Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)/17

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Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)
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bedingt. So viel Berechtigung diese Richtung insofern hat, als die Geschichte vielfach zu einseitig von politischen Gesichtspunkten aus behandelt worden ist und dabei die sozialen und kulturellen Faktoren vernachlässigt worden sind, so habe ich mich bisher doch nicht von der Unrichtigkeit des, von Treitschke[GWR 1] oft mit Emphase ausgesprochenen Satzes überzeugen können: Männer machen die Geschichte. Wer wird beispielsweise leugnen wollen, daß Luther der Reformation, die ja unzweifelhaft in jenen Zeiten „in der Luft lag", den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat und, daß die ganze Reformation und damit der Werdegang der ganzen deutschen Geschichte bis in unsere Tage ein anderer geworden wäre, wenn der streitbare Dr. Martinus in jungen Jahren gestorben und somit nicht er, sondern der milde Melanchthon die Seele der Reformation in Deutschland geworden wäre?

      Wenn aber Männer die Geschichte machen, so sind es in erster Linie die Oberhäupter der Dynastien, von deren guten oder schlechten Eigenschaften die Geschichte eines Volkes abhängt. Ergiebt sich aber dieser Schluß unabweislich, um wie viel mehr muß Geschick und Heil eines Volkes von dem Familiencharakter seines Herrscherhauses abhängen, wenn ein solcher Familiencharakter vorhanden und nachweisbar ist, und aus der Erforschung dieses Familiencharakters wird man die werthvollsten geschichtlichen Aufschlüsse zu erlangen hoffen dürfen. In vielen Geschichtswerken kann man von dem Familiencharakter der Hohenzollern und der Habsburger lesen, und gerade ein Mann wie Treitschke legt in seiner Deutschen Geschichte auf die Schilderung des Familiencharakters der deutschen Dynastien ein besonderes Gewicht. Mit Recht bemerkt aber Devrient, daß Treitschke „diese Dinge mehr mit dem intuitiven Genie des künstlerischen Geschichtsschreibers erfaßt als durch wissenschaftliche Induktion gefunden" hat. Es würde sich ganz gewiß lohnen, eingehende und sorgfältige Untersuchungen darüber anzustellen, ob bei den herrschenden Dynastien der Regel nach oder nur vereinzelt ein solcher Familiencharakter nachweisbar ist. Bisher ist nur ein Versuch in dieser Richtung



Anmerkungen der GenWiki-Redaktion (GWR)

  1. Siehe Artikel Heinrich von Treitschke. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (20.03.2011)