Ragnit
Ragnit ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Ragnit (Begriffsklärung). |
R a g n i t Kreisstadt 1818 bis 1922 |
- Hierarchie
- Regional > Russische Föderation > Kaliningrader Oblast > Ragnit
- Regional > Ehemalige deutsche Gebiete > Preußen > Provinz Ostpreußen > Regierungsbezirk Gumbinnen > Kreis Tilsit-Ragnit > Ragnit
- Hierarchie
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Einleitung
Ragnit, Kreis Ragnit, Ostpreußen.
Ragnit liegt im prußischen Stammesgebiet Schalauen auf dem 15 m hohen Südufer der Memel, wo einst die Schalauerburg Raganita gestanden hat. Ragnits Wirtschaft beruhte auf Holzwarenbetrieben, einer Keramik- und einer Zellstoffabrik wie auf Binnenschifffahrt.
Name
Der Name ist ein Hinweis auf einen Lage an herausragender Stelle.
- prußisch „ragas“: Horn, Ecke, Landzunge, Spitze, Hinausragendes
Wappen
Das Wappen zeigt in Blau auf grünem Boden über blauem Wasser eine silberne Stadtansicht mit dem darüber fliegenden naturalistischen preußischen Adler, über diesem schwebt ein goldenes Gottesauge.
Allgemeine Informationen
1905: Kreisstadt im preußischen Regierungsbezirk Gumbinnen, an der Memel, Knotenpunkt der Staatsbahnlinie Tilsit-Stallupönen und der Kleinbahnlinie Ragnit-Kraupischken, hat eine evanglische Kirche, ein altes Schloß, evangelisches Schullehrerseminar, Präparandenanstalt, landwirtschaftliche Winterschule, Amtsgericht, Zigarrenkistenfabrikation, Dampfmahl- und Schneidemühlen, Eisengießerei und Maschinenfabrik, Dampfziegeleien, Dampfmolkereien, Bierbrauerei, Obstbaumschule, Obstverwertungsgenossenschaft und (1905) 4.908 meist evangelische Einwohner.
In der Nähe die Domäne Neuhof Ragnit mit Remontedepot, der sagenhafte Hügel Rombinus an der Memel und weiter aufwärts das seiner schönen Lage wegen vielbesuchte Dorf Obereisseln. [1]
Einwohnerentwicklung
1782 1875 1895 1933 1939 1959 1970 1979 1989 2002 2009 1.882 3.857 4.591 9.293 10.061 9.500 11.613 12.492 13.821 12.714 12.120 [2]
Politische Einteilung
Zugehörige Wohnplätze:
Die Stadt Ragnit hatte nach der Volkszählung vom 17.05.1944 :
Einwohner : 10.094 - Fläche von : 2.378 ha
Zur Stadt gehörten folgende Ortsteile und Wohnplätze (Stand 1.08.1944):
Landkreis Tilsit-Ragnit
Am 10. Januar 1920 trat der Versailler Vertrag in Kraft. Dadurch wurden der Kreis Ragnit und der Landkreis Tilsit – soweit nördlich der Memel gelegen – an das Memelgebiet abgetreten. Aus ihnen entstand der neue Kreis Pogegen. Am 25. März 1920 wurde die Verwaltung des Restkreises Tilsit südlich der Memel vorläufig auf den Landrat in Ragnit übertragen.
Am 1. Juli 1922 wurden die zerschnittenen Kreise südlich der Memel endgültig neu organisiert:
Eingliederung der Landgemeinden Dwischaken, Kaltecken, Kalwen, Moritzkehmen, Schillgallen b. Tilsit und Senteinen (teilweise) und des Gutsbezirks Paszelgsten aus dem Landkreis Tilsit in den Stadtkreis Tilsit,
Zusammenschluss des Kreises Ragnit, der Landgemeinden Alloningken, Birkenwalde, Blausden, Gaiwethen, Groß Brettschneidern, Groß Dummen, Groß Ischdaggen, Groß Wingsnupönen, Grünheide Försterei, Kattenuppen, Kaukwethen, Kaukweth-Kludszen, Kellmienen, Klein Brettschneidern, Klein Dummen, Krauleiden, Kühlen, Lapienen Försterei, Papuschienen, Pauperischken, Puskeppeln, Sandlauken, Schillkojen, Seikwethen, Skardupönen, Skroblienen und Smaledumen des Kreises Niederung und des Landkreises Tilsit zum neuen Kreis Tilsit-Ragnit mit dem Sitz der Verwaltung in Tilsit. Dementsprechend wurde am 15./16. August 1922 das Landratsamt des nunmehr auch formell vereinigten Großkreises von Ragnit nach Tilsit verlegt.
Am 27. März 1924 wurden die Grenzen des Stadtkreises Tilsit dadurch abgerundet, dass die Gutsbezirke Laukändter Wüstenei und Schnecken, Forst aus dem Kreis Tilsit-Ragnit eingegliedert wurden.
Zum 30. September 1929 fand im Kreisgebiet entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der nahezu alle bisher selbstständigen Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Zum gleichen Zeitpunkt wechselte der Gutsbezirk Sziedlauken vom Kreis Tilsit-Ragnit zum Landkreis Insterburg.
Kirchliche Zugehörigkeit
Evangelische Kirche
Die Pfarrkirche von Ragnit entstand 1736, brannte aber bereits 1757 im 7jährigen Krieg ab. Der Neubau erfolgte 1771/72 nach Plänen von Johann Friedrich Fischer. Der Turm wurde 1853 angebaut. Das Gotteshaus kam einigermaßen heil durch den Krieg.
Der hohe Turm wurde 1953 nach einem Unwetter bis zum Dachfirst der Kirchenschiffs abgetragen. So ist nur sein Unterbau erhalten. Das Langhaus wurde nach 1945 vollständig umgebaut. In einem Untergeschoß richtete man ein Möbellager ein, in zwei Stockwerken darüber entstanden Wohnungen. 1993 stellte man im Ostteil einen Raum für eine katholische Kapelle zur Verfügung, im Westteil einen Raum für die orthodoxe Gemeinde.
Die ursprüngliche Ausstattung der Kirche ist verloren gegangen.
1993 befand sich das ehemalige Kirchengebäude in einem bedauernswerten Zustand. Fehlende Dachrinnen hatten schwere Wasserschäden verursacht und schwarze Schimmelflecken überdeckten großflächig den Außenverputz. Die Initiative, in dem maroden Bau zwei kleine Andachtsräume einzurichten, wirkte beinahe grotesk angesichts der Tatsache, daß keinerlei Anzeichen einer allgemeinen Generalrenovierung zu erkennen waren. Leider ist der betrübliche Anblick der Kirche in Ragnit kein Ausnahmeerscheinungsbild.
Im Jahre 1993 kümmerte sich eine liebenswürdige Frau um den kath. Gebetsraum. Sie verteilte Heiligenbildchen an die Besucher in der Hoffnung, kleine Geldspenden entgegennehmen zu können.
Kirchenbücher
Kirchenbücher siehe auch: Kirchbuchbestände Ragnit
- Sächsisches Staatsarchiv Leipzig:
Kirche Ragnit: Taufen 1757 - 1766; 1766 - 1777 Land; 1776 - 1784 Stadt; 1777 - 1814 Land; 1784 - 1800 Stadt; 1829 - 1830 Stadt. Heirat 1758 - 1766; 1767 - 1782 Land; 1771 - 1787 Stadt; 1782 - 1793 Land; 1787 - 1821 Stadt; 1793 - 1800 Land. Tote 1759 - 1766; 1766 - 1784 Land; 1766 - 1782 Stadt; 1784 - 1800 Land; 1782 - 1800 Stadt; 1809, 1819.
Kirche Ragnit: Taufen, Heiraten, Tote 1757-1766 (r. & l. S.) Heiraten (Land) 1767-1782 (r. & l. S.) Taufen (Land) 1766-1777 (r. & l. S.) Film Nr. 1813805 Items 2-3, Tote (Land) 1766-1784 (r. & l. S.) Heiraten (Stadt) 1771-1787 (r. & l. S.) Taufen (Stadt) 1776-1784 (r. & l. S.) Tote (Stadt) 1766-1782 (r. & l. S.) Film Nr. 1813806, Heiraten (Land) 1782-1793 (r. & l. S.) Taufen (Land) 1777-1814 (r. & l. S.) , Film Nr. 1813807, Tote (Land) 1784-1800 (r. & l. S.) Heiraten (Stadt) 1787-1821 (r. & l. S.) Heiraten (Land) 1793-1800 (r. & l. S.) Tote (Stadt) 1782-1800, 1809, 1819 (r & l) Film Nr. 1813808, Taufen (Stadt) 1784-1800 (r. & l. S.) Taufen (Stadt) 1829-1830 (r. & l. S.) Film Nr. 1813809 Items 1-2
- Der Bestand vom EZA Berlin ist bei Archion veröffentlicht .
Katholische Kirche
Von Maria Drossel
Unter den 10.000 Einwohnern Ragnits gab es 150 katholische Christen. Wir hatten anfangs weder Gotteshaus noch Pfarrer. Die Sonntagsgottesdienste hielt Probst Wronka aus Tilsit in der Ragniter Burg, in der auch das Gefängnis untergebracht war. Durch lange Gänge, in denen es nach Erbrochenem roch, kamen wir in den kleinen Gottesdienstraum.
So ging es eine Zeitlang, bis wir eines Tages erfuhren, daß wir eine Kapelle mit Pfarrhaus und einen eigenen Pfarrer bekommen sollen. Finanziert wurde der Bau aus Geldern der Diaspora-Hilfe. Wir waren froh, als es soweit war, auch wenn wir einen langen Weg dorthin hatten, denn die Kapelle stand hinter dem Aufbau-Gymnasium am Ende der Seminarstraße, fast auf freiem Feld.
Unser erster Pfarrer war Pfarrer Hüttermann. Da er so Eigenheiten hatte, störten wir jungen Mädchen den Religionsunterricht, den er im Pfarrhaus hielt. Folge: "ausreichend" im Zeugnis! Nachfolger war Pfarrer Palm. Als ich ihm das erste Mal an der Tür zur Kapelle begegnete, merkte ich gleich, daß er uns junge Menschen ernst nahm. So gab es keine Störung mehr im Unterricht! Da ich Klavier spielen konnte, bat er mich, auf dem Harmonium die musikalische Begleitung der Lieder während der Gottesdienste zu übernehmen. Ein besonderes Ereignis war die Firmung, zu der Bischof Maximilian Kaller aus Frauenburg kam. Wir gehörten zum Bistum Ermland.
Ganz besonders ist mir der Gang zur Mitternachtsmesse in einer Heiligen Nacht in Erinnerung geblieben. Ein Schneesturm tobte. Mühsam kämpften wir uns von der Zellstoff-Fabrik zur Seminarstraße, etwa eine halbe Stunde lang, hinauf. Als wir in der Kapelle angekommen waren, umfing uns ein tiefer Frieden. Unser letzter Pfarrer vor der Flucht war Pfarrer Wobbe. [3] Laut Prof. Dr. Hans-Georg Uszkoreit war die Kirche 1990 noch vorhanden, sie lag mit der Aufbauschule in einem streng abgesicherten Militaergebiet und war nicht zugaenglich.
Orthodoxe Kirche
Nach 1995 wurde am Südufer des Ragniter Schloßmühlenteichs eine russ.-orth. Kirche errichtet, die sich in ihrer Bauform strikt an die Traditionen der russischen Sakralarchtektur hält. In den schwierigen Zeiten des Umbruchs wenden sich die russischen Menschen verstärt dem Glauben zu, wodurch die orthodoxe Kirche immer mehr Einfluß gewinnt.
Standesamt
Ragnit gehörte 1888 zum Standesamt Ragnit.
Geschichte
Im Gebiet Tilsit - Ragnit sind achtundzwanzig schalauische Wehranlagen nachgewiesen. Auf dem 15 m hohen Südufer der Memel stand einst unfern der Burgen Skalwa (Paskallwen) und Ramige die Burg Raganita.
- 1275 und erbaute der Orden an Stelle der Prußenburg die Burg Landshut, welche 1355 zerstört wurde.
- 1355 zerstört.
- 1397 bis 1409 errrichtet der Orden westlich des alten Burgberges ein neues starkes Haus, das Sitz eines Komturs wurde, dem auch die Burgen Tilsit und Labiau unterstanden.
- Im Schutze des Ordenshauses bildete sich eine Marktsiedlung, die wegen der günstigen Lage an Strom und Straßen Bedeutung erlangte.
- 1552 wird Ragnit wirtschaftlich von Tilsit überflügelt.
- 1722 Erhebung zur Stadt durch König Friedrich Wilhelm I.
- 1818–1922 Kreissitz, Ragnit blieb trotzdem nur eine Landstadt.
- 1757 Die Russen fallen im Sommer (im Siebenjährigen Krieg) unter Graf Fermor und Feldmarschall Graf Apraxin in Ostpreußen ein. Zarin Elisabeth I. erklärt durch Patent vom 31. Dezember 1757 Ostpreußen als russisches Eigentum.
- 1758 Jan. Eine russische Armee unter Graf Fermor besetzt kampflos das ungeschützte Ostpreußen.
- 1762 Nach dem Tod der Zarin Elisabeth (5.1.1762) kommt es unter ihrem Nachfolger, Zar Peter III., zum Frieden mit Preußen (5.5.1762 Vertrag von St. Petersburg). Russland gibt ohne Entschädigung die besetzten bzw. bereits annektierten Gebiete Ostpreußen, Hinterpommern und Neumark zurück. Die Russen ziehen ab, Ragnit wird wieder preußisch.
- 1866.21. Okt.. Der letzte der Verträge zwischen Preußen und 22 Staaten oder Freien Städten nördlich der Mainlinie über die Gründung des Deutschen Bundes wird unterzeichnet (Verfassungsgebung: 1. Juli 1867). Ragnit im Königreich Preußen ist nun eine Gemeinde im Norddeutschen Bund.
- 1871.18. Jan.. König Wilhelm von Preußen wird im Spiegelsaal zu Versailles zum Deutschen Kaiser proklamiert; Gründung des II. Deutschen Kaiserreichs. Insgesamt gehen vier Königreiche, sechs Großherzogtümer, fünf Herzogtümer, sieben Fürstentümer, drei freie und Hansestädte sowie das Reichsland Elsaß-Lothringen in das Reich ein. Ragnit ist nun eine Gemeinde im Deutschen Reich.
Ordensburg Ragnit
Ihren Ursprung hat die Stadt in der Burg Ragnita (prußisch ragas: Horn, Ecke, Landzunge, Spitze, Hinausragendes), einem Stützpunkt des Prußenstammes der Schalauen. Sie siedelten spätestens im 13. Jahrhundert beiderseits des Memelflusses. Um 1220 wurde die damals hölzerne Burg von einem russischen Heer erfolglos belagert, doch 1278 gelang es dem Deutschen Ritterorden unter dem Vogt von Samland Theoderich, die Burg zu erobern.
Die Ritter ersetzten 1289 den Holzbau durch eine steinerne Burg, die sie „Landeshut“ nannten. Dieser Name konnte sich jedoch nicht durchsetzen, und so blieb es bei der ursprünglichen Bezeichnung. 1293 wurde auf einer Halbinsel der Memel eine weitere Feste errichtet, die Schalauerburg. Beide Burgen sicherte das Ordensland nach Norden hin und waren Stützpunkte für die Ende des 13. Jahrhunderts begonnenen Feldzüge des Ordens gegen Litauen.
Während dieser kriegerischen Auseinandersetzungen wurde 1355 die Schalauerburg zerstört. Sie wurde zwar bereits ein Jahr später wieder aufgebaut, doch nachdem sie 1365 erneut geschleift wurde, verzichtete man auf einen nochmaligen Wiederaufbau. Dagegen wurde die Burg Ragnit in den Jahren 1397 bis 1409 unter Mitwirkung des rheinländischen Baumeisters Nikolaus Fellenstein, der auch am Bau
der Marienburg beteiligt war, zu einer der stärksten Festungen des Ritterordens ausgebaut.
Nach der Niederlage gegen Polen 1410 wurde der Ragnit Sitz einer Komturei, der auch die Burgen in Tilsit und Labiau unterstanden. Auch nach der Säkularisierung des Ritterordens 1525 blieb Ragnit Sitz eines Amtshauptmannes.
Das Schloss hatte eine fast quadratische Form, auf vier Etagen waren elf große Säle und viele kleinere Räume. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren das Conventsgebäude, das Kabinett und die Gästezimmer aller 45 Komture Ragnits. Das Schloss wurde immer wieder umgebaut, 1825 ein Gefängnis eingerichtet. 1839 wurde das Stadt- und Kreisgericht darin untergebracht, 1849 das Militärtribunal und ab 1879
das Verwaltungsgericht. Danach hatte das Schloss keinen ständigen Besitzer mehr und es begann der Verfall. Während der sowjetischen Zeit wurde es zur Ruine.
Nach der Wende hat sich die ehem. Ragniterin Lieselotte Juckel sehr für die Instandsetzung des markanten Uhrenturms am Schloßplatz engagiert und für ein tüchtiges Spendenaufkommen gesorgt. Die Renovierung und der teilweise Wiederaufbau des Schlossturms wurden vom Ragniter Bauunternehmer Rafael Franguljan ab 1993 durchgeführt.
Eventuell plant der Konzern Rosatom, der 2010 mit dem Bau eines Atomkraftwerkes 15 Kilometer außerhalb der Stadt begonnen hat, den Wiederaufbau zu unterstützen. [4]
Genealogische und historische Gesellschaften
Genealogische und historische Quellen
Genealogische Quellen
Kirchenbücher
Adressbücher
Historische Quellen
Zeitungen
Bibliografie
- Volltextsuche nach Ragnit in der Familienkundlichen Literaturdatenbank
Archive und Bibliotheken
Verschiedenes
Besuch der Ruine der Ordensburg Ragnit am 21. Mai 2010
Ortsbeschreibung
Von Paul Brock
Ragnit war niemals das, was man eine blühende Stadt nennt, dafür lief die große Stadt Tilsit ihr zu sehr den Rang ab. König Friedrich Wilhelm I. war es zu danken, daß Ragnit überhaupt Stadt wurde. Der Geheime Kriegsrat von Lesgewang meldete ernste Bedenken an: Ragnit sei viel zu arm, um die Kosten einer Stadtverwaltung zu tragen. Der König ließ sich dadurch nicht beirren. Vielleicht hatte er sich von der Geschichte dieses einst so bedeutenden Platzes am Strom auf dem Hochufer beeindrucken lassen, angesichts der mächtigen Burg, die noch in jüngster Zeit wie ein riesiger Steinblock wirkte. Dieser quadratische Bau mit einer Seitenlänge von neunundfünfzig Metern war die Hauptburg eines vom Orden geplanten Verteidigungsringes im Umkreis der Memel.
Ragnit war Kreisstadt, und das gab der Stadt ihr Profil, eine gewisse Bedeutung, abgesehen von dem reich beschickten Markt aus dem Hinterland, wo eine gesunde, einträgliche Landwirtschaft mit Vieh- und Pferdezucht dominierte. Der Schloßteich war von Büschen eingefaßt wie von einer lebenden Mauer; dahinter erhob sich die Kirche, ein verputzter Saalbau einfachster Art. Der hohe wuchtige Turm hatte eine spitze Haube erhalten. Zwei Pfarrhäuser säumten den Kirchplatz, von Obst- und Gemüsegärten umgeben. Der alte Friedhof bildete einen angemessenen Hintergrund.
Ein weiter Platz mit dem Schuppen der Feuerwehr bot den Übergang zum roten Ziegelbau der Präparandenanstalt; unweit davon lag das Lehrerseminar. An den Längsseiten des Marktes standen bejahrte Kaufmannshäuser. Regsam, aufgeschlossen und weltoffen waren die Menschen hier, bildsam und dem Modernen zugeneigt; das galt für die Stadt und auch für den Kreis.
Das Steilufer der Memel an ihrer südlichen Flanke gab der Stadt Ragnit und dem Land, zur Rechten wie zur Linken, eigenen Reiz. Das ansprechende Bild dieses Höhenrückens wurde vertieft durch das weite, breite Wiesental am anderen Ufer des Stromes. Besonders da, wo die Höhe bewaldet war, ergaben sich seltsame Akzente. Geheimnisvoll dunkel, schwermütig-bizarr wirkte das Bild in den späten Nachmittagsstunden, wenn der Berg seinen Schatten über den Strom warf, während drüben die Wiesen im Sonnenglast lagen. Beides war schön - das dunkle Schwere wie das helle Fließende - und beides nebeneinander. [6]
Zellstoffabrik
Die ehemalige Zellstoffabrik Ragnit AG wurde am 29. Juni 1909 gegründet. Da 1914 der größte Teil der Arbeiter und Angestellten zum Wehrdienst einberufen war und außerdem die deutsch-russische Front bald bedenklich nahe rückte, mußte der Betrieb vorläufig ganz eingestellt werden. Es ist wenig bekannt, daß Ragnit vom 23. August bis 12. September 1914 sogar von russischen Truppen besetzt war.
Im Jahr 1915 begann die Zellstoffabrik im kleinen Umfang wieder zu produzieren, wobei fast nur noch Frauen beschäftigt wurden. Eine nochmalige Erweiterung erhielt die Fabrik durch den Bau einer Sulfit-Spiritus-Anlage. Diese konnte im März 1918 in Betrieb genommen werden, aber nur in Etappen. Die Anlieferungen von Steinkohle nahmen gegen Ende des Ersten Weltkrieges und weiter bis ins Jahr 1919 hinein immer mehr ab, deshalb mußte die Produktionskapazität der Zellstoffabrik eingeschränkt werden.
Die Besitzverhältnisse änderten sich im März 1922. Die Zellstoffabrik Ragnit AG wurde verkauft, und die neuen Besitzer verpachteten sie an die sog. Ragniter Zellstoff GmbH. Die jetzigen Besitzer ließen es sich viel kosten, bestimmte Betriebsbereiche besser zu organisieren und die Technologie des Produktionsablaufs zu verbessern. Nun begann das Werk durch Steigerung seiner Produktion rentabler zu arbeiten.
Die Belegschaft von 1912 mit 250 Beschäftigten stieg bis 1920/21 auf 450 bis 500, im Jahre 1922 auf 800 bis 900 und 1926 sogar auf 1.000 Arbeitskräfte. Im Jahre 1932 waren es bei durchschnittlichem Betrieb ca. 750 Arbeitskräfte. Die Eigentümer der Ragniter Zellstoffabrik verkauften Ende 1925 das Werk an die Zellstoffabrik Waldhof-Mannheim, und diese übertrug das Ragniter Werk als Zweigniederlassung an die Zellstoffabrik Waldhof-Tilsit.
1932 wurde das Kleinbahngleis bis zum Ragniter Personenbahnhof durch ein Vollbahngleis ersetzt, wodurch die Zellstoffabrik für die zügigen Gütertransporte hin und her einen direkten Anschluß an das Eisenbahnnetz der Deutschen Reichsbahn erhielt. Das war ein weiterer wichtiger Schritt zur Rationalisierung. Von welcher Stelle aus man die Zellstoffabrik mit
ihrem 75 m hohen Schlot auch erblicken konnte, ob vom Memelstrom oder von der Tilsiter Straße in Ragnit aus, sie zeigte sich als eine stattliche Industrieanlage am breiten Strom, die vielen Anwohnern Arbeit gab und der Stadt einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aufstieg ermöglichte. [7]
Zeitungsmeldungen
Zeitungsmeldungen Memeler Dampfboot
Memeler Dampfboot vom 07.10.1925
Letzte Provinznachrichten
Das Explosionsunglück in der Ragniter Zellulosefabrik Tilsit, 6.Oktober
Ueber den Hergang des furchbaren Explosionsunglücks, über das wir gestern schon kurz berichteten, erfahren wir noch: Die Zellstofffabrik beschäftigt aus ihrem Fabrikgelände eine Lokomotive zum Transport von Holz und sonstigem Material. Die Lokomotive besitzt keine eigene Feuerung, sie wird vielmehr mit Dampf aus einem Hochdruckdampfkessel, der im Kesselhaus auf dem nordöstlichen Gelände untergebracht ist, gespeist. An dem gestrigen Unglückstag war die Lokomotive morgens schon einmal unter Dampf gesetzt worden. Die zweite Dampffüllung sollte zwischen 8 bis ¾ 9 vor sich gehen. Die Ueberleitung des Dampfes aus dem Dampfhochdruckkessel nach der etwa 40 Meter entfernten Lokomotive war ziemlich vollendet, als 4 Minuten vor ¾ 9 plötzlich eine s t a r k e E x p l o s i o n erfolgte. Zunächst flog die etwa 6 Zentner schwere Stirnwand der Lokomotive heraus. Sie wurde durch den Dampfdruck in die Höhe geschleudert, durchschlug das Vordach des Kesselhauses, unter dem die Lokomotive aufgestellt war, und flog dann in die Höhe, um weiterhin in das Dach des 60 Meter entfernten Eisenmagazins einzuschlagen. Die Lokomotive selbst bekam durch das Herausfliegen ihrer Stirnwand einen gewaltigen Stoß nach rückwärts. Sie nahm jedoch den Weg nicht auf dem Gleis, sondern flog außerhalb des Gleises nach rückwärts in das wenige Meter dahinter liegende Eisenlager. Durch den Anprall der Lokomotive gegen den Eisenstapelwurde der Lokomotivkessel von seinem Untergestell losgerissen. Er flog gegen die etwa 30 Meter entfernt liegende Schlosserei, schlug zunächst die 25 Zentimeter dicke Vorwand der Schlosserei durch und traf hier die erste Bohrmaschine und t ö t e t e den Handlanger Eduard I m l a u sowie den Lehrling Max H o y e r und verletzte den Schlosser Kurt S c h n e i d e r e i t. Von der ersten Bohrmaschine flog dann der Lokomotivkessel gegen eine zweit Bohrmaschine, verletzte dort den Bohrer Fritz M i e l e n z und prallte gegen einen eisernen Pfeiler. Durch diesen Anprall war die Stoßkraft des Kessels etwas gemildert, so daß sein weiterer Weg kein Todesopfer mehr forderte. Die Einrichtung der Schlosserei ist selbstverständlich fast völlig demoliert. Die Transmissionen, zwei eiserne Bohrmaschinen, zwei Pfeiler, eine Hobelmaschine, eine Drehbank und fast sämtliche Fensterscheiben sowie auch die Scheiben der umliegenden Gebäude wurden durch den kolossalen Luftdruck zerstört.
Diese Katastrophe löste bei den Augenzeugen naturgemäß furchtbare Wirkungen aus. Die Arbeiter, die etwa 20 bis 40 Meter von der Explosionsstelle entfernt waren, sahen zunächst nichts weiter als eine dicke Staubwolke, in der Bretter, Schutt von berstendem Mauerwerk, Eisenteile, F e t z e n z e r s t ü c k e l t e r M e n s c h e n k ö r p e r durcheinander wirbelten. Die von dem Unglück nicht in Mitleidenschaft gezogenen Arbeitskollegen waren die ersten, die zur Hilfeleistung zur Stelle waren. Die Verwundeten wurden in Sicherheit gebracht. Sofort trat auch die Sanitätskolonne der Zellstofffabrik Ragnit in Tätigkeit, und auch von der Werkleitung wurden alle notwendigen Maßnahmen getroffen, um die Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Neben der Sanitätskolonne der Zellstofffabrik betätigte sich dann auch die freiwillige Sanitätskolonne Ragnit und ebenso die herbeigerufenen Aerzte Dr. Hoffmann und Dr. Fischer, die den Verwundeten die erste Hilfe brachten. Obwohl den Angehörigen der Verunglückten der Zutritt zum Fabrikgelände nicht gestattet war, spielten sich doch draußen vor dem Fabrikgebäude e r s c h ü t t e r n d e S z e n e n ab. Die Todesopfer wurden sofort nach der Leichenhalle des Friedhofs gebracht. Die Schwerverletzten und ein Teil der leichter Verletzten wurden auf Rollwagen in Begleitung von Sanitätsmannschaften nach dem Kreiskrankenhaus gefahren, wo der schwerverletzte Schmied Gustav B u b l i e s bald nach der Einlieferung starb, wodurch die Z a h l d e r T o t e n a u f s e c h s sich erhöhte. Die Namen der Verunglückten sind:
1. Gustav B o r r m a n n , Maurer, wohnhaft bei Pillkallen, verheiratet. Sein Körper war furchbar zerrissden, der Kopf ist bisher noch nicht gefunden. B. ging gerade zufällig an der Unglücksstelle vorbei. 2. Eduard I m l a u, Handlanger, jung verheiratet 3. Max H o y e r, Lehrling, zweiter Sohn des schwerverletzten Hilfsschlossers Friedrich Hoyer 4. Richard K u n d r u s, Arbeiter, der nach überstandener Krankheit den ersten Tag in der Zellstofffabrik Dienst tat und zum Weichenstellen beordert war.Er ist verheiratet und hat ein fünf Wochen altes Kind. Der Körper war ebenfalls vollständig zerrissen. 5. Fritz B e t h k e, Maschinenführer, verheiratet, Familienvater 6. Gustav B u b l i e s, Schmied, verheiratet, Vater einer Tochter
Von den Verletzten hat der Hilfsschlosser Friedrich Hoyer bis heute früh die Besinnung noch nicht wiedererlangt. Sein Zustand gilt als h o f f n u n g s l o s. Ein weiterer Hoyer, Sohn des Schwerverletzten, ist leicht verwundet. Die Gerichtskommission traf nachmittags um 3 Uhr unter Führung des Oberstaatsanwalts Christiani mit technischen Sachverständigen ein. Sie weilte bis in den späten Abendstunden. Ueber das E r g e b n i s d e r U n t e r s u c h u n g wird mitgeteilt: Die Feststellungen der Sachverständigen haben ergeben, daß tatsächlich in dem K e s s e l d e r L o k o m o t i v e R i ß b i l d u n g e n vorhanden gewesen sind, wodurch der hohe Atmosphärendruck in dem Kessel nicht mehr gehalten werden konnte. Es wurde allerdings auch festgestellt, daß die vorgeschriebenen Dampfkesselrevisionen an der Lokomotive ordnungsmäßig erfolgt sind. Bei Einbruch der Katastrophe wurde der ganze Betrieb natürlich stillgelegt und erst nachmittags um 3 Uhr wieder eröffnet. Die Nachtschicht konnte die Arbeit wieder aufnehmen.
Memeler Dampfboot vom 09.10.1925
Ragnit, 7.Oktober. Die Explosionskatastrophe.
Zu dem furchtbaren Unglück, das sich am Montag vormittag in der Zellstofffabrik Ragnit ereignet hat, ist noch mitzuteilen, daß nunmehr auch der mit schweren Verletzungen in das Ragniter Krankenhaus eingelieferte Hilfsschlosser Friedrich Hoyer am Dienstag seinen schweren Verletzungen erlegen ist. Damit erhöht sich die Zahl der Todesopfer der Katastrophe auf sieben. Von den übrigen mehr oder weniger Verletzten, soweit sie sich noch im Ragniter Krankenhaus befinden, hört man, daß es ihnen verhältnismäßig gut geht und daß Lebensgefahr bei keinem von ihnen mehr besteht.
Zeitungsmeldungen der Königsberger Hartungschen Zeitung
Datum | Schlagwort | Meldung |
---|---|---|
02.10.1912 | Major a.D. Mack + | Montag Nachmittag ist auf seinem Rittergut Althof = Ragnit Major a.D. Paul Mack im 73. Lebensjahre gestorben. Mit ihm ist eine markante Persönlichkeit dahingegangen, die weit über die Grenzen seines Heimatkreises hinaus bekannt war.[8] |
03.10.1912 | Versetzung | Der zweite Lehrer Alwin Post hat unsern Ort (Wenden; Kr. Rastenburg) verlassen, um seiner Militärpflicht zu genügen. Als Nachfolger für ihn ist der Präparandenlehrer Haushalter aus Ragnit bestimmt worden.[9] |
Alte Ansichten
Heutige Situation
Von Bernhard Waldmann
Früher war Ragnit auf den Memelstrom ausgerichtet. Dort gab es den Fähranleger mit dem Boots- und Zollhaus, den Schloßpark am steilen Uferabhang, den kleinen Hafen mit Gleisanschluß, den Holzstapelplatz, die Badestelle und natürlich den herrlichen Spazierweg durch die Daubas, auf dem unter schattigen Bäumen verliebte Paare gern in Richtung Toussainen und Ober Eißeln flanierten. Doch das ist alles Vergangenheit. Bei unserem ersten Besuch 1993 war das Memelufer noch frei zugänglich, aber die Gegend war völlig verwildert und sah schlimm aus. Überall lag Unrat herum, verfallende Bretterbuden und ölverschmierte Rinnsale, sowie überwucherte, holprige Wege verschandelten den Blick auf den Memelstrom.
Das heutige Neman kehrt dem Fluß den Rücken zu. Nach Einrichtung des Grenzsperrbezirks ist der Zugang zum Flußufer nicht mehr ohne weiteres möglich. Die Zellstoffabrik gilt nach wie vor als einer der größten Umweltverschmutzer an der unteren Memel. Demnächst wird die Silhouette des Memeltals nicht mehr von den Höhenzügen bei Ober Eißeln beherrscht sein, ein neues Atomkraftwerk wird das Landschaftsbild prägen.
Ragnit selbst sieht nicht sehr einladend aus, obwohl verhältnismäßig viel alte Bausubstanz erhalten geblieben ist. Bröckelnder Putz allenthalben, Bauruinen und schäbige Plattenbauten prägen das Ortsbild. Den Turm der Stadtkirche gibt es nicht mehr, die geborstenen Mauern der Ordensburg ragen mit leeren Fensterhöhlen in den Himmel und am Marktplatz erinnert nur noch die Häuserzeile vor dem Schloß an die alten Zeiten. Die Häuserreihe auf der Südseite des Marktes gibt es nicht mehr, an der Hindenburgstraße steht ein modernes Kaufhaus. Das Wasserbecken vor dem neuen Verwaltungsgebäude ist meist leer und die Springbrunnen funktionieren nur in Ausnahmefällen.
Die völlig intakte Aufbauschule (vorher Lehrerseminar), einst ein architektonisches Schmuckstück der Stadt, wurde zwecks Baustoffgewinnung abgerissen. Die Schloßmühle an der Tilsiter Straße verkommt immer mehr und der Schloßmühlenteich war völlig vergammelt und durch lange Rohre der Fernheizung verschandelt. Die Post war eine Bruchbude und die Hindenburgstraße eine Schlaglochpiste.
Aber, in den letzten Jahren wurde einiges verbessert. Der Mühlenteich wurde gesäubert und man kann wieder Tretbootchen fahren. Das Deutsche Haus (heute Hotel und Restaurant Neman) hat einen neuen Anstrich bekommen und das große Verwaltungsgebäude am Schloßplatz wurde saniert. Aber der Lenin steht immer noch davor. Der Uhrenturm der Burg wurde repariert, doch die Überdachung des Treppenaufgangs wurde nicht wiederhergestellt.
Auch ein Relikt aus der Nazizeit ist noch vorhanden. Die große Versammlungshalle im Kreisgarten an der Tilsiter Straße war für Veranstaltungen der Partei und für Tagungen der nationalsozialistischen Verbände errichtet worden. Der riesige gusseiserne Adler an der Vorderfront wurde beseitigt, und das Gebäude wird heute als Sporthalle genutzt. Vor dem mächtigen Bau steht jetzt ein Denkmal mit russischer und deutscher Inschrift, das zur Erinnerung und Ehrung aller Gefallenen der beiden Weltkriege auffordert.
Freilich, es gibt auch eine schicke Gegend im heutigen Ragnit. In der Preußenstraße und in der Bürgermeister-Gries-Straße wurden gediegene Eigenheime errichtet. Neue Hotels und Pensionen bieten dem Urlauber westlichen Standard. Genannt werden sollen das Hotel Neman, als größtes Haus am Platz, das “Haus der Begegnung” gegenüber vom Stadion mit einer familiären Atmosphäre und die Pension Ragnit am westlichen Ende des Schloßmühlenteichs. Nicht weit davon wurde am südlichen Ufer am Ende des Dammes die neue orthodoxe Kirche gebaut, die vor hohen Bäumen einen gefälligen Anblick bietet. Die kleine katholische Kirche in der Seminarstraße ist wegen einer hohen Einzäunung immer noch nicht für die Besucher erreichbar.
Reisende können nicht mehr mit der Bahn nach Ragnit fahren. Der Personenverkehr wurde schon vor Jahren eingestellt, das Bahnhofsgebäude wird heute als Privathaus genutzt, der Kleinbahnhof ist verschwunden. Sporadisch fahren noch Güterzüge bis zur Zellstoffabrik. Für Urlauber, die mit dem eigenen Auto ihren Heimatort besuchen, sind die vielen Straßenkontrollstellen lästig. Mißmutig dreinschauende uniformierte, junge Schnösel fordern zum Vorzeigen der Fahrzeugpapiere auf, die sie garantiert überhaupt nicht lesen können.
Ich habe es mal darauf ankommen lassen und zeigte den Burschen statt des Führerscheins meinen Mitgliedsausweis vom Frankfurter Tierschutzverein. Ging auch.
Doch die ehemaligen Bewohner von Ragnit halten trotz der beschriebenen Widrigkeiten ihrer Heimatstadt fest die Treue.
Allerdings geht die Zahl der Besucher in den letzten Jahren etwas zurück, was die Neuragniter sehr bedauern.
Das sind nämlich liebenswerte, freundliche und sehr hilfsbereite Menschen. [10]
Persönlichkeiten
Lieselotte Juckel, ein Ragniter Urgestein
Lieselotte Juckel wurde am 07.09.1919 in Ragnit geboren. Ihre Berufsausbildung begann sie bei der Stadtverwaltung in Ragnit. Ihre ersten journalistischen Sporen verdiente sie sich als Berichterstatterin des Kreises Tilsit-Ragnit für die “Memelwacht” in Tilsit.
Eine Lehrerausbildung begann sie in Lauenburg in Pommern. Anschließend übernahm sie die Lehrerstelle in Kallenfeld im Kirchspiel Breitenstein, Kreis Pillkallen. Sie heiratete und flüchtete nach dem Zusammenbruch mit ihrem dreieinhalbjährigen Sohn aus der Heimat und gelangte auf Umwegen nach Neumünster. Ihr Mann folgte ihr 1947 aus englischer Kriegsgefangenschaft.
In Neumünster bauten sie sich eine neue Existenz auf. Frau Juckel war immer eine Frau der Taten. Trotz ihrer fünf Kinder half sie Flüchtlingen, die Not in den Lagern erlitten, und unterstützte die Kinder, indem sie Freizeiten an der Ostsee organisierte. In vielen ehrenamtlichen Bereichen sowie in der Kommunalpolitik war Frau Juckel tätig und wurde 1972 mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille und mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Auch für unser Ostpreußen war Lieselotte Juckel unersetzlich. Von 1986 bis 1996 war sie Geschäftsführerin und Schriftleiterin des Heimatbriefes “Land an der Memel”. Frau Juckel war Mitbegründerin der Patenschaften im Kreis Plön. Die Patenstadt für Ragnit, Preetz, lag ihr besonders am Herzen. Sie unterstützte die heutigen Bewohner ihrer Stadt Neman und baute dort sogar ein Haus. Dabei wurden russisch-deutsche Freundschaften geschlossen und gelebt.
Der Austausch zwischen den alten und den neuen Bewohnern der Stadt Ragnit wurde für Frau Juckel ein wichtiges Anliegen. Sie reiste jährlich nach Ragnit und versorgte die heutigen Bewohner mit humanitärer Hilfe. Frau Juckel hat sich sehr für den Erhalt der historischen Zeugnisse aus der deutschen Zeit engagiert. Zusammen mit dem Ragniter Bauunternehmer und Stadtverordneten Rafael Franguljan hat sie viele Projekte in Angriff genommen und erfolgreich zum Abschluß gebracht, so die Renovierung des Schloßturms in Ragnit und die Wiederaufstellung des Taufsteins in Groß Lenkeningken, um nur einige zu nennen.
Für ihre Verdienste wurde Frau Juckel die Ehrenbürgerschaft der Stadt Neman / Ragnit verliehen und zu den Feierlichkeiten zum 450jährigen Bestehen der Königsberger Universität Albertina erhielt sie eine Ehreneinladung. Frau Juckel zeichnete sich durch eine unerschütterliche Liebe zur Heimat Ostpreußen aus, und sie war überzeugt, dass eine Aussöhnung zwischen Russen und Deutschen wünschenswert und möglich sei.
Lieselotte Juckel ist am 22. März 2007 in Neumünster verstorben. [11]
Weitere Persönlichkeiten
Auszug aus: Hans-Wolfgang Quassowski,
"Die von den Russen 1758-1762 in Ost- und Westpreußen angestellten Beamten",
In: Familiengeschichtliche Blätter, 20. Jg., Heft 4 1922,
(Daten nach dem russischen und gregorianischen Kalender).
Braun, Karl David, ehemaliger Stadtschreiber, zum Richter und Stadtschreiber in Ragnit 31.8./11.9.1761.
Eichert, Friedrich Benjamin, Stud., zum Kantor in Ragnit 11.4.1758.
Fiedler, Otto Gottlieb, Diakon aus Gumbinnen, zum Erzpriester in Ragnit 14.3.1758.
Rosenbaum, Michael, Kantor in Ragnit, zum Diakon in Schaken 14.3.1758.
Skrotzki, Collaborator bei der Stadtschule in Ragnit, zum Rektor in Schwentainen 17./28.4.1760.
Zirckmann, Hospitalit in Ragnit, zum Hospitalschäffer in Ragnit 2./13.11.1759.
Verschiedenes
Fotoalbum
Karten
Quellen
- ↑ Quelle: Meyer Großes Konversation-Lexikon 1906, Bd.16., S.571
- ↑ Quelle: Historisches Ortslexikon Kreis Ragnit und Internetseite von Neman.ru
- ↑ Autor: © 2005 Maria Drossel, 78628 Rottweil (Text und Bild), Quelle: Heimatrundbrief "Land an der Memel" Nr. 77/2005
- ↑ Quelle: Artikel Neman. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie., mit Ergänzungen von Bernhard Waldmann
- ↑ Fotoserie von Guenther Kraemer, Hamburg
- ↑ Autor: Paul Brock, eingesandt von Ingetraud Haase geb. Paleit, Quelle : Heimatrundbrief "Land an der Memel" Nr. 73/2003
- ↑ Autor : © 2003 Helmut Fritzler, Leipzig, Quelle : Heimatrundbrief "Land an der Memel" Nr. 72/2003
- ↑ Verfasser: =. (unbekannt), Quelle: Königsberger Hartungsche Zeitung, 02.10.1912, Ausgabe 463, S. 9, bereitgestellt durch ZEFYS-Zeitungsinformationssystem der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz
- ↑ Verfasser: u. (unbekannt), Quelle: Königsberger Hartungsche Zeitung, 03.10.1912, Ausgabe 464, S. 5, bereitgestellt durch ZEFYS-Zeitungsinformationssystem der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz
- ↑ Bericht: Bernhard Waldmann, nach Besuchen in den Jahren 1993, 1994 und 1995 , sowie nach der Lektüre der Heimatrundbriefe und Schilderung von Freunden am 31.07.2011 niedergeschrieben
- ↑ Text: Eva Lüders, für die Kreisgemeinschaft Tilsit Ragnit, Heimatbrief “Land an der Memel", Nr. 80, Pfingsten 2007, Seite 143
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