Pogegen

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Wappen von Pogegen

P o g e g e n

Kreisstadt von 1920 - 1939
Memelland, O s t p r e u ß e n
_____________________________________________________

Die Bahnhofstraße in Pogegen


Hierarchie


Logo Leerstelle.jpg

Altes Ortsschild von Pogegen, 1939
Ortsschild von Pogegen, Kestutis 2007


Einleitung

Die Hauptstraße von Pogegen, Kestutis 2007

Pogegen, bis 1920 Kreis Tilsit, Ostpreußen; (1920-1939) Kreis Pogegen; (1939-1945) Kreis Tilsit-Ragnit


Name

Andere Namen und Schreibweisen


Namensbedeutung

Der Name sagt, dass der Ort am Fluss Gege liegt (auch Jegen, Gäge oder Jege).

  • prußisch "po, pa" = an, bei, in der Nähe von
  • "gegis" = Hain (Erlenwald, Heuwiesen, Äcker)
  • "geguse" = Kuckuck, auch Monat Mai (Kuckucks- oder Saatmond)


Allgemeine Information

  • Marktflecken, ehem. Kreisverwaltung, 8 km nördlich von Tilsit, seit 1307 erwähnt, großer Bahnhof mit 3 Bahnlinien, 1939: 2761 Einwohner[6]


Politische Einteilung

Ankunft zum ersten Spatenstich zum Bau der Notkirche am 28.10.1932
Bild: H.-J. Wertens


  • 1866.21. Okt.. Der letzte der Verträge zwischen Preußen und 22 Staaten oder Freien Städten nördlich der Mainlinie über die Gründung des Deutschen Bundes wird unterzeichnet (Verfassungsgebung: 1. Juli 1867). Pogegen im Königreich Preußen ist nun eine Gemeinde im Norddeutschen Bund.
  • 1871.18. Jan.. König Wilhelm von Preußen wird im Spiegelsaal zu Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert; Gründung des II. Deutschen Kaiserreichs. Insgesamt gehen vier Königreiche, sechs Großherzogtümer, fünf Herzogtümer, sieben Fürstentümer, drei freie und Hansestädte sowie das Reichsland Elsaß-Lothringen in das Reich ein. Pogegen ist nun eine Gemeinde im Deutschen Reich.

Bennigkeiten kam am 31.05.1921 zur Gemeinde Pogegen.[7]

1.5.1939: Name der neuen Gemeinde: Pogegen;

Die neue Gemeinde ist gebildet worden aus der bisherigen Landgemeinde : Pogegen.[8]

1.10.1939: Pogegen kommt zum Kreis Tilsit-Ragnit. [9]


Kirchliche Einteilung

Evangelische Kirche

Konfirmation am 30. Mai 1937
Bild: Kristupas Sidlauskas


Pogegen ist seit 1919 Kirchenkreis. Bis 1925 hatte sich die Zahl der Einwohner um mehr als das Doppelte auf 1.404 erhöht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die große Landgemeinde jedoch immer noch keine eigene Kirche, sie gehörte nach wie vor zum Kirchspiel Tilsit-Land.
Da die Tilsiter Kirche wegen der Grenzziehung immer schwieriger zu erreichen war, wurde ein Jahr nach Bildung einer katholischen Gemeinde am 19.02.1933 in Pogegen eine
kleine ev. Kirche eingeweiht, der 1938 auch noch ein Turm angefügt wurde.
Die Kirche hatte zwei Glocken.

Zugehörige Ortschaften

Zum Kirchspiel Pogegen gehörten 1933 folgende Ortschaften, die vor der Abtrennung des Memellandes zum Kirchspiel Tilsit Land gehörten:

Campen, Groß Plauschwarren, Jägenberg Gut, Adlig Klein Plauschwarren, Lasdehnen Anteil, Milchbude Gut, Nausseden, Pellehnen, Pogegen, Dorf u. Gut, Prussellen, Schakeningken, Suitkaten, Uszpirden, Winge Gut, Wittschen.

Kirchenbücher

Die Kirchenbücher von Pogegen sind verschollen.
Siehe auch: Ostpreußen/Genealogische Quellen/Kirchbuchbestände Kreis Pogegen

Die Notkirche in Pogegen wurde am 19.02.1933 eingeweiht.
Die ev. Kirche in Pogegen (1938)
Die ev. Kirche in Pogegen (2007)


Katholische Kirche

Pogegen gehörte zur Katholischen Kirche Tilsit (Maria Himmelfahrt) [10]




Die katholische Gemeinde in Pogegen wurde 1932 gegründet, obwohl schon zwei Jahre zuvor, nämlich 1930, fing man an, sich um den Bau einer katholischen Kirche zu kümmern. Die Kirche des Hl. Kreuzes wurde 1938 geweiht. Fast alle 1500 Gemeindeangehörigen waren Litauer. (Anmerkung: Die Kirche wurde für die litauischen Beamten der Bahn, des Zolls und der Grenzpolizei gebaut. [11]) Während des Zweiten Weltkriegs beschädigt, wurde die Kirche in der Sowjetzeit abgerissen.[12] Lediglich der Turm ist erhalten geblieben. An gleicher Stelle wurde 1996 eine neue katholische Kirche errichtet.[13]

Katholische Heiligkreuz-Kirche Pogegen (Ansichtskarte vor 1945)
Katholische Kirche in Pogegen (2007)
Informationstafel bei der kath. Kirche Pogegen ©KestucioZ.Fotografija


Friedhof

Pogegen hat zwei alte Friedhöfe.

Lage der Friedhöfe in Pogegen

Lage der Friedhöfe in Pogegen im Messtischblatt
Friedhofskapelle des westlich gelegenen Friedhofs in Pogegen 2017 ©KestucioZ.Fotografija


Fotos

Der nordöstlich gelegene Friedhof gehörte zum ehemaligen Ortsteil Bennigkeiten. An diesen Friedhof erinnert nur noch ein Holzkreuz. Die Fotos wurden 2021 von Kestutis Zdanevicius gemacht und freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


Standesamt

Pogegen gehörte 1888 zum Standesamt Baubeln (Ksp.Piktupönen) .

Bewohner


Schule

Die Schule Pogegen, ehemals der Kirche Tilsit zugehörig, führt in ihrer Chronik den Vermerk „Die hießige Schule ist gestiftet im Jahre 1736“.

Als Lehrer haben an ihr gewirkt:

  • 1834 – 1852 Urban
  • 1852 – 1891 Freutel
  • 1891 – 1902 Reinecke
  • 1902 – 1927 Lengwenings
  • ab 1927 Herr Brettschneider

Die Chronik berichtet: Das Hungerjahr 1868

Dunkel war die Zukunft, in die wir schauten. Einer Unterbrechung des Schulbesuchs sah man aus zweierlei Gründen entgegen: 1. Der Torf zur Heizung der Schule war naß angefahren. 2. Die armen Kinder werden durch Betteln ihr Leben erhalten müssen. Doch wie gesagt: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Die hohe Behörde sorgte dafür, dass der Fiskus zu dem nassen Torf gutes Holz zulegen musste, und die armen Kinder wurden in der Schule gespeist. Die Nachricht von der Not unserer Gegend drang bis zu den äußersten Gegenden unser Vaterlandes. Milde Gaben kamen von allen Seiten herbei. Gesorgt wurde auf alle mögliche Weise, um der Not abzuhelfen. Suppenanstalten, wo es nötig war, wurden eingerichtet. Auch in der Schule waren Suppenanstalten, dass die armen Schüler warmes Mittag bekommen konnten. Die Kinder gingen gern in die Schule, denn sie erhielten da geistige und körperliche Speise. Noch nicht genug. Es wurde auch für Kleider gesorgt. Der hochverehrte Frauenverein bemühte sich nach Kräften. In meiner Schule erschien die Frau des Gutsbesitzers Rademacher aus Minge, ließ sich die armen Kinder vorstellen und verteilte unter denselben Kleidungsstücke. Aber auch uns armen Lehrern, die wir mit halbgefülltem Magen des Tages Last und Hitze trugen, war Hilfe nötig. Die Kgl. Regierung zu Gumbinnen sorgte dafür, dass wir Lehrer ein Darlehen von 15-20 Talern erhielten. Außerdem bildeten sich in Königsberg zwei Komitees zur Unterstützung von hilfsbedürftigen Lehrern.].[14]


Geschichte

Gründung

Pogegen Wappen alt.JPG

Die erste gesicherte Erwähnung des Ortes Pogegen stammt aus dem Jahr 1307. Es war die Zeit, als der Deutsche Orden im Zuge der Christianisierung
der Prussen seinen nordöstlichsten Vorstoß abgeschlossen hatte. Da deutsche Bauern wenig Interesse an der Besiedlung der Wildnis nördlich der Memel hatten, zogen vorwiegend litauische Flüchtlinge dort hin, die in ihrer noch heidnischen Heimat ihren Glauben nicht ausüben konnten.

Wegen der größtenteils unzugänglichen Landschaft war die Grenze zwischen dem Ordensstaat und Litauen lange Zeit unbestimmt, sie wurde erst 1398 vertraglich festgelegt. Danach wurde das Dorf Pagėgiai oder Pogegen durch die Ordens-Komturei Ragnit verwaltet.
Unter dem Einfluss der Ragniter Schalauerburg strahlte das Deutschtum weiter nach Norden aus, so daß sich die ehemals litauischen Einwanderer mehr und mehr assimilierten und vielfach die deutsche Sprache als Zweitsprache annahmen.

Die Einwohner Pogegens lebten hauptsächlich von der Landwirtschaft und der Fischerei auf der Memel. Sie teilten bis ins 18. Jahrhundert hinein das Schicksal des Memellandes, das immer wieder durch Einfälle von Litauern, Russen und Schweden sowie unter Pest und Cholera litt. Erst Mitte des 19. Jahrhundert besserten sich die Verhältnisse.

Die Entwicklung bis Ende des 19. Jahrhunderts

Pogegen war Anfangs des 19. Jahrhunderts ein Kölmerdorf mit 246 Einwohnern auf 43 Anwesen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dort schon 506 Einwohner, die sich auf 126 Anwesen und auch anderweitig betätigten. 1885 umfasste diese Kommune 684 Einwohner mit 150 Anwesen.

Bahnhof

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde nördlich des Dorfes Pogegen die neue Fernstraße Memel - Heydekrug - Tilsit gebaut, nur wenig später folgte in gleicher Richtung auch der Bau der Eisenbahn (1875 fertiggestellt). So entstand rechts der Memel, unmittelbar neben dem Dorf Pogegen im Ortsteil Bennigkeiten, ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Von Pogegen führte eine Abzweigung der Eisenbahn nach Laugszargen. Noch 1915 begann auch der Bau einer Kriegsbahn vom preußischen Grenzort Laugszargen über Tauragė nach Radviliškis, die 1916 fertiggestellt wurde. Der Eisenbahn-Knotenpunkt Pogegen bekam einen Bahnhof mit den entsprechenden Gebäuden für das Eisenbahnpersonal sowie auch alle benötigten technischen Einrichtungen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Strecke Tilsit - Memel, die nun in der Sowjetunion lag, im Jahr 1953 in Breitspur wiedereröffnet.
In sowjetischen Kursbüchern wurde sie in Einheit mit der Strecke Kaliningrad Sowetsk dargestellt.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der nun internationale Personenverkehr zwischen Sowetsk und Pogegen im Jahr 1996 eingestellt. Zu dieser Zeit wurde auch der litauische Binnenverkehr zwischen Pogegen und Klaipėda eingestellt. Auf dem Streckenabschnitt Šilute Klaipėda erfolgte später die Wiederaufnahme; aus finanziellen Gründen wurde der Betrieb aber im Mai 2011 wieder eingestellt.
Der Bahnhof von Pogegen spielte zur Litauerzeit eine große Rolle
Der Bahnhof von Pogegen im Jahre 1994

Kleinbahn Pogegen - Schmalleningken

Übersichtskarte von der Pogeger Kleinbahn, im Jahr 1938
  • Eine meterspurige Kleinbahn nach Schmalleningken wurde am 12. August 1902 von der Insterburger Kleinbahn AG eröffnet.
  • Am 1. Mai 1914 wurde von der Station Mikieten, 3,6 km östlich von Pogegen, eine sieben Kilometer lange Zweigbahn zur Stadt Tilsit eröffnet, die die Memel auf der 480 m langen Königin-Luise-Brücke überquerte. Sie verkehrte in der Stadt Tilsit straßenbahnartig und war daher mit elektrischen Triebwagen ausgestattet. Am Endpunkt auf dem Getreidemarkt (später Fletcherplatz) bestand Anschluß an die Straßenbahn Tilsit, der auch die Oberleitung der Zweigstrecke gehörte.
Fahrkarte für die Kleinbahn (1943)
Rückseite der Fahrkarte (1943)

Mit dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen endete der Bahnbetrieb im Herbst 1944.

An diesem Knotenpunkt im Ortsteil Bennigkeiten bildete sich das Städtchen Pogegen, das dann das etwas abseits verbliebene Dorf Pogegen vereinnahmte. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Pogegen so etwas wie ein Vorort der Stadt Tilsit, in dem aus dieser dicht besiedelten Stadt verschiedene technische Betriebe zur Versorgung dieser neuen Verkehrs-Trassen ausgelagert wurden. Zu einem richtigen Vorort Tilsits wurde Übermemel, das auf dem rechten Ufer der Memel, an der Memelbrücke und der internationalen Fernstraße Königsberg - Tilsit - Tauroggen - Riga - Sankt Petersburg entstand.

Die Situation um 1914

Preußisch-Litauen erlebte bis zum Ersten Weltkrieg seine größte ökonomische Entwicklung. Dieser Krieg hemmte aber dann die weitere Entwicklung und zerstörte letztendlich das Fundament des Staates selbst.

In Pogegen gab es damals 690 Einwohner. Dort waren ein Postamt, ein Gasthaus, zwei Restaurants, eine Käserei, ein Bierverlag und eine Viehhandels-Gesellschaft tätig. Auch hier gab es mehrere Geschäfte und Handwerksbetriebe.

Die Entwicklung zwischen 1918-1945

Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte Pogegen den größten Wandel. Für die plötzlichen Veränderungen dieses Wohnortes waren politische Gründe verantwortlich, denn nach dem Versailler Vertrag wurde von Deutschland, dem Verlierer des Ersten Weltkriegs, u. a. das Memelgebiet abgetrennt und Anfang 1920 der Verwaltung der Entente unterstellt.

Gebiet des Landkreises Pogegen (1920 - 1939)
Das Landratsamt in Pogegen, 1930er Jahre

Da sich dieser äußerst schmale Gebietsstreifen nun plötzlich von Memel oder Heydekrug aus nur äußerst schlecht verwalten ließ, wurde im östlichen Teil des Memelgebietes die Gründung eines neuen Kreises mit einem neuen Kreiszentrum in Pogegen Pogegen beschlossen. Diesem Kreis wurden die Flächen zugeordnet, die früher von den Kreisen Tilsit und Ragnit verwaltet wurden, Städte, die sich nun jenseits der Memel und somit hinter der neuen Staatsgrenze befanden.

Das kleine Städtchen wurde entsprechend erweitert, schon um hier alle benötigten Kreisämter unterzubringen, die für die Verwaltung dieser doch beträchtlichen Flächen des neuen Kreises vonnöten waren. Diese Veränderungen erfassten auch viele anliegende Wohnorte, zu denen neue Verbindungen hergestellt werden mussten, denn anstatt zu den bisher gewohnten Städten Tilsit und Ragnit mussten nun die Bewohner des östlichen Endes dieses Gebietes ihre Angelegenheiten in Pogegen, einer bisher völlig unbedeutenden Gemeinde, erledigen.

Die Erweiterung Pogegens setzte sich auch nach dem Anschluß dieses Gebietes 1923 an die Republik Litauen fort. Dort wurden eine evangelisch-lutherische und eine katholische Kirche, verschiedene Verwaltungsgebäude und Wohngebäude für die in diesen Ämtern tätigen Beamten und Angestellten erbaut. Auf einem großen Territorium wurden auf großzügig geschnittenen Bauplätzen 2-4 Etagen hohe größere und auch große massive Gebäude und ganze Quartiere mit Landhäusern für Angestellte errichtet. Mit der „Litauischen Bank“, dem „Donalitius-Gymnasium“, der Realschule u. a. wurden hier besonders stattliche Gebäude errichtet. Die Mehrheit der neuen Gebäude sind nach den damals üblichen stilistischen Richtungen (Rationalismus, Konstruktivismus, nationale Architektur und ähnlichem) erbaut worden.

Innerhalb kurzer Zeit wurden in Pogegen vereinzelte Fragmente einer zukünftigen Stadt geschaffen. So entstand hier ein eigenständiges architektonisches und urbanistisches Phänomen – eine nach staatlichen Plänen entstehende Stadt mit Gebäuden der damalig modernen Architektur. Einige davon entsprachen in
ihrer architektonischen Qualität durchaus den neu errichteten Gebäuden in der damals provisorischen litauischen Hauptstadt Kaunas.
Bis 1939 hatte Pogegen mit 2.761 Einwohnern die vorher grösseren Gemeinden Wischwill und Schmalleningken an Größe übertroffen.

Als eigenartig ist das Schicksal Pogegens zu bezeichnen. 1939 hob das Naziregime den hier erst 1920 neu gebildeten Kreis auf, indem es dessen Areal wieder dem Kreis Tilsit-Ragnit zuordnete. Pogegen, von wo sich im März 1939 alle Verwaltungsbedienstete aus den von der Republik Litauen hier geschaffenen Ämtern nach Großlitauen fliehen mußten, wurde wieder zu einer einfachen Kommune.

Die in Angriff genommene Erweiterung zu einer Stadt kam zum Stillstand. Übrig blieben die für eine Vergrößerung der Stadt geplanten und zum Teil auch erstellten Gebäude als Fragmente und zwischen diesen die noch leerstehenden unbebauten Flächen, auf denen der geplante Bau von Gebäuden nicht mehr zur Ausführung gekommen war. So blieb Pogegen eine unvollendete Stadt.

Kriegsgefangenenlager Oflag 53

Hinweisschild auf das ehemalige Lager (Bild: Annelie Stöllger)

Das Lager lag an der Straße von Heydekrug nach Pogegen rechts in einem Wald.

Das Offizierslager für Kriegsgefangene Offiziere in Pogegen bei Tilsit (Oflag 53) existierte von November 1943 bis 1945, es löste das Lager in Heydekrug ab. Es war lediglich eine Zwischenstation.In Ostpreußen gab es mehrere solcher Durchgangslager für den Transfer von Kriegsgefangenen aus dem Osten in das Reichsgebiet. Das Lager Pogegen besaß einen absolut provisorischen Charakter, wie der Beschreibung Dawletschins zu entnehmen ist. Hier wurde er erstmals Zeuge der Aussonderung eines jüdischen Gefangenen. Der Aufenthalt in Pogegen dauerte lediglich 2 Tage, und bereits am 13. November 1941 erfolgte, diesmal in geschlossenen Güterwaggons, der Weitertransport nach Fallingbostel, wo die Gefangenen 3 Tage später eintrafen, am Bahnhof neugierig beäugt von der anwesenden Zivilbevölkerung.

Auszug aus dem Buch: Von Kasan nach Bergen Belsen

Autor: Tamurbek Dawletschin


Übersetzung auf dem unteren Teil des Hinweisschildes:

1. Informationsstand

2. Denkmal 1941 - 1944

3. Gedenkstein "Menschen seid wachsam" auch "in der Freiheit des Lebenslichts"

4. Denkmal zur Erinnerung an den Soldaten A. Zestkovas

5. Gedenkstein zum Andenken an die zu Tode gequälten Kriegsgefangenen

6. Gedenksteine

Die Entwicklung nach 1944 / 1945

Die Hauptstraße von Pogegen in der sowjetischen Zeit

Die eigentliche Zerstörung aller historischen Wohnorte in diesem Gebiet begann erst in der Sowjetära. Die während der Kriegshandlungen beschädigten bedeutenden Gebäude wurden nicht mehr renoviert, sondern einfach abgetragen. Völlig vernichtet wurden die traditionellen und wirtschaftlichen Grundlagen dieses Gebiets wie auch seine sozialen Strukturen. Der nach 1945 verbliebene kleine Rest der hier bodenständigen Bevölkerung konnte diese Vorgänge nicht aufhalten. Viele Memelländer, denen 1944 die Flucht zunächst bis zur Mitte Ostpreußens gelungen war, wurden durch ihre von Gauleiter Koch aus angeblich strategischen Gründen verzögerte Weiterflucht im Winter 1945 hier oder sogar noch weit hinter der Weichsel von der anstürmenden sowjetischen Armee überrannt.

Als angeblich unloyale Bürger der Sowjetrepublik Litauen wurden einige von ihnen von den russischen Militärbehörden entweder sofort oder später nach ihrer erzwungenen Rückkehr ins Memelgebiet nach Sibirien verschleppt. Der im Memelland verbliebene kleine Teil der Memelländer wurde bis zur Perestroika von den hier zugereisten Litauern als Deutsche diskriminiert, so daß viele nach 1958 nach Deutschland umsiedelten. Nach der Zerstörung des durch die nahe Grenze besonders gut entwickelten Handels- und Dienstleistungssystems hat sich das Erscheinungsbild der Gemeinden und Städte völlig verändert. Die meisten Attribute des westeuropäischen Lebens, das große Angebot von Hotels, Gasthäusern, Restaurants, Cafés, verschiedenartigsten Geschäfte, Handwerksbetriebe und vieles andere sind unterdessen verschwunden.

Situation

Auf dem Territorium der jetzigen Republik Litauen ist das ehemalige Memelgebiet der einzige schmale Landstreifen, auf dem sich die nach nordwesteuropäischen Standards gewachsene historische Städte und Wohnorte erhalten haben. Die erwähnten Wohnorte am rechten Unterlauf der Memel sind ebenso wertvolle und selten gewordene Objekte des maritimen Erbes, eines kulturellen Nachlasses, der die frühere tiefe Verbundenheit dieses Gebietes mit dem Meer darstellt. Denn gerade hier führte ein Wasserweg von europäischer Bedeutung aus dem Memelbassin nach Westeuropa. Und die damals gut entwickelte Schifffahrt mit ihrem großen Warenumsatz hat in den Wohnorten der Memelanrainer bis heute deutlich sichtbare Spuren hinterlassen, für die Litauen, geschichtlich gesehen ein Binnenland, zu wenig Verständnis aufbringt.

Wappen Pagėgiai

In Pogegen / Pagėgiai hat sich die Planstruktur für eine größere Stadt erhalten, die breiten Straßen, der Park im Zentrum, der zum Bahnhof
führende Boulevard. Wieder erbaut wurden die während der Sowjetära vernichteten Kirchen beider großen Konfessionen. Erhalten sind auch die stattlichen Gebäude der zwei großen Schulen, im östlichen Teil das ehemalige Ch. Donalitius-Gymnasium und im Zentrum die ehemalige Realschule. Auch die beeindruckende ehemalige „Volksbank der Litauer“ an der Hauptstraße, jetzt Sitz der Polizei, zeugt noch von einer interessanten Vergangenheit.
Ein gemütliches Ausflugslokal mit blumengeschmückter Gartenterasse wurde am Ortsrand von Pogegen eröffnet.

Viele sonstige heute noch interessante Geschäfts- und Wohngebäude, Villen und Cottagen aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts und der Zwischenkriegszeit um den Bahnhof herum, aber auch an vielen anderen Stellen von Pogegen haben mehrere „große“ Zeiten überdauert. Pogegen könnte nach Kaunas wohl als die zweite Stadt Litauens bezeichnet werden, in der während der Zwischenkriegszeit nach einem strengen Plan so viele Gebäude nach der damaligen modernen Architektur von professionellen und qualifizierten Architekten gebaut worden sind. Dies stellt sich heute sogar als eine Art Architekturausstellung des damaligen Zeitabschnitts dar. [15]

F o t o s

Eine historische Villa in Pogegen (Bild:Annelie Stöllger)
Das Bürgermeisteramt in Pogegen, 1930er Jahre


Bewohner:
Laut Landwirtschaftliches Güter-Adressbuch für die Provinz Ostpreußen mit Anhang Memelland, 4. Auflage, Leipzig 1922

  • Heinrich Kairies, 57 ha



Verschiedenes

Beim Bahnhof in Pogegen, Sommer 1994

Von Bernhard Waldmann:

Bei uns in Pojejen,

...war und ist immer noch ein geflügeltes Wort in meiner Familie. Zu dieser Redewendung ist es folgendermaßen gekommen: Unsere Tante Herta Grischkat aus Alt Lubönen hat als junges Mädchen nach 1939 auf der Raiffeisenkasse in Pogegen gearbeitet. Der selbstbewußten Bauerntochter aus dem abgelegenen Memeldorf hat das Leben in dem aufstrebenden, ehemaligen Kreisstädtchen sehr gut gefallen.
Doch dann war Schluß.
Die Grischkats mußten flüchten und fanden bei meiner Mutter in Weißenbach Unterschlupf. Im abgelegenen nordhessischen Dorf Weißenbach lebten ursprünglich nur 150 Menschen, doch nach 1945 hatte sich die Einwohnerzahl durch Einweisung der Flüchtlinge auf einen Schlag glatt verdoppelt. Herta empfand Weißenbach als genau so provinziell, wie ihr Heimatdorf an der Memel. Und in der Erinnerung verklärte sich ihre Zeit in Pogegen immer mehr, fast so, als hätte sie in einer richtigen Stadt gelebt. Wenn Herta im völlig überbelegten Lehrerhaus in Weißenbach etwas nicht paßte, begann sie ihre Beanstandungen fast immer mit den Worten: “Bei uns in Pojejen war es aber...!” Für sie war Pogegen halt das Maß aller Dinge.
Bis heute sagen wir in unserer Familie bei einer Mißbilligung zum Beispiel: “Bei uns in Pojejen war die Butter aber nicht so teuer.”
Später hat Herta sich selbst über ihre Naivität amüsiert und die Redewendung manchmal selbstironisch gebraucht. [16]

Memeler Dampfboot

Gemeindewahlen in Pogegen

Memeler Dampfboot vom 03.08.1930

Pogegen, 2.August. Gestern fanden hier die Gemeindewahlen statt. Bei der Wahl des Gemeindevorstehers erhielt Landwirt Jonischkies, der bisherige Gemeindevorsteher, acht Stimmen und Herr Kairies sechs Stimmen. Jonischkies ist somit zum Gemeindevorsteher wiedergewählt worden. Als Schöffen wurden gewählt: Besitzer Dwarenat, Lehrer Petereitis und Arbeiter Klinger. Zum Ortskassenrendanten wurde Zollbeamter Augustaitis mit acht Stimmen gewählt. Bankbeamter Weiß erhielt nur sieben Stimmen.

Reifeprüfung an der Realschule in Pogegen

Memeler Dampfboot vom 26.03.1937

Zum ersten Male seit dem Bestehen der Landwirtschaftlichen Realschule in Pogegen verlassen Schüler diese Schule mit dem Zeugnis der mittleren Reife. Die Angangsprüfung wurde von folgenden Schülern und schülerinnen bestanden: Helmut Barkowsky, Max Beinert, Heinz Grätsch, Benno Hoeppner, Werner Jonischkies, Walter Laurinat, Max Paulat, Gerhard Schulz, Albert Sziegaud, Bruno Tomaschautzki, Elisabeth Abromeit, Elisabeth Kikillus, Susanne Rheindorf, Annemarie Schneider, Elfriede Samel, Frida Schweler. Ein Teil dieser Schüler hat sich zur Aufbauschule in Memel gemeldet und dort bereits die Prüfung abgelegt. Am Mittwoch gab die abgebende Untersekunda dem Lehrerkollegium eine wohlgelungene Abschiedsfeier. Lehrer und Lehrerinnen verlebten im Kreise der Schüler einige frohe Stunden. Nach gemeinsamer Kaffeetafel sorgte ein heiteres Programm mit verschiedenen Darbietungen für Unterhaltung. Musik und Tanz ließen schnell die Stunden vergehen, und man schied mit dem Bewußtsein, eine schöne Erinnerung an das letzte Zusammensein zwischen Lehrern und Schülern behalten zu haben.

Schulfotos

Vermutlich stammen diese Fotos von der Landwirtschaftlichen Realschule in Pogegen.

Der Lehrer war wahrscheinlich Fritz Brettschneider, der von 1928-1944 Hauptlehrer, Organist und Kantor in Pogegen war und auf dem obigen Konfirmationsfoto 1937 zu sehen ist.

2. Reihe: 2. v. re: Anni Ruddies
1. Reihe: 3. v. li.: Charlotte Ruddies, 3. v. re.: Anni Ruddies
1. Reihe: 1. v. li.: Anni Ruddies, 2. Reihe: 2. v. re.: Charlotte Ruddies (1937)
Zur frdl. Erinnerung an meine Schulzeit in Pogegen vom 17.11. bis 4.4.1941 schrieb Charlotte Ruddies auf die Rückseite dieses Fotos.

(Fotos von Kristupas Sidlauskas, Enkel von Charlotte Ruddies)


Gymnasium

Ehemaliges deutsches Gymnasium in Pogegen (Foto Kestutis Tolvaisa 2007)
Litauisches Gymnasium in Pogegen(Foto Kestutis Tolvaisa 2007)
Litauisches Gymnasium 2021 ©KestucioZ.Fotografija
Informationstafel am Gymnasium 2021 ©KestucioZ.Fotografija


Karten

Pogegen auf der Schroetterkarte (1796-1802), Maßstab 1:50 000
© Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Pogegen liegt nördlich von Tilsit auf der Schroetter Karte 1802, Maßstab 1: 160 000


Pogegen und Umgebung im Preußischen Urmesstischblatt Nr. 65, 1861
© Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
Pogegen im Preußischen Urmesstischblatt Nr. 65, 1861
© Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
Pogegen im Messtischblatt 0897 Pogegen (1913-1940) mit den Gemeindegrenzen von 1938
© Bundesamt für Kartographie und Geodäsie


Teilauswertung zu Pogegen: Memelland, OFB

Fotoalbum Pogegen

Zufallsfunde


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>POGGENKO05WD</gov>

Quellen

  1. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  2. Michel-Katalog Deutschland-Spezial 2014 - Band 1: 1849 bis April 1945
  3. Michel-Katalog Deutschland-Spezial 2014 - Band 1: 1849 bis April 1945
  4. Amtsblatt des Memelgebietes vom 01.09.1923
  5. Amtsblatt des Memelgebietes vom 29.12.1923
  6. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  7. www.territorial.de
  8. Amtsblatt Gumbinnen 1939: Neugliederung der Gemeinden und Gutsbezirke im ehemaligen Memelland ab 1. Mai 1939, S. 64ff,
    http://www.memelland-adm.de/Archiv/13 Verwaltungsbezirke/index.htm
  9. Amtsblatt des Regierungspräsidenten in Gumbinnen, 2.9.1939
  10. Handbuch über die katholischen Kirchenbücher in der Ostdeutschen Kirchenprovinz östlich der Oder und Neiße und dem Bistum Danzig
  11. http://www.ostpreussen.net/ostpreussen/orte.php?bericht=2877
  12. http://eleidiniai.klavb.lt/de/virtuelle-ausstellungen/kirchen/kirchenkreis-tilsit.html
  13. https://de.wikipedia.org/wiki/Pag%C4%97giai
  14. Memeler Dampfboot, Beilage: Der Grenzgarten: Heimatkundliche Beiträge aus dem Memelgebiet und den Grenzgebieten, Ausgabe 1936 Nr.7 (11.09.1936)
  15. Quelle: Martynas Purvinas, "Historische Orte am Unterlauf der Memel", übersetzt von Gerhard Lepa, aus dem Jahrbuch Annaberger Annalen
  16. Niedergeschrieben von Bernhard Waldmann, aus der angeheirateten Verwandtschaft.