Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)/E-Book
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Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz) | |
Autor(en): | Stephan Kekule von Stradonitz |
Titel: | Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie |
Untertitel: | Inwiefern hat der deutsche Adel und die Adelsgenossenschaft bei Erreichung dieser Ziele und Erfüllung dieser Aufgaben mitzuwirken? Vortrag gehalten auf dem 19. ordentlichen Adelstage der deutschen Adelsgenossenschaft zu Berlin |
in: | Deutsches Adelsblatt |
Druck: | Berliner Buch- und Zeitungs-Druckerei Union, G. m. b. H. |
Ort: | Berlin |
Jahr: | 1900 |
Seiten: | S. 3–35 |
Sonstiges: | Sonderabdruck |
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Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie.
genossenschaft bei Erreichung dieser Ziele und Erfüllung dieser Aufgaben mitzuwirken?
gehalten auf dem 19. ordentlichen Adelstage der deutschen Adelsgenossenschaft zu Berlin von Stephan Kekule v. Stradonitz, Dr. jur. utr. et phil.
Berlin 1900. Druck der Berliner Buch- und Zeitungs-Druckerei Union, G. m. b. H.
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Was ist Genealogie? Noch Johann Christoph Gatterer beantwortet in seinem „Abriß der Genealogie" die Frage dahin: Genealogie ist eine Hülfswissenschaft der Geschichte, eine eigentliche Wissenschaft ist die Genealogie nicht. Er spricht damit nur aus, was die von jeher verbreitete allgemeine Meinung war und leider auch noch heute der herrschende Glaube ist. Damit hängt es auch wohl zusammen, daß bis heute an keiner einzigen Universität die Genealogie einen Gegenstand des Unterrichtes bildet, was die bedauerliche Folge hat, daß die Geschichtswissenschaft, wenn sie einmal heut zu Tage ausnahmsweise „genealogisch" kommt, merkwürdigen Mangel an genealogischem Verständniß zeigt, daß die Rechtsprechung, wenn sie sich, was gar nicht so selten vorkommt, vor eine genealogische Frage gestellt sieht, meist kläglichen Schiffbruch leidet, daß die Naturwissenschaft, die von allen Seiten her sich an genealogische Probleme heranmacht, einen, in der Regel, sehr großen Mangel an Kenntniß der genealogischen Methoden erkennen läßt. Das wird anders werden. Daß sich die Genealogie die ihr gebührende Stellung im Reiche der Wissenschaft in Bälde erobern wird, das ist meine feste Überzeugung. Der Anfang dazu ist bereits gemacht. Das Jahr 1898 schenkte der Deutschen Wissenschaft das erste umfassende, alles Wesentliche enthaltende, treffliche „Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie“ von Professor Ottokar Lorenz in Jena. Dies Jahr und dies Buch werden fürderhin den Markstein in der Geschichte der wissenschaftlichen Genealogie bilden. Neue Bahnen sind der Genealogie seitdem gewiesen, neue Ziele und Aufgaben ihr gesteckt. Es liegt nun auf der Hand, (4 ≡)
daß es im Rahmen eines Vortrages nicht möglich sein kann, die Ziele und Aufgaben der Genealogie zu erschöpfen. Ich werde mich nothgedrungen darauf beschränken müssen, Einzelnes herauszugreifen und in das rechte Licht zu rücken. Eine Beschränkung in dieser Richtung ist aber um so nothwendiger, als die Erörterung der Frage, in wie fern der Adel und die Adelsgenossenschaft bei der Erreichung dieser Ziele und der Erfüllung dieser Aufgaben mitwirken können, einen wesentlichen Theil meiner heutigen Ausführungen bilden soll. Was ist Genealogie? Ottokar Lorenz beantwortet die Frage dahin: „Die Genealogie ist die Wissenschaft von der Fortpflanzung des Geschlechts in seinen individuellen Erscheinungen." Es springt in die Augen, daß der Lorenz’sche Begriff ungleich weiter ist, als der oben mitgetheilte von Gatterer. Ich lasse darüber einen Schüler von Lorenz: Ernst Devrient sprechen: „Was die alte Genealogie ganz ausmachte, Stammtafel und Ahnentafel, worin Geburt, Vermählung und Tod, auch Titel und Ämter der in ihren Familienbeziehungen dargestellten Personen verzeichnet sind, das ist für die neue Genealogie erst die Grundlage zu Forschungen von weit ausgreifender Bedeutung. Denn es ist klar, daß die Genealogie, im Lorenz'schen Sinne gefaßt, sich mit Namen und Zahlen nicht begnügen kann. Alles was unter den Begriff der Erblichkeit fällt, soweit es sich am Individuum nachweisen läßt, gehört zur Genealogie. Sie steht an der Grenze der Geschichtswissenschaft, aus deren Mitteln sie der Staats- und Gesellschaftslehre, der Physiologie und Psychologie reichen Stoff zu bieten vermag, den jene Wissenschaften weder von sich aus erwerben noch auch entbehren können, wenn sie bei gewissen Fragen aus der dürren Haide der Spekulation herauskommen wollen."[1] (5 ≡)
Ich habe selbst vor Jahren einmal die Genealogie definirt „als die Lehre von den Geschlechtern, ihrem Ursprung, ihrer Fortpflanzung und Verbreitung".[2] Ich stehe nicht an, bei dieser Gelegenheit zu erklären, daß ich die Lorenz'sche Begriffsbestimmung als die weitaus bessere anerkenne. Die genealogische Einheit, die Einheit mit der es alle Genealogie zu thun hat, gewissermaßen die genealogische „Zelle" ist eine Gruppe von drei Personen, nämlich die Gruppe, die aus Vater, Mutter und Kind besteht. Diese Gruppe ist durch thatsächliche Vorgänge zusammengefügt, nämlich den der Zeugung und den der Geburt. Es ist im Wesen des menschlichen Organismus begründet, daß jeder Mensch Vater und Mutter hat: physisch, rechtlich ist das nicht immer der Fall. Uneheliche Kinder haben, wie jeder weiß, rechtlich keinen Vater. Davon sehe ich aber ganz ab. Es liegt nun in der Natur der Dinge, daß diese genealogische Einheit nie als Einzelerscheinung auftreten kann. Vater und Mutter unserer Einheit können nicht aus den Wolken gefallen sein: sie müssen nothwendig auch ihrerseits Vater und Mutter gehabt haben. So geht das natürlich weiter. Daraus folgt aber, daß man die genealogischen Einheiten in sehr verschiedener Weise an einander reihen kann, und, je nachdem man das thut, erhält man die in ihrem Wesen durchaus verschiedenen und wohl von einander zu unterscheidenden genealogischen Grundformen der Stammtafel und der Ahnentafel. Die Stammtafel ist eine Tafel, welche die sämmtlichen Nachkommen eines bestimmten Elternpaares mit ihren Ehegatten enthält. In der Regel läßt man hier eine Beschränkung eintreten, indem die Stammtafel nur die männlichen Nachkommen und deren Töchter aufführt. Die Ahnentafel ist eine Tafel, welche die beiden Eltern, die vier Großeltern, die acht Urgroßeltern, die sechzehn Ururgroßeltern einer bestimmten Person erkennen läßt, und so weiter fortschreitend: die sich in jeder Reihe verdoppelnde (6 ≡)
Zahl von Individuen, deren Blut in das eine Individuum, dessen Ahnentafel aufgestellt wird, zusammengeflossen ist. Der Ahnentafel und der Stammtafel liegt daher eine grundsätzlich verschiedene Betrachtungsweise zu Grunde. Die Stammtafel betrachtet die Descendenten eines bestimmten Elternpaares, die Ahnentafel die Ascendenten eines bestimmten Individuums. Die Gestalt der Stammtafel ist veränderlich. Sie wird bestimmt durch die Gestaltung und Verzweigung der Descendenz. Die Gestalt der vollständigen Ahnentafel ist ein für allemal fest bestimmt. Sie unterliegt dem unabänderlichen Gesetz, daß jeder Mensch zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßoltern, sechszehn Ururgroßeltern und so weiter hat. Die Stammtafel ist für den, der sie aufstellt, allemal zeitlich begrenzt, sie ist eingeengt zwischen das Jahr, in dem der Stammvater geboren wurde und den Augenblick, in dem sie aufgestellt wird, oder in dem das betreffende Geschlecht ausgestorben ist. Die Ahnentafel ist zeitlich unbegrenzt; es liegt auf der Hand, daß man mit den Ahnenreihen theoretisch unendlich weit zurückgehen kann und das die Grenze hier nur in der historischen Feststellbarkeit der Ahnen liegt. Die Stammtafel ist auch ihrem Inhalte nach beschränkt auf diejenigen Personen, welche thatsächlich von dem Stammelternpaare abstammen, die Ahnentafel ist auch ihrem Inhalte nach theoretisch unbegrenzt, denn es hindert nichts, auf eine, vielleicht schon tausende von Individuen enthaltende Ahnenreihe noch die nächstfolgende aufzusetzen, welche theoretisch nothwendig doppelt so viele Individuen enthalten muß, als die nächstvorhergehende Ahnenreihe. Die Stammtafel und die Ahnentafel beantworten daher gänzlich und ihrem Wesen nach verschiedene Fragen und es muß immer wieder aus das Schärfste betont werden, daß von dem richtigen Verständniß und der sorgfältigen Unterscheidung dieser beiden genealogischen Grundformen die gesammte genealogische Wissenschaft abhängt, und daß die richtige Erkenntniß dieser Wesensverschiedenheit geradezu den Prüfstein (7 ≡)
dafür abgiebt, ob genealogische Einsicht vorhanden ist. Wer Stammtafel und Ahnentafel verwechselt, der würde bis auf Weiteres besser thun, von der Beschäftigung mit genealogischen Dingen abzulassen und sich zunächst über die Grundbegriffe der Genealogie zu unterrichten. Leider werden heut zu Tage beide Begriffe konstant verwechselt, was allerdings bei der heutigen Gleichgültigkeit gegen genealogische Dinge nicht weiter wunder nehmen kann. Dieser Verwechselung ist allerdings dadurch Vorschub geleistet worden, daß die Künstler, auch der besten Zeit, sowohl die Stammtafel wie die Ahnentafel künstlerisch in der Gestalt eines Baumes dargestellt haben. Es springt in die Augen, daß die Form der Darstellung in Gestalt eines Baumes, so sachgemäß sie für eine Stammtafel ist, ebenso widersinnig ist für die Ahnentafel. Bei dem Baume treibt der Saft allemal aus dem Stamme in die Äste, Zweige und Zweiglein. Wer also einer Stammtafel die Gestalt eines Baumes giebt und die Stammeltern am Stamme anbringt, stellt richtig das thatsächliche Verhältniß dar. Wer aber der Ahnentafel die Gestalt eines Baumes giebt, muß nothwendig diejenige Person, deren Ahnentafel aufgestellt wird, am Stamme anbringen, die beiden Eltern an zwei großen Ästen, die vier Großeltern an zwei weiteren Verzweigungen jedes dieser beiden Äste und so fort. Das ist natürlich ein Widersinn, denn das Blut desjenigen, dessen Ahnentafel aufgestellt wird, ist doch nicht von ihm in seine beiden Eltern und durch diese in seine vier Großeltern hineingeflossen, sondern gerade das Umgekehrte ist der Fall. Es wird daher gut sein, wenn die genealogische Wissenschaft sich an einen feststehenden Sprachgebrauch gewöhnt, um Verwechselungen vorzubeugen, und die, in Gestalt eines Baumes dargestellte Ahnentafel einen Ahnenbaum, nach Gatterers Vorbild, die in Form eines Baumes dargestellte Stammtafel, einen Stammbaum nennt. Nachdem so die Grundformen genealogischen Denkens und genealogischer Darstellungsweise festgestellt sind, kann ich mich dazu wenden, einige der, mir als die Wichtigsten erscheinenden (8 ≡)
Probleme darzulegen, welche die Genealogie entweder selbständig zu lösen oder zu deren Lösung sie doch wenigstens beizutragen hat. Da erscheint mir nun in erster Linie erwähnenswerth das Problem des Aussterbens der städtischen Geschlechter. Georg Hansen hat in einem sehr interessanten Buche: Die drei Bevölkerungsstufen. Ein Versuch, die Ursachen für das Blühen und Altern der Völker nachzuweisen, München 1898, dargethan, daß durchschnittlich die Bevölkerung einer Stadt zur Hälfte aus Personen besteht, die darin geboren sind, zur Hälfte aus solchen, die nicht darin geboren sind. Dabei soll es gleichgültig sein, ob die Bevölkerung der betreffenden Stadt schnell oder langsam wächst. Wenn diese Ansicht Hansens richtig ist, so ergeben sich daraus sehr merkwürdige[GWR 1] Folgerungen. Angenommen, eine Stadt habe zu Anfang eines Zeitraumes, den man betrachtet, <math>a</math> Einwohner gehabt und, die Bevölkerung habe sich während eines Menschenalters um <math>b</math> Einwohner vermehrt, so daß sie jetzt <math>a + b</math> Einwohner hat, so sind, wenn Hansen recht hat, hiervon nur <math>\textstyle \frac{a+b}{2}</math> ortsgebürtig. Nimmt man an, daß nach einem weiteren Menschenalter sich die Zahl der Einwohner um <math>c</math> vermehrt hat, so sind von diesen <math>a+b+c</math> Einwohnern naturgemäß nur <math>\textstyle \frac{a+b+c}{2}</math> ortsgebürtig und diese <math>\textstyle \frac{a+b+c}{2}</math> Menschen stammen offenbar zur Hälfte von Ortsgebürtigen und zur andern Hälfte von eingewanderten Vätern, denn es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß die Eingewanderten fruchtbarer seien, als die Einheimischen. Daraus folgt aber, daß nur noch <math>\textstyle \frac{a+b+c}{4}</math> Personen direkte Nachkommen der früheren Bewohner der Stadt sind. In der nächsten Generation würden es nur noch <math>\textstyle \frac{a+b+c+d}{8}</math> sein und so fort. In eine allgemeine Formel gebracht heißt das, daß, wenn man die (9 ≡)
gegenwärtige Einwohnerzahl einer Stadt <math>=n</math>, die Zahl der zu betrachtenden Generation <math>=t</math> setzt, in der Stadt <math>\textstyle \frac{n}{2^t}</math>direkte Nachkommen der früheren Einwohner leben. Für Berlin würde das, wenn man die Bevölkerung am 1. Januar 1900 <math>=1.900.000</math> setzt, ergeben, daß nur noch <math>1.900.000/8=237.500</math> Einwohner Berlins Nachkommen derjenigen Berliner sind, die vor drei Generationen dort gelebt haben. 8 ist nämlich <math>=2^3</math>. Vor drei Generationen, das bedeutet: im Jahre 1800 und damals hatte Berlin etwa 160.000 Einwohner. Das würde für das Jahr 2000, wenn man annimmt, daß die Bevölkerungszahl Berlins sich bis dahin verfünffachen würde, ergeben, daß dann, also nach weiteren drei Generationen, nur noch <math>9.500.000/2^6</math>, also <math>9.500.000/640=148.437</math> der zukünftigen Einwohner Berlins Nachkommen der Berliner von anno 1800 wären. Das würde also unbedingt das Aussterben einer großen Zahl der Berliner Geschlechter von 1800 beweisen. Nun kennt die Gegenwart keine Städte von einer so ungeheuren Bevölkerungszahl, wie neun und eine halbe Million, und daß Berlin bis zum Jahre 2000 diese Zahl von Einwohnern haben wird, muß billig bezweifelt werden.[GWR 2] Nimmt man aber eine geringere Verhältnißzahl des Zuwachses an, so stellen sich die Zahlen noch ungünstiger. Bei einer Verdoppelung im Jahre 2000 würden nur noch <math>3.800.000/64=59.375</math>, bei einer Verdreifachung nur noch <math>5.700.000/64=89.062</math>, bei einer Vervierfachung nur noch <math>7.600.000/64=118.750</math> Einwohner Berlins Nachkommen der Berliner von 1800 sein. Bei Städten, deren Bevölkerungszahl seit dem Jahre 1800 nicht in dem Verhältniß zugenommen hat, wie die Berlins, stellt sich das Ergebniß natürlich noch viel ungünstiger. Die Bevölkerung Dublins ist von 1850–1890 von 261.700 auf 245.000 zurückgegangen. Nimmt man an, die Bevölkerung dieser Stadt würde im Jahre 1950 wieder die gleiche, wie im Jahre 1850 sein, so würden also dann, nach nur drei Generationen (10 ≡)
nur noch <math>261.700/8=32.712</math> der zukünftigen Einwohner Dublins vom Jahre 1950 Nachkommen der 261.700 Dubliner von 1850 sein. Daß dieses Problem ein interessantes und wichtiges ist, wird Niemand bestreiten wollen. Ob das in der That Alles so ist, hängt davon ab, ob die Hansensche Theorie richtig ist. Ob sie aber richtig ist, das ist eine Frage, die ganz offenbar nur von der Genealogie beantwortet werden kann. Ihre sichere Beantwortung wird in dem Augenblicke möglich sein, in dem vollständige Stammtafeln für drei Generationen des neunzehnten Jahrhunderts aller derjenigen Familien einer Stadt vorhanden sein werden, die sich in der betreffenden Stadt erhalten haben. Die Quellen für derartige, sich nur auf das neunzehnte Jahrhundert erstreckende Untersuchungen, sind in Kirchenbüchern, standesamtlichen Registern und anderen amtlichen Aufzeichnungen reichlich vorhanden. Nach dem Vorstehenden wird es begreiflich erscheinen, wenn ich den Satz ausspreche, daß im Grunde alle Fragen der Bevölkerungsbewegung genealogische Fragen sind. Es wäre im Anschluß an das eben Erörterte noch mancherlei über das Aussterben der Geschlechter überhaupt zu sagen, indessen will ich in Rücksicht auf die mir zu Gebote stehende Zeit darauf nur ganz kurz eingehen. Ueber das Aussterben der Geschlechter ist schon häufig geschrieben worden, ohne daß man behaupten könnte, daß die Ursachen dieser Erscheinung dadurch irgendwie erkannt worden wären. Ehe darauf eingegangen werden kann, muß jedoch auf einen sehr wichtigen Unterschied aufmerksam gemacht werden. Es liegt in den Einrichtungen der Kulturwelt begründet, daß man, wenn vom „Aussterben" eines Geschlechtes gesprochen wird, dabei immer das „Aussterben im Mannesstamme" meint, das Aussterben des Familiennamens. Das führt aber zu sehr vielen Unklarheiten. Es liegt auf der Hand, daß ein Elternpaar mit seinen Nachkommen sich durch sehr große eheliche Fruchtbarkeit auszeichnen, und daß doch die Nachkommenschaft (11 ≡)
sehr schnell im Mannesstamme aussterben kann. Das muß nothwendig eintreten, sobald in allen Füllen vorwiegend oder ausschließlich Töchter geboren werden. So ist es durchaus möglich, daß ein Elternpaar des Endes des achtzehnten Jahrhunderts heute beispielsweise 100 lebende Nachkommen hat, daß aber trotzdem das Geschlecht im Mannesstamme und der Name ausgestorben ist, weil nämlich nur noch Abkömmlinge von weiblichen Nachkommen des Stammelternpaares vorhanden sind. In einem solchen Falle wird man mit Recht von einem Aussterben des Geschlechtes im engeren Sinne, von einem Aussterben des Namens, vom Aussterben des Mannesstammes, nicht aber von einem Aussterben des Blutes sprechen können. Daraus ergiebt sich aber, daß alle vermeintlichen Ursachen des Aussterbens, die, wenn sie überhaupt eine Folge haben, nur das Aussterben des Blutes bewirken können, nur dann in Rechnung gezogen werden dürfen, wenn thatsächlich ein Aussterben des Blutes nachgewiesen ist. Bisher aber haben Untersuchungen dieser Art nur mit Familien operirt, deren Aussterben im Mannesstamme konstatirt ist. Andererseits wird man bei Untersuchung der Ursachen, welche das Erlöschen der Geschlechter im Mannesstamme bewirkt haben können, vorwiegend Gewicht legen müssen auf die Feststellung der Ursachen, deren Folge das Überwiegen weiblicher Geburten über männliche Geburten ist. Es wird vielfach angenommen, daß die Zeugungskraft vererblich sei. Das ist nun wieder eine Frage, bei der, will man nicht zu vollständigen Trugschlüssen kommen, nothwendig von dem Erlöschen der Mannesstämme vollständig wird abgesehen werden, das etwaige Erlöschen des Blutes vielmehr als das Ausschlaggebende wird angesehen werden müssen. Das sind alles Fragen, welche nur auf genealogischem Wege werden beantwortet werden können. Es ist aber meine Überzeugung, daß die Genealogie sie auch wirklich beantworten kann, wenn nur das Material dazu vorliegen wird. Ich verlasse hiermit diese Gruppe von Problemen, um mich (12 ≡)
zu einem der wichtigsten, von Lorenz zuerst in das richtige Licht gerückten Probleme der Genealogie zu wenden: dem des Ahnenverlustes. Jeder Mensch hat zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern, sechszehn Ururgroßeltern und so fort, die nächstfolgende Ahnenreihe enthält immer doppelt so viele Ahnen, wie die vorhergehende. Das führt nun sehr schnell zu ganz ungeheuren Zahlen. Auf die 16er Reihe folgt die 32er Reihe, hierauf die 64er Reihe. Es ist bekannt, daß man Ahnentafeln, die bis zu einer dieser Reihen zurückgehen, Ahnentafeln zu 16 oder 32 oder zu 64 Ahnen nennt. Die weiteren Zahlen findet man immer wieder durch Verdoppelunng. Es sind die Zahlen 128, 256, 512, 1024, 2048, 4096, 8192, 16.384 etc. Diese schreckhaft großen Zahlen von Ahnen, die naturgemäß schließlich in die Millionen gehen, hat nun der thatsächliche Mensch nur theoretisch. In Wirklichkeit findet das statt, was man Ahnenverlust nennt. Diesen Begriff aufgebracht und näher definiert zu haben, ist das Verdienst von Friedrich Theodor Richter, der in der Vorrede der von ihm besorgten 3. Auflage von Oertels genealogischen Tabellen zur europäischen Staatengeschichte des 19. Jahrhunderts, Leipzig 1879, zum ersten Male darauf hingewiesen hat, daß, wenn in derselben Ahnenreihe, z. B. der 16er Reihe der Ahnen einer bestimmten Person, dasselbe Elternpaar zweimal auftritt, so daß in der betreffenden Reihe nicht 16 verschiedene, sondern nur 14 verschiedene Individuen stehen, man dieses Elternpaar nicht doppelt als verschiedene Ahnen zählen darf. Derselbe Fall liegt vor, wenn in einer Reihe ein Elternpaar vorkommt, das in der vorhergehenden Ahnenreihe schon einmal aufgetreten ist. In einem solchen Falle wird man sagen müssen, daß der betreffende Mensch in derjenigen Ahnenreihe, in der er theoretisch 16 Ahnen haben müßte, thatsächlich nur 14 verschiedene Ahnen hat. Richter sagt in diesem Falle: er hat in der 16er Reihe einen Ahnenverlust von zwei Ahnen. Es liegt nun in der Natur der Sache, daß ein Mensch, der (13 ≡)
in der 16er Reihe einen solchen Ahnenverlust von zwei Ahnen hat, in der nächstfolgenden, der Reihe von 32 Ahnen, nothwendig einen Ahnenverlust von mindestens vier Ahnen haben muß, weil die zweimal zwei Eltern des, in der vorhergehenden Reihe doppelt vorkommenden Elternpaares, ihrerseits in der nächsthöheren Ahnenreihe zweimal vorkommen müssen. Tritt nun der gleiche Fall eines zweimaligen Vorkommens ein und desselben Elternpaares in einer nächsthöheren Ahnenreihe hinzu, so vergrößert sich natürlich der Ahnenverlust noch mehr. Professor Ottokar Lorenz hat den Ahnenverlust auf der Ahnentafel Kaiser Wilhelms II. einer sehr genauen Betrachtung unterzogen und die von ihm gefundenen Ergebnisse sind so interessant, daß ich näher darauf eingehen muß. Kaiser Wilhelm hat in der 4er Reihe natürlich vier verschiedene Ahnen, in der 8er Reihe acht, in der 16er Reihe aber nur 14 verschiedene Ahnen. In der 32er Reihe wären hiernach bei ihm noch 28 verschiedene Ahnen zu erwarten, es sind aber nur noch 24. In der 64er Reihe sind es, statt der nun zu erwartenden 48 nur noch 44, in der 128er Reihe statt der 88 noch zu erwartenden, blos noch 74, in der nächstfolgenden sind es, statt 256, nur noch 116, in der 512 er Reihe blos noch 177, in der 1024er Reihe blos noch 256, in der 2048er Reihe blos noch 342 und in der 4096er Reihe bloß noch 533. Daraus ergiebt sich, daß der Procentsatz des Ahnenverlustes im Vergleich zur theoretischen Zahl der Ahnenreihen bei jedem Schritt von einer Ahnenreihe zur nächsthöheren zurück beträchtlich zunimmt. Es ergiebt sich nämlich für die Ahnentafel Kaiser Wilhelms ein Verlust von 12½ pCt. für die 16er Reihe, von 25 pCt. für die 32er Reihe, von 31 pCt. für die 64er Reihe, von 42 pCt. für die 128er Reihe, von 54½ pCt. für die 256er Reihe, von 65½ pCt. für die 512 er Reihe, von 75 pCt. für die 1024er Reihe, von 83 pCt. für die 2048er Reihe, von 87 pCt. für die 4096er Reihe. Das ist ganz kolossal, denn es handelt sich in der 4096er Reihe erst um die 12. Generation der Ahnen und mehr wie gegen 100 pCt. Ahnenverlust kann doch (14 ≡)
ein Mensch nicht haben, etwas mehr als 0 pCt. Voreltern muß er doch gehabt haben. Leider scheitert nun das Aufstellen der Ahnentafel über 4096 Ahnen hinaus an der Unbeschaffbarkeit des historischen Materiales. Um nun zu versuchen, festzustellen, in welcher Weise der Prozentsatz des Ahnenverlustes von Ahnenreihe zu Ahnenreihe durchschnittlich zunimmt, muß man im vorliegenden Falle den am Schlusse erreichten oder ermittelten prozentualen Gesammtverlust durch 11 dividiren, da 12 Ahnenreihen auf den Ahnenverlust untersucht worden sind. <math>87/11=</math>rund <math>8</math>. Es ergiebt sich also eine Durchschnittszunahme des Ahnenverlustes von 8 pCt. von einer Ahnenreihe zur nächsthöheren. Da nun in der letzten untersuchten Ahnenreihe Kaiser Wilhelms bereits ein Ahnenverlust von 87 pCt. ermittelt war, so würde das für die nächsthöhere 8192er Ahnenreihe einen Ahnenverlust von <math>87+8=95</math> pCt. und für die weiter folgende 16.384er Ahnenreihe einen solchen von <math>95+8=103</math> pCt. ergeben, was offenbar nicht sein kann, denn der größtdenkbare Ahnenverlust ist, wie bereits dargelegt wurde, eine Kleinigkeit weniger als 100 pCt. Die gefundenen Zahlenwerthe haben ergeben, daß von jeder Ahnenreihe zur nächsthöheren ein prozentual zunehmender Ahnenverlust stattfindet, daß dagegen die Zahl der in der nächsthöheren Ahnenreihe stehenden verschiedenen Personen thatsächlich doch noch immer größer ist, als die Zahl der in der nächstniederen Reihe stehenden Ahnen. Würde sich nachweisen lassen, daß die effektive Zahl der verschiedenen, in einer gewissen Reihe stehenden Ahnen kleiner ist, als die Zahl der, in der nächstniederen Reihe stehenden, so würde das, wenn sich das fortsetzt, schließlich dazu führen müssen, daß der betreffende Mensch in einer sehr weit zurückliegenden Ahnenreihe nur noch zwei verschiedene Ahnen hat. Ließe sich das für die Ahnentafeln mehrerer Personen feststellen, so würde man auf diesem Wege zu dem Beweise der Abstammung von einem Menschenpaare gelangen. Eine Frage, die sich aus den vorstehenden Betrachtungen ergiebt, ist nun weiter die, ob der Ahnenverlust eine, sich nur (15 ≡)
bei den regierenden Familien, oder etwa auch dem Adel, nicht auch dem Bürgerstande findende Erscheinung ist, oder ob man ihn als eine universelle, überall sich findende, nur je nach dem in stärkerem oder schwächerem Maaße findende Erscheinung ansehen muß. Die in meinem Ahnentafelatlas bereits vorliegenden 44 Ahnentafeln regierender Fürsten und ihrer Gemahlinnen zeigen nun, daß ein Ahnenverlust sich bei den Fürsten fast überall schon in der Reihe der 32 Ahnen, also in der fünften Generation findet. Der durchschnittliche Beginn des Ahnenverlustes liegt beim niederen Adel jedenfalls weiter zurück als beim hohen Adel und beim Bürgerstande noch weiter zurück als beim niederen Adel, aber unzweifelhaft bildet der Ahnenverlust eine allgemeine Regel für die oberen Generationen. Daß das so sein muß, ergiebt sich aus Thatsachen und Betrachtungen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Der Ahnenverlust entsteht unter allen Umständen durch Verwandtschaftsehen. Durch Verwandtschaftsehen im Sinne des gewöhnlichen Sprachgebrauches, wenn er in den unteren Generationen, durch Verwandtschaftsehen im weiteren Sinne, wenn er in den oberen Generationen auftritt. Das Problem des Ahnenverlustes führt hier gleich zu der Betrachtung eines anderen Problemes. Es ist eine weit verbreitete und viel geglaubte Lehre, daß Verwandtschaftsehen schädlich für die Nachkommenschaft seien, und zwar schädlich sowohl für deren geistige als auch deren körperliche Beschaffenheit. Allein das Studium der 44 in meinem Ahnentafelatlas bereits vorliegenden Ahnentafeln zeigt deutlich, daß[GWR 3] Personen mit Ahnenverlust in den unteren Generationen in jeder Beziehung als normale Menschen erscheinen, während solche ohne Ahnenverlust in den unteren Generationen sich unter Umständen als unzweifelhaft, in körperlicher oder geistiger Hinsicht, krank erweisen. Noch stärker tritt dieser Widerspruch zu der Lehre von der Schädlichkeit der Verwandtenehen bei dem Ahnenverlust in den oberen Ahnenreihen hervor, indem es Personen giebt, die einen sehr großen Ahnenverlust in den (16 ≡)
oberen Generationen zeigen, und doch in jeder Beziehung normal sind, und andererseits Personen, bei denen das umgekehrte Verhältniß statt hat. Daraus scheint zu folgen, daß bei der angeblichen Schädlichkeit der Verwandtenehen oder, wie man auch sagen könnte, der Inzucht, Faktoren wirksam sein müssen, die von der Verwandtschaft unabhängig sind. So dürfte Devrient im Recht sein, wenn er meint, daß das schnelle Aussterben der spanischen Habsburger im Mannesstamme, bei denen allerdings eine besonders starke Inzucht bemerkbar ist, nicht auf die vielen Verwandtenehen an sich, sondern darauf zurückzuführen sei, daß die stete Zufuhr von deutschem Blute dem Geschlechte die Anpassung an das spanische Klima erschwert habe. Ich stimme auch darin Devrient völlig zu, wenn er den Satz ausspricht: „Eine absolute Schädlichkeit der Inzucht ist bisher noch nicht erwiesen worden. Wir werden die hierauf bezüglichen Fragen also nur als etwas komplizirte Fälle gewöhnlicher Vererbungsfragen behandeln können". Der Glaube an die Vererbung individueller Eigenschaften ist allgemein verbreitet und die Erfahrungen, die man im täglichen Leben machen kann, die Beobachtungen, zu denen Schritt und Tritt Gelegenheit bietet, scheinen diesen Glauben zu bestätigen. Mit der Vererbung der individuellen Eigenschaften beschäftigt sich sowohl die Geschichte, wie die Pathologie. Erstere, wenn sie von Familiencharakter, von Familientypen spricht. Letztere bei dem Heer von Fragen, welche die erblichen Krankheiten des Geistes und Körpers besprechen. Die Frage, ob sich bei gewissen Geschlechtern das Vorhandensein eines bestimmten Familiencharakters nachweisen läßt, will mir noch immer als eine der wichtigsten für die Behandlung der Geschichte erscheinen. Es ist ja bekannt, daß sich in neuerer Zeit eine Strömung in der Geschichtswissenschaft großen Ansehens erfreut, welche meint, die eigentliche politische Geschichte bewege sich nur an der Oberfläche der menschlichen Dinge, der wirkliche geschichtliche Werdegang werde durch soziale und wirthschaftliche Zustände und Geschehnisse (17 ≡)
bedingt. So viel Berechtigung diese Richtung insofern hat, als die Geschichte vielfach zu einseitig von politischen Gesichtspunkten aus behandelt worden ist und dabei die sozialen und kulturellen Faktoren vernachlässigt worden sind, so habe ich mich bisher doch nicht von der Unrichtigkeit des, von Treitschke[GWR 4] oft mit Emphase ausgesprochenen Satzes überzeugen können: Männer machen die Geschichte. Wer wird beispielsweise leugnen wollen, daß Luther der Reformation, die ja unzweifelhaft in jenen Zeiten „in der Luft lag", den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat und, daß die ganze Reformation und damit der Werdegang der ganzen deutschen Geschichte bis in unsere Tage ein anderer geworden wäre, wenn der streitbare Dr. Martinus in jungen Jahren gestorben und somit nicht er, sondern der milde Melanchthon die Seele der Reformation in Deutschland geworden wäre? Wenn aber Männer die Geschichte machen, so sind es in erster Linie die Oberhäupter der Dynastien, von deren guten oder schlechten Eigenschaften die Geschichte eines Volkes abhängt. Ergiebt sich aber dieser Schluß unabweislich, um wie viel mehr muß Geschick und Heil eines Volkes von dem Familiencharakter seines Herrscherhauses abhängen, wenn ein solcher Familiencharakter vorhanden und nachweisbar ist, und aus der Erforschung dieses Familiencharakters wird man die werthvollsten geschichtlichen Aufschlüsse zu erlangen hoffen dürfen. In vielen Geschichtswerken kann man von dem Familiencharakter der Hohenzollern und der Habsburger lesen, und gerade ein Mann wie Treitschke legt in seiner Deutschen Geschichte auf die Schilderung des Familiencharakters der deutschen Dynastien ein besonderes Gewicht. Mit Recht bemerkt aber Devrient, daß Treitschke „diese Dinge mehr mit dem intuitiven Genie des künstlerischen Geschichtsschreibers erfaßt als durch wissenschaftliche Induktion gefunden" hat. Es würde sich ganz gewiß lohnen, eingehende und sorgfältige Untersuchungen darüber anzustellen, ob bei den herrschenden Dynastien der Regel nach oder nur vereinzelt ein solcher Familiencharakter nachweisbar ist. Bisher ist nur ein Versuch in dieser Richtung (18 ≡)
gemacht worden, indem Devrient die sechs älteren Generationen der Ernestinischen Fürsten des sächsischen Hauses in Bezug auf Familiencharakter, Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten genau untersucht hat.[3] Dabei glaubt Devrient gefunden zu haben, „daß in dieser Familie wirklich von einer im Ganzen gleichmäßigen politischen Sinnesart und einem gewissen regelmäßigen Einfluß dieser auf die Politik geredet werden darf". Fragt man nun, auf Grund welcher Ursachen das Vorhandensein eines solchen Familiencharakters, das Vererben derartiger Eigenschaften überhaupt möglich sein kann, so steht man wieder vor einer Reihe von ungelösten Fragen. Eine viel größere Rolle, als Viele anzunehmen geneigt sind, spielt hier offenbar die Erziehung, die Einwirkung der Eltern und, unter Umständen der Großeltern auf das Kind. Blaue Augen und blonde Haare lassen sich nicht anerziehen, bei Eigenschaften des Geistes, des Charakters, des Gemüthes wird man dagegen in erster Linie an die Einwirkung durch die Erziehung denken müssen, und in der Regel wird man doch die Einwirkung durch die Erziehung seitens der Eltern als die maßgebendste ansehen müssen, um so mehr, da auf die Eltern in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle die Auswahl der etwaigen fremden Erzieher zurückzuführen sein wird. Können aber Eigenschaften des Geistes, des Gemüthes, des Charakters der Kinder ihnen von ihren Eltern auf dem Wege der Erziehung überkommen sein, so kann das Gleiche bei den Eltern von Seiten ihrer Eltern, also des Kindes Großeltern, bei den Großeltern von des Kindes Urgroßeltern stattgefunden haben. So kann man annehmen, daß sich ein Familiencharakter ohne Vererbung blos durch Erziehungseinflüsse ausbildet, wobei noch besonders zu bedenken ist, daß, da der Vater als Familienoberhaupt schließlich im Großen und Ganzen doch für die Erziehung der Söhne der maßgebende Theil ist, ein sich gleich (19 ≡)
bleibender Charakter im Mannesstamme eine gewisse glaubhafte Erklärung findet. Dazu kommt noch, daß es auch möglich ist, daß gewisse Eigenschaften vom Kinde den Eltern einfach abgesehen werden, ohne daß sie dem Kinde bewußt anerzogen werden. Es giebt Eigenschaften, bei denen es sehr schwer sein dürfte, zu entscheiden, ob sie vererbt oder anerzogen oder abgesehen sind. So ist mir z. B. glaubhaft berichtet worden, daß es in einer Stadt Norddeutschlands eine Gelehrtenfamilie gäbe, deren sämmtliche Mitglieder dadurch auffallen, daß sie Sohlentreter sind, d. h. sie verlegen das Gewicht des Körpers beim Gehen vorwiegend auf die Sohlen, statt, wie der gewöhnliche Mensch, auf die Absätze. Ist das eine ererbte Eigenschaft oder eine anerzogene, oder abgesehene? In diesem Zusammenhange ist einer Anschauungsweise zu gedenken, von der anläßlich der Jahrhundertwende wieder viel die Rede gewesen ist. Es ist die Anschauung, daß dem Zeitraume von ungefähr einem Jahrhundert gegenüber dem vorausgegangenen oder dem nachfolgenden Jahrhundert ein bestimmter charakteristischer Stempel aufgedrückt sei. Mit vollstem Rechte hat zwar noch jüngst Ulrich von Willamowitz[GWR 5] hervorgehoben, daß man dabei nicht streng an ein kalendermäßiges Jahrhundert denken müsse, sondern daß es sich dabei immer um Zeiträume von ungefähr einem Jahrhundert handele. Das letzteres richtig ist, kann ja in keiner Weise Wunder nehmen, denn der Umstand, daß man im Kalender eine neue Jahrhundertzahl schreibt, kann es doch nicht sein, der bewirkt, daß das neue Jahrhundert einen anderen Charakter zeigt, als das vorhergehende. Allein als einen bloßen Zufall oder eine Spielerei der Historiker wird man es doch auch nicht ansehen dürfen, wenn so viele glauben, für bestimmte Jahrhunderte bestimmte charakteristische Eigenthümlichkeiten herausfinden zu können. Denkt man nun über die Ursachen nach, die bewirken könnten, daß gerade nach dem Zeitraume ungefähr eines Jahrhunderts ein Wechsel in irgendwelcher Richtung eintritt, so drängt sich sogleich eine Thatsache auf, die schon Herodot[GWR 6] (20 ≡)
richtig erkannte, daß nämlich auf einen Zeitraum von 100 Jahren immer ungefähr drei Generationen fallen. Herodot berechnete die Durchschnittsdauer einer Generation auf 331/3 Jahre, drei Generationen füllen also nach ihm genau ein Jahrhundert. In neuerer Zeit hat Rümelin in Tübingen genaue Berechnungen hierüber angestellt und auf genealogischem Wege eine Durchschnittsdauer von 361/2 Jahren für die Generation ermittelt. Drei Generationen umfassen bei ihm also einen Zeitraum von 1091/2 Jahren, das ist auch ungefähr ein Jahrhundert. Ein Zusammenhang zwischen diesen Thatsachen und dem Glauben an die charakteristischen Eigenschaften der Jahrhunderte scheint hier zweifellos vorhanden zu sein. Aber dem nachdenkenden Verstande drängt sich dann sogleich die Frage auf, warum soll gerade eine Periode von drei Generationen sich wesentlich von ihren Vorgängerinnen unterscheiden, warum nicht eine solche von vier oder fünf Generationen? Macht man sich klar, daß in der Regel nur zwischen Großeltern und Enkeln, direkt oder durch Vermittelung der Eltern eine persönliche Einwirkung im Sinne des Anerziehens und Absehens statt hat, nicht mehr von den Urgroßeltern auf die Urenkel, so ergiebt sich eine sehr naheliegende Erklärung und Begründung, die auch schon häufig hervorgetreten ist. Andererseits liegt es aber auch nicht fern, daran zu denken, daß nach dem allgemeinen Glauben eine wirkliche Vererbung individueller Eigenschaften nur durch drei Generationen hindurch stattfinde. Will man nun zu einem einigermaßen haltbaren Ergebnisse darüber gelangen, durch wie viele Generationen hindurch eine thatsächliche Vererbung individueller Eigenschaften aller Art stattfinden könne, so wird man offenbar mit der größten Vorsicht alle solche Eigenschaften aus dem Bereiche der Betrachtung ausscheiden müssen, bei denen der Einwand gemacht werden kann, sie könnten auch anerzogen, abgesehen, und, was hier nicht vergessen werden darf, auch durch Ansteckung übertragen sein. Ich will hier nur darauf aufmerksam machen, daß man sehr lange und sehr fest daran geglaubt hat, die (21 ≡)
Schwindsucht sei erblich, während die überwiegende Anzahl der Fachleute, so viel ich sehen kann, jetzt zu der Ansicht zu neigen scheint, sie sei durchaus nicht erblich, sondern werde nur durch Ansteckung auf die Nachkommen übertragen. Auch die Betrachtung der Erblichkeit der Geisteskrankheiten scheint mir hier zu ganz besonderer Vorsicht aufzufordern, denn es steht fest, daß äußere Einflüsse hier eine große Rolle spielen. Zu allererst wird aber festzustellen sein, ob die thatsächlichen Vorgänge bei der Zeugung und Fortpflanzung des Menschen derartige sind, daß in der That jeder Mensch von jedem seiner Ahnen etwas Keimsubstanz hat. Das kann nun nach dem gegenwärtigen Stande der physiologischen Wissenschaft unbedenklich als feststehend angenommen werden. Und zwar geht das soweit, daß man sagen muß: jeder Mensch hat nicht nur etwas Erbschaftsmasse, wie man sich gewöhnlich ausdrückt, von jedem seiner beiden Eltern, seiner vier Großeltern, seiner acht Urgroßeltern und so weiter, sondern, daß man mit vollstem Rechte von einer Erbschaft der Millionen von Ahnen, die jeder Mensch in einer bestimmten Generationsreihe seiner Ahnen hat, reden kann. Theoretisch hindert nichts anzunehmen, daß einem Menschen von heute eine individuelle Eigenschaft durch Erblichkeit von einem seiner Vorfahren aus dem Mittelalter oder noch früheren Jahrhunderten überkommen sei. Dabei muß man sich aber darüber klar sein, daß ein Mensch jedem der 16 verschiedenen, in seiner 16er Reihe stehenden Ahnen nur 1/16 Erbschaftsmasse zu verdanken hat. In der nächsten Ahnenreihe ist das nur noch 1/32, in der darauf folgenden 1/64 und es ist sehr wohl denkbar, daß, wenn dieser Bruch, um mich so auszudrücken, unter ein bestimmtes Mindestmaaß heruntergeht, die durch ihn ausgedrückte Erbschaftsmasse durch andere unter sich gleiche Erbschaftsmassen gewissermaßen weggeschwemmt wird, die durch sie möglicherweise hervorgerufene individuelle Eigenschaft nicht mehr in die Erscheinung tritt. In Rücksicht auf die vorhin dargelegte drei Generationenlehre ergiebt sich aus dieser Betrachtung, daß, wenn wirklich (22 ≡)
drei Generationen eine, in der Art, wie geschildert wurde, geschlossene Gruppe bilden, und unter der Voraussetzung, daß diese Geschlossenheit auf der Erblichkeit und nicht auf Einwirkung der Erziehung und des Absehens beruht, eine Vererbung wenigstens wichtiger Eigenschaften nur dann stattfinden könne, wenn die vererbte Eigenschaftsmasse nicht weniger als 1/4 betrüge. Das ist aber ein Ergebniß, welches zahlreichen, auf genealogischem Wege mittels Ahnentafeln gewonnenen Erfahrungen hinsichtlich des Vererbens individueller Eigenschaften widerspricht, worüber später, bei der Betrachtung der Frage des Atavismus[GWR 7] noch zu sprechen sein wird. Daraus ergiebt sich aber die eine Gewißheit, daß man die Geschlossenheit der Drei-Generationen-Gruppen auf alle Fälle nur aus der Einwirkung durch die persönliche Berührung der Großeltern mit den Enkeln, nicht aber daraus wird herleiten können, daß Eigenschaften sich wesentlich drei Generationen hindurch vererbten. Die Herleitung der Geschlossenheit der Drei-Generationen-Gruppe aus der Vererblichkeit ist eben nicht in Einklang zu bringen mit der Annahme von dem Vorhandensein eines bestimmten Familiencharakters, ebensowenig aber mit dem zweifellos nachweisbaren Vorhandensein von bestimmten Familientypen. Was nun das nachweisbare Vorhandensein bestimmter Familientypen oder, um mich anders auszudrücken, der Vererblichkeit einer bestimmten, ein und derselben Familie eigenthümlichen typischen individuellen Eigenschaft betrifft, so sind einzelne solcher Falle ja allgemein bekannt, und es wird die Betrachtung sehr erleichtern, an diese Fälle anzuknüpfen. Das wohl am Häufigsten in biologischen, physiologischen und anthropologischen Werken behandelte Beispiel eines solchen Familientypus ist die Habsburgische Lippe. Sie zeigt sich sehr ausgesprochen bei Karl V., ebenso bei seinem Sohne Philipp II. und vererbt sich weiter, wenn auch nicht so stark auf Philipp III. und Philipp IV., um bei dem letzten spanischen Habsburger, Karl II., ganz besonders stark hervorzutreten. Kaiser Ferdinand I., Karls V. Bruder war diesem sehr ähnlich. Ferdinands I., Sohn Maximilian II., hat die Lippe auch, bei des letzteren (23 ≡)
Kindern und bei dem Bruder Ferdinands I., Ferdinand von Tyrol, dem Gemahle der Philippine Welser, ist das Gleiche der Fall. Die Mitglieder der jüngsten Linie der Habsburger: Kaiser Ferdinand II., Leopold V. von Tyrol, Ferdinand III. und Ferdinand IV., die Erzherzöge Karl und Ferdinand Karl und endlich Kaiser Leopold II. in besonderem Maße, haben die Lippe sehr ausgeprägt. Dann verschwindet sie, um in der Person der Kaiserin Maria Theresia ganz zu erlöschen. Aber die Anlage dazu ist nicht untergegangen, sie ruht nur und tritt bei den Nachkommen der großen Kaiserin wieder hervor, um in der Neuzeit beim Erzherzog Albrecht besonders bemerkbar zu sein. Das zu erklären ist schwierig und es ist dazu nöthig, darauf einzugehen, woher die Habsburger Lippe ursprünglich gestammt haben mag. Lorenz nimmt an von Cimburgis von Massovien, der Gemahlin Ernst des Eisernen, während Graf Theodor Zichy sie in einem sehr interessanten, in dem Korrespondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte veröffentlichten Aufsatze, aus dem portugiesischen Königshause herleiten will. Ich halte meinerseits die Lorenzsche Hypothese für richtig und, wenn man von ihr ausgeht, findet sich auch eine entsprechende Lösung für die Frage, wie der, bei Maria Theresia scheinbar erloschene Familientypus bei ihren Nachkommen von Neuem hervortreten konnte. Maria Theresiens Gemahl: Franz von Lothringen hatte nämlich auch seinerseits die Cimburgis von Massovien unter seinen Ahnen und zwar nicht weniger als fünf Mal, so daß man sehr wohl annehmen kann, diese neue Zufuhr von Erbschaftsmasse habe genügt, den erloschenen Typus wieder aufleben zu lassen. Sehr auffallend ist es nun, zu sehen, daß die Habsburgische Lippe durch eine Frau auch in die Mediceer gekommen ist und sich dort gleichfalls zum Familientypus herausgebildet hat. Ich will hierauf nicht näher eingehen, da für den Zweck der heutigen Betrachtung die Feststellung der Thatsache völlig genügend ist, daß individuelle Eigenschaften sich durch Jahrhunderte hindurch in einer Familie erhalten können. (24 ≡)
Damit ist aber der Nachweis erbracht, daß individuelle Eigenschaften sich vererben können, ohne daß dem durch die Zeit oder die Zahl der Generationen eine Grenze gesetzt ist, mit anderen Worten, ein Mensch hat nicht nur theoretisch ein wenig Keimsubstanz von jedem seiner 16, 32, 64, 128, 256 etc. Ahnen, sondern er kann auch individuelle Eigenschaften von ihnen erben. Es vermindert sich aber, in einer je weiter zurückliegenden Ahnenreihe der betreffende, vererbende Ahne vorkommt, um so mehr die Energie der Erbschaftsmasse, um schließlich keine äußerlich erkennbaren Folgen mehr zu haben. Wird dann durch Heirath dem Blute eine gleichartige Erbschaftsmasse wieder zugeführt, so tritt die äußerlich erkennbare Folge wieder ein, selbst wenn bei demjenigen Ehegatten, der diese Neuzufuhr bewirkt, der Fall der Verminderung der Energie der Erbschaftsmasse bis zum Nicht-in-Erscheinung-Treten gleichfalls vorliegt. So liegt der Fall bei Maria Theresia und Franz von Lothringen. Beide haben die Lippe nicht, aber bei ihren Nachkommen tritt sie wieder in Erscheinung. Ich für meine Person neige sehr zu der Ansicht, daß auf diese Weise auch die Fälle des sogenannten Atavismus, wovon noch zu sprechen sein wird, zu erklären sind. Es wurde bisher immer nur von der Vererbung von Eigenschaften schlechthin gesprochen, ohne eines sehr wichtigen Unterschiedes zu gedenken, auf den es Zeit wird, jetzt einzugehen. So bald man von der Vererbung von Eigenschaften handeln will, sind nämlich zwei große Gruppen zu unterscheiden: ererbte Eigenschaften und erworbene Eigenschaften. Ererbte Eigenschaften haben durch die Thatsache, daß sie ererbt sind, den Nachweis ihrer Vererblichkeit erbracht. Daß eine ererbte Eigenschaft weiter vererbt wird, giebt dem prüfenden Verstande daher weiter kein Räthsel auf. Anders liegt es mit der Vererbung erworbener Eigenschaften. Hier steht man nicht nur hinsichtlich des Wie und Warum, wie bei den ererbten Eigenschaften, sondern auch hinsichtlich der Thatsache, daß eine erworbene Eigenschaft überhaupt vererblich sei, d. h. von dem der sie erworben hat, auf seine Nachkommenschaft (25 ≡)
übertragen werden kann, vor lauter offenen Fragen. Während nun hinsichtlich der Vererbbarkeit ererbter Eigenschaften, so weit ich sehe, in der Wissenschaft nirgends Streit herrscht, ist die Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften sehr bestritten. Manche Forscher leugnen sie gänzlich. Mir will vor Allem scheinen, daß hinsichtlich der Unterscheidung zwischen erworbenen und ererbten Eigenschaften, oft nicht mit der nöthigen Vorsicht verfahren wird. Es giebt ja Eigenschaften, die ganz unzweifelhaft erworben sind. Wenn Jemand z. B. durch einen Unfall auf der Jagd das Augenlicht verliert, so ist die Blindheit eine erworbene Eigenschaft. Aber jeder, der auch nur die Möglichkeit behaupten wollte, daß der betreffende deswegen fürderhin blinde Kinder bekommen würde, würde doch ausgelacht werden. Andererseits wird Niemand an der Möglichkeit zweifeln, daß eine pathologische Eigenschaft, beispielsweise eine Geschlechtskrankheit, von kerngesunden Eltern erworben und dann auf die Kinder weiter vererbt werden kann. In anderen Fällen ist aber die Unterscheidung nicht so einfach. Das wird meiner Ansicht nach bei der Untersuchung der schädlichen Wirkung des Alkoholismus nicht genügend berücksichtigt. Man sagt: der und der geistig und körperlich durchaus normale Mensch ist schließlich zum Säufer geworden und seine Nachkommen sind dadurch nothwendig erblich belastet. Bei eingehenden genealogischen Untersuchungen würde man möglicher, ja meines Erachtens sogar sehr wahrscheinlicher Weise zu der Feststellung gelangen, daß der angeblich ganz normale, schließlich zum Säufer gewordene Mensch seinerseits bereits in hohem Grade erblich belastet war, so daß man sich vor die Frage gestellt sieht: wurde er zum Säufer, weil er schon erblich belastet war, und hat er nur, ganz naturgemäß, seine ererbte Belastung weiter vererbt? oder wurden seine Nachkommen erblich belastet, weil er zum Säufer wurde? Lorenz hat darauf hingewiesen, daß jeder Mensch von heutzutage offenbar ganz ausnehmend viele Säufer in seinen oberen Ahnenreihen hat, aus dem sehr einfachen Grunde, weil in früheren Jahrhunderten, unzweifelhaft, nach heutigen (26 ≡)
Begriffen, ganz unmäßig viel getrunken wurde. Aber damals vertrug man vielleicht mehr wie heute. Ein Amerikaner R. L. Dugdale[GWR 8], hat im Jahre 1877 eine sehr interessante kleine Studie veröffentlicht: The Juke's, a study in crime, pauperism, disease and heredity, in der er den Nachweis führt, daß von 709 der 834 Nachkommen einer im Jahre 1740 gestorbenen Säuferin Ada Juke 106 unehelich geboren, 143 Bettler, 64 Gemeindearme, 181 Prostituirte, 69 Verbrecher, 7 Mörder waren. (Zitirt nach einer Abhandlung von Forel[GWR 9] in der wissenschaftlichen Beilage der Münchener Allgemeinen Zeitung). Es hat sehr viel Bestechendes, die Schlechtigkeit dieser Nachkommen dem Alkoholismus ihrer Stammmutter zuzuschreiben. Jedenfalls kann man aber eine derartige genealogische Untersuchung nicht als vollbeweisend ansehen. Erst eine größere Zahl gleichartiger Ergebnisse würde sichere Schlüsse gestatten und es ist geradezu wunderbar, daß die Genealogie zur Lösung derartiger Fragen nicht mehr herangezogen wird. So würde es sich sehr lohnen, die Nachkommenschaft Annas von Sachsen, welche eine Tochter des Kurfürsten Moritz und die zweite Gemahlin Wilhelms von Oranien war, einer Frau, die als Säuferin bekannt ist und 1577 zu Dresden im Säuferwahnsinn gestorben ist, genauer zu untersuchen. Es würde sich in diesem Falle zeigen, daß der Säuferwahnsinn der Stammmutter auf die Zeugungskraft ihrer Töchter verderblich gewirkt hat. Es müßten dann aber auch die Ahnen Annas von Sachsen genau untersucht werden, um zu sehen, ob sie ihrerseits bereits erblich belastet, und ihr unmäßiges Trinken nur eine Folge erblicher Belastung ihrerseits war, oder ob man bei ihr mit Recht von einer erworbenen Eigenschaft und demgemäß der Schädlichkeit einer erworbenen Eigenschaft reden kann. Es ist nun bisher nur von Vererbung von Eigenschaften schlechthin die Rede gewesen, ohne der Thatsache zu gedenken, daß man neben der Vererbung von Generation zu Generation auch eine sprungweise Vererbung von Großeltern auf Enkel, (27 ≡)
von Urgroßeltern auf Urenkel etc. zu unterscheiden hat. Es ist nun meine Ansicht, daß man bei der sprungweisen Vererbung auch wieder zweierlei zu unterscheiden hat, nämlich eine sprungweise Vererbung innerhalb nicht sehr weit auseinander stehender Generationen, wobei, wie ich glaube, Lorenz das richtige Gefühl gehabt hat, wenn er die 16er Ahnenreihe als Grenze vorschlug, und eine sprungweise Vererbung aus einer höheren als der 16er Ahnenreihe auf denjenigen, dessen Ahnentafel aufgestellt worden ist. An eine Vererbung aus einer höheren als der 16er Ahnenreihe sprungweise, d. h. so, daß die Zwischengenerationen die betreffende Eigenschaft nicht haben, glaube ich meinestheils nicht, es sei denn, daß durch wiederholtes Vorkommen des betreffenden Ahnen, also durch Ahnenverlust, oder durch anderweitiges Zusammentreffen gleichartiger Erbschaftsmassen, eine Verstärkung der Energie der ursprünglichen Erbschaftsmasse eintritt. Diese Darlegungen, bei denen ich mich natürlich ganz kurz fassen mußte, beweisen nun meines Erachtens unwiderleglich, daß man solche Untersuchungen nicht auf Stammtafeln, sondern auf Ahnentafeln unter Berücksichtigung sämmtlicher Ahnen, möglichst viele Generationen zurück stützen muß. Durch die Vernachlässigung der Mütter und deren Vorfahren muß man nothwendig zu Trugschlüssen gelangen, wie sie das klassische Werk medizinischer Genealogie oder genealogischer Pathologie von dem Franzosen Dejerine[GWR 10], sobald man nur die Ahnen untersucht, erkennen läßt. Ich bin gerade dabei, genaue Untersuchungen darüber anzustellen, ob und in wie fern die letzten spanischen Habsburger, Philipp III., Philipp IV. und Karl II. von Spanien, von Johanna der Wahnsinnigen her erblich belastet sind, welche Rolle der Ahnenverlust dabei spielt, und kann heute schon sagen, daß man auf dem Wege der Aufstellung von Ahnentafeln für solche Zwecke zu ganz anders einleuchtenden Ergebnissen gelangt, als unter bloßer Berücksichtigung der Stammtafel, d. h., unter vorwiegender Betrachtung des Mannesstammes. Diese vorwiegende Betrachtung des Mannesstammes und die daraus folgende Vernachlässigung (28 ≡)
der Mütter und ihrer Vorfahren ist ein Fehler in der genealogischen Methode, in den selbst, wie gesagt Dejerine, verfallen ist. Es ist deshalb ein methodischer Fehler, weil die vorwiegende oder ausschließliche Berücksichtigung[GWR 11] des Mannesstammes, etwas unterstellt, was erst auf empirischem Wege, durch sehr genaue und umfangreiche Ahnentafel-Untersuchungen nachgewiesen werden müßte, nämlich, daß eine Vererbung von Eigenschaften wesentlich im Mannesstamme stattfinde. Das kann sein, es kann aber auch nicht sein. Es kann auch sein, daß sich gewisse Eigenschaften wesentlich im Mannesstamme, andere wesentlich im Weiberstamme vererben, es könnte auch sein, daß ein gesetzmäßiges Springen der Vererbung durch die Weiber auf deren Söhne oder durch die Männer auf deren Töchter sich nachweisen ließe. Meine Herren! Ich muß mit diesen Betrachtungen abbrechen. Ich glaube, gezeigt zu haben, daß alle diese Probleme im Grunde entweder genealogische Probleme sind oder solche, zu deren Lösung die Genealogie sehr wesentlich beitragen kann. Daß es Probleme sind, die zu den allerinteressantesten und wichtigsten gehören, springt doch in die Augen. Welches Feld bietet sich hier der wissenschaftlichen Thätigkeit für fruchtbringende Einzeluntersuchungen, für Arbeiten, die eine ganz andere Wichtigkeit haben würden, als manche dicke Monographie, – und es kann nur auf das tiefste beklagt werden, daß die Genealogie zur Zeit unstreitig das größte Stiefkind unter den Wissenschaften ist. Für Untersuchungen der angedeuteten Art fehlt es unleugbar an zweierlei. Es fehlt an der Kenntniß der genealogischen Arbeits- und Forschungsmethoden, und es fehlt an ausreichender Verarbeitung und Zugänglichmachung des in reicher Fülle vorhandenen genealogischen Materials. Der Physiolog, Patholog, Psychiater, jeder Forscher, der an derartige Probleme herantritt, müßte vor Allem eine genügende Kenntniß der genealogischen Methode besitzen. Aber, wie soll er sich die verschaffen? In Deutschland findet er, wenigstens an den Universitäten, keinerlei Gelegenheit, sich damit vertraut zu machen, denn Professoren für Genealogie giebt es nirgends (29 ≡)
nicht einmal Privatdozenten. Zwar hat Lorenz schon mit starkem Ausdruck betont, daß die Regierungen, die für die Interessen der Wissenschaft thätig sind, sich in nicht allzu ferner Zeit doch werden entschließen müssen, das dicke Scheuleder der Fakultäten zu durchbrechen und für die Wiederaufnahme genealogischer Studien etwas zu thun. Aber ich fürchte sehr, daß die heutige Generation das nicht mehr erleben wird. Außer der Kenntniß der genealogischen Methode fehlt es den Forschern auch an dem genügenden, ich möchte sagen, mundgerecht gemachten genealogischem Material. Das Material an sich ist in den Ahnentafeln der Stifter und Orden, in den Kirchenbüchern und Archiven in Fülle vorhanden. Aber es sind ungehobene Schätze. Was will gegenüber solchen Aufgaben und Zielen der Genealogie die, im Vergleiche zur Gesammtheit verschwindende, wenn auch absolut nicht geringe Zahl veröffentlichter, also allgemein zugänglich gemachter, Familiengeschichten und Ahnentafeln bedeuten? Aber es fehlt eben im Großen und Ganzen am genealogischen Interesse. Soweit es sich nun um die Erforschung, Zusammenstellung, Verarbeitung des, wie ich sagte, in reicher Fülle im Verborgenen schlummernden genealogischen Materials handelt, fällt dem Adel, daran kann gar kein Zweifel sein, eine große Aufgabe zu. Mit Nachdruck habe ich bei jeder, sich darbietenden Gelegenheit die Auffassung als irrig zurückgewiesen – und muß es auch heute wieder thun – daß die Genealogie, man verzeihe den stylistisch etwas schiefen Ausdruck, eine adelige Wissenschaft wäre, daß die Genealogie adeliger Familien von ausschließlichem oder wesentlichen Interesse sei. Ob eine bestimmte Gattung von Familien von Interesse ist, hängt einzig und allein von dem wissenschaftlichen Zweck ab, der verfolgt wird. Handelt es sich ausschließlich um geschichtliche Zwecke, so wird man sagen müssen, daß die Genealogie eines Geschlechtes um so wichtiger ist, je größer die geschichtliche Rolle ist, die das betreffende Geschlecht gespielt hat. Die größte geschichtliche Rolle spielen die regierenden Familien. Es liegt auch in der Natur der Sache, daß gewisse Adelsgeschlechter (30 ≡)
in bestimmten Gebieten, zu gewissen Zeiten, eine große historische Rolle gespielt haben, bürgerliche Familien aber nicht. Das ist der Grund, weshalb die Genealogie es, oft nicht ohne Berechtigung, vorwiegend mit adeligen Geschlechtern zu thun hat. Aber es kommt auf die geschichtliche Wichtigkeit des betreffenden Geschlechts, nicht darauf an, ob es adelig oder bürgerlich war. Wer wird z. B. behaupten wollen, die Genealogie eines altberühmten bürgerlichen Geschlechtes, wie der Striepe in der Altmark, habe geringeres historisches Interesse, weil dieses Geschlecht bürgerlich war? Und wenn nun gar ein einseitiger historischer Zweck verfolgt wird! Es hat bekanntlich Musikerfamilien – ich erinnere nur an das Geschlecht Bach – Steinmetz-, Bildhauer-Familien, Geschlechter gegeben, in denen das Waffenschmiedehandwerk, andere, in denen die Glockengießerkunst erblich war. Es liegt auf der Hand, daß für eine Geschichte der betreffenden Kunst oder des betreffenden Kunsthandwerks die Genealogie eines solchen bürgerlichen Geschlechtes ungleich wichtiger ist, als die irgend einer beliebigen Grundbesitzerfamilie, für deren Mitglieder Jahrhunderte lang der Satz gilt: er lebte, nahm ein Weib und starb. Handelt es sich aber gar um kulturhistorische, biologische, statistische, pathologische, kriminalistische und ähnliche Aufgaben, so ist die Geschichte geradezu jeden Geschlechtes interessant. Aber: man täusche sich darüber nicht. So, wie die historischen und thatsächlichen Verhältnisse einmal liegen, ist die Erforschung der Genealogie der regierenden Familien weitaus am Leichtesten. Schwerer schon, aber in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle noch unvergleichlich leichter ist es, für eine adelige Familie das geschichtliche Material zu sammeln, als für Familien des Bürgerstandes. Durch diese unleugbare Thatsache erwächst aber dem Adel eine überaus ernste Pflicht. Das Vorhandensein der genealogischen Schätze in den Kirchenbüchern, großen und kleinen Archiven aller Art, legt dem Adel die Ehrenpflicht auf, diese Schätze zu heben, (31 ≡)
das familiengeschichtliche Material zu sammeln, zu ordnen, kritisch zu verarbeiten und zur Stammtafel und Ahnentafel, wenn möglich zur Familiengeschichte auszugestalten. Jeder Edelmann müßte sich dessen bewußt sein, daß er durch Aufklären und Zusammenstellen seiner Familiengeschichte einen Baustein liefert für die Erforschung der höchsten Probleme der Wissenschaft. Jeder Mensch müßte sich dessen bewußt sein, aber der Adel ist eben in der glücklichen Lage, ein reicheres und leichter zugängliches Material zur Verfügung zu haben. Klagend muß aber auch dem Adel der Genealoge entgegen rufen: es fehlt an genealogischem Interesse! Selbst für die Geschichte des eigenen Geschlechtes fehlt wunderbarerweise das Interesse in sehr vielen Fällen. Das ist um so bedauerlicher wegen des unbestreitbaren ethischen Werthes der Familiengeschichtsforschung. Ich habe mich darüber schon einmal ausgesprochen[4] und weiß nichts besseres zu thun, als meine damaligen Ausführungen zu wiederholen. Ich führte damals aus:
Heute möchte ich ein sehr ernstes Wort hinzufügen. Betrübende Vorgänge aus den letzten Jahren haben dargethan, daß in beklagenswerther Zahl ein Theil des deutschen Adels in unnützen, unedlen und unwürdigen Vergnügungen, um keine härteren Ausdrücke zu gebrauchen, seine Zeit vergeudet. Kein Ausdruck ist hart genug, um solches Thun zu verdammen. Es schädigt nicht nur unfehlbar den Betreffenden und seine Familie: es schädigt den Stand. Und es ist gar nicht auszudenken, was an ersprießlicher[GWR 12] Arbeit für die Wissenschaft, was Nutzbringendes für die zukünftige Lösung höchster wissenschaftlicher Probleme geleistet werden könnte, wenn die viele fruchtlos vergeudete Zeit auf familiengeschichtliches Sammeln und Forschen verwendet würde. Auf die Frage, welchem Ziele eine solche Arbeit zustreben müsse, ist Folgendes zu antworten: Für die Vergangenheit des Geschlechtes ist das Material aufzusuchen und zu sammeln, sodann zu verarbeiten und zur Stammtafel, womöglich zur Familiengeschichte auszugestalten. Stammtafel und Familiengeschichte sind womöglich zu veröffentlichen. Für die Gegenwart sind die wichtigen Ereignisse und Verhältnisse des Geschlechts aufzuzeichnen, damit sie in Zukunft vorhanden sind. Jedes Geschlecht muß also mindestens einen Familienhistoriker und einen Familienchronisten haben. Familienchronist für seine eigene engere Familie sollte jedes (33 ≡)
Familienoberhaupt sein. Diese Forderung gilt für jedes Geschlecht, wes Standes es auch sei, sobald es dazu die Mittel hat. Aber für die vergangene Geschichte ist der Adel, wie schon betont wurde, in der ungleich günstigeren Lage gegenüber anderen Ständen. Diese Aufgabe zu erfüllen sollte dem gesammten Adel eine heilige Pflicht sein. Jedes Adelsgeschlecht muß seine handschriftliche Familiengeschichte und seine handschriftliche Matrikel haben. Sie werden mir nun alle zustimmen, wenn ich sage: die Adelsgenossenschaft ist die Zusammenfassung desjenigen Theiles des Deutschen Adels, der sich seiner besonderen Aufgaben bewußt geworden ist. Auch hier also muß die Adelsgenossenschaft als Führerin vorangehen. Was hat die Adelsgenossenschaft demnach zu thun? Sie muß zum Ersten das Interesse für genealogische Studien wecken und fördern. Jedes Mitglied der Genossenschaft muß das durch Wort und durch Beispiel, das Adelsblatt durch entsprechende Propaganda, die Adelsgenossenschaft durch angestrengte Thätigkeit ihrer genealogischen Abtheilung. Die Adelsgenossenschaft muß zum andern die Kenntniß der genealogischen Forschungs- und Arbeitsmethode verbreiten helfen. Dazu können entsprechende Aufsätze im Adelsblatt nicht unwesentlich beitragen. Da aber nie das geschriebene oder das gedruckte Wort ein vollgültiger Ersatz sein kann für die Einwirkung durch das gesprochene Wort, so muß die Adelsgenossenschaft diejenige Lücke auszufüllen trachten, die im Lehrplan der Universitäten klafft, und einen genealogischen Unterricht ins Leben rufen. Unter den Fittigen der Adelsgenossenschaft habe ich im Jahre 1897 in einem Cyklus von fünf zweistündigen Vorlesungen das Gesammtgebiet der wissenschaftlichen Genealogie abzuhandeln versucht. Ich werde im nächsten Winter darangehen, ein genealogisches Seminar ins Leben zu rufen, in welchem Anfängern Anleitung zu genealogischen Arbeiten gegeben werden soll. (34 ≡)
Aber sehr zu erwägen wäre, wie mir scheint, für den Vorstand der Genossenschaft, ob er nicht durch Vorstellung bei den zuständigen Stellen versuchen will, die Errichtung wenigstens einer Professur für wissenschaftliche Genealogie an einer der vielen Universitäten Deutschlands zu erreichen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Wer weiß, ob das nicht doch schließlich zu erreichen ist. Eine geeignete Kraft würde sich schon finden. Die Adelsgenossenschaft muß zum Letzten, die Centralstelle sein, wo man das genealogische Material findet. Ich stellte vorhin die Forderung auf, daß jedels Adelsgeschlecht womöglich seine gedruckte Familiengeschichte haben müßte, jedenfalls eine handschriftliche Geschichte, zum Wenigsten eine handschriftliche Stammtafel und, für die Gegenwart eine Matrikel. Nun sind Familiengeschichten oder Stücke von solchen in ungeheurer Zahl, theils selbständig, theils in Zeitschriften und Sammelwerken veröffentlicht. Aber es existiert darüber keine vollständige Bibliographie. Eine vollständige und verläßliche Bibliographia familiarum nobilum zu schaffen, zunächst eine deutsche, dann eine internationale, sollte die Adelsgenossenschaft daher zum Dritten als eine wichtige Aufgabe ansehen. Endlich muß eine Centralstelle geschaffen werden, an der die handschriftlichen Familiengeschichten, Stammbäume und Matrikeln in Abschrift vereinigt sind. In den Händen der betreffenden Familien fördern sie die allgemeine genealogische Wissenschaft noch zu wenig. Denn, wie soll ein Forscher wissen, an wen er sich mit einer Frage zu wenden hat? Ich fordere also von der Adelsgenossenschaft zum Vierten und Letzten, daß sie die Centralstelle sei, wo man in Zukunft für jedes Adelsgeschlecht der Länder deutscher Zunge die Matrikel und den Stammbaum einsehen könne. Das ist durchaus kein utopistischer Traum. Freilich ist die Mitarbeit der betreffenden Familien dazu unentbehrlich. Wenn das aber erst geschaffen sein wird, dann wird die Wissenschaft der Genealogie im Stande sein, einen großen (35 ≡)
Theil der Ziele zu erreichen, von denen ich sprach, der Aufgaben zu erfüllen, die ihr gestellt sind. Dann wird auch der Tag nicht mehr fern sein, an dem die Staaten, wenigstens die großen, erkennen werden, daß sie ein großes genealogisches Reichsinstitut schaffen müssen, in dem, zum Mindesten für die Zeit von der Schaffung der standesamtlichen Register ab, die Genealogie jeder Familie, sei sie nun die höchste oder die niedrigste, vorhanden ist, wenn nicht auf die wirkliche Lösung gewisser wissenschaftlicher Probleme endgültig verzichtet werden soll.
Anmerkungen
Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)
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