Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)/31
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das familiengeschichtliche Material zu sammeln, zu ordnen, kritisch zu verarbeiten und zur Stammtafel und Ahnentafel, wenn möglich zur Familiengeschichte auszugestalten. Jeder Edelmann müßte sich dessen bewußt sein, daß er durch Aufklären und Zusammenstellen seiner Familiengeschichte einen Baustein liefert für die Erforschung der höchsten Probleme der Wissenschaft. Jeder Mensch müßte sich dessen bewußt sein, aber der Adel ist eben in der glücklichen Lage, ein reicheres und leichter zugängliches Material zur Verfügung zu haben.
Klagend muß aber auch dem Adel der Genealoge entgegen rufen: es fehlt an genealogischem Interesse! Selbst für die Geschichte des eigenen Geschlechtes fehlt wunderbarerweise das Interesse in sehr vielen Fällen. Das ist um so bedauerlicher wegen des unbestreitbaren ethischen Werthes der Familiengeschichtsforschung. Ich habe mich darüber schon einmal ausgesprochen[1] und weiß nichts besseres zu thun, als meine damaligen Ausführungen zu wiederholen.
Ich führte damals aus:
„Familiengeschichtsforschung und Familiensinn stehen in Wechselbeziehung: wer Familiensinn in höherem Maße besitzt, wird geneigt sein, sich mit der Geschichte des eigenen Geschlechtes zu befassen; wird Familiengeschichte in einem Geschlechte betrieben, eine solche vielleicht sogar verfaßt und gedruckt, so wird ohne Zweifel der Familiensinn, das Gefühl der Zusammengehörigkeit bei den Mitgliedern dieses Geschlechtes geweckt und gefördert. Ist es ferner nicht unzweifelhaft, daß die lobenswerthen Thaten der Vorfahren dem Enkel ein Ansporn sein werden, ihnen nachzuahmen, sich ihres Namens würdig zu erweisen, daß die Fehler, die von ihnen begangen wurden – und in welchem Geschlechte ist Derartiges nicht vorgekommen? – ihm ein warnendes Beispiel sein werden, wenn er es nur
- ↑ Der Deutsche Herold, Jahrgang 1894, S. 143.