Deutsche Namenkunde (Kluge)/E-Book

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Deutsche Namenkunde (Kluge)
Autor(en):Friedrich Kluge
Titel:Deutsche Namenkunde
Untertitel:Hilfsbüchlein für den Unterricht in den oberen Klassen der höheren Lehranstalten
Verlag:Quelle & Meyer
Druck:Ohlenrothsche Buchdruckerei Georg Richter (Erfurt)
Ort:Leipzig
Jahr:1917
Umfang: 45 Seiten
Sonstiges:2., unveränd. Auflage
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Deutschkundliche Bücherei



Deutsche Namenkunde


Hilfsbüchlein für den Unterricht

in den oberen Klassen der höheren Lehranstalten


von


Friedrich Kluge

Professor der deutschen Sprache und Literatur
an der Universität Feiburg i. B.



2. Auflage

Unveränderter Abdruck der ersten Auflage.



<VERLAGSSIGNET>



1917

Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig

Inhalt

     
I. Familiennamen S.  3
II. Taufnamen „  23
III. Länder-, Orts- und Flußnamen „  31
IV. Wochentage und Feiertage „  42



<LOGO>

I. Familiennamen.

      Während die abendländischen Kulturvölker der Neuzeit neben den Familiennamen noch Vornamen brauchen (Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Victor Hugo, William Shakespeare, Henrik Ibsen, Esaias Tegnér), herrschte im alten Rom Dreinamigkeit (Gaius Julius Caesar, Marcus Tullius Cicero). Aber ursprünglich hat überall für die Person ein einziger Name genügt: so bei den Juden des alten Testaments (Moses, Daniel), so auch bei den alten Griechen (Sokrates, Sophokles). Auch die alten Deutschen kannten nur Einnamigkeit (Otfried, Notker).

      Innerhalb der Einnamigkeit der Griechen und Germanen wie überhaupt in der Namengebung aller Völker und aller Zeiten verlangt die menschliche Sprache Sinn und Bedeutung der Namen; denn der menschliche Geist kann sich sprachlich nicht anders äußern als mit einem Gedankeninhalt. Das Kind, das bald nach der Geburt seinen Namen erhält, bekommt von den Namengebern (Eltern oder Paten) gute Wünsche für den Weg in und durch das Leben. So werden wir in den Rufnamen, die aus dem Kreise der Angehörigen, der Freunde oder der Gönner zu stammen pflegen, zunächst Wunschnamen der schlichtesten Art antreffen wie Gotthold oder Gottlieb, Fürchtegott oder Leberecht. Aber auch undeutliche und undeutbare Namen können Wunschnamen sein, wenn der Name Friedrich dem Knaben das Vorbild Friedrichs des

Großen oder Friedrich Schillers, der Name Wolfgang oder Helmut Eigenschaften Goethes oder Moltkes wünscht. Und wenn oft der Kalenderheilige die Namengebung bestimmt, so wird der Geistliche, der bei der Namengebung anwesend ist, bedeutungsvolle Eigenschaften des Heiligen gebührend hervorheben. Und so war es auch in den alten Zeiten der Einnamigkeit. Dem Griechen Thrasybulos wie dem Deutschen Konrad wünschte der Name Kühnheit im Rat; dem Griechen Nikomachos und dem Deutschen Sigmar Sieg im Kampf. Der Name Hermann oder Herwart sollte den Namensträger zum Kriegsmann oder zum Heerführer bestimmen. So mußte immer ein wirklicher Inhalt im Namen stecken. Aber Sinn und Bedeutung, die bei der Namengebung des Kindes eine Rolle spielten, blieben im Leben doch oft ein frommer Wunsch. Ein Sigmar oder ein Dietrich wird sich nicht oft zu Siegesruhm oder zum Volkskönigtum emporgeschwungen haben. Namen wie Fürchtegott oder Leberecht können trotz aller guten Wünsche der Namengeber im bürgerlichen Leben Bösewichtern angehören. So wird der ursprüngliche Wortverstand zum Unsinn. Und wenn dann schließlich ein Schneider Müller und ein Müller Schneider, ein Schuster Weber und ein Weber Schuster heißen kann, so ist der Name zu einer Marke, einem inhaltslosen Zeichen geworden. Jetzt kann ein kleiner Mensch Groß oder Grote, ein großer Mensch Klein oder Lütke heißen.

      Ein solcher Übergang bedeutungsvoller Namen zum Widersinn oder Unsinn galt schon unter der Herrschaft der Einnamigkeit. Und fehlt erst die Deutlichkeit des Inhalts, so bekommt die Mode das Anrecht auf die Bevorzugung bestimmter Namen. Sind aber Siegfried oder Dietrich, Hildebrand oder Wieland, etwa im Anschluß an die altdeutsche

Heldensage, im Bereich der Einnamigkeit zu Lieblings- oder Modenamen geworden, so hört frühzeitig der Personenname auf, als Marke oder Erkennungszeichen zu genügen. Zwar in der engeren Haus- und Hofgemeinschaft behält die Einnamigkeit im allgemeinen ihre Lebensmöglichkeiten. Aber im öffentlichen Leben der Volksversammlung und des Kriegsbereichs wird die Einnamigkeit für Männer zur Unmöglichkeit, und nun bahnt sich langsam die Zweinamigkeit an.

      1. Der erste Schritt zur Zweinamigkeit ist der Zusatz des Vaternamens: Hadubrand Hildebrands Sohn, Hildebrand Heribrands Sohn, Siegfried Siegmunds Sohn. Diese bequeme Zweinamigkeit, die noch heute auf Island gilt (z. B. Gudbrand Vigfusson, Finnur Jonsson), hat bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts bei den Friesen geherrscht. Da galten Namen wie Paul Petersson, Peter Paulsson, Peter Petersson und Paul Paulsson oder verkürzt Herbert Herberts, Behrend Behrens. Ausläufer dieser alten Zweinamigkeit stecken in Familiennamen wie Mattheson und Anderson, Detlefsen, Hansen, Jakobsen, Jansen, Johannsen, Mommsen, Nissen, Petersen.

      Solche bequeme Zweinamigkeit erhält eine leichte Spielart, wenn der Begriff „Sohn“ neben dem genitivischen Vaternamen verschwiegen wird. So heißt es auf griechisch nicht nur Σωκράτης Σωφρονίσκου υίόςΣοφοκλής Σοφίλλου υίός, sondern auch kurzweg Σωκράτης Σωφρονίσκου, Σοφοκλής Σοφίλλου. So konnte man unter der Herrschaft des mittelalterlichen Lateins in lateinischen Urkunden des 13./14. Jahrhunderts bei deutschen Männern neben Paulus filius Petri oder Fridericus filius Bernhardi auch Einträge wie Paulus Petri oder Fridericus Bernhardi antreffen. Hier liegt deutlich der

Ursprung von Familiennamen wie Adami, Caspari, Francisci, Georgi, Jakobi, Justi, Kiliani, Martini, Matthäi, Nicolai, Pauli, Petri, Philippi oder Andreae, Lucae, Matthiae, Thomae, Zachariae und Davidis, Michaelis einerseits und Adolphi, Alberti, Arnoldi, Bartholdi, Bertholdi, Burchardi, Caroli, Conradi, Dieterici, Eberti, Ernesti, Friederici, Henrici, Leonhardi, Ludowici, Rudolphi, Wilhelmi anderseits; vgl. auch Brandi neben Brand (eigentlich Hildebrand). Das alles sind einmal Vaternamen in lateinischer Genitivform gewesen. Und so verhält es sich auch mit echtdeutschen Familiennamen auf Genitiv-s wie Ahrens, Bartels, Behrens, Bruns, Dietrichs (Diercks), Ebers (Evers), Eggers, Friedrichs, Heinrichs Hinrichs), Helmers, Hermanns, Hoffmanns, Sanders, Willmanns, Wilms; auch Gerckens, Jürgens, Ottens neben Gercke, Jörgen und Otte. Gleiches kann auch von Adams, Jakobs, Michels, Peters gelten. Der Familienname Schmitz steht so neben Schmidt, wie die entsprechende Latinisierung Fabri neben Faber. Verdunkelte Schreibung wie bei Schmitz für eigentliches Schmiedes zeigt sich auch bei Helmholz für eigentliches Helmoldes neben dem einfachen Helmold und in Eckertz neben Eckart; ähnlich Eberz, Meinertz, Reicherz.

      Solcher Genitivnamen hat sich die Sprache gelegentlich entäußern können: für den Genitiv durfte der Nominativ eintreten. Wenn man den Vornamen ausläßt, kann der Nominativ für den Genitivnamen naturgemäß und leicht eintreten; denn Genitive wie Friedrichs oder Pauli können als normale Wortform, besonders als Satzsubjekt anstößig sein. So erklären wir die Erblichkeit von Familiennamen wie Ehrhardt, Friedrich, Rudolph, Wilhelm als erbliche Fortführung von Vaternamen.

      Eine besondere Spielart, die Vaternamen zu vererben, verbindet sich mit Verkleinerungssilben. In Betracht kommen Familiennamen wie Schmidlin, Schmiedel und Beierlein, Beierle. Hier erklären sich auch Köchly neben Koch, Böcklin neben Bock, Eberlin neben Eber, Sütterlin neben Sutter, Weckerlin neben Wacker; hierher gehören auch Fränkel, Frentzel, Heinzel. Wahrscheinlich sind solche Verkleinerungsnamen in der Weise entstanden, daß man den Sohn eines Koch als Köchly, den Sohn eines Schmied als Schmidlin und den Sohn eines Bayer als Beierlein bezeichnete, weil etwa in ein und demselben Betriebe Vater und Sohn gleichzeitig tätig waren und eine Unterscheidung der Personen notwendig wurde. So bedeutet also Köchly der junge Koch im Gegensatz zum alten Koch, Schmidlin der junge Schmied im Gegensatz zum alten Schmied, Beierle der junge Bayer im Gegensatz zum alten Bayer. So stehen auch Namen wie Junghans und Kleinhans, Kleinpaul, Kleinschmidt, Kleinwächter neben den einfachen Hans, Paul, Schmidt und Wächter. Somit sind Schmidlin und Kleinschmidt, Pauli und Kleinpaul gleichwertig.

      2. Es gibt noch eine zweite Quelle der Erblichkeit von Namen. Immer und überall herrscht neben der Seßhaftigkeit die Freizügigkeit, und überall führt Wandertrieb von Gau zu Gau, von Land zu Land. Wer die angestammte Heimat verläßt, erhält in der neuen Heimat leicht einen Zunamen, der die Herkunft bezeichnet. In alter Zeit, wo Äußerlichkeiten der Tracht und Lautkennzeichen der Sprache stärker hervortraten, war eine Zugehörigkeit zu einem andern Stamm oder einem andern Volkstum etwas Hervorstechenderes als heutzutage unter der Herrschaft der Schriftsprache und einer allgemeinen

Modetracht. So konnte ein Vangione unter Sweben, ein Franke unter Sachsen seßhaft werden, und dann konnten Vangio oder Franco zunächst Zunamen werden; auch deren Nachkommen galten als orts- oder stammesfremd, und dann galt die ganze Familie als eingewandert.

      Schon in der Römerzeit erscheint Vangio als germanischer Personenname. Das wird wohl eigentlich ein Zuname gewesen sein, und dann würden wir den wahren Namen dieses Mannes nicht kennen. Seit dem 8. Jahrhundert treten uns Personennamen wie Franco, Sachso und Swâb entgegen. Und solche Herkunftsbezeichnungen treten mit dem 13. Jahrhundert als erbliche Familiennamen auf. Hier haben wir die Quelle von Familiennamen wie Baier, Deutsch, Dühring (Döring), Fleming, Holst, Jud, Pohl(e), Preuß, Schott(e), Unger, Vogtländer, Wahl, Walch, Wende (Wendt), Westphal, Windisch (Winsch, Wünsch). Man beachte auch die auf Oberdeutschland einerseits und Mittel- und Norddeutschland anderseits verteilten Spielarten Böhm Böhme, Frank Franke, Fries Friese, Sachs Sachse, Schwab Schwabe. Der schweizerische Familienname Almann weist auf den Volksstamm der Alemannen. Der Name Amelung geht zurück auf den Stamm der Amelungen, womit das Nibelungenlied die Ostgoten Dietrichs von Bern meint. So könnte der Name Baldung auf einen gotischen Stamm der Balthungen hinweisen. Freilich ist die Möglichkeit offen zu lassen, daß auch ein vorübergehender Aufenthalt bei fremden Stämmen oder Völkern (vgl. etwa den Familiennamen Pilger) für die Namengebung bedeutsam werden konnte, oder sonst irgendeine lose Beziehung eine Rolle spielte. Man denke an Familiennamen wie Franzos, Kosack, Pollack,

Schottländer, Spanier, Türk, Unger (Hunger), Wallach. Neuere Ländernamen wie Baden, Lippe oder Württemberg haben übrigens für den Bereich der Namengebung keine Bedeutung mehr; so fehlen auch Namen wie Rheinländer oder Italiener.

      Im allgemeinen ist der Typus von Stammesnamen älter als der Typus einer Ortszugehörigkeit, der überaus zahlreich in Familiennamen hervortritt. Die natürlichste Art einer neuen Namengebung zeigt sich schon in der Heldensage des 12. Jahrhunderts, wenn im Nibelungenlied Dietrîch von Bërne, Hagene von Tronege, Volkêr von Alzeie, Ortwîn von Mëtzen, Rüedegêr von Bëchelâren zweinamig auftreten, und in Rittergeschlechtern des 12. und 13. Jahrhunderts, wenn im Zeitalter der Hohenstaufen Friedrich von Hausen ein Sohn Walthers von Hausen ist: die Burg dieses Rittergeschlechts lag in Hausen bei Mannheim. Es ist dann kein weiter Schritt, wenn ein Ritter, der nach seiner Burg auf dem Kürnberg benannt wurde, nicht nur der von Kürenberg, sondern einfach auch Kürenberg heißen konnte. So konnte Walther von der Vogelweide, der nach irgendeinem Erbgut den Zunamen hatte, auch kurzweg Herr Vogelweide angeredet werden. Im 16. Jahrhundert nennt sich Dr. Johann Mayr aus Eck schlechtweg Dr. Eck und Andreas Bodenstein aus Karlstadt schlechtweg Karlstadt. Johann Agricola aus Eisleben konnte im Gespräch einfach als Dr. Eisleben angeredet werden. So erkären sich neuere Familiennamen wie Berg, Brunswick, Buchholz, Burg, Busch, Delbrück, Mez, Norden, Roßbach, Sempach, Stein, Strauch, Waldeck, Warburg; vgl. auch Aschaffenburg, Auerbach, Bamberg, Bielefeld, Brandenburg, Fulda, Weil, Weißenfels.

      Eine Spielart ist es, wenn schon im 13. Jahrhundert

Hartmann von Aue auch einfach als Auer (mhd. Ouwære) bezeichnet wird. So sind Dietrîch von Bërne und Hagene von Tronege schon im Nibelungenlied kurzweg als Bërnære und Tronegære gekennzeichnet. Damit ergibt sich eine neue Abart von Familiennamen, die auf geographische Herkunft deuten, wie Bremer, Bühler (Pichler), Burger, Esser, Haller, Hauser, Hofer (Höfer), Meißner, Schwyzer (Schweizer), Staufer, Steiner, Tobler, Winkler, Zeller; vgl. auch Diefenbacher neben Diefenbach und Engelberger neben Engelberg als Familiennamen, desgleichen Frankfurter, Straßburger.

      Am deutlichsten weisen Namen, die eine präpositionale Verbindung enthalten, auf Anlehnung von Familiennamen an Örtlichkeiten: Amberg, Amthor, Auffenberg, Imhoff, Terstegen, Thorbeke, Tumbült (ndd. bült ‘Hügel’), Überweg, Vomberg, Zumbach, Zumsteeg, Zurmühlen, (ndd. Termühlen). Gleiches gilt von zur Linde.

       Schließlich gibt es noch eine dritte Art der Herkunftsbezeichnung im Bereich der Namengebung, die für die Ausbildung erblicher Familiennamen vielfach mitgewirkt hat. Mit der Erblichkeit von Haus und Hof hafteten seit dem 13. Jahrhundert auch Häusernamen, wie sie noch jetzt bei Apotheken oder Gast- und Wirtshäusern üblich sind. Jedenfalls sind Familiennamen wie Engel oder Ochs oder Storch (Storck) oder Schiff, Helm, Spieß eigentlich nur als Häusernamen verständlich. Und wer weiß, ob nicht auch Familiennamen wie Kaiser, König, Herzog und Landgraf etwa von Gasthäusern ausgegangen sind. Und dann könnte auch noch ein Gasthaus zur Stadt Straßburg den Familiennamen Straßburg im Gefolge gehabt haben. Man hat schon oft festgestellt, wie fest Häusernamen beharren, wenn auch die Besitzer wechseln. Hier erklären

sich auch Familiennamen wie Bär, Bock, Eichhorn, Lamm, Rapp, Wolf, Hecht, Falk, Fink(e), Gans, Geier, Greif, Hahn, Pfau, Rebhuhn, Schwan, Sperber, Strauß; aber auch Familiennamen wie Altmülller, Teichmüller, Waldmüller gehören hierher, insofern eine alte Mühle, eine Mühle am Teich oder am Wald den Familiennamen ergeben hat. Das Gleiche gilt auch von Familiennamen wie Nußbaum (ndd. Notebom) und Birnbaum (Bierbaum), Linde und Fichte. Familiennamen wie Vogelsang oder Nachtigall können auf Örtlichkeiten „zum Vogelsang“ oder „zur Nachtigall“ hinweisen. Auf der Erblichkeit von Bauernhöfen beruhen Familiennamen wie Althof, Neuhof (Niehof), Osthof, Westhof.

      3. Aber die Entwickelung der Zweinamigkeit mit erblichen Familiennamen erstreckt sich aus der Zeit richtiger Einnamigkeit hinüber zu entwickelteren Lebensbedingungen, als es die der Urzeit waren. Eine Vorbedingung der Zweinamigkeit war das Beharren von Eigenschaften und Eigentümlichkeiten innerhalb der Familie. Wenn zunächst das Kind frühzeitig einen Namen erhält, so lange noch alle persönlichen Eigenschaften fehlen oder unentwickelt sind, so gaben die reiferen Jahre mit der vollentwickelten Persönlichkeit Anlaß zu Beinamen. Das bestätigen geschichtliche Fürstennamen wie Karl der Kahle, Karl der Dicke, August der Starke, Otto der Rote. So war es eine charakteristische Eigenschaft, die sich in der Familie erblich erhalten konnte. So kann Kraus, Krause, Kruse oder Krauskopf zunächst als Beiname, dann auch als Familiennamen gelten. So kann Roth(e) oder Fuchs, ndd. Voss, aus einem Beinamen zum Familiennamen werden, da sich auch die Haarfarbe oft vererbt. Von selbst deuten sich Familiennamen wie Schwarz oder Weiß,

ndd. Witte, auch Schwarzkopf, Weißhaupt, Witkop, Breitkopf, Breithaupt aus ursprünglichen Beinamen. Eine erbliche Eigenschaft steckt sicher auch in ursprünglichen Beinamen wie Hager, Mager, Scheel, Schmal, Schnell (Snell), Stark(e) und ebenso in Baumstark, Hartknoch. Hier erklären sich aus Beinamen auch Familiennamen wie Bräunlich, Ehrlich, Fröhlich, Grämlich, Greulich, Redlich, Säuberlich, Willich, Wunderlich, desgleichen Fromm(e), Grimm(e), Kahl(e), sowie Alt, Heilig, Hübsch, Jung, Schwind, Stolz, Traut, Wacker. Schon in Zeiten der Einnamigkeit finden sich Fälle von Beinamen, und wie wir noch in der Häuslichkeit Großer, Kleiner, Langer, Dicker als Namensersatz verwenden, ohne Mißverständlichkeit befürchten zu müssen, so können sich derartige Ersatzrufnamen festgesetzt und schließlich vererbt haben.

      4. Eine weitere Möglichkeit des Festsetzens von Zweinamigkeit, die erblich werden kann, bieten Stand und Amt, Beruf und Gewerbe. Heutzutage verwenden wir Wörter wie Schaffner oder Kellner oder Wirt im Sinne von Rufnamen, wenn wir Männer, deren wirkliche Namen wir nicht kennen oder nicht zu kennen brauchen, in der Ausübung ihres Berufs anreden. Freilich haben die alten Deutschen nur den Kriegsberuf und das Kriegshandwerk anerkannt; vgl. Weigand, Wiegand aus mhd. wîgant ‘Kämpfer, Krieger’, Degen, Reck(e) aus mhd. dëgen, recke; auch Hergesell, Heerdegen und Dietdegen (aus mhd. dietdëgen). In der Zeit der Einnamigkeit treten daher keine wirklichen Berufsnamen auf. Sie setzen sich erst im 13./14. Jahrhundert durch, als mit dem Aufblühen der Städte die Zweinamigkeit für größere Verhältnisse zur Notwendigkeit wurde. Manche Gewerbe, die eine wertvollere Einrichtung und eine besondere Ausbildung

verlangen, bleiben gern Familien treu, vererben sich von Vater auf Sohn und Enkel.

      Das älteste Handwerk, das im Kriegsberuf der alten Germanen wurzelte und mit der Haus- und Feldwirtschaft immer notwendiger wurde, ist das Handwerk des Schmiedes mit der wertvollen Werkstatt. So erklärt sich die Häufigkeit des Familiennamens Schmidt mit der aus dem genitivischen Vaternamen stammenden Nebenform Schmitz mit den gleichwertigen Schmidlin, Schmiedel und mit den jüngeren Spezialisierungen Goldschmidt, Hackenschmidt, Hammerschmidt, Kaltschmidt, Kleinschmidt, Kupferschmidt, Messerschmidt, Pfannenschmidt, Pfeilschmidt, Schaarschmidt; schließlich ebenfalls mit dem Scherznamen Rußwurm, der auch als Familiennamen vorkommt. Übrigens beruht auch der häufige Familienname Wieland auf einer mittelalterlichen Anschauung, daß Wieland der Schutzpatron der Schmiede war. Die Häufigkeit des Familiennamens Müller erklärt sich aus der Erblichkeit der Mühle; vgl. die Spielarten Miller, Möller, Milner, Mölner, Mülner, Mülder, Milder, Mühlmann. Auch das Handwerk des Schuhmachers verlangt eine Einrichtung, an der die Familie gern festhält. Wenn die Namen Schumann und Schumacher an Häufigkeit hinter Schmidt und Müller zurücktreten, darf man aber die Familiennamen Schuster (mhd. schuochsûtære) und schweiz. Sutter, Sauter (mhd. sûtære) nicht übersehen, und man muß wissen, daß die Namen Schuchardt, Schuricht, Schurcht und Schuradt, sowie Schubert, Schubart das mhd. schuochwürthe ‘Schuhmacher’ fortsetzen. Da die Kunst des Brotbackens seit alten Zeiten der Hausfrau zufiel, ist der Familienname Bäcker, Becker mit der oberdeutschen Entsprechung Beck (Brodbeck) und dem gleichbedeutenden Pfister

(Pistor) weniger häufig als Müller oder Schuster. Die Häufigkeit des Familiennamens Koch bleibt allerdings sehr auffällig. Neben den Familiennamen Metzger stellen sich die gleichbedeutenden Fleischer, Fleischhacker, Fleischhauer, Knochenhauer; neben die Familiennamen Hirt (ndd. Herder), Lämmerhirt, Roßhirt die sinnverwandten Schäfer, Schefer (ndd. Schaper); neben Küfer auch Böttcher (ndd. Bödeker, Bädeker), Büttner, Faßbinder; neben Töpfer im Niederdeutschen Potter, Pötter und Groper, Gröper, im Oberdeutschen Hafner und im Hessischen Auler (zu mhd. ûle ‘Topf’).

      Die große Masse unserer Familiennamen geht auf Gewerbe und Beruf zurück. Schon frühzeitig führt der Künstlerberuf, dessen Erblichkeit z. B. durch die Familiengeschichte Sebastian Bachs für die Tonkunst bestätigt wird, zu erblichen Familiennamen wie Fiedler, Flöter, Geiger, Pfeifer, Schwegler (zu mhd. swëgel ‘Flöte’), Sänger, Singer, Spielmann. Eine große Fülle von städtischen Berufen im 15./16. Jahrhundert spiegeln sich in Familiennamen wie Ayrer (Eierhändler), Bohner (Bohnenhändler), Holzschuher Hölzscher, Holzmann Holzhauer, Löffler (Löffelschmied), Melber (Mehlhändler), Melzer (Brauer), Obser (Obsthändler), Pfanner Pfannenschmied, Salzer = Salzmann (Salzhändler), Semler = Semmelmann, Schindler (Schindelmacher). Vgl. noch Drechsler, Dreßler, Färber, Gerber, Glaser, Kürschner, Münzer, Seiler, Schneider, Ziegler. Süddeutschland und Norddeutschland teilen sich in die Doppelformen Gartner = Gärtner, Kohler = Köhler, Schlosser = Schlösser, Wagner = Wegener. Namen wie Armbruster, Pfeilsticker, Pfeilschifter, Plattner deuten auf Gewerbe, die in der Neuzeit fehlen.

      Bei der Erblichkeit von Ämtern und Würden ergeben sich Familiennamen wie Ritter, Graf (Graff, Gräfe, Greve), Kämmerer, Marschalk, Schenk, Schultheiss, Scholz (ndd. Schulte), Ammann (für Amtmann), Vogt (Fauth, Vauth), Richter, Zöllner (Mauthner); auch Familiennamen wie Glöckner, Küster, Messner (Mesmer), Sigrist weisen auf die Erblichkeit der Berufsart. Die Häufigkeit des Namens Meier (Maier, Meyer) erklärt sich aus der Grundbedeutung ‘Gutsverwalter, Hofpächter’.

      Zwar ist die Zahl der Familiennamen, die auf Beruf und Gewerbe beruhen, erstaunlich groß, aber man darf nicht übersehen, daß sie doch auch beschränkt ist. Die Masse stammt aus dem Ende des Mittelalters als derjenigen Zeit, die unsere Familiennamen geschaffen hat. Neuzeitliche Berufe oder Gewerbe treten nicht in die Namengebung ein, so daß man Worte wie Offizier und General, Sekretär und Direktor, Professor oder Rektor nicht als Familiennamen antrifft. Gleiches gilt etwa von Wörtern wie Bahnmeister, Gasmeister, Postmeister im Gegensatz zu Bacmeister, Bauermeister (ndd. Burmester), Forstmeister, Gildemeister, Hofmeister, Küchenmeister, Zechmeister. So hat die ganze moderne Industrie an der Entstehung der Familiennamen keinen Anteil, weil vor ihrem Aufblühen überall schon die Familiennamen fest wurzelten.

      5. Zu der Fülle der Familiennamen deutschen Ursprungs gesellen sich fremdsprachliche Namen. Einen Teil davon hat uns frühzeitig das Christentum beschert, zunächst in Gestalt von Taufnamen, die aber dann als Rufnamen allmählich zu Familiennamen geworden sind. Schon im 9. Jahrhundert trifft man bei uns christliche Taufnamen wie Adam, Jakob, dazu später dann die

Genitivnamen Adami, Jakobi und Adams, Jakobs, auf denen schließlich unsere Familiennamen Adam(s), Jakob(s) beruhen; hierher auch Simon(s). Auf der Höhe des Mittelalters treten dann Heiligennamen dazu wie Antonius = Anton, Martinus = Martin (Merten), Laurentius = Lorenz und Mauritius = Moritz. Am Ende des Mittelalters gesellen sich dazu lateinische Namen wie Agricola oder Faber. So lange das Latein als Urkundensprache herrschte, konnten sich seit dem Ausgang des Mittelalters Wortübersetzungen wie Fabarius, Faber, Mercator, Molitor, Piscator, Pistor, Sutor, Textor, Venator als lateinischer Ersatz für Bohner, Schmied, Kaufmann, Müller, Fischer, Bäcker, Schuster, Weber, Jäger einstellen. Aus den Lateinschulen vom Ende des Mittelalters hielten solche Wortübersetzungen ihren Einzug in die Gelehrtenschulen des 16./17. Jahrhunderts, und von den Gelehrtenschulen aus dann auch ins bürgerliche Leben. So erklären sich Avenarius für Habermann, Camerarius für Kämmerer, Cellarius für Keller, Olearius für Öhler oder Öhlmann (Goethes Götz I) und Vietor für Büttner; desgleichen Caesar für Kaiser und Sacer für Heilig.

       Allerdings konnte man sich auch mit der schlichtesten Art der Latinisierung beruhigen: Buchnerus, Colerus, Müllerus, Schulerus für Buchner, Köhler, Müller, Schuler; Reimarus, Schusterus, Zwingerus für Reimer, Schuster, Zwinger; Scultetus für Schulte (eigtl. ndd. Schulthete). Daneben zeigen sich Latinisierungen wie Crusius (Kruse), Curtius (Kurt), Frisius (Fries), Fröhlichius (Fröhlich), Gryphius (Greif), Heinsius (Heinz), Hinschius (Hinsche), Lipsius (Lips, Philipp), Matthesius (Matthes), Mylius (Mühl), Ratichius (Ratke), Schuppius (Schupp), Thomasius verkürzt Masius (Thomas). Vgl. noch

Follenius, Fresenius, Frobenius, Gesenius, Holstenius, Ochsenius, Osenius, Platenius, Thilenius, sowie Cnefelius, Crecelius, Schottelius; dazu dann Pistorius, Prätorius nd Sartorius. Hierher wohl auch Vossius (für Voß ‘Fuchs’) und Vulpius (= lat. vulpes ‘Fuchs’).

      Aus dem Einfluß der Lateinschulen und der lateinischen Gelehrtensprache erklären sich auch einige an das Griechische anknüpfende Namen wie Chrysander, Dryander, Megander, Neander, Xylander für gut deutsche Namen wie Goldmann, Eichmann, Großmannn, Neumann, Holzmann. Hieran reihen sich aus dem 16. Jahrhundert Melanchthon für Schwarzerd und Oecolampadius für Hausschein.

      6. Wer freilich die Entstehung der einzelnen Familiennamen mit dem Ursprungsbereich der Vaternamen, der Herkunftsnamen, der Gewerbe- und Berufsnamen und schließlich der Eigenschaftsbeinamen zu erklären versucht, stößt auf endlose Schwierigkeiten. So ist es bei allem Sprachgut überhaupt, so ist es besonders bei den Personennamen. Neuere Namen, die sich seit dem Ausgang des Mittelalters eingestellt und festgesetzt haben, bewahren ihre Durchsichtigkeit und Deutbarkeit. Aber wenn einzelne Gewerbe wie die der Armbruster, Pfeilschifter und Pfeilsticker (ndd. Pielsticker) ausgestorben sind, bedarf es schon der Nachhilfe, und ebenso wird Schwegler nur mit Hilfe von mhd. Sprachkentnissen als ‘Sackpfeifer’ gedeutet werden. Auch ursprüngliche Eigenschaftsbeinamen wie Schwarz oder Braun sind einfach, aber ein Name wie Thumb wird erst durch Zuziehung von mhd. tump ‘jugendlich unerfahren’ verständlich. Aber es gibt ganze Bereiche von Familiennamen, die sich gegen jede Deutung im Sinne der oben besprochenen Namengruppen sträuben.

      Die Sprache ist in stetem Wandel begriffen, und nur auf dem Papier kann sich eine gewisse Gleichmäßigkeit halten. Wie alle Sprache sich verändert, müssen sich auch die Familiennamen verändern, und so stellen sich Undeutlichkeit und Unklarheit der Namen ein. Durch mündliche Überlieferung entstehen auch volkssprachliche Kürzungen wie Matz, Marx, Lux aus Matthäus, Markus, Lukas, Hans aus Hannes (Johannes), Balzer aus Balthasar. Es läßt sich geschichtlich beobachten, daß Seiffert, Seuffert, auch Siefert, Seyfried aus Siegfried (mhd. Sîvrit), Vollmer aus Volkmâr, Diemer aus Dietmâr und Hammer aus Hadumâr entstanden sind. So entstehen die Familiennamen Germer, Reimer aus ahd. Gêrmâr, Reginmâr; vgl. Hilpert aus Hildebrand, Kurt (lat. Curtius) aus Konrad, Dierk aus Dietrich, Ebert aus Eberhard, Ehret aus Ehrhart, Gehrt aus Gerhard, Herbert aus Herbrecht, Walter, Werner aus mhd. Walther, Wernher (mhd. her ‘das Heer’).

      Aber eine Reihe anderer Familiennamen entzieht sich dem Gesetz der Zweigliedrigkeit (unten S. 25) unserer Namen und den Forderungen der Deutbarkeit auf ganz andere Weise. Es handelt sich um Kurz- oder Kosenamen, in denen das erste Wortglied ziemlich erhalten bleibt, während das zweite Wortglied durch eine Endung vertreten wird. Man denke an Familiennamen wie Deecke, Gerke, Göke (Gödecke), Seeke, Wilke. Man muß wissen, daß dies Abkürzungen für alte zweigliedrige Vollnamen wie Dietrich, Gerhard, Gottfried, Siegfried, Wilhelm sind. Hierher auch Giesecke für Giesebrecht (Gisbert), Meinecke für Meinhard, Reinecke für Reinhard, Wernicke zu Werner; daher auch Ableitungen wie Bäsecke, Besecke neben Baas, Brändicke neben Brand, Jänicke neben Jan

(Johann), Nöldecke für Arnöldecke, Paulke neben Paul. Im Hausbedarf der Familie und im Verkehr mit der nächsten Umgebung stellen sich leicht Kurznamen ein und zwar auch schon im Zeitalter der Einnamigkeit. Der Burgunderkönig Gibica, mhd. Gibeche (um 400 n. Chr.) wird wohl einen zweigliedrigen Namen wie Gebhard gehabt haben.

      Gegenüber diesen k-Bildungen, die hauptsächlich für Norddeutschland charakteristisch sind, zeigen sich z-Bildungen wie Dietz, Fritz, Hinz, Kunz, Lutz als Kurzformen für Dietrich, Friedrich, Heinrich, Konrad, Ludwig; sie treten zwar als Familiennamen (mit den Nebenformen Dietze, Fritze, Hinze, Kunze, Lotze) auf, kommen aber teilweise auch als Tauf- und Rufnamen vor; vgl. auch Götz(e) für Gottfried, Renz aus Reinhard, Utz für Ulrich. Der Familienname Seitz weist zurück auf Siegfried (mhd. Sîvrit); vgl. auch Volz aus mhd. Volkmâr, Walz für Walter. Spielarten der z-Bildungen auf -tsch (-sch) erscheinen in Fritsch(e), Dietsch(e), Hinsch(e), Lutsch. Die Zahl alter Kosenamen, die jetzt als Familiennamen gelten, läßt sich bedeutend vermehren: Focke für Volkwart, Busse, Bosse und Buck für Burkhard, Otto, Otte für Otfrid oder Otmâr; so ist Frick(e) Kurzform für Friedrich.

      Eine andere Art von Wortbildung wiederholt sich in Familiennamen wie Pröpsting und Bisping eigtl. ‘Höriger oder Angehöriger eines Probsts oder Bischofs’ (Bisping für ndd. Biskoping); ähnlich Wülfing und Brüning ‘Höriger oder Angehöriger eines Wolf und Braun’, ferner Böcking, Büsching neben den Familiennamen Bock und Busch. So deuten auf alte Familiennamen auch Klasing und Körting, sowie Helmerding, Humperding, Nieberding, Sieveking. Diese Art von Personennamen erhält

für die Bildung von Ortsnamen (unten S. 34) eine große Bedeutung.

      7. Die Namengebung geht nicht von dem Namenträger aus, sondern von Personen der Umgebung. Aber nicht bloß die Familienangehörigen oder das Gesetz der Familientradition sind schuld an der Namengebung, sondern auch der weitere Bekanntenkreis oder die Dorfgemeinde, wenn oft Scherz- und Spitznamen eine Rolle spielen. So könnte ein Schmied, der den Namen Schmidt als Familiennamen trägt, oder ein Wagner, der den Familiennamen Wagner hat, von der Dorfgemeinde leicht Rußwurm oder Krummholz genannt werden, weil dies landschaftliche Scherznamen für die betreffenden Berufe sind. Entsprechendes gilt von Knieriem (Cnyrim) = Schuster, Schuhmacher. Solche Familiennamen wie Rußwurm, Krummholz oder Knieriem setzen sich als Familiennamen fest so gut wie Fuchs oder Witkop, die auch als Eigenschaftsbeinamen zunächst vielleicht nur Scherzworte für Rothaarige oder Weißhaarige waren. Auch Herkunftsnamen wie Kosack oder Türk sind vielleicht nur alte Spottnamen, wenn die ersten Namenträger nicht in der Ferne gewesen waren, sondern nur prahlerisch von fernen Reisen erzählten. Überhaupt können unter der Fülle unserer Familiennamen sehr viele Scherz- und Spottnamen stecken, die nicht mit Sicherheit festzustellen sind. Da Breitkopf und Breithaupt in früheren Zeiten verhüllende Beinamen des Bären waren, konnte ein Mann des Namens Bär, auch wenn er von einem Häusernamen (oben S. 11) seinen Familiennamen ererbt hatte, im Scherz Breithaupt oder Breitkopf genannt werden. Da unsere Familiennamen meist mehrere Jahrhunderte alt sind, aber die Geschichte unserer

Familien nur ganz ausnahmsweise mehr als ein Jahrhundert weit zurückzuverfolgen ist, ist die Ursache der Namengebung im Dunkel des 15./16. Jahrhunderts verborgen, und ein Beweis für die wirkliche Veranlassung eines Familiennamens wie ndd. Modersohn eigtl. ‘Muttersöhnchen’ oder Bräutigam ndd. Brümmer ist nicht zu bringen. Wir müssen aus dem Wortlaut der Familiennamen heraus Bedeutung und Ursprung zu erkennen suchen. Wir zweifeln nicht, daß viele Familiennamen wie Gensfleisch, Kalbfleisch oder Rindfleisch, Magerfleisch oder Speck, Stiefel und Ledderhose (Lerse) eigentlich scherzhafte oder spöttische Beinamen waren. So werden seltsame Namen wie z. B. Siebenkäs als Spottname aufzufassen sein, vielleicht für einen kleinen Bauern, dessen Abgabe oder Zins im Namen steckt. Denn bestimmte Abgaben spiegeln sich wohl auch in Namen wie Vierort (Ort ‘Heller’), Fünfgeld, Zehnmark, Hundertmark. Wenn solche Namen vom Ansehen wirklicher Personennamen abweichen, müssen wir zu dem Verdacht von scherzhaften Beinamen oder Spottnamen gelangen. Das gilt insbesondere von sogenannten Imperativnamen wie Thudichum oder ndd. Südekum. Teilweise machen sie den Eindruck von Wahlsprüchen, wie Frühauf und Haltaus. Wir kennen die Veranlassung nicht, die einen ersten Namenträger Bleibtreu und Leberecht, Lachenicht, Schaffenicht oder Schlichtegroll genannt hat, aber Kehrein als Familienname legt den Verdacht eines ursprünglichen Wirtshausnamens nahe und wird somit sicher ein Scherzwort sein.

      8. Eine merkwürdige Schicht bilden Familiennamen, die mit dem Kalender im Zusammenhang stehen. Monatsnamen wie Jenner, Hornung, März, Mai, Wintermonat, die Namen der Jahreszeiten Frühling (Lenz), Sommer,

Herbst, Winter, die Namen der Wochentage Sonntag, Montag, Freitag begegnen als Familiennamen; hierher auch Mitternacht, Feierabend, sowie Oster. Die Zeit der Geburt scheint die Veranlassung zum Namen zu sein, und es ist sehr wahrscheinlich, daß auch die oben S. 6 behandelten Genitivnamen wie Jakobi, Martini oder Michaelis die Tage von Heiligen bedeuten können. Peter Roseggers Vorname beruht auf Kürzung für den Kalendertag Petri Kettenfeier. Derartige Namen waren von Haus aus Taufnamen, haben aber diese Rolle aufgegeben und erscheinen nur noch als Familiennamen.

      9. Aus der Häufigkeit vieler Familiennamen ergibt sich eine merkwürdige Neuerung. Zu den häufigsten Namen wie Meier und Müller können im 19. Jahrhundert Vornamen geschlagen werden, wie Franzmüller, Maxmüller, und dann auch weiterhin Anfangsbuchstaben von Vornamen, und so kommen seltenere Namen zustande, wie Gehmeyer, Hameier, Uhmeyer, Wehmeyer und Amüller, Pemüller, Wehmüller, Zehmüller; vgl. auch Elkahn, Elbusch, Elkamp, Ehbauer, Gehwolf, Habecker, Espeter.

      Hier erklärt sich auch der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Schweiz aus vordringende Gebrauch zweigliedriger Familiennamen wie Meyer-Lübke, Müller-Heß, Vogel-Frank, Schweitzer-Siedler, Hofmann-Krayer, Huber-Stockar: beide Ehegatten vereinigen ihre Namen zu einem gemeinsamen Familiennamen, wenn der Name des Ehegatten ein häufiger ist.

II. Taufnamen.

      1. Die männlichen Taufnamen zeigen manchen Zusammenhang mit unseren Familiennamen: als Vornamen und als Familiennamen gelten z. B. Berthold, Dietrich, Eberhard, Ernst, Friedrich, Konrad, Wilhelm. Wir erkennen in dieser Tatsache einen Beweis der urdeutschen Einnamigkeit, aus deren Zeitalter heraus sich mit dem Durchdringen des Christentums die Zweinamigkeit im 12./13. Jahrhundert allmählich durchgesetzt hat. So kommt es, daß auch noch christliche Namen wie Anton, Lorenz, Martin, Moritz, Thomas, Paul, Peter die gleiche Doppelrolle spielen können.

      Aber alles jüngere Namengut gehört nicht in die Taufnamen hinein — weder Genitivnamen wie Friedrichs, Dietrichs, Friederici, Dieterici, noch Herkunftsnamen wie Osthoff, Westhoff oder Aschbach, Eschbach, noch Berufsnamen wie Müller oder Schneider, noch Eigenschaftsnamen wie Groß, Grote oder Kraus, Kruse. Anderseits sind jüngere Vornamen fremden Ursprungs, die sich erst in den beiden letzten Jahrhunderten eingestellt und festgesetzt haben wie Alfred, Eduard, Erich, Eugen, Gustav und Louis, nicht mehr zu Familiennamen geworden, weil die Entstehung der Familiennamen im 16. Jahrhundert im wesentlichen abgeschlossen war. Doch ist es auffällig, daß alte Namen wie Eckart, Eckert, Wieland und Hildebrand nur Familiennamen und nicht zugleich Taufnamen sind. Somit bestehen doch Grenzen zwischen Taufnamen und Familiennamen.

      2. Die Hauptmasse der männlichen Taufnamen entstammt der Zeit der Einnamigkeit, als es Regel war,

zweigliedrige Namen zu bilden: Bernhard, Eberhard, Friedrich, Hermann, Siegmund. Solche zweigliedrige Vollnamen reichen weit über die Völkerwanderungszeit zurück in die vorchristliche Zeit. Da waren die alten Deutschen ein Volk, das im Kriege den Lebensinhalt sah, und fast die ganze altdeutsche Namengebung wies auf Krieg und Kriegsruhm, Waffentüchtigkeit und Siegerglück. Es waren inhaltsvolle Namen, die als Segenswünsche dem Neugeborenen gewidmet wurden. Von solchen zweigliedrigen Namen der Urzeit sind uns viele treu geblieben, nicht bloß als Familiennamen, sondern auch als männliche Taufnamen. Freilich sind Namen wie Dietmar, Hartmann, Hildebrand, Wachsmut, Wieland jetzt nur noch Familiennamen, aber anderseits ist vielleicht kein einziger ausschließlich als Vorname im Gebrauch: Dietrich, Friedrich, Heinrich und Eberhard, Gerhard kommen in beiden Rollen vor.

      Die Deutbarkeit unserer männlichen Taufnamen, sofern sie aus der urdeutschen Zeit des Heidentums stammen, ergibt sich naturgemäß aus unserer alten Sprache. Wir können sie aber auch mit heutigen Sprachmitteln gewinnen: so ist Gerhard ‘der Speerkühne’, Eberhard ‘der wie ein Eber Kühne’, Hermann ‘der Heeresmann’. In vielen unserer alten Vornamen steckt ein bekanntes Wortelement: Friede in Friedrich, Volk in Volkmar, Helm in Wilhelm. Aber mit unserer älteren Sprache erkennen wir die ersten Wortglieder von Dietrich (mhd. diet ‘Volk’) oder von Gunther, Günther (ahd. gunda ‘Kampf’) oder den zweiten Bestandteil von Volkmar (ahd. mâri ‘berühmt’).

      Insofern der Taufname im Zeitalter der Zweinamigkeit den eigentlichen Bereich in der engeren Hausgemeinschaft

hat, können auch noch einige alte Kurz- oder Kosenamen, die schon in der Zeit der Einnamigkeit lebendig waren, im Bereich unserer Vornamen ein Rolle spielen. So gilt uns noch jetzt Fritz als Koseform zu Friedrich, landschaftlich auch Heinz und Kunz neben Heinrich und Konrad. Doch kann Fritz auch an und für sich als selbständiger Taufnamen eintreten, und Kurzformen wie Benno und Kuno für Bernhard und Konrad gelten vielfach schon als eigentliche Taufnamen. Andere Kurznamen haben landschaftliche Geltung: so sind uns schweizerische Koseformen wie Uli und Wälti neben Ulrich und Walter aus Schillers Tell geläufig. Daneben sind verkürzte Wortformen wie Hans für Johannes in der Rolle von Vornamen geläufiger als in der Rolle von Familiennamen. Auch neuzeitliche Fremdnamen haben häusliche Ersatzformen, wenn wir z. B. Ede für Eduard nach dem Vorbilde von Lude neben Ludwig als Kosenamen gebrauchen.

      3. Aber die Taufnamen, die aus dem Sprachgut unserer heidnischen Voreltern stammen, waren von Haus aus keine eigentlichen Taufnamen; sie waren mit der Bekehrung der Deutschen zum Christentum lebendig geblieben und haben ihre Lebenskraft als Rufnamen von der Zeit der Einnamigkeit auch mit dem Eintritt der Zweinamigkeit im 12./13. Jahrhundert behalten. Sie sind aus heidnischen Rufnamen zuerst christliche Taufnamen geworden, bevor das Zeitalter der Zweinamigkeit ihnen den Wert sowohl von Familiennamen als auch von Vornamen verlieh. Aber schon in der Karolingerzeit treten biblische Namen als eigentliche Taufnamen auf, und wenn auch Namen wie Otfrid und Nôtkêr, Hartmuot und Werinbraht durch das 9./10. Jahrhundert mit unzähligen altdeutschen Rufnamen von der Geistlichkeit geduldet wurden, so erscheinen

schon vorübergehend im 9./10. Jahrhundert Taufnamen, die das Alte Testament lieferte, wie Adam, David, Elias (Helias), Jakob, Joseph, Isaac, Moses, Salomo, Samuel. Zunächst mögen sich solche Taufnamen nur im Bereich der Klöster und im Verkehr mit der Geistlichkeit gehalten haben, während im Verkehr mit den Volksgenossen der alte Rufname vorherrschte, besonders wenn es sich um Personen handelte, die erst in reiferen Jahren das Christentum annahmen und nicht gleich in früher Jugend getauft wurden. In dieser Frühzeit der Bekehrung wurzelt naturgemäß das bald eingebürgerte Christian mit der ndd. Spielart Kersten, Karsten: es bedeutet ‘Christ’ (lat. christianus). Aber mit dem 12./13. Jahrhundert führt dann das Christentum weitere Taufnamen aus der Geschichte des Neuen Testaments und aus dem Leben der Heiligen ein: die Namen der Evangelisten und der Apostel werden geläufig, zunächst in den lateinischen Lautformen; die geläufigsten sind und bleiben für lange Zeit Johannes (Hans) und Petrus (Peter). Dann kommen Heiligennamen wie Georgius, Gregorius, Laurentius, Martinus, Mauritius, Nikolaus. In der Zeit der Zweinamigkeit werden diese Taufnamen zu den eingedeutschten Vornamen, die uns vom Ende des Mittelalters geläufig geblieben sind; vgl. Georg, Jörg, Lorenz, Martin, Moritz.

      4. Die Neuzeit hat den Vorrat unserer altheimischen und christlichen Vornamen nicht erheblich vermehrt. Aber in dem großen Vorrat bestimmen bedeutende Persönlichkeiten der Geschichte und der Literatur die Vorherrschaft gewisser Taufnamen (Friedrich, Wilhelm). Andere Kultursprachen wirken vorübergehend ein (Erich, Gustav). Die altdeutsche Namengebung kann einwirken (Hugo), fremde Namen können verdeutscht werden wie Timotheus

durch Fürchtegott. Aber im wesentlichen liefert der alte Bestand, den uns das Mittelalter hinterlassen hat, immer die verbreitesten Vornamen wie Heinrich und Ludwig, Fritz und Karl, Hans und Johann, Jakob und Josef — und das ergibt eine Schwierigkeit.

      Die Häufigkeit gewisser Vornamen geht neben der Häufigkeit vieler Familiennamen störend her. Die Zweinamigkeit war erwachsen aus der Notwendigkeit, Personen deutlicher zu kennzeichnen, als es die Zeit der Einnamigkeit vermocht hatte. Gesellt sich nun aber zu einem häufigen Familiennamen wie etwa Müller und Schmidt noch ein geläufiger Vorname wie Hans oder Johann, so ergibt solche Zweinamigkeit keine ausreichende Kennzeichnung der betreffenden Person. So zieht der Vorname Hans oder Johann mit Notwendigkeit einen weiteren Vornamen nach sich, und so zeigen sich doppelte Vornamen mit dem Beginn der Neuzeit: Johann Friedrich Schiller, Johann Wolfgang Goethe. Aber für das bürgerliche Leben spielen die doppelten Vornamen trotz einer gewissen Notwendigkeit keine entscheidende Rolle. Nur der eine erhält eine Bedeutung als Rufnamen (Friedrich Schiller), und selbst wenn die Zahl der Vornamen in bestimmten Gesellschaftsklassen oder Landschaften noch weiter vermehrt wird, reden wir doch immer nur von Zweinamigkeit. Auffällig ist es aber zu sehen, wie diese Zweinamigkeit, die aus Rufnamen und Familiennamen besteht, in unserer Zeit fast die Rolle der Einnamigkeit spielen kann, wenn wir in einzelnen Fällen etwa Erich Schmidt oder Kuno Fischer begreiflicherweise nicht bloß als Schmidt oder Fischer bezeichnen können.

      Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein konnte man Taufnamen und Familiennamen noch so unterscheiden: ich

heiße Friedrich und schreibe mich Kluge. Der Familienname war in manchen Lebensverhältnissen eigentlich nur der Schreibname auf dem Papier, und der Taufname war in kleineren Verhältnissen der naturgemäße Rufname. So wird es wohl allgemein in Zeiten gewesen sein, als der Schulzwang noch nicht durchgeführt war. Das Leben der neuesten Zeit hat darin einen Wandel geschaffen: der Rufname tritt hinter den Familiennamen zurück, wenn er nicht zum Unterscheidungsmerkmal dient. Wir kennen von den Mitmenschen unseres Verkehrs im allgemeinen nur den Familiennamen. Nur im Haus herrscht der Rufnamen, z. B. dem Dienstpersonal gegenüber; das gilt auch von dem Personal der Gasthäuser: in solchen Bereichen kennen wir die Familiennamen oft jahrelang nicht. So gelangt man von der älteren Einnamigkeit über die herrschende Zweinamigkeit doch schließlich wieder zur Einnamigkeit zurück.

      5. Die weiblichen Taufnamen zeigen in der Hauptmasse eine auffällige Vorliebe für Endungs-a, das unserem Deutsch mit Ausnahme der Flußnamen wie Werra und Fulda, Schwarza und Golda (unten S. 40) sonst fremd ist: Alma, Anna, Augusta, Bertha, Dora, Ella, Emma, Erna, Flora, Frieda, Gerta, Hanna, Hertha, Hilda, Hulda, Ida, Johanna, Irma, Klara, Magdalena, Maria, Martha, Paula, Pia, Rosa, Stella. Ein deutscheres Aussehen bekommen jüngere Lautformen wie Auguste, Hanne, Lene, Marie.

      Von diesen Namen zeigen einige eine klare Abhängigkeit von männlichen Taufnamen: Johanna (Hanna) neben Johannes, Auguste, Augusta neben August, Paula neben Paul; so stehen auch Christiane neben Christian, Antonie, Emilie, Eugenie neben Anton, Emil, Eugen, Luise neben

Louis, auch Friederike, Ulrike neben Friedrich, Ulrich. Das gilt insbesondere auch von Philippine, Wilhelmine neben Philipp, Wilhelm; vgl. auch Albertine, Clementine, Ernestine, Jakobine, Josephine, Karoline, Leopoldine, Pauline, die zumeist wohl auf französischen Vorbildern beruhen.

      6. Auch sonst beobachten wir die gleiche Abhängigkeit, wenn in Hedwig Wortglieder stecken, die auch in Mannsnamen vorkommen; vgl. Hattemer aus Hadumâr und Ludwig. So steht Gertrud neben Gerhard (mhd. gêr ‘Speer’). Für die altdeutsche Namengebung hat man in der Zeit der Einnamigkeit gern die Wortglieder der Männernamen zur Bildung von Frauennamen verwendet; vgl. Mathilde, Klothilde, Brünhilde und Hildegard, Hildegund neben Hildebrand, Hilpert (ahd. hilta ‘Kampf’).

      Aber von der großen Fülle altdeutscher Frauennamen, die z. B. das Nibelungenlied mit Brünhilt, Götelint, Herrât, Hildegunt, Kriemhild, Sigelint und das Gudrunlied mit Gêrlint, Gûdrûn, Hergart, Hildebure, Ortrûn veranschaulicht, ist in der Neuzeit nur noch wenig lebendig geblieben: Adelheit, Gertrud, Hedwig und Mathilde. Einzelne leben noch in Kurzformen nach wie Bertha, Frieda und Hilda. Andere wie Friedrun, Gotlind, Hildburg sind leider völlig verklungen.

      7. Mädchennamen unterliegen gern weitgehenden Kürzungen; vgl. Lisbeth und Elsbeth aus Elisabeth, Hanna aus Johanna, Liese aus Elise, Lene aus Helene, Grete aus Margarethe, Guste aus Auguste, Trine aus Katherine, Trude aus Gertrud, Jette aus Henriette, Lotte aus Charlotte, Nora aus Eleonore, Line aus Karoline, Toni aus Antonie.

      8. Für die weibliche Namengebung spielen fremdsprachliche Vorbilder eine große Rolle. Biblische Frauennamen wie Maria, Martha, Anna, Magdalena, Elisabeth, Eva werden allerdings zunächst als Kalendernamen aufgefaßt werden müssen, und die Vorherrschaft von Marie erklärt sich wohl aus der Tatsache, daß die Mutter des Heilands mehrere kirchliche Festtage hat, und das Neue Testament außerdem noch andere Marien in die biblische Geschichte einflicht. Heiligennamen sind Brigitte, Katherine, Sophie, Veronika. Auf französischem Einfluß beruhen Josephine, Luise, Charlotte, Annette, Babette, Herniette, Lisette. Ein russischer Name ist Olga, ein tschechischer Wanda.

      9. Gern wird verkleinernde Wortbildung angewandt: die Silben -chen nach mittel- und norddeutscher Weise in Gretchen, Käthchen, Lenchen und -el nach oberdeutscher Weise in Christel, Franzel, Friedel, Gretel, Trudel. Kurzformen sind Hedi für Hedwig, Susi für Susanne.

      10. Die Häufigkeit von Mädchennamen wie Anna, Elise und Marie ist die Ursache dafür, daß öfters zwei Vornamen eintreten, von denen naturgemäß nur einer Rufname ist. Dabei wiederholen sich manche Verbindungen, so daß sich Namen wie Annemarie und Marianne, Anneliese und Lieselotte als selbständige Vor- und Rufnamen einstellen.

      11. Im allgemeinen beruhen die weiblichen Taufnamen zumeist auf fremdsprachlichen Vorbildern. Sie legen die fremde Klangfarbe nicht gern ab, und Endung wie Betonung widerstreben der deutschen Sprechart: Alma, Martha, Luise und Wilhelmine, Charlotte und Henriette. Hierin liegt ein scharfer Unterschied gegenüber den männlichen Vornamen, bei denen fremder Einfluß viel weniger bemerkbar ist. Der Unterschied rührt daher, daß

unter den männlichen Taufnamen das altdeutsche Sprachmaterial fester haftet. Vielleicht wird uns die Zukunft bald mehr altdeutsche Vornamen auch für die Weiblichkeit bescheren; einzelne wie Friedrun, Gotlind, Hildeburg und Sieglind verdienten ein neues Leben.

III. Länder-, Orts- und Flußnamen.

      1. Die deutschen Lande und Landschaften zeigen in ihren Namen mehrfache Übereinstimmungen mit den Namen unserer Volksstämme: Bayern, Hessen, Sachsen, Schwaben, Westfalen sind gleichzeitig Länder- oder Landschaftsnamen und Namen von Völkerschaften. Gleiches gilt von Thüringen und Lothringen, sowie von Franken.

      Diese Übereinkunft und Gleichheit von Länder- und Völkernamen hat eine geschichtliche Erklärung. Die Ländernamen beruhen auf den Völkernamen und haben sich zumeist erst auf der Höhe des Mittelalters, d. h. lange nach der Zeit der Völkerwanderung, entwickeln können. Die endgültige Niederlassung und Festsetzung wandernder Stämme ist die Vorbedingung unserer Ländernamen. Aber die urdeutschen Stämme zeigen schon im 1. Jahrhundert vor und nach Christi Geburt ihre späteren Namen: Chatti Hessen, Saxones Sachsen, Suêbi Schwaben. In den nächsten Jahrhunderten treten die Franci Franken, Thuringi Thüringer und schließlich auch die Baiuarii Bayern auf.

      Aus den Namen der Völkerstämme sind die Namen der Lande und Landschaften in der Weise erwachsen, daß der Ländernamen aus dem Dativ der Mehrzahl von Völkernamen entstanden ist: aus einer Verbindung ‘unter, bei

oder zu den Schwaben’ hat sich der Landschaftsname Schwaben, mhd. ze Swâben entwickelt. Im Nibelungenlied heißt das Land der Burgunder am Mittelrhein dâ zen Burgonden (sô was ir lant genant). So bedeutet schon im klassischen Mittelhochdeutsch ze Swâben rein geographisch ‘in Schwaben’. Wir reden in solchen Fällen von einem lokativen Ursprung des Ländernamens aus dem Völkernamen. Das gilt auch vom Worte Preußen, das zufrühst den nichtgermanischen Stamm der Preußen im deutschen Nordosten bedeutet hat. Diese Endung -en zeigt sich auch in Böhmen und Mähren. Der Name der Insel Rügen ist so als Ausläufer des alten Völkernamens der Rugii zu deuten. Der Name Holstein ist eine Umdeutung des mndd. Holsten für Holtsäten, und diese ndd. Lautform steckt verhochdeutscht in dem alten Völkernamen der Holsæʒen im mhd. Gudrunlied.

      In der Neuzeit treten mit gleicher Endung dann auch fremde Ländernamen auf wie Italien und Spanien, Syrien und Indien. Das sind Eindeutschungen der lat. Namensformen Italia, Hispania, Syria, India, und daran schließt sich Schlesien und neuerdings auch Ostelbien an. Daneben zeigen spätlat. Ländernamen auf -ia das fremdartige Aussehen von Lombardei, Mongolei, Tartarei, Türkei, Walachei, wozu wieder die Neubildungen Polakei und Wendei.

      Andere Namen von Ländern und Landschaften beruhen auf Zusammensetzungen mit dem Grundwort -land, wobei auch Namen von Volksstämmen zugrunde liegen können: Deutschland, Estland, Friesland, Griechenland, Rußland beruhen auf geläufigen Völkernamen. Aber England, Irland und Schottland beruhen zunächst auf den englischen Bezeichnungen England, Ireland, Scotland.

      Politische Gebiete der Neuzeit können ihre Bezeichnung scheinbar aus Ortsnamen herleiten: Baden, Brandenburg, Braunschweig, Lippe, Luxemburg, Mecklenburg, Waldeck. Hier ist aber nicht von den Ortsnamen auszugehen, vielmehr haben solche Gebiete nach ihren Landesherren den Namen: die Markgrafen von Baden und Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig, die Grafen von Lippe und Luxemburg, die Fürsten von Mecklenburg und Waldeck sind die Veranlassung der betreffenden Ländernamen. Ähnliches gilt von Hannover und Oldenburg. Aber die Schweiz hat ihren Namen im Anschluß an den Kanton Schwyz erhalten.

      2. In den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung kannten die Deutschen noch keine Städte, sondern nur Einzelsiedelungen und Sippendörfer; sie wohnten in nichtzusammenhängenden Niederlassungen an Quellen, Feldern und Hainen (ut fons, ut campus, ut nemus placuit, Tacitus Germania 16). So führen spätere Städte und Dörfer, die aus alten Einzelsiedelungen erwachsen sind, Ortsnamen auf -brunn (-bronn, -born), -feld, -wald und -hain: Heilbronn, Paderborn, Ebersbrunn, Neubrunn, Reinhardsbrunn (vgl. auch Lippspringe); Elberfeld, Hirschfeld, Rheinfeld; Arnswalde, Greifswald; Ziegenhain. Im Anschluß daran erklären sich von selber Ortsnamen auf -lo, -loh (mhd. lôch Genit. lôhes M.) ‘Gebüsch, Gehölz’, wie Oldesloe, Buchloe, Degerloch, Gütersloh, Hohenlohe, Nußloch, Wiesloch.

      Zu größerem Umfang haben sich Siedelungen am Lauf von Flüssen oder Bächen auswachsen können, weil die Lage Verkehrsmöglichkeiten erleichterte. Besonders Mündungen ergeben Ortsnamen wie Münden, Gmünden, Neckargemünd, Angermünde, Geestemünde, Orlamünde,

Swinemünde, Tangermünde, Travemünde, Warnemünde; dann auch Furten, vgl. Fürth, Dietfurt, Erfurt, Frankfurt, Haßfurt, Herford, Klagenfurt, Mainfurt, Ochsenfurt, Schweinfurt, Steinfurt, Tieffurt, Wipperfürth; ferner Brücken wie Bruck, Innsbruck, Osnabrück, Saarbrücken, Zweibrücken; hierher noch Ohrdruf ‘Dorf an der Ohre’, Ruhrort ‘Anfang oder Ende der Ruhr’, Lahneck, Saalfeld, Lippstadt, Ilmenau, Regensburg. So können schließlich Ortsnamen den Fluß- und Bachnamen völlig gleich sein: Alpirsbach, Auerbach, Fulda, Katzbach, Roßbach, Steinbach waren erst Fluß- und Bachnamen und sind dann Ortsnamen geworden. Gleiches gilt von Weida. Ein großer Teil unserer Ortsnamen hat somit den Namen von der Lage an Flüssen und Bächen. Geeignete Landungsplätze ergeben Ortsnamen wie Bremerhaven, Cuxhaven, Wilhelmshaven und im Binnenland Friedrichshafen, Karlshafen, Leopoldshafen, Ludwigshafen, Maxhafen. Die Bedeutung des fließenden Gewässers als Siedelungsgelegenheit zeigt sich noch in den zahlreichen Ortsnamen wie Mühlheim und Mühlhausen oder Altmühl, Neumühl und Schneidemühl.

      Für die ältesten Siedelungen gab der älteste Siedler den Namen her, und weil sich der Siedler mit allen Angehörigen und seiner ganzen Gefolgschaft festsetzte, spielten auch zugleich seine Leute für die Namengebung eine kleine Rolle: hießen Siedler Ansolf, Gundolf, Munolf und Sigmar, so hießen die Siedelungen Ansolfingen, Gundelfingen, Mundelfingen und Sigmaringen, d. h. ‘bei oder zu den Leuten (Angehörigen und Hörigen) des Ansolf, Gundolf, Munolf und Sigmar’. Im Bayrischen gelten dafür Kürzungen wie Dingolfing, Freising.

      Eine andere Ableitungsweise von Siedelungsnamen hat

das Grundwort -heim, das eigentlich ‘Niederlassung, Ansiedelung’ bedeutet und für ‘Haus’ noch heute in der Ortsbestimmung heim ‘nach oder zu Hause’ steckt. Mit dem Namen des ersten Siedlers im Genitiv treten Ortsnamen auf wie Germersheim, Herbolzheim, Mingolsheim.

      Ein urdeutsches, aber sonst früh verklungenes Wort lâr ‘Ansiedlung’ steckt noch in Ortsnamen wie Lahr und Fritzlar, Goslar, Wetzlar.

      Die Hauptmasse aller größeren Ansiedelungen gehört besonders der Zeit nach der Völkerwanderung an; wenigstens müssen Ortsnamen auf -hausen und -hofen, -dorf und -weiler der Urzeit gefehlt haben. Jedenfalls deutet die Mehrzahlform in Aßmannshausen, Dankmarshausen, Guntershausen und Waltershausen ‘bei oder zu den Häusern des Aßmann, Dankmar, Gunter, Walter’ auf größere Siedelungen hin, wobei das Bestimmungswort vielleicht den ältesten oder den vornehmsten Siedler meint. Gleiches gilt von Ortsnamen auf -hofen wie Diedenhofen, Gerolzhofen, Köngishofen, Wörishofen, wozu sich die schweizerischen Dietlikon, Pfäffikon, Zollikon als Fortsetzer alter Dietlinghofen, Pfäffinghofen, Zollinghofen stellen. Auf -dorf enden z. B. Albersdorf, Albrechtsdorf, Volmersdorf. Zu den alten Siedelungsnamen zählen wir auch Ortsnamen auf -leben; dem Osten wie dem Westen fehlt gleichmäßig das Grundwort -leben in Aschersleben, Bufleben, Eckartsleben, Eisleben, Erxleben, Oldisleben, Oschersleben, Roßleben. Es bedeutet eigentlich ‘Hinterlassenschaft’ (vgl. mndd. lêven ‘hinterlassen’) und findet sich auch in dänischen Ortsnamen auf Jütland wie Brönderslev, Gjerlev, Gravlev. Das Grundwort -büttel in Brunsbüttel, Hankensbüttel, Isenbüttel, Ritzebüttel, Wolfenbüttel ist ein altndd. Dialektwort für ‘Wohnort’.

Die Ortsnamen Beuern, Büren, Blaubeuren, Kaufbeuren enthalten ahd. bûr ‘Haus’ (vgl. Vogelbauer).

      Den Jahrhunderten nach der Völkerwanderung gehören auch die Ortsnamen auf -weiler an; sie finden sich in den Ländern am Rhein und besonders in dem deutschen Südwesten und schließen sich an nordfranzösische Ortsnamen wie Villers, Grévillers, Vauvillers, Vermandovillers an. Mhd. wîler ‘Ortschaft’ erscheint nicht nur in Ortsnamen wie Ahrweiler, Badenweiler, Bischweiler, Brauweiler, Rappoltsweiler, Wolfenweiler, sondern auch umgeformt zu -weier und -weil (-wîl) in Appenweier, Allmannsweier; Balterweil, Bollschweil, Rapperschwyl.

      Als Bestimmungswörter kehren die Bezeichnungen der Himmelsrichtungen öfters wieder, wobei allerdings zu beachten ist, daß der Süden in älterer Zeit bei uns Sund hieß; vgl. Nordhausen, Nordheim; Osthausen, Ostheim, Osthofen; Sundhausen, Sundheim, Sundhofen; Westhausen, Westheim, Westhofen. Wie hier die geographische Lage im Verhältnis zu schon vorhandenen Ortschaften für die Namengebung bestimmend war, so gilt ähnliches auch von Niederau, Oberau; Niederdorf, Oberdorf; Niederhausen, Oberhausen; Niederweiler, Oberweiler. Jüngere Siedelungen ergeben neu als Bestimmungswort, und daraus ergibt sich alt als Gegensatz: Neuenburg (Naumburg), Altenburg (ndd. Oldenburg); Neudorf, Altdorf; Neuhof, Althof; Neustadt, Altstadt.

      Im allgemeinen machen unsere Ortsnamen nach Grundwort und Bestimmungswort zumeist den Eindruck der Verständlichkeit. Aber in den Bestimmungswörtern stecken neben klaren Personennamen auch solche, die jetzt ausgestorben sind und in den großen Namenschatz (oben S. 24) hineingehören. Neben Ruprechtsau stehen Namen

wie Germersheim, Geroldseck, Ingolstadt, Rappoltsweiler. In solchen Fällen liefert unsere ältere Sprache die Männernamen Gêrmâr, Gêrolt, Ingolt und Rappolt. Das sind Namen aus der Zeit der Einnamigkeit, und die Zeit nach der Völkerwanderung war die hauptsächlichste Zeit der größeren Niederlassungen, deren Fortbestand unsere Dörfer und dann auch unsere Städte sind.

      Mit der Bekehrung der deutschen Stämme zum Christentum wurden die Niederlassungen der Missionare, die Klöster mit ihren Kirchen und Kapellen und den Einsiedeleien Mittelpunkte für neue Ortschaften, und so haben zahlreiche Ortsnamen ein christliches Gepräge erhalten wie Einsiedeln und München d. h. ‘bei oder zu den Einsiedlern, den Mönchen’ (mhd. einsidel, münch); daher die vielen Münster und Zell (Zella, Zelle). Dazu mit einem genitivischen Personennamen Appenzell und Radolfzell nach einem Appo und Radolf benannt. Hierher gehören Kirchberg, Kirchdorf, Kirchhain, Kirchheim, Kirchhofen; sowie Altkirch, Markirch, Meßkirch, Neukirch(en), Oberkirch. Wenn Kirchen einem Schutzpatron geweiht waren, erhielten danach Ortschaften den Namen wie St. Anton, St. Avold, St. Blasien, St. Florian, St. Georgen, St. Goar, St. Johann, St. Ingbert, St. Märgen = St. Maria, St. Paul, St. Peter, St. Trudbert, St. Ulrich. Der Name Xanten beruht auf lat. ad sanctos. Neben den Ortsnamen Kapellen stellt sich im Südwesten die eingedeutschte Lautform Kappel.

      Die Hauptzeit der Städtegründungen fällt ins 9. bis 12. Jahrhundert, und die Namengebung benutzt von nun an das Grundwort -burg, dessen Bedeutung ‘Stadt’ auf eine Grundbedeutung ‘Bergung’ (zu dem Ztw.[GWR 1] bergen)

zurückgeht. Hierher gehören Städtenamen wie Brandenburg, Hamburg, Lüneburg, Magdeburg, Marburg, Marienburg, Merseburg, Quedlinburg, Regensburg, Rothenburg, Saarburg, Salzburg, Straßburg, Würzburg. Noch jünger ist -stadt als Grundwort. Die Grundbedeutung davon ist ‘Kaufstand, Kaufstelle’, d. h. ‘Handelsplatz’; vgl. Darmstadt, Eberstadt, Ingolstadt, Lippstadt, Neustadt, Rudolstadt, auch Helmstett. Neuzeitliche Städtegründungen verwenden als Bestimmungswort gern Namen der Landesherren: Karlsruhe, Ludwigsburg, Wilhelmshaven.

      Das natürliche Aussehen unserer Ortsnamen ist eine dativische oder besser eine lokativische Form wie bei den Ländernamen (oben S. 31). Durchsichtig ist der Dativ der Mehrzahl bei Sigmaringen ‘bei oder zu den Leuten des Sigmar’, Waltershausen ‘bei den Häusern Walters’, Osthofen ‘bei den Höfen des Ostens’. Deutlich sind Lokativformen auch für Ortsnamen wie Buchen, Eiben, Eichen, Ellern, Erlen, Föhren, Hülsen, Linden, Mo(o)sen, Schlehen; ihr Inhalt ist klar, es sind Siedelungen bei Waldungen und dergleichen so gut wie Buchholz, ndd. Bockholt. Bei Ortsnamen wie Altenburg und Neuenburg, auch in Weißenburg und Rothenburg, ist der dativische Ursprung durch das erste Wortglied gewährleistet, dann aber wird auch Neustadt lokativischen Ursprungs sein. — Es gibt aber auch einige Ortsnamen mit genitivischer Form, wenn es sich dabei um Genitive handelt, bei denen das Grundwort -heim oder -haus oder -dorf weggelassen ist, wie wir auch heute mit einer ähnlichen Auslassung sagen können: „ich war bei Müllers“ — „ich gehe zu Kochs“. So bedeutet eine Ortschaft Dietrichs ‘Haus oder Hof eines Dietrich’. Hierher gehört der hessische Ortsname

Merkenfritz als Fortsetzung einer älteren Genitivform Erkenfrid-es (eigtl. ‚zum Erkenfridsdorf‘). Vgl. Ortsnamen wie Burkhards, Gerhards, Helmbrechts.

      Neben die Ortsnamen, die mit einheimischem Sprachgut bequem zu deuten sind, stellen sich einige fremde Ortsnamen ältester Zeit. Alte Kelten- und Römerstädte besonders im Rheingebiet haben ihre Namen schon gehabt, als die Germanen selber noch nicht in Städten, sondern erst in Einzelsiedelungen wohnhaft waren. Schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung lernten die Germanen solche Fremdnamen kennen und eigneten sie sich dann mit den Plätzen selber an. Keltisch sind Dormagen Durnomagus, Jülich Juliâcum, Ladenburg Lupodûnum, Mainz Moguntiâcum, Solothurn Salodûrum, Thun Dûnum, Windisch Vindonissa, Winterthur Vitudûrum, Worms Borbetomagus, Zarten Tarodûnum (kelt. magus bedeutet eigtl. ‚Ebene‘ und dûrum dûnum ‚fester Platz‘). Keltische Plätze waren auch Augst und Augsburg = lat. Augusta Rauracorum und Augusta Vindelicorum. Alte Römerstädte sind Koblenz Confluentia, Köln Colonia, Konstanz Constantia, Passau Batavia, Zabern Tabernae. Trier ist eine römische Gründung des Kaisers Augustus (Augusta Treverorum).

      3. Einzelne Flüsse haben ihre heutigen Namen schon seit der Römerzeit: Albis Elbe, Amisia Ems, Danûvius Donau, Isara Isar, Licus Lech, Lupia Lippe, Moenus Main, Mosella Mosel, Nicer Neckar, Sala Saale, Sara Saar, Vistula Weichsel, Visurgis Weser. Als uraltes Sprachgut können sie mit deutschen Sprachmitteln in ihrem Inhalt nicht klar gemacht werden. Es handelt sich zumeist um Namen, die vor einer Besiedelung der betreffenden Flußgebiete durch germanische Stämme schon bestanden,

zumeist wohl um keltische Namen, wie der Zusammenhang von Mosel Mosella mit Maas Mosa wahrscheinlich macht. Daß allerdings die Elbe Albis einen echt deutschen Namen hat, dafür spricht das häufige Auftreten des gleichen Wortes in Schweden und Norwegen: Göta Elf, Dalelf; Gula Elv, Nea Elv.

      Im Gegensatz zu den Flußnamen, die mit deutchen Sprachmitteln nicht zu deuten sind, machen zahllose Bachnamen gleich auf den ersten Blick einen inhaltsklaren Eindruck: Katzbach, Mosbach, Roßbach, Schwarzbach. Die meisten Bachnamen sind mit -bach zusammengesetzt. Aber es gibt noch ein zweites Grundwort, das ursprünglich alles fließende Gewässer bezeichnet und auch manche Zusammensetzungen bildet: das mit lat. aqua ‘Wasser’ verwandte mhd. ahe ‘Fluß, Bach’. Selbständig erscheint dies mhd. ahe als Bachnamen Aa in der Schweiz und in Westfalen, Ohe in Hessen, Aach in Baden, Ach in Bayern und Württemberg. Diese beiden Grundwörter (mhd. bach und ahe) erscheinen gleichwertig z. B. in Bachnamen wie Auerbach und Urach, sowie Schwarzbach und Schwarza(ch), Salzbach und Salza(ch), Wolfbach und Wolfach.

       Bestimmungswörter sind gern Namen von Tieren, die am Bach lebten und sich im Bach tränkten oder auch im Bach die Nahrung suchten. Hierher gehören Bachnamen wie Dachsbach, Eberbach, Egelsbach, Gaisbach, Hirzbach, Katzbach, Otterbach, Roßbach, Wolfbach, Wolfach. Vom Auerwild (lat.-germ. ûrus ‘Auerochse’) haben Auerbach und Urach, von den Bibern Bebra und Biberach, Biberbach den Namen.

      Dann ist auch die umgebende Natur für einen Bach charakteristisch, und so gibt es viele Bachnamen wie Aschbach: Esch(en)bach, Berka und Birkenbach, Brombach:

Brambach, Buchenbach, Erlach und Erlenbach, Föhrenbach, Haslach und Haselbach, Heisterbach (mhd. heister, daraus französisch hêtre), Hollerbach (Holder = Holunder), Lindenbach, Mosbach, Rohrbach (ndd. Rohrbeck), Weida und Weidenbach.

      Schließlich kann auch die Beschaffenheit des Gewässers und seines Laufes selber die Namengebung bestimmen; vgl. Blaubach, auch einfach Blau, Breitenbach, Breidenbach, Eisenbach, Golda, Grünbach, Krumbach, Lauterbach, Rothenbach, Salzach, Schwarza, Schwarzbach, auch Schwarzwasser, Steinach, Steinbach, Tiefenbach, Diefenbach, Weißbach.

      Gegenüber den Bachnamen, die von Tieren, Pflanzen oder Eigenschaften des Gewässers oder seiner Umgebung hergenommen sind, kommt es nur ausnahmsweise vor, daß Bachnamen als Bestimmungswort einen Personennamen im Genitiv enthalten und ein frühester Ansiedler oder Anwohner im Bachnamen festgehalten wäre, z. B. Onolzbach; offenbar hat der Bach von Haus aus keinen Eigentümer. Und doch ist das Wichtigste am ganzen Bachlauf die Ansiedlung an seinen Ufern. Wer nach einem Bach geht, will dort in der Mehrzahl der Fälle die Umgebung und Nachbarschaft, d. h. die dort wohnenden Menschen aufsuchen. So kommt es, daß uns die Mehrzahl der Bachnamen nicht als solche, sondern als Ortsnamen geläufig sind. Vgl. etwa Auerbach und Mosbach; wir denken bei Fulda eher an den Stadtnamen als an den Flußnamen. So kommt es auch, daß in einigen Bachnamen eine lokativische Form zutage treten kann wie etwa in Breitenbach, Kaltenbach, Tiefenbach, in denen das erste Wortglied als Dativ aufzufassen ist (zu dem breiten, kalten, tiefen Bach).

      Aber unsere Bachnamen haben noch eine weitere Bedeutung: durch Vermittlung von Ortsnamen entstehen daraus Personennamen wie Auerbach, Diefenbach, Roßbach, Krumbach (oben S. 9). Der Kolberger Nettelbeck, gest. 1824, hat einen bekannteren Namen, als es der zugrunde liegende Orts- oder Bachname ist.


IV. Wochentage und Feiertage.

      1. Verglichen mit der antiken Kulturwelt, wie sie uns bei Schriftstellern wie Plato und Thukydides und später bei Caesar und Cicero entgegentritt, macht die Rechnung mit Wochentagen den Eindruck einer jüngeren Zeit. Dort keine Spur der Woche, aber im neueren Westeuropa allerlei Anklänge aneinander, allerdings neben Verschiedenheiten: Sonntag, Montag, engl. Sunday, Monday, Donnerstag, Freitag, engl. Thursday, Friday. Anderseits Montag, frz. lundi, ital. lunedì, eigtl. ‘Tag des Mondes’ (lat. luna). Daneben besitzt Deutschland überraschende Benennungen wie für Dienstag Zistag im Südwesten und Erchtag im Donaugebiet, für Donnerstag Pfinztag in Bayern und Österreich; für den 7. Tag haben wir neben Sonnabend und Samstag im Nordwesten noch Saterdag, das zu ndl. Saterdag, engl. Saturday stimmt. Der Mehrzahl dieser Benennungen fehlt jede Spur von christlichem Geist; aber auch der Geist des heidnischen Germanentums fehlt. Unsere Vorfahren haben niemals Sonne und Mond als Götter verehrt; die Angabe Caesars Bell. Gall. V 21 verdient keinen Glauben. Und doch scheinen die Namen Donnerstag und Freitag auf unsere alten Götter Donar und Freia hinzudeuten.

      Die vielen Rätsel in den Übereinstimmungen wie in den Verschiedenheiten der westeuropäischen Sprachen erklären sich aus der Übernahme einer morgenländischen und zwar babylonischen Benennung der siebentägigen Woche nach den Planetennamen. Die babylonische Woche drang im 1./2. Jahrhundert nach Griechenland vor und eroberte dann im 3./4. Jahrhundert das Römerreich. So stecken in den spätlateinischen Solis, Lunae, Martis, Mercurii, Jovis, Veneris, Saturni dies eigentlich Planetennamen. Aber diese Planetennamen decken sich teilweise mit Götternamen. So ergaben sich bei dem Übergang der spätrömischen Woche in den Besitz der Germanen im 5./6. Jahrhundert Wortübersetzungen, in denen der Anklang an den heimischen Götterglauben eine Rolle spielt: Veneris dies (das französische vendredi) ergab Freitag (engl. Friday) im Anschluß an die Göttin Freia (Frîa). Andererseits führte die spätrömische Benennung Saturni dies zu engl. Saturday, westfäl. Saterdag. Unser Dienstag enthält den altdeutschen Götternamen Thinxus, den man dem römischen Mars verglich (lat. Martis dies = frz. mardi).

      So kommt es, daß die Namen der Wochentage im Deutschen nicht eigentlich christlich sind. Der Anklang an urdeutsche Götternamen beweist sicher nicht, daß unsere Voreltern an einzelnen Tagen bestimmte Gottheiten verehrt hätten; unsere Namen der Wochtentage sind nur Nachahmungen der fremden Vorbilder, wie die Woche selbst den alten Germanen im Beginn unserer Zeitrechnung völlig fremd war. Die Einführung der Wochenrechnung und der neuen Namen vollzog sich bei uns am Ende unseres heidnischen Zeitalters, als man römische Götternamen mit deutschen Götternamen vergleichen konnte.

Aber der Mittwoch zeigt in seinem rein äußerlichen Wortinhalt (Mitte der Woche) ein ängstliches Bestreben späterer Bekehrer, ein dem lat. Mercurii dies (= frz. mercredi) entsprechendes Wodanstag, engl. Wednesday, ndl. Woensdag zu vermeiden: Wodan als Hauptgott wurde verpönt.

      Sonnabend neben Samstag = lat. sabbatum fällt aus der Reihe unserer Wochentag heraus: es bedeutet eigentlich ‘Vorabend zum Sonntag’, wie Christabend den Tag vor dem Christfest bedeutet.

      2. In der altdeutschen Zeitrechnung sticht die Zählung nach Nächten statt nach Tagen hervor; schon dem Römer Tacitus (Germania 11) ist aufgefallen, daß die Germanen nach Nächten rechneten. Unserer unbestimmten Formel „Tag und Nacht“ entspricht z. B. im Nibelungenlied die Formel nacht unde tac. Im engl. fortnight steckt ein eigentliches ‘vierzehn Nächte’ (engl. night = Nacht), und gemeint ist damit ein Zeitraum von 14 Tagen = zwei Wochen. So kann im Altdeutschen naht den Tag von 24 Stunden meinen, insofern dieser mit dem Beginn der Nacht einsetzt.

      In unserem Weihnachten lebt dieser Wortgebrauch noch fort. Das Wort meint den festen Zeitraum von heiligen Tagen; das mit unserem weihen (eigentlich ‘heiligen’) verwandte altdeutsche wîch ‘heilig’ steckt in der Zusammmensetzung. Auch in Fastnacht klingt die alte Bedeutung noch ungenau an: es ist der Tag vor den Fasten. Mundarten nennen den Tag auch Fastelabend und zeigen damit einen alten Gebrauch des Wortes Abend als Vorabend bzw. Tag vor einem Feste, wie der Sonnabend der Vorabend oder Tag vor dem Sonntag ist. So ist auch Christabend der Vorabend des Christfestes oder der Tag vor dem Christtag.

      Einen Rest alter Zeitrechnung bewahrt auch unser Ostern (engl. Easter). Das im Judentum herrschende Passahfest führte zum christlichen Pascha (franz. Pâques). Aber das germanische Christentum übertrug frühzeitig auf das christliche Fest den alten heimischen Namen von heidnischen Festtagen, die der altdeutschen Göttin Ostra heilig waren; so hieß die altdeutsche Göttin, die am Frühlingsanfang verehrt wurde.

      Die Bezeichnung Karfreitag bedeutet von Haus aus ‘Sorgenfreitag’: dem engl. care ‘Sorge’ entspricht ein mhd. kar ‘Sorge’ mit der Nebenbedeutung ‘Trauer’: der Karfreitag ist der Freitag der Trauer für die ganze christliche Welt. Der Ursprung des Namens Gründonnerstag ist jedoch immer noch nicht sicher aufgeklärt.

      Aber unser Pfingsten ist ein christliches Fremd- und Lehnwort, das mit seiner niederdeutschen Entsprechung Pinxten und zugleich mit frz. Pentecôte auf dem kirchlichen Pentecoste beruht.

      Das Fornleichnamsfest der römischen Kirche, das 1264 von Papst Urban IV. begründet worden ist als festum corporis Christi zur Erinnerung an die Einsetzung des hlg. Abendmahls, weist auf mhd. vrônlîchname ‘heiliger Leib’, worin ein altes Adj. vrône ‘heilig’ und unser Wort Leichnam in der mhd. Bedeutung ‘Leib’ steckt.



Schriften von Prof. F. Kluge:

Unser Deutsch. Einführung in die Muttersprache. Vorträge u. Aufsätze. 3. Aufl. Verlag Quelle & Meyer. Leipzig 1914.

Inhalt: Die Kulturwerte der deutschen Sprache. Die sprachliche Stellung der Germanen. Das Christentum und die deutsche Sprache. Die Entstehung unserer Schriftsprache. Unsere Geheimsprachen. Studentensprache. Seemannssprache. Weidmannssprache. Sprachreinheit und Sprachreinigung.


Wortforschung und Wortgeschichte. Aufsätze zum deutschen Sprachschatz. Verlag Quelle & Meyer. Leipzig 1912.

Inhalt: Kneipe. Philister. Heimweh. Anheimeln. Aar. Bittsteller. Badener oder Badenser? Kater und Katzenjammer. Mastkorb. Teerjacke. Sauregurkenzeit. Salamander. Umwelt. Burschikos. Unser ältestes Christentum.


Abriß der deutschen Wortbildungslehre. Verlag Max Niemeyer. Halle a. S. 1913.

Inhalt: Zeitwörter. Verbalabstrakta. Nominalabstrakta. Kollektiva. Diminutiva. Personalia. Dingbezeichnungen. Adjektiva. Adverbia. Präfixe. Zusammensetzungen.


Bunte Blätter. Kulturgeschichtliche Vorträge und Aufsätze. Verlag J. Bielefeld. Freiburg i. B. 1908.

Inhalt: Vom geschichtlichen Dr. Faust. Der Venusberg. Die fahrenden Schüler. Das Johannesevangelium. Unsere ältesten Hundenamen. Fausts Zauberroß. Alter und Name des Salamanders. Wir wollen einen Papst erwählen. Ergo bibamus. Die Heimat des Christbaumes. Ostern. Tuisco deus et filius Mannus. Sippennamen und Sippensiedelungen. Notschreie. Rotwelsche Zahlworte. Zur Geschichte des Wortes Schwindler. Die Heimat der Brieftaube. Das Alter des künstlichen Eises. Birkenrinde. Ein neues gotisches Sprachdenkmal? Das Schweizerische Idiotikon. Über die Sprache Shakespeares. Die sprachgeschichtliche Stellung Schillers.

Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig



Wortforschung

und Wortgeschichte

Aufsätze zum deutschen Sprachschatz

Von Geheimrat Professor Dr. Fr. Kluge
191 Seiten.        In Leinenband        M. 4.—

In gründlicher, weitausgreifender und tiefgrabender Forschung wird die Entwicklung von Form und Begriff dieser Worte ermittelt und mit bekanntem Geschick dargestellt. Kluge haben wir es ganz besonders zu danken, wenn auch die Sprachforschung, die man in Laienkreisen so gern als Ausbund der abschreckendsten Langweiligkeit betrachtet, als scientia amabilis gelten darf… Freunde der deutschen Sprache werden ebenso wie die Fachleute um die vorliegende Sammlung um so froher werden, je mehr sie sich hinein vertiefen.“

Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins.

„Es ist ein glücklicher Gedanke von Fr. Kluge, daß er seine Aufsätze zur deutschen Wortkunde jetzt in einem Bändchen vereinigt herausgegeben hat. So sind wir instand gesetzt, an zahlreichen Musterbeispielen die vortreffliche Methode der Wortforschung zu studieren, und können beobachten, wie der Gelehrte mit großem Geschick die zerstreuten Belege ordnet und verwertet, um uns anziehende und fesselnde Skizzen zu bieten.“

Zeitschrift für den deutschen Unterricht.

„Auch hier wiederum reichen sich Wort und Sache, Sprachwissenschaft und Kulturgeschichte eng die Hand. Zum Zeichen, wie mannigfaltig und lehrreich die Abhandlungen sind, geben wir die Überschriften wieder: Kneipe, Philister, Heimweg, Anheimeln, Aar, Bittsteller, Badener oder Badenser?, Kater und Katzenjammer, Mastkorb, Teerjacke, Sauregurkenzeit, Salamander, Umwelt, Burschikos, Unser ältestes Christentum. Namentlich der letztgenannte Aufsatz faßt in grßzügigem Überschlag die interessantesten Wortprobleme zusammen.“

Literarisches Zentralblatt für Deutschland.

„Der Altmeister unserer Sprachwissenschaft hat ein neues Buch veröffentlicht, das wegen seines gediegenen Inhaltes eine reiche Fundgrube für jeden sein wird, der sich über das Werden unserer Sprache unterrichten will… Aus jedem Kapitel gewinnt man die Erkenntnis, daß alle sprachwissenschaftliche Arbeit immer auch kulturgeschichtliche Arbeit ist. Und darum sei das Buch auch dem Geschichtler warm empfohlen.“

Die Mittelschule.

Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig



Werden

und Wesen der Sprache

Von Professor Dr. L. Sütterlin
177 Seiten.        In Leinenband        M. 3.80

„Sütterlins prächtiges Büchlein versucht weitere Kreise mit den Grundtatsachen des Sprachlebens bekannt zu machen… Der Verfasser beschränkt sich durchweg auf das Wesentliche und trägt alles in äußerst lebendiger, ja man kann sagen, hochinteressanter Weise vor. Aus jeder Zeile, jedem Worte spricht der Meister der sprachgeschichtlichen und sprachvergleichenden Forschung… Das recht geschmackvoll ausgestattete Büchlein dürfte zurzeit die beste allgemeinverständliche Einführung in die Probleme der Sprachforschung darstellen.“

Berliner Tageblatt.

„Die neueste Arbeit des bekannten Sprachforschers schneidet eine Fülle von Fragen an, die jeden, der auch nur ein wenig über seine Muttersprache nachdenkt, interessieren müssen. Zwar werden erfreulicherweise in Zeitungen und Zeitschriften manche Abhandlungen über Werden und Wesen der Sprache veröffentlicht, die den Sinn weiterer Kreise auf dies Gebiet lenken, aber wenn man solch eine zusammenhängende Arbeit über unsere Muttersprache liest, so wird man doch ganz anders ergriffen von ihrer Art, als durch einen gelegentlichen Artikel. Der Verfasser erzählt uns vom Ursprung der Sprache, von ihren Veränderungen (Lautwandel, Bedeutungswandel, gedankliche Angleichung), von der Zerstörung und dem Neuaufbau der Formen, von Mundart und Schriftsprache. Auch über Sprachrichtigkeit, Sprachschönheit, über Fremdwörter und die „Weltsprache“ wird manches Treffliche gesagt. Ein ausführliches Register führt schnell in Einzelheiten ein. Die Erkenntnis, daß auch in der Sprache und in der Sprachwissenschaft ‚alles fließt‘, das ist nicht der letzte Gewinn, der aus dem Leben des Sütterlinschen Werkes ersprießt.“

Reichsbote.

„Dies neue Werk wird in weiten Kreisen freudigen Widerhall finden; denn der Verfasser trägt in gemeinverständlicher, unterhaltender Form aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse die Grundtatsachen des Sprachlebens vor. Das Buch unterrichtet über den Ursprung der Sprache, über die Sprachveränderungen im Laufe der Jahrtausende, über die Kräfte, die dabei mitwirkten und über die Ergebnisse. Dabei eröffnen sich nach allen Seiten hin interessante Ausblicke. Treffende Worte bekommt der Leser z. B. über die Sprachrichtigkeit, die Sprachschönheit, die Fremdwörterfrage, die Zukunft der deutschen Sprache und die Möglichkeit einer Weltsprache zu hören.“

Die Mittelschule.



Ohlenrothsche Buchdruckerei Georg Richters, Erfurt.

Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig



Deutschkundliche

Bücherei

Eine Sammlung von Hilfsbüchern zur Vertiefung in
deutsche Sprache, Literatur und Kultur

In deutsches Wesen, deutsche Kultur und deutsche Sprache wollen diese kleinen Bänchden einführen. Sie wollen die Gebildeten aller Kreise anregen, sich in unserer Muttersprache zu vertiefen, sich mit ihren Werken zu beschäftigen und sie als Gegenstand vaterländischer Bildung lieben zu lernen. Führende Männer der Wissenschaft behandeln hier in leichter, klarer Fassung und Form ihr eigenstes Forschungsgebiet, in das sie in gedrängtester Kürze ohne jede Voraussetzung an den Leser eine Einführung geben.

Jedes Heft in Pappband etwa 60–80 Pfennig.

Mitarbeiter: Dr. O. Böckel / Professor Dr. J. Bolte / Professor Dr. O. Bremer / Geheimrat Professor Dr. F. Kluge / Professor Dr. F. v. d. Leyen / Studienrat Professor Dr. E. Mogk / Geh. Regierungsrat Professor Dr. M. Roediger / Professor Dr. L. Sütterlin usw. usw.

Bisher erschienen:

Deutsche Namenkunde. Von Geheimrat Prof. Dr. Friedrich Kluge. 2 Auflage. 45 Seiten. 60 Pfennig.

Das deutsche Märchen. Von Professor Dr. F. v. d. Leyen. 48 Seiten. 60 Pfennig.

Die deutsche Heldensage. Von Studienrat Prof. Dr. E. Mogk. ca. 60 Seiten. 60 Pfennig.

Einführung ins Mittelhochdeutsche. Von Dr. Rud. Blümel. ca. 60 Seiten. 60 Pfennig.

10 Exemplare je 55 Pfg., 25 Exemplare je 50 Pfg.
50 " " 48 " 100 " 45 "

Das deutsche Volkslied. Von Dr. Otto Böckel. 103 Seiten. 80 Pfennig.

10 Exemplare je 75 Pfg., 25 Exemplare je 70 Pfg.
50 " " 65 " 100 " 60 "

In Vorbereitung befinden sich:

Deutsche Sprachgeschichte Deutsche Sprichwörter
Die germanischen Sprachen Deutsche Poetik
Ausbreitung der deutschen Sprache Deutsche Stilkunde
Geschichte der Schriftsprache Deutsche Volkskunde
Deutsche Lautlehre Germanische Altertümer
Deutsche Wortkunde Deutsche Altertümer
Deutsche Satzlehre Deutsche Sitte
Germanische Dichtung Deutsche Religion und Mythos
Deutsche Literatur Germanische Stammeskunde usw.

Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig


Deutsche Dichtung Eine Einführung von Prof. Dr. Friedrich Lienhard. 160 S. Gebunden M. 1.25

Es ist von besonderem Reize, wenn ein anerkannter Dichter wie Friedrich Lienhard eine Einführung in die Geschichte der deutschen Literatur gibt: sowohl durch seine ganze tiefinnerliche Auffassungsweise, wie durch seine künstlerische Gestaltung. Er zeigt uns die Entwicklung der deutschen Literatur als Geschichte der dichtenden Persönlichkeiten sowie ihre Lebensausstrahlungen und Lebensgemeinschaften. Wartburg, Wittenberg und Weimar sind die drei Zentren, um die er die Fülle der Einzelheiten lagert und durch die er auch für die neuesten Literaturerscheinungen einen bewußt deutschen Maßstab findet.


Das klassische Weimar Von Prof. Dr. F. Lienhard. 2. Aufl. 159 Seiten mit Buchschmuck. Gebunden M. 1.25

„Als treuer Hüter steht Fritz Lienhard am Tor des Graltempels der idealistischen Weltanschauung unserer klassischen Kunst von Weimar. Und mit tiefen Begeisterungen, mit priesterlicher Weihe, mit echter Wärme, ein wahrhaft Gläubiger, weist er uns immer wieder hin auf das einzig Eine, was uns not tut… In großen Linien zeichnet er den Entwicklungsgang, den Aufstieg von Friedrich dem Großen und Klopstock bis zur Vollendung in Goethe, und legt den Wert und die Bedeutung der Führer in ihren Besonderheiten dar.“

Der Tag.

Einführung in Goethes Faust Von Prof. Dr. Fr. Lienhard. 2. Aufl. 123 Seiten. Gebunden M. 1.25.

„Auf eignem Wege bahnt Friedrich Lienhard seinen Hören (das kleine Buch atmet den frischen Hauch des gesprochenen Wortes) den Zugang zum Innersten der Dichtung. Er erfaßt den Faust als Mysterium, als Erlösungswerk, leitet ihn aus dem religiösen Untergrund der Persönlichkeit Goethes ab, die er zuerst in ihrem Werden und Sein mit großen Linien zeichnet, und nennt den „Faust“ glücklich ein Drama vom inneren Menschen.“

Das literarische Echo.

Das Märchen Von Professor Dr. Friedrich von der Leyen. 2. Auflage. 154 Seiten. Gebunden M. 1.25

„Der Verfasser gehört zu den feinsten Kennern dieses Literaturgebietes. Er führt uns durch die Märchenschätze der Kultur- und Naturvölker, läßt uns einen Blick tun in die Geschichte und die Aufgabe der Märchenforschung. Ein besonders interessantes Kapitel ist dem deutschen Märchen gewidmet, dessen Weiterbildung durch die Jahrhunderte wir kennen lernen.“

Berl. Morgenpost.

Der Sagenkreis der Nibelungen Von Prof. Dr. O. Holz. 2. Auflage. 146 Seiten. Gebunden M. 1.25

„Dem jungen Studiosen, der sich zum ersten Male mit den Fragen vertraut machen will, die sich an das Nibelungenlied anknüpfen, dürfte es eine ebenso willkommene Gabe sein wie dem Schulmanne, der vor der Lektüre des Liedes mit seinen Zöglingen das Bedürfnis fühlt, in wenigen Stunden auch die neuesten Ergebnisse der Forschung auf diesem Gebiete vor sich vorüberziehen zu lassen.“

Neuphilologische Blätter.


Anmerkungen der GenWiki-Redaktion

  1. Zeitwort