben, aber auch Bücher, Leder, Tuch und dergleichen nicht verschmähen; mancher von den Missionaren weiß ein Klagelied darüber zu singen. Mir sind sie auch einst in meine Bücherei eingefallen, und einen Lederkoffer haben sie mir in kurzer Zeit zuschanden genagt. Wegen dieser gefräßigen Tiere darf der Missionsbaumeister nur Hartholz verwenden, um eine Missionsstation zu bauen, sonst höhlen die Termiten

die Balken in kurzer Zeit aus, daß sie wie Strohhalme sind, und das Haus würde wie ein Kartenhaus zusammenplumpsen. Wenn ein Invalide mit einen hölzernen Bein sich auf der Goldküste am Boden schlafen legte, so könnte es ihm passieren, daß ihm sein Bein des Morgens weggefressen wäre. Schlimm ist es auch, wenn sie den Korkzapfen aus der Flasche herausnagen. Mir haben sie einst auch die Hängemattestange ausgehöhlt, und zwischen Begoro und Oseem bei Akem lagen infolgedessen plötzlich die schwarzen Träger und der weiße Missionar übereinander am Boden – die Stange war schön in der Mitte gebrochen; als junger Missionar hatte ich zu wenig aufgepaßt, und wer nicht aufpaßt, muß ja immer dafür büßen, das ist eine alte Wahrheit.

Die
Wander-
ameise.
      Wohl am interessantesten sind aber die schwarzen, sogenannten Wanderameisen. Die Wanderameisen leben hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, von Fleisch. Wenn die roten und die schwarzen Ameisen einander in den Weg kommen, dann gibt's ein regelrechtes Schlachtgetümmel, das gewöhnlich mit der Niederlage der roten endigt, und die Wanderameisen schleppen ihre Beute davon. Sie stehen wie ein Bataillon unter der Führung eines „Ameisen-Majors“; bald schwärmen sie aus in Schützenlinien und packen alles an, was ihnen in den Weg kommt, Menschen und Tiere, oder aber sie marschieren in geschlossener Zugskolonne stundenlang im Eilmärschen dahin. Kommt ein Hindernis, so arbeiten sie mit ihren scharfen Zangen wie fleißige Pioniertruppen, bis der Weg wieder offen ist. Wenn sie einmal anpacken, so lassen sie nicht mehr los; man muß sie mit Gewalt wegreißen; lieber lassen sie den Kinnbacken fahren, als daß sie ihr Opfer loslassen. Ihr Biß ist recht schmerzhaft, und ich will gerne gestehen, daß ich von ihnen angegriffen, immer Reißaus genommen habe. Um auch etwas Gutes von ihnen zu sagen, so ist zu bemerken, daß sie alle tierischen Stoffe und Leichenteile prompt auf die Seite schaffen.

Nächtliches
Erlebnis
mit
Ameisen.
      Anno 1899 machte ich mit meinem Kollegen Lädrach eine Predigtreise; ich lasse meinen Freund weiter schildern, was geschah: Nach getaner Arbeit legten wir uns müde auf unsere Feldbetten und unter dem eintönigen Gesang der Moskito schliefen wir bald ein. Freilich spazierten Schäflein und Böcklein des Lehrers alle Stunden ein paarmal durch unser Zimmer und wilder Lärm drang aus der nahen Heidenstadt zu uns herüber, aber das war noch nicht das schlimmste. So um Mitternacht herum besuchten uns die Wanderameisen. An einem Holzkoffer, in dem ein paar merkwürdig riechende Stinkfische von der schwarzen Lehrersfrau aufbewahrt wurden, kletterten sie hinauf, und von da ging's in „Kompagnieformation“ auf mein Feldbett hinüber. Zuerst glaubte ich zu träumen, als jedoch die kleinen Plaggeister „Sturmangriff“ auf mich machten, fuhr ich auf und suchte nach den Zündhölzchen, die ich natürlich in meiner Verzweiflung nicht fand; der ganze Fußboden war schwarz von Ameisen. Ich rief meinen Freund: „Wo sind die Zündhölzchen?!“ Doch der schlief den Schlaf des Gerechten und lag in seinem Feldbett wie auf einem Isolierschemel. Weil sein Feldbett nirgends angelehnt war und eiserne Füße hatte, so konnte keine Wanderameise ihn in seinem gesunden Schlaf stören. Als er endlich erwachte, – ich hatte vorher in meinem wilden Schmerz auch noch glücklich die Laterne und anderes umgeworfen, weil ich mir im Dunkeln gar nicht mehr zu helfen wußte und nur wild um mich schlug und stampfte und kratzte – mußte er sich zuerst herzlich auslachen, bevor er mir helfen konnte, denn die Situation, in der ich mich befand, war trotz allem Wanderameisenunglück eine komische. Als dann der schwarze Lehrer mit feurigen Kohlen anrückte oder mit warmer Asche, die wir auf den Boden streuten – da trat das Wanderameisenregiment eilends den Rückzug an. Freilich, aus dem Schlafen wurde nicht mehr viel. –

      Im Jahre 1900 oder 1901 mußte einer unserer Christen

von Nsaba aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, weil er sich nicht mehr um Gottes Gebote kümmern wollte. Trotz allen Ermahnungen sank er von Stufe zu Stufe und verlegte sich zuletzt auch noch aufs Stehlen. In einer dunkeln Nacht nahm er einen Sack und erkletterte auf der Plantage eines Nachbarn einen Kolanußbaum; aber o weh! er muß ausgeglitscht sein, fiel herunter und konnte sich nicht mehr fortbewegen. Niemand wußte, wo er war und wie elend er dran war. Fünf Tage später war ich gerade im „Königshof“ in Nsaba, als zwei Negerbuben dem „König“ Jaw Duodu meldeten, daß im Urwald draußen ein Leichnam liege und von den Wanderameisen fast aufgefressen sei! Schnell ging ich mit dem schwarzen König hinaus nach der bezeichneten Stelle, aber wir konnten unmöglich an den Leichnam herankommen. Millionen und Millionen von Wanderameisen hatten sich da eingestellt und bedeckten den Leichnam, den sie bereits ganz angefressen hatten. Und es bestand kein Zweifel, daß der Dieb, eben jener Mann, der sich vom Missionar nicht warnen lassen wollte, der vermißte Mann war und vor uns lag. Um seine Leiche zu bergen, mußten die Wanderameisen zuerst mit großen Feuerbränden verscheucht werden. Das war ein Ende mit Schrecken; niemand konnte sagen, ob nicht die Ameisen ihm in Mund, Nase und Ohren hineingekrochen waren, bevor er tot war; möglich wäre das schon.

      Wie mag es denen zumute gewesen sein, denen man früher Hände und Füße gebunden und sie dann lebendig den Wanderameisen zur Beute hingeworfen hatte! Das ist so recht heidnisch, und mahnt uns zum Schluß, nun über den Schlangen, Leoparden und Wanderameisen die Menschen im Heidenlande nicht zu vergessen; denn der Mensch ist doch die Krone der Schöpfung und steht über den Tieren. Wenn auch die Tiere ein „Seelenleben“ führen, so hat der Mensch doch eine unsterbliche Seele, die die Tiere nicht haben. Deshalb gehen wir hinaus

nach Afrika nicht als Tierfreunde, sondern als Freunde der Schwarzen, um ihnen das Evangelium zu bringen, und ich hoffe, daß viele meiner großen und kleinen Leser und Leserinnen auch recht oft und viel als Freunde des schwarzen Mannes die Sache der Mission fördern, so gut sie es können, mit Herzen, Mund und Händen.


IV. Heidentum: In der Blutstadt Kumase.

Gefangen
in Asante.
      Hast du, lieber Leser, schon gehört von der ehemaligen Residenz, der blutgetränkten Hauptstadt der Aschantikönige, die früher ein mächtiges schwarzes Tyrannen- und Herrschergeschlecht waren? Wenn nicht, dann laß mich dir einiges schildern, du siehst dann, wie rohes Heidentum aussieht und wie wenig die recht haben, die sagen: Laßt sie doch, die Heiden sind so glücklich in ihrem paradiesischen Naturzustand! Schon seit Jahrzehnten war das Augenmerk der Basler Mission bei ihrem Vormarsch auf Kumase gerichtet; aber lange blieb es der Botschaft des Friedens verschlossen. Da betraten im Jahre 1870 die Missionare Ramseyer, mit Frau, und Kühne das Weichbild der Stadt, aber freilich wider ihren Willen; bei einem feindlichen Einfall der Aschantis im heutigen Togo wurden sie 1869 auf ihrer Station Annum gefangengenommen und von den Kriegern unter unsäglichen Leiden nach Kumase geschleppt (siehe Büchlein: Vier Jahre gefangen in Asante, von Ramseyer. Basler Missionsbuchhandlung). Elf Monate waren sie unterwegs; lange Märsche durch die glühende Steppe, Ungeziefer, Hunger, Durst, Flüche, nachts mitunter die Füße in Eisen, dann ein kleines Grab, darin Ramseyers ihr langsam verhungertes, zehn Monate altes Fritzchen legten, wochenlanges Warten in elenden Dörfern, doch auch hie und da ein mitleidiges Herz, eine freundliche Gabe – so waren sie endlich nach Kumase gekommen. Was schon früher europäische Besucher der Stadt mit Grauen erfüllt hatte, lernten die Gefangenen in 3½ langen


Berüchtigte Scharfrichter von Kumase.

Berüchtigte Scharfrichter von Kumase.


Jahren gründlich kennen. Oft sahen sie die Scharfrichter, die schwarzen Gesichter noch mit Kohle bemalt, die Messer im Gürtel, umhergehen; sie sahen die Menschenschädel, womit die Trommeln, die menschlichen Kinnladen, womit die Blasinstrumente geschmückt waren; sie sahen jenen gewaltigen Messingkessel, dick mit Menschenblut überschmiert und mit Löwenbildern und Kugeln geziert, der als Sitz eines großen Geistes göttlich verehrt wurde.

Ein
Opferfest.
      Das war ein grausiger Festtag, als der König nach Bantama in die Gruft seiner Vorfahren ging, um den mit Golddraht zusammengefügten Skeletten zu essen zu geben. Jedes setzte man auf einen Stuhl in seiner Zelle. Jedem spielte die Musik sein Lieblingslied. Und was bedeuten die zwei Stöße ins Horn, die drei Trommelschläge, die man immer wieder hörte? Das Horn bedeutete: Der Tod! Der Tod! Die Trommel gab das Zeichen zum Abschneiden eines Kopfes; ein einzelner Trommelschlag verkündete, daß der Kopf gefallen sei. Mit dem Blute wusch der König die Skelette. – Das war eine traurige Prozession, die einst an der Hütte der Missionare vorbeizog. Man führte einen Mörder zum langsamen Tode. Das Messer durch die Backen, die Hände auf dem Rücken, den Strick um den Hals, so führte man ihn durch alle Straßen; als er vorbeiging, sah man noch die zwei Foltergabeln in seinem Rücken stecken. Um Mittag pflegte da die Folter zu beginnen. Am Abend hieb man dem Verurteilten Schnitte in alle Körperteile, hackte ihm wohl auch die Arme ab oder stieß ihm Eisen durch Waden und Bauch; dann sollte er vor dem König nach dem Trommelschlag tanzen, und wenn er nicht konnte, half man mit brennenden Scheiten nach. – Und fast noch trauriger waren die Menschenzüge, die je und je durch die Stadt getrieben wurden, bis zu tausend an einem Tage. Es waren Kriegsgefangene oder mit List erbeutete Sklaven, einen Lumpen um die Lenden, abgemagert bis auf die Knochen, darunter Frauen mit Säuglingen auf dem Rücken und klägliche

Kindergestalten. Was mußten sie erlitten haben und was mochte ihrer warten!

Befreiung.       Als im Januar 1874 ein englisches Heer über die Grenzen von Asante rückte und unsere Gefangenen vom König Karikari entlassen waren und der Freiheit entgegeneilten; als plötzlich in der Wildnis der Zug hielt und Ramseyers dem ersten englischen Offizier gegenüberstanden, da waren sie wie die Träumenden.

      Aber freilich, was war mit ihren Leiden für Asante erreicht? Kumase hatte jetzt eine christliche Gemeinde gehabt, bestehend aus den gefangenen Europäern und einigen schwarzen Christen, die ebenfalls dort festgehalten wurden. Ramseyer durfte in seiner Behausung Gottesdienst halten, später auch in den Straßen predigen, und jedermann hatte Zutritt. Ein Häuflein Kinder ließ sich herbei, zur Schule zu kommen, und lernte wenigstens ein paar Lieder singen. Auch hatten die Gefangenen hie und da Gelegenheit, an jenen verschmachteten Sklaven christliche Barmherzigkeit zu beweisen, wenigstens mit dem Erfolg, daß sich die Kumaser und ihr König über diese seltsame Regung verwunderten. Aber bekehrt war niemand; Fetischdienst und Menschenopfer gingen fort.

      Im Jahre 1881 machten wieder zwei Basler Missionare einen Besuch in Kumase. Beim Eintritt in die Stadt führte ihr Weg über ein frisches Grab; rechts davon stand ein Topf mit Blut, links war ein lebendiges Schaf mit Hölzern an den Boden gespießt. In dem Grabe lag ein Mädchen, das man geopfert hatte, um den Besuch der Weißen unschädlich zu machen. Missionar Huppenbauer beschreibt die Begrüßung beim König recht anschaulich also:[GWR 2]

Der
tanzende
König.

      Der Lärm wurde immer wilder, denn seine Majestät König Mensa von Kumase nahte, getragen in einem prächtigen Tragkorb, unter seinem Schirm und umgeben von allen seinen Scharfrichtern, die ein fürchterliches Geschrei verführten. Der König war mit Fackeln aus Palmzweigen wohl bedient. In unsrer Nähe angekommen, stieg er aus

und begann zu tanzen, die höchste Ehrenbezeugung, die einem in Asante widerfahren kann. Während zwei bis drei Männer mit ausgebreiteten Armen um ihn herumstanden, bereit, wenn er während des Tanzens fallen sollte, ihn zu halten, lagen eine Anzahl Knaben vor ihm auf dem Boden, mit ihren Händen Steine und Steinchen weglesend und ihm immer zurufend: „Löwe, sieh vor dich!“ In nächster Nähe spielte die Hofmusik ein Lied, „das Steine erweichen, Menschen rasend machen kann.“ Genau beschreiben läßt sich eine solche Musik nicht, man muß sie gehört haben. Als endlich der König auf einem Bein stehend wie ein Storch das andere aufzog, hatte die Feierlichkeit ihren Höhepunkt erreicht. Dieser Augenblick wurde der Menge kundgegeben durch ein Signal mit einer europäischen Trompete. Nun aber brach die unabsehbare Menge in ein Lärmen und Schreien aus, daß die Erde dröhnte. War das ein Trommeln und Pfeifen, ein Klappern und Trompeten, ein Jauchzen und Brüllen – mit einem Wort: ein wahrer Heidenlärm! Und nun kam der König heran, lächelte freundlich und bot uns die Hand. Er machte den Eindruck eines gutmütigen Menschen. Wenn man ihn zum erstenmal sieht, glaubt man, er könne niemand etwas zu leid tun. Allerdings hatten wir bald Gelegenheit zu erfahren, daß er eben auch ein blutdürstiger Despot ist, und wenn er auch manches unterlassen möchte, so wird er doch durch Gesetz und Überlieferung und religiösen Aberglauben gezwungen, die Sitten der Väter beizubehalten. Es ist nicht alles, was man von solchen Königen hört, persönliche Neigung zur Grausamkeit, sondern es wird zum großen Teil von ihrer Religion gefordert, die man ja aber nach Meinung vieler den Negern lassen soll, weil sie sich wohl dabei befinden! Bekleidet war der König mit schwarzer Seide. Auf der Brust trug er eine massiv goldene Platte, um das Haupt ein breites, goldenes Stirnband, an den Fingern und Zehen, Armen und Beinen hatte er goldene Ringe und Spangen. Nach dem

König grüßten wir noch dessen Mutter und einige angesehene Hofbeamten und Fürsten. Dann aber eilten wir, so rasch als möglich aus dem höllischen Lärm und der schrecklichen Atmosphäre herauszukommen, was uns auch nach einigen Anstrengungen gelang. Wir waren ganz in Schweiß gebadet und atmeten erleichtert auf, als wir das Getümmel hinter uns hatten.

Heiden-
greuel.
      Wie manches traurige Bild von Heidentum bekamen sie dann noch während ihres achttägigen Aufenthalts in Kumase zu sehen. Wie manchen sahen sie ohne Ohren, Nase oder Lippen; namentlich Frauen verfallen dieser Strafe. Den Lippenlosen wächst oft durch wildes Fleisch der Mund so zusammen, daß sie kaum mehr essen können; dann müssen sie den König um Öffnung des Mundes bitten, worauf ein Scharfrichter die Operation mit einem Schnitt seines Messers vollzieht. Kumase, zu deutsch: „unter dem Tod“, machte seinem Namen alle Ehre. Es wurden in dieser Stadt an manchen Tagen zehn, zwanzig, vierzig, ja hundert und mehr Menschen geopfert – wahrlich – sie hätten die höflich ausweichende Antwort des Königs nicht zu hören gebraucht, um zu wissen: Es ist noch das alte Land, dem Evangelium verschlossen.

      20 Jahre später, 1901, bin auch ich dort in Kumase eingezogen, als einer der ersten Weißen, der es wagte, nach dem Aufstand der Aschantis und nach gewaltsamer Öffnung des Landes durch ein englisches Heer dorthin zu zu gehen, zugleich um im Auftrage der Mission wieder Verbindung mit den Häuptlingen anzuknüpfen. Der Aschantistolz ist jetzt gründlich gebrochen, der Tyrann und König deportiert und eine neue Zeit beginnt für Aschanti:

Siehe, das Licht dringt da herein,
Gibt der Welt einen neuen Schein!

      Heute steht auf demselben Platz der Aasgeier, wo wir noch damals etwa 5000 Menschenschädel bleichen und die Aasgeier an Knochen von verstümmelten Menschen haben herumnagen sehen, die Kirche unserer Mission und ihr

schlanker Turm zeigt in die Höhe; neben der Kirche liegen Schulen und Missionsstation, Faktoreien und Regierungsgebäude, ein Morgenrot dämmert dem Volk, es ging durch Nacht zum Licht.
Hüter, ist der Tag noch fern? –
Schon ergrünt es auf den Weiden
Und die Herrlichkeit des Herrn
Nahet dämmernd sich den Heiden.
Blinde Pilger flehn um Licht –
Jesus hält, was er verspricht!


V. Missionsarbeit.

a) Durch Predigt und Krankenheilung.

      Gewiß werden nun manche Leser von meinen Missionserlebnissen unter diesen Negern, meiner Arbeit an ihnen Näheres wissen wollen. Die Arbeit des Missionars besteht in der Hauptsache aus dreierlei: Predigt des Evangeliums, Schularbeit und praktischer Liebestätigkeit; in Heilung des leiblichen Elends. Aus dieser dreifachen Tätigkeit mögen einige Erlebnisse folgen:

Bei den
Aschantis.
      Es war im Jahre 1901, da kam ich in ein großes Aschanti-Dorf, tief im Innern der Goldküste; ich hatte eine beschwerliche Reise hinter mir, durch den Urwald mit seinen Riesenbäumen, seiner Fieberluft, seinen wilden Tieren, Schlangen und Leoparden, seinen Sümpfen und seinen schmalen Fußpfaden. Das einzige Beförderungsmittel ist dort der Kopf des Negers – die Tsetsefliege tötet alles größere Vieh und die Pferde –; so hatten mich vier Neger in der Hängematte auf den Köpfen getragen, denn bei der bösen Luft und bei 35 bis 40 Grad Celsius Hitze im Schatten, kann ein Europäer nicht täglich acht Stunden auf Schusters Rappen machen. Kaum war ich im Dorf angekommen, so brachte mir eine Negerfrau mein Abendessen: Fufu, ein großer Knödel aus Yams, mit Pfefferbrühe überschüttet, und oben darauf lagen zwei große schwarze Waldschnecken; dazu ließ ich mir von meinem


„Wie wir den Heiden predigen.“

„Wie wir den Heiden predigen.“


einäugigen Hausbuben Kyame – er hieß sich meistens Albert, wie ich – Kaffee machen. In jedem Dorfe herrschte eine Frau, eine Häuptlingin; abends versammelte sie ihr Volk unter den Schattenbäumen des Marktplatzes, um zu hören, was der Obroni, der Europäer, ihr zu sagen habe. So zog ich denn im Gänsemarsch mit meinen sieben schwarzen Begleitern dorthin, wo sich mir ein farbenprächtiges Bild darbot: die Häuptlingin saß auf einem mit Goldblech beschlagenen Stuhl; hinter ihr standen drei herkulische Neger, die einen seidenen Schirm über der Fürstin schwangen, das Zeichen ihrer Würde; vor ihr auf dem Boden lagen die Hofnarren, verkrüppelte Zwerge und Albino- (weiße) Neger und Kinder mit Goldschildlein auf der Brust; rechts und links von ihr standen die großen Kriegstrommeln, an denen die Schädel von gefallenen Feinden hingen. Die Frau war sehr grausam, sie hatte während des Aufstandes der Aschantis gegen die Engländer (1900) viele Sklaven töten und ihr Blut über die Götzen schmieren lassen, um sie zu verhöhnen und Heil und Sieg ihrem Land zu verschaffen. Im Hintergrund standen die Krieger, alle mit roter Farbe angestrichen, dann die Weiber und Sklaven. Ja, liebe Freunde, was hätte ich nun diesen armen, vom Fetisch geknechteten Menschen bringen sollen? Da sagt einer: Kultur und Zivilisation! Ganz recht, – das kommt durch uns und unsere Schularbeit – aber für die Neger bedeutet Der
Alkohol.

unsere Kultur oft nur Schnaps; im Jahre 1906 kam auf die Goldküste für 8 Millionen Mark Schnaps. Nach der Regierungsstatistik hat die Zufuhr seither um 7 Millionen zugenommen, so daß der Wert des eingeführten Branntweins jetzt 15 Millionen Mark im Jahr beträgt. Wer aber weiß, wie schädlich das Schnapstrinken ist, ahnt, wie dadurch die armen Negervölker entkräftet werden. Wer weiß, was es heißt: gott-los, friede-los, glaubens-los, hoffnungs-los zu sein, wird die Heiden nicht glücklich nennen; wer nun aber noch zusehen muß, wie man ihnen

alle die schlechten Erzeugnisse unserer Kultur auch bringt, wird sie bedauern.

      Seht, da war ich so froh, daß es hieß: ihr werdet Gottes Zeugen sein! – und freudigen Herzens predigte ich über jenes unvergleichliche Jesuswort: „Also hat Gott die Welt geliebt“, Joh. 3, 16. Am Schluß meiner Ansprache glänzte eine Träne im Auge der wilden Häuptlingin, und sie sagte zu mir: „Europäer, dein Wort ist mir süß, sende mir einen Lehrer, daß ich noch mehr von der guten Botschaft vernehme!“ – und vor einigen Jahren durften wir dorthin einen Lehrer senden, einen schwarzen; er hält Werktags eine kleine Schule ab und zeugt vom Herrn Sonntag für Sonntag; an Weihnachten hatte er die Freude, daß einige Männer, die einst ihre Hände besudelten im Menschenopfer und nachts bei den schändlichen Mondscheinfesten die Schnapsflasche von Mund zu Mund gehen ließen, sich gründlich bekehrt haben.

Mission
durch die
Tat.
      Mehr noch als durch Worte kann man oft durch den Wandel oder eine liebevolle Tat zeugen, bei uns daheim sowohl wie in Afrika. Da kam einmal eine Negerin auf unsere Missionsstation Akropong; hinten auf den Rücken hatte sie ihr dreijähriges Kind gebunden; eigentlich hätte es schon laufen müssen, aber das Knäblein war krank; wie die zwei auf meine Veranda kommen, merke ich's auch an dem schrecklichen Geruch: das Kind hat am Ärmchen eine entsetzlich große Wunde voller Eiter, an der die Schmeißfliegen haufenweise herumsitzen. Ich frage die Frau in der Landessprache: „Waye deng, na eye sa?“ – [GWR 3]was hast du denn gemacht, daß die Wunde so schlimm wurde?“ „Ach Herr,“ sagte sie, „ich habe alles versucht, sie zu heilen. Zuerst bin ich beim Fetischpriester (der meist auch Medizinmann ist) gewesen. Er hat mir befohlen, ich solle eine lebendige Katze in den Boden spießen, dann werde der böse Geist der Krankheit weichen!“ – „Und wie das nichts half, was hast du dann getan?“ fagte ich. – „Ja, dann habe ich siedendes Wasser darüber gegossen!“ – „Das sehe

ich auch, denn die Wundränder sind verbrüht! – und dann?“ „Ja, dann habe ich, wie du siehst, Pfeffer draufgeschmiert und Lehm und das Ganze mit Bast zusammengebunden; aber Herr, 's wird nicht besser, hilf mir doch, ich bitte dich, sonst stirbt mein Kind – du hast ja erst neulich meinem Onkel einen Zahn gezogen, ach hilf doch auch mir!“ – Nun, da habe ich nicht gepredigt, sondern nur dem Kind die Wunden gewaschen, Medizin draufgetan, und meine Frau – die auch mit mir in Afrika war und Freud und Leid des afrikanischen Missionslebens treu und aufopfernd mit mir teilte – gab der Mutter zur besseren Ernährung des Kleinen eine Büchse Hafermehl und kondensierte Milch – denn sonst gibt's ja keine Milch dort für die kranken und gesunden Negerkinder. Nach sechs Wochen kam die Frau freudestrahlend: „Herr, ich danke dir, mein Kind wird wieder gesund!“ – Und ein halbes Jahr später kam sie wieder mit dem Jungen, diesmal an der Hand: „Afei mepe se mesom Onyame!“ ruft sie, „jetzt möchte ich auch Gott dienen, dem Gott, dem ihr dient; das muß ein Gott der Liebe sein, der euch die Liebe lehrt!“

Ärztliche
Mission.
      Gerade die ärztliche Mission ist imstande, die Herzen der Heiden zu gewinnen. Und der Missionar von heute kann nicht an der großen Krankheitsnot der Heidenwelt vorübergehen, ohne nach Kräften zu helfen, und durch solchen Liebesdienst haben wir noch immer das Vertrauen der schwarzen und gelben und braunen Menschen gewonnen.

      So schreibt erst kürzlich ein Freund von mir, der im Innern Deutsch-Togos unter dem Volk der Dagomba seit einem Jahre (Dezember 1912) arbeitet:[GWR 2]

Samariter-
dienste.

      Die einzige direkte Missionsarbeit, die mir bis jetzt zu tun möglich war, waren Samariterdienste. Bald nach unserer Ankunft in Jendi erschienen Hilfesuchende, Leute mit den verschiedensten Gebrechen, oft wahre Schreckensgestalten, wandelnde Totengerippe, über und über bedeckt


Unser Freund, Missionsarzt Dr. Hey in der Sprechstunde.

Unser Freund, Missionsarzt Dr. Hey in der Sprechstunde.


mit übelriechenden, eiternden Wunden. Nur notdürftig waren die Wunden mit Baumblättern oder Wurzelfasern verbunden und meist mit einer dicken Schicht einheimischer Medizin bedeckt. Beim Entfernen der alten Krusten quoll viel Eiter heraus. Allgemein gebräuchlich als Deck- und Heilmittel für Wunden sind hier Holzasche, die jungen saftigen Blätter verschiedener Sträucher, die zu Pulver gestampft werden, und der klebrige Saft einer roten Baumwurzel. Wäre Wasser hierzulande nicht so kostbar, so würde ich gerne über einen jeden Patienten einen Kübel Wasser gießen, um alle Krusten ihrer Medizin zu entfernen; ich muß mich mit weniger begnügen.

      Die Zahl derer, die bei mir Hilfe suchen, wächst täglich, und mit der Zahl wächst auch die Entfernung, aus der sie herkommen. Kamen sie anfänglich nur von Jendi und der nächsten Umgebung, so kommen sie jetzt Tagereisen weit her. Hat einer bei mir Hilfe gefunden, so schickt er mir wie zum Dank zwei Genossen mit noch übleren Wunden zu. Im ganzen habe ich gegenwärtig etwa sechzig in Behandlung. Eine Anzahl konnte ich auch schon geheilt wegschicken.

      Sehr viel Geduld und Mühe erfordern die alten, eiternden Wunden, bis endlich eine Besserung eintritt. Vielfach sind ganze Körperteile eine einzige große Wunde, oder sie sind mit einer Anzahl kleiner Wunden wie übersät. Manchesmal muß ich seufzen und sagen: wüßte und verstünde ich doch mehr, wäre doch ein Arzt hier. Blinde verlangen ihr Augenlicht; andere, deren Arme und Beine durch Wunden steif und krumm geworden, erwarten von mir, daß ich ihnen wieder gesunde, gerade Glieder verschaffe. Kleine, leichte Wunden sind nur Ausnahmen. Einer meiner ersten Kranken war ein junger Bursche, zum Skelett abgemagert. Arme und Beine waren gekrümmt und über und über voll Wunden. Da er zu elend war, um zu gehen, ritt er auf einer Kuh fünf bis sechs Stunden weit her. Heute, nach vierteljährlicher Behandlung, marschiert

er wieder flott, wenn auch seine Wunden noch nicht ganz geheilt sind. Ein junger Mann von hier hatte eine von einer Syphiliswunde stark angefressene und klumpige Hand; lange Zeit schien alle Mühe vergeblich, jetzt ist seine Wunde schön geheilt. Einer kommt zu mir, dessen Nase abgefault und dessen Rachen eine Eiterhöhle ist; auch seine Augen sind angefressen. Ich hoffe, daß seine Augen noch gerettet und der ganzen Krankheit gewehrt werden kann. Ein anderer kam zu mir, dessen Gesicht, mit Ausnahme eines Auges, eine faulende Masse ist. Nase, Wangen, Lippen und ein Auge sind ihm bereits abgefault. Der Mund läßt sich nicht mehr erkennen. Reden kann dieser Ärmste nicht mehr, sondern nur noch einige gurgelnde Laute hervorbringen. Ihm mußte ich sagen, dir kann ich nicht mehr helfen. Noch nie in meinem Leben sah ich einen solch elenden Menschen. Er besaß fast nicht mehr die Kraft, die ihn ständig umschwirrenden Fliegen abzuwehren.

      Ähnliches schrieb uns ein anderer Freund aus Kamerun, aus dessen Brief einiges dem lieben Leser zu schildern ich mich nicht enthalten kann:[GWR 2]

Heidnische
Quack-
salberei.

      In früheren Zeiten kam es oft vor, und es geschieht auch jetzt noch hie und da im Lande herum, daß man die Leiden eines Kranken, wenn keine Aussicht auf Besserung mehr vorhanden ist, dadurch abkürzt, daß man ihn sozusagen ertränkt. Mit Kalabassen wird ihm Wasser in Mund und Nase geschüttet, bis Seele und Leib sich trennen. Da kam es aber einmal vor, daß einer durch das frische Naß so erquickt wurde, daß er anfing sich zu wehren und nachher bald wieder genas. Die Prozeduren, die die Leute mit ihren Kranken vornehmen, sind oft schreckliche. Wird eine Krankheit hitzig, so daß der Kranke deliriert, wie das oft bei Lungen- und Brustfellentzündung vorkommen kann, so meinen sie, die Krankheit sitze im Kopf, er sei verrückt geworden. Scharfe Pflanzensäfte werden ihm in Ohren, Augen und Nasen gegossen, um das böse Ding aus dem

Kopfe zu treiben. Die Folge davon ist meist eine Entzündung und Vereiterung dieser Organe und eine erhebliche Vermehrung der Leiden des armen Menschen.

Aber-
glaube.
       Aber nicht nur unbeholfen sind unsere Schwarzen, sondern auch sehr abergläubisch. Krankheit und Tod beruhen nach ihrem Glauben nicht auf Funktionsstörungen, wie sie etwa durch Witterungseinflüsse oder unzweckmäßige Lebensweise entstehen können, sondern auf Beeinflussung böser Geister und übelwollender Menschen. Als ich auf einer Außenstation war, kam eine alte Frau daher und brachte ihr Kind. Es hatte Leibschmerzen und Durchfall, wahrscheinlich von einem Diätfehler. Ich fragte die Frau, was denn das Kind gegessen habe. Sie wollte jedoch nicht auf meine Fragen eingehen, sondern beschuldigte eine alte Frau, die sie herbeigeschleppt hatte und sagte: „Diese Frau ist gestern an meiner Hütte vorbeigegangen und hat mit ihren bösen Augen ganz eigentümlich nach meinem Kind gesehen, und gleich darauf ist die böse Krankheit dem Kind in den Bauch gefahren.“ Die schwer beschuldigte Frau beteuerte natürlich ihre Unschuld, und ich vertrieb dann mit einigen Gaben Chamomilla den bösen Geist aus dem Leibe des Kindes. Ein anderer Fall. Ich kam zu einem Manne, den ich gut kenne. Er lag ächzend und stöhnend auf einer Matte beim Feuer, als ob jetzt sein Ende nahe. Ich untersuche ihn; Puls gut, Temperatur etwas erhöht, Stiche in der Brust links und etwas Husten; Diagnose: Brustfellentzündung. Seine Frau aber, die dasaß, erzählte, das Ding stäke im Hals und nicht in der Brust. Es sei ihr der Geist ihrer verstorbenen Mutter erschienen und habe ihr alles gesagt wegen der Krankheit. Sie rühre von einer verstorbenen Frau her, die er nicht lieb gehabt; durch das Abtöten einer Schildkröte könne aber der Geist gebannt werden. Sie hätten aber keine Schildkröte, die Leute seien schon den ganzen Tag im Busch, um eine zu suchen, aber wahrscheinlich habe der böse Geist dieser Frau schon alle verborgen, um den Tod

dieses Mannes herbeizuführen. Ich redete dann den Leuten zu, sie sollten nur keine Angst haben, ich werde


Die Missionarsfrau als Krankenpflegerin.

Die Missionarsfrau als Krankenpflegerin.


die Geschichte schon an die Hand nehmen. Ich gab ihm Medizin. Am andern Tag, als ich wiederkam, saß er freundlich lächelnd unter der Tür seiner Hütte; es hatte angeschlagen.

      Ja, wenn der Missionar nicht da wäre, dann wären wir schon lange alle tot, sagte ein anderer. Die Leute glauben immer, ich habe alle Mittel, um Krankheit und Tod zu bannen. Sie haben ein merkwürdiges Zutrauen zu mir. Da kommt ein alter Christ von Ndogmbog. Er hatte Beschwerden im Unterleib. Ich gab ihm Medizin. Er nimmt sein Fläschchen, guckt es lange an und meint: „Sieh, Missionar, in meinem Bauch ist es schon lange nicht mehr richtig, darum meine ich, du solltest mir den Bauch aufschneiden, dann könntest du wieder alles in Ordnung bringen.“ Ich winkte ihm natürlich ab und sagte: „Das Bauchaufschneiden tut sehr weh und kostet viel Geld. Geh' nur heim und brauche zuerst einmal deine Medizin; zum Bauchaufschneiden ist's immer noch Zeit.“

b) Durch Arbeit an der schwarzen Jugend.

      Eine weitere überaus wichtige Arbeit erwächst der Mission an der Jugend; wer die Jugend hat, der hat die Zukunft! Hat man oft an den Alten in Afrika viel auszusetzen, die Kinderwelt kann man herzlich liebgewinnen; schon die Kleinen und Allerkleinsten ziehen uns an.

Eltern und
Kinder.
      Wenn ein Knabe oder ein Mädchen zur Welt kommt, so ist wohl nirgends die Freude größer als bei den Negern auf der Goldküste. Je mehr eigene Kinder ein Negervater oder eine Negermutter um sich hat, um so größer ist ihre Freude, ihr Stolz und ihre Ehre. Ich habe Negerväter kennen gelernt, die über 30 Kinder gehabt hatten. Davon waren freilich viele schon in ihrer Kindheit gestorben; aber ich denke, wenn von 30 Kindern noch 20 oder 15 übrigbleiben, so sind es ihrer immer noch genug, wenn sie alle richtig erzogen werden sollen. Doch mögen es noch so viele Kinder in einer Negerfamilie sein, verhungern muß sicher keines von ihnen. Ist die Suppenschüssel der Mutter nicht groß genug, so fängt ein Negerknabe zwischenhinein Ratten und Vögelein, Fischlein und Krebse, oder er sucht Schnecken im Urwald draußen und macht sich

selbst eine leckere Mahlzeit. Auch Erd- oder Palmnüsse lassen sich schnell bei einem Negeronkel oder einer Negertante zusammenbetteln, um eine gute Erdnußsuppe oder Palmölsuppe zu brodeln, und wo der Salzsack liegt und der Pfefferkorb hängt, das wissen die Negerbuben sehr gut. Nur kann es dann wohl vorkommen, daß die Negermutter den kleinen Schlingel gleich zu fassen bekommt, wenn er seine Hände in den Salzsack steckt – und dann o weh! Hat der Kerl sich vielleicht sonst schon allerlei zuschulden kommen lassen, dann hat die Mutter kein Erbarmen mit ihm. Sie reibt ihm afrikanischen Pfeffer in die Augen, und daß das schrecklich weh tut und das Schmerzensgeschrei des Gestraften nach einer Stunde noch nicht aufhört, das könnt ihr euch denken! Ich weiß von einem Kind, das mit einer Mischung von Salz, Zwiebeln und Pfeffer eingerieben wurde, weil es die Mutter nicht auf den Acker begleiten wollte. Und weil eines Negerkindes Haut fast immer voll von Schrunden und Rissen und allerlei Ausschlägen ist, so muß das ungehorsame Kind, das so bestraft wurde, furchtbar gelitten haben.

Afrikanische
Wundbe-
handlung.
      Wie unvernünftig werden auch die vielen Hautausschläge, an denen afrikanische Kinder leiden, meist behandelt! Zuerst wird das Kind auf eine umgekehrte Holzschüssel gestellt, dann mit scharfer afrikanischer Seife und heißem Wasser abgebürstet, so daß die wunden Stellen alle bluten und sich öffnen; dann wird eine aus Zitronensaft, Kohlen und Pfeffer bereitete, scharfe Salbe heiß auf die wunden Stellen aufgepflastert. Das preßt den kleinen schwarzen Patienten den Angstschweiß heraus und entlockt ihnen Schmerzenslaute, die einem durch Leib und Seele gehen.

      In ähnlicher Weise wird mit ihnen verfahren, wenn sie Leibschmerzen haben. Manchen großen Negerbuben habe ich davonspringen sehen in den Wald hinaus, wenn die Mutter oder der Vater rief: „Kofi, komm schnell, wir wollen dir Arznei eingießen!“ Ich wäre auch davon gesprungen.

Einst wurde einem Schüler ein abgeklaubter Maiskolben in den Mund hineingeschlagen, damit der Quacksalber ihm die Arznei daneben hinuntergießen könne, weil er den Mund nicht mehr aufmachen konnte. Ein anderes Mal kam ich dazu, wie einem sterbenden Kinde Feuer unter den kalten Füßen angemacht wurde, so daß es laut aufschrie. Einem anderen Kinde, das an Kopfweh litt, hatte der schwarze Arzneimann einen Stein auf den Kopf legen lassen, und zwar keinen kleinen. Zu einem kleinen, neugeborenen Kinde, das nicht recht atmen konnte, wurde einmal ein Quacksalber gerufen, der das arme Büblein so lange räucherte, bis es gar nicht mehr atmete. Wie manches Negerkind wird von oben bis unten oder auch nur an den Händen, Armen und Beinen, etwa auch am Rücken oder am Rumpf mit einem Messer geritzt und geschnitten, 10-, 20-, 30-, ja 50- und 100mal und noch mehr; dann werden in die Schnittwunden noch scharfsaure Salben und Brühen gerieben; das verursacht oft große Schwellungen und fürchterliche Wunden. Noch immer muß ich an jenes arme Negermädchen denken, dessen Wunde noch nicht gereinigt war, trotzdem man einige Kessel Wasser darüber geleert hatte; und noch meine ich das Jammergeschrei jenes Negerjungen zu hören, dem man einen Rippenbruch mit den Füßen massierte! Ich habe sicher nicht unrecht, wenn ich sage, daß die kranken Kinder in Europa es viel, viel besser haben als die Negerkinder.

Lern-
begierde.
      Eine neue Zeit ist jetzt für die Kinderwelt Westafrikas durch die Schulgelegenheit gekommen, die die Missionare ihnen verschaffen. Ich erinnere mich noch an einen Häuptling, der gegen die Schule war, und als ich ihn bat, er möge mir seine Töchter doch in die Schule geben, sagte: „Yäng, yäng yeng mmaa nyädeng, woye mmoa!“ das heißt: „Warum sollen wir unsere Töchter euch in die Schule geben, das sind Tiere!“ Heute ist's doch anders geworden und selten hört man mehr solche Einwürfe.

Unsere Basler Mission hat allein in Afrika 27000 Schüler und Schülerinnen. Die Negerjugend ist von einem großen Lerneifer ergriffen; der Andrang zu den Schulen wird immer größer; allein in Kamerun ist die Zahl der Schüler 1912 um etwa 4000 gestiegen. Beim Beginn des neuen Schuljahres drängten sich auf einer Missionsstation diesmal nicht nur die Lehrer, sondern auch Mütter und Großmütter zum Mittelschulvorsteher und bestürmten ihn mit Bitten, er möge ihre Jungen aufnehmen. Eine Frau schwang, während sie auf ihn eindrang, wie drohend ihre geballte Faust; es wurde ihm fast bange, sie könnte nächtens zu Tätlichkeiten übergehen; hinterher stellte sich aber heraus, daß sie in ihrer Hand ein Fünfmarkstück, das Eintrittsgeld, versteckt gehalten hatte. Eine andere erwiderte, als er sie auf den Raummangel hinwies, sie werde ihrem Jungen jeden Tag einen Schemel mitgeben, so werde er niemand den Platz versperren. In den Schulen wird tüchtig gearbeitet. In vielen Schulen werden die Jungen täglich ein paar Stunden in die Plantagen geschickt, um dort selbst ihr Essen oder allerlei Ausfuhrprodukte anzupflanzen. In Bamefut, einer Außenstation von Bali, griffen die beiden Söhne des dortigen Häuptlings wacker mit an; als sie sich deswegen von ihren Altersgenossen verspotten lassen mußten, gab der eine zur Antwort: „In Deutschland arbeitet jedermann, sogar der Kaiser!“ Der Appell an diese höchste Instanz mußte die Lästerer doch wohl zum Schweigen bringen. Auch Industriezweige sind in manchen Schulen eingeführt worden.

      Es gibt natürlich unter der schwarzen Jugend auch manchen „Max“ und „Moritz“, manches unartige Kind, um so mehr als ja von einer richtigen Erziehung beim Neger nicht die Rede ist; wie soll er seine Kinder erziehen, der selbst nicht erzogen ist. Brave
Kinder.
Aber wir Missionare lernen manchmal recht wackere, brave und charaktervolle Jungen und Mädchen draußen kennen.

      Ein braver schwarzer Bube war z. B. ein Junge von

14 Jahren namens Kwaku. Seine Eltern lebten in Akra an der Küste. Eines Tages nun berieten sich der Vater und der Onkel des Kwaku über seine Zukunft; sie beschlossen, daß er auf drei Jahre zu einem Fetischpriester in die Lehre getan werden solle, um dann als Fetischpriester sein Brot durch Lügen und Betrügen zu verdienen. Kwaku erklärte, das werde er nie tun, aber der Onkel sagte: „Du hast da überhaupt nicht dreinzureden; auch ist das Lehrgeld zum Teil schon vorausbezahlt, und in den nächsten Tagen werde ich mit dir zum Fetischpriester gehen.“ Aber Kwaku sagte zu sich selber: „Da wird nichts draus; ein Betrüger mag und kann ich nicht werden. Mit Affenpfoten und Wildschweinborsten, Schlangenhäuten und Leopardenzähnen, Eierschalen und Hühnerdärmen und anderen Zaubermitteln mag sich abgeben wer will, ich weiß etwas Besseres zu tun.“ Am nächsten Morgen hatte seines Vaters Hahn seinen Morgengesang noch nicht ausgekräht, als Kwaku schon auf dem Marsch war in der Richtung nach der Missionsstation Nsaba. Er fand bei einem christlichen Lehrer Aufnahme und ging von da an fleißig und wacker in die Schule. Es war ihm ein Anliegen, ein braver Mann zu werden und „Gott zu dienen“, wie er sagte. Schenkte man ihm ein Heft oder ein Buch, so war er sehr dankbar, und erhielt er gelegentlich eine Kerze, so „studierte“ er beim Kerzenschein bis in die späte Nacht hinein. Nach einiger Zeit kehrte er zu seinen Eltern zurück, und ich habe gute Hoffnung, daß aus ihm ein braver Mann wird. Leider ist er nicht begabt genug, um Lehrer zu werden, wie er gerne möchte. – Also, um brav und gut bleiben zu können, ist dieser Knabe seinen Eltern davongelaufen und hat als Junge in der Fremde sein Brot verdient zwischen den Schulstunden, wie das viele Negerjungen tun, wenn die Eltern ihnen nicht das nötige Geld geben können, um Bücher, Tafeln und Hefte usw. zu kaufen.

      Ich weiß von einem Negerjungen, zu dem sein heidnischer Vater sagte: „Wenn du Geld brauchst für allerlei

Lumpereien und Bübereien, dann bin ich immer zu haben! Aber um dir Tafel, Bücher und Hefte zu kaufen, bin ich nicht da; da kannst du dich anderswohin wenden!“ Das heißt doch, einen Knaben geradezu ins Verderben führen, nicht wahr! Aber Kwablua, so hieß dieser Knabe, blieb brav, verdiente sich mit Lastentragen und Botengängen sein Schulgeld, und was er sonst noch zum Lernen brauchte. Er trat dann später in das Lehrerseminar der Mission ein und ist heute einer unserer bravsten Lehrer, den Heiden und Christen achten und liebhaben.

      Einer unserer Schüler, names Kwadwo, war bei einem Goldgräber, der ein böses Leben führte, in Dienst. Eines Tages trifft ihn sein Meister auf seiner Matte kniend und betend. „Entweder du hörst auf mit dem Beten oder du verlässest mein Haus!“ so schrie der Goldgräber den Jungen an. Am nächsten Morgen verließ Kwadwo das Haus seines Meisters; er wollte lieber auf den schönen Verdienst verzichten, als sich das Recht zum Gebet rauben lassen. Das war doch sicher ein braver Junge, ein Knabe, der weiß, was er will. Ich bin gewiß, daß noch viele unserer schwarzen Schüler ebenso gehandelt hätten.

      Aber auch brave Mädchen gibt's in Afrika. Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß Kleider von Missionaren in die Wäsche gegeben wurden, in denen sich noch allerlei Geldstücke befanden; doch wurden diese regelmäßig von den jugendlichen Wäscherinnen zurückgebracht.

      Einst feierten wir ein Dankfest in der Kirche. Es wurde bekannt gegeben, daß von alt und jung so viel Dankopfer erwartet würden, als man eben leisten könne. Tags vorher stellten sich Mädchen und Buben bei mir ein: „Meister, wir haben nichts, um es morgen in den Gotteskasten zu legen; gib uns Arbeit, daß wir auch unser Dankopfer einlegen können!“ Was taten sie nun? Sie trugen Steine, Sand und rote Erde etwa vier Stunden lang, und das im heißen afrikanischen Sonnenbrand, und am Sonntag wanderten sie stolz und freudig mit dem buchstäblich erschwitzten

Lohn in die Kirche, um ihn „Gott zu geben“. Das ist doch recht nachahmenswert, nicht wahr? Ich hatte es als Bube leichter; denn meine Eltern gaben mir immer etwas mit für die Opferbüchse, so daß ich ohne Schweiß etwas einzulegen hatte. Diese Jungen und Mädchen haben mich damals recht beschämt.

      Daß es unsern schwarzen Jungen nicht an sittlichem Ernst fehlt und sie wenigstens den guten Willen haben, dem nachzuleben, was sie in der Schule ans Herz gelegt bekamen, beweist die Abschiedsfeier in einer unserer Mittelschulen[1], bei der mein Freund K. stiller Zeuge war; die älteste Klasse sollte nach absolviertem Kursus die Anstalt in Bana verlassen, und es versammelten sich nun in aller Stille eines Abends die Schüler zur Abschiedsfeier auf dem Schulhof.

Eine Ab-
schiedsfeier.
      Der erste der zurückbleibenden Schüler machte den Anfang und sagte etwa folgendes: „Liebe Freunde! Die ganze Schule dankt euch, daß ihr zu dieser Abschiedsfeier erschienen seid. Wir gratulieren euch und euren Lehrern, daß ihr das Ziel erreicht habt. Ich bin zwar jünger an Buchweisheit, aber dafür älter an Jahren als ihr, habe auch schon etwas von der Welt gesehen, drum darf ich euch schon etwas sagen. Erstens freuet euch, daß ihr so weit seid! Zweitens weinet in Gedanken daran, daß ihr mancherlei Versuchungen und Nöten in der weiten Welt entgegengeht! Ich will euch damit nicht entmutigen, aber glaubet mir's und denket dran: Das Leben bringt nicht nur Angenehmes. Deshalb vergesset nicht, was ihr hier gelehrt worden seid. Beginnt eure neue Laufbahn mit Christus, dann wird er euch stärken und weiterhelfen und alles mit euch zu einem guten Ende bringen.“ Der Senior der austretenden Schüler erwiderte


In der Unterrichtsstunde im Lehrer- und Predigerseminar in Akropong.

In der Unterrichtsstunde im Lehrer- und Predigerseminar in Akropong.


darauf: „Ich danke euch in meinem und meiner Klassengenossen Namen für diese Veranstaltung und für die denkwürdigen Worte meines Vorredners. Wir lassen euch zurück im Schutz und in der Pflege der Lehrer, die uns erzogen haben, und hoffen, ihr werdet stets gehorsam und demütig bleiben. Die Anforderungen an einen Schüler steigern sich von Jahr zu Jahr. Es wird daher nicht nötig sein, daß ich euch rate, hart zu studieren und auch den schwächeren Schülern vorwärts zu helfen. Laßt keinen nur spielen mit seinen Büchern und seiner Zeit, damit eure Lehrer alle weiter bringen! Wir wünschen euch guten Erfolg und machen euch hiermit ein Geschenk von vier Mark.“ Ein zweiter erhob sich und sprach: „Ich pflichte dem eben Gesagten bei. Ihr kennet auch alle den großen Spruch: Wissen ist Macht. Nehmet den euch als Motto, und versuchet, uns sogar darin zu übertreffen.“ Und dann begann der dritte: „Wir danken alle dem allmächtigen Gott, der uns so weit gebracht hat. Und euch schenke ich eine Schachtel Biskuits. Aber wohlverstanden, ich werfe sie vorwärts, der Stadt zu. Suchet sie also nicht hinter euch, im Busch bei der Quelle. In einem Lesestück heißt es: Begin and go on; („fang an“ und „fahre weiter!“); das soll das Losungswort der Banaschüler sein und bleiben. Drum vorwärts, nie rückwärts.“

      Man sieht, die Schularbeit der Mission ist nicht umsonst. Doch ich muß schließen. Wir kehren wieder heim miteinander ins deutsche Vaterland. Bei uns ist's doch schöner und besser als im Heidenland; und dankbar wollen wir uns der Güter der Kultur und des Christentums in unserer Heimat freuen, – freuen aber auch darüber, daß auch von Deutschland Hilfe gespendet wird in die weite Welt hinaus und so das Gebot des großen Heidenmissionars Paulus sich erfüllt:

Nun aber bleibet Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei,
Aber die Liebe ist die größte unter ihnen!



※        Bandverzeichnis der Turm-Bücherei        ※



Bd. 1: Wie man Kinder erzieht von Pfarrer Kopfermann in Caub a. Rh.

Bd. 2: Dorfgeschichten von H. Sohnrey mit einer Einleitung: Die Dorfgeschichte in der deutschen Literatur von Dr. K. Breuer, Oberlehrer an der Liebig-Oberrealschule in Frankfurt a. M. (mit Bilderschmuck).

Bd. 3: Die französischen Ansiedlungen in Deutschland von Pfarrer R. Marx in Darmstadt.
Bd. 4: General Booth und die Heilsarmee von Wilhelm Müller in Heppenheim (mit Bilderschmuck).
Bd. 5: Ernst und Scherz aus dem Hessenlande I. Aus Vilmars hessischem Historienbüchlein ausgewählt von Chr. Bartscher.
Bd. 6: Die Schwindsucht und ihre Bekämpfung von Dr. med. Gg. Liebe, Leiter der Heilanstalt Waldhof Elgershausen.
Bd. 7: Karl Schurz. Aus der Jugend des größten Deutschamerikaners von Wilhelm Müller in Heppenheim.
Bd. 8: Menschengestalten von Fritz Lienhard (mit Bilderschmuck).
Bd. 9: Unsere Nahrung. Ratschläge zu ihrer guten und billigen Beschaffung. Von Dr. med. Th. Plaut, Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten.
Bd. 10: Lieder und Sagen vom Rhein von Alexander Burger (mit Bilderschmuck).
Bd. 11: Der Mensch der Urzeit, seine Kultur und seine Kunst von Dr. Fr. Behn, Assistent am röm.-german. Museum in Mainz (m. Abbild.).
Bd. 12: Die Dichter der Befreiungskriege von Hans Ludwig Linkenbach in Mainz (mit Bilderschmuck).
Bd. 13: Sorgenkinder und ihre Behandlung von Dr. L. Cron, Leiter des Heilpädagogiums Jugendheim in Heidelberg.
Bd. 14: Drahtlose Telegraphie von G. Kayser in Gernsheim a. Rh. (Mit vielen Abbildungen.)
Bd. 15: Die Kochkiste, Anleitung zur Herstellung und Verwendung nebst Kochvorschriften von Marta Back in Frankfurt a. M.
Bd. 16: Hebbel, sein Leben und sein Werk von Professor Lizentiat Hillmann in Frankfurt a. M.
Bd. 17: Eine Reise durch die Sternenwelt von Oberlehrer Fr. Rusch in Dillenburg (mit Abbildungen).
Bd. 18: Das Geschlechtsproblem und seine Bedeutung für den Einzelnen und die Rasse von Dr. med. Sexauer in Godesberg.
Bd. 19: Darwin und seine Lehre von Dr. E. Schwartze (mit Abbildungen).
Bd. 20: Blumenpflege im Zimmer von Otto Krauß, Garteninspektor am Palmengarten zu Frankfurt a. M. (mit Abbildungen).
Bd. 21: Der Storch von Nordental von Walesrode, mit Einleitung von Dr. Georg Schott.
Bd. 22: Lehrbuch der Photographie von Dr. H. Beck, Leiter der Geka-Werke in Offenbach a. M. (mit Abbildungen).
Bd. 23: Vom Schüler zum Meister. Ein Führer bei Berufswahl und Berufsbildung in Handwerk, Gewerbe und Industrie von Heinrich Back, Direktor der Städtischen Gewerbeschule in Frankfurt a. M.
Bd. 24: Die Leibeigenschaft der deutschen Bauern und ihre Befreiung von Lehrer Johannes Schmitt in Offenbach (mit Abbildungen).
Bd. 25: Aus den Erlebnissen afrikanischer Missionare von Missionar Albert Gsell, Vertreter der Basler Missionsgesellschaft in Frankfurt a. M. (mit Bilderschmuck).

Preis jedes Bandes broschiert 30 Pfg., gebunden 50 Pfg.



<VERLAGSSIGNET>

Turm-Bücherei

Band 25






Druck von C. Grumbach in Leipzig

Fürstl. Wald. Hoflieferant.


Anmerkungen

  1. Die Basler Mission hat folgende Einteilung ihrer Schulen: für sämtliche Kinder 6 Jahre Volksschule, darauf baut sich die Mittelschule mit 4 Jahrgängen auf, den Abschluß bildet das Lehrer- und Predigerseminar mit nochmals 4 Klassen.

Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)

  1. Druckfehler in Textvorlage: Komma fehlt
  2. 2,0 2,1 2,2 Die folgende Schilderung wurde zwecks besserer Übersichtlichkeit eingerückt.
  3. Druckfehler in Textvorlage: öffnendes Anführungszeichen fehlt