Rinteln

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Rinteln: Familiengeschichtsforschung im lokalen und regionalen Zusammenhang, Land und Leute, Siedlung, Sprache, Kirche, biografische Aspekte, Archive, Quellen, Hinweise... Über die Kirchenbücher hinaus befinden sich die Quellen für weitergehende Forschungen auch in den Staats-, Adels-, Stadt- und Gemeindearchiven.

Disambiguation notice Rinteln ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Rinteln (Begriffserklärung).

Hierarchie

Regional > Bundesrepublik Deutschland > Niedersachsen > Landkreis Schaumburg > Rinteln

Nachtwächter
Figur aus der Zeit der Universität
285 Jahre Unistadt
Gedenktafel zur Universitätszeit

Name

  • [1] 13.-16. Jh. Rintelen, seitdem Rinteln. Lateinisch: Rintelium (ia). Sonderformen: 1153-70, 1181 Rinctelen; 1238, 1239 Rent(h)ene; um 1255 Rintene.

Landschaftslage

Rinteln liegt beiderseits der Weser inmitten des ehemals von mehreren Flußarmen mit Werderbildungen durchzogenen und dort auf 5-6 km Breite ausgeweiteten schaumburgischen Wesertales. Es wird im Norden von der ostwestlich streichenden, talwärts steil abfallenden, bei Rinteln bis 320 m hohen Juraschichtstufen-Kette des Wesergebirges und im Süden durch das vom Keuper aufgebaute lippische Berg- und Hügelland, südwestlich Rintelns auf 300 und 378 m ansteigend, begrenzt. In das fruchtbare Rintelner Becken mit seiner von alluvialen Kiesen und Sanden sowie einer starken Auelehmschicht gebildeten flachen Talsohle (55 bis 57 m) und seinen lößbedeckten Flußterrassen mündet unmittelbar bei Rinteln die von Süden kommende Exter. Ihr Tal öffnet seit alters den Zugang in das Lipper Bergland mit Richtung auf Barntrup und Blomberg. Der Wesergebirgspaß von Steinbergen (120 m) und seit seiner Erschließung im 19. Jhdt. der von Kleinenbremen (150 m) haben als Durchlässe zur verkehrsgünstigen Mittelgebirgsrandzone Einfluß gewonnen.

Ortsursprung

Seit 1153/70 erwähntes Dorf Rinteln (Antiquus bzw. Olden-Rintelen) auf rechtem (!) Weserufer; urgeschichtliche Besiedlung erweist früheisenzeitichen Graburnenfund (um 750 v. Chr.) an mittelalterlich belegtem Friedhof. 12./13. Jhdt. bewohnter Ort, vor Stadtgründung kurze Zeit Sitz des Klosters Rinten. Später wüst, bauliche Reste noch 1. Hälfte 17. Jhdt.; 1641 wüste Ortslage als „Bleckenstede" (Fleckenstätte) bezeichnet.

Stadtgründung

Rinteln in den 30er Jahren des 13. Jhdt. von Graf Adolf IV. von Holstein-Schaumburg (1225-1238, +1261) begründet, 14.07.1238 zuerst als Stadt genannt, 1239 mit Stadtrecht von Lippstadt bewidmet, 14.-17. Jhdt. oft bestätigt, 1517 ausdrücklich als Lippstädter Recht. Bezeichnungen civitas und oppidum nebeneinander, 14. Jhdt. auch „Schloß".

Stadtsiedlung

Bauliche Entwicklung

Rinteln planmäßige landesherrliche Stadtanlage inmitten einer Anzahl später meist wüst gewordener Siedlungen in damals durch natürliche Beschaffenheit Schutz bietendem Gelände an linkem (!) Weserufer als fester Platz und Brückenort begründet, vom namengebenden Dorf Alt-Rinteln auf gegenüber liegendem Flußufer etwa 1 km entfernt. Umriß kommt Rechteck nahe, nördliche Schmalseite stark ausgerundet. Straßennetz in Schichtenform: 3 gleichläufige ausgeprägte Längsstraßen, Querverbindungen weniger hervortretend und meist nur als schmale Gassen ausgebildet. Rechteckig. Quermarkt räumlich und baulich Mittelpunkt zwischen den Hauptstraßenzügen. 4 Stadtviertel, seit 15. Jhdt. als Ritter-, Kloster-, Weser-, Brennerstraßenviertel bezeugt.

Rinteln sicher seit Gründung befestigt: 1257 plancae sive murus. 1344 Doppelwälle u. -graben. - Von der steinernen Ringmauer Reste erhalten. 14.-15. Jh. im Befestigungsbereich auch „Hagen", d. h. dichte Hecken. Ehemals etwa 4-6 Türme: an Westmauer Weißer Turm, 1558, 1646 Gefangenenturm. 3 Tore (innere und äußere): im Norden Weser-, im Süden Seetor, Entfernung 600 m, sperrten Durchgangsstraße; Ostertor (zuerst 1328) ermöglichte seitlichen Zugang zum Markt, von diesem rund 230 m entfernt; außerdem „Wächterpforten" als Nebeneingänge. 1646 Mauern und Wälle teilweise von den Schweden zerstört. 1665-71 Ausbau zu neuzeitlicher Festung, grundlegende Umgestaltungen, Tore verlegt : Weser- und Seetor bis dahin vor Enge- bzw. Bäcker-, 1668 vor Weser- bzw. Klosterstraße vollendet, diese seitdem Durchgangs- und Hauptstraßen. Festungswerke aus Erdwällen ohne Mauerbekleidung, 7 hohle Bastionen (mit je 12 Schießscharten), 2 Ravelins und 1 Lünette vor den 3 Toren, Festung während französischer Besetzung 1806/07 z. T. geschleift, Entfestigung hessischerseits 1814 fortgesetzt. Gelände 1818 an Stadt zu Erbpacht: hausbesitzenden Bürgern Anteile überlassen, 1852 zu Eigentum. Befestigungsgürtel im Westen seit 2. Jzt. des 19. Jhdts. teils zu Anlagen umgestaltet. Hauptwall seit 1902 bebaut.

Kupferstich Matthaeus Merian der Ältere 1647:
Rinteln, mit Weserbrücke, Windmühle vor den Mauern (1646 Mauern u. Wälle teilw. von Schweden zerstört)


1613: rund 1.385, 1747: 370 bürgerliche Stätten, einschl. Scheunen; 1807: 414, 1827: 425, 1950: rund 900 Häuser. Bis 2. Hälfte 19. Jhdts. nur einzelne (1827: 8) Gebäude außerhalb Befestigung: u. a. bis nach 1617 Siechenhaus, bis 1897 Stadtschäferhof, 1373 bis um 1880 Ziegelei, 1734-76 Glashütte, 2 Krüge. Bhf. (1875) von Stadtmitte 1.300 m entfernt, hatte Anbau neuen Stadtteils rechts der Weser zur Folge. Nahe wüstem Alt-Rinteln bei 1876 gegr. neuer Glasfabrik Arbeitersiedlung mit werkeigenen Wohnhäusern. Stetes Anwachsen längs der Landstraßen. 1922, 1936, 1950 Stadtrandsiedlungen. 1937: 85.55 ha bebaute Siedlungsfläche. Im 14. Jhdt. erwähntes „Schloß" (1344, 1387,1395 slot) nachweislich auch sonst in Deutschland vorkommende Bezeichnung für befestigte Stadt (um 1350 Rintelner Ratsstatut über Bierniederlage „binnen unsem[!]slote"!).

Zahlreiche, etwa 10-16 Burgmannshöfe bzw. adeligfreie Lehns- oder Erbhöfe und mehrere sogenannte sattelfreie Höfe in ähnlicher Rechtsstellung (1747: 12+4=16): erstere vorwiegend in den äußeren Baublocks an der Stadtmauer, sämtlich außerhalb bürgerlichen Grundbesitzes, anfangs z. T., später ganz von städtischen Lasten frei; meist schaumburgisch (1647 ff. hessisch und schaumburg-lippisch), zwei bischöfliche mindensche (später preußische) Lehen, zwei Höfe ursprünglich Vilikationen des Klosters Möllenbeck zugehörig; nach Allodifizierung der Lehen alter Besitzstand aufgelöst, Gebäude mehrfach wohl erhalten: „Parkhof" (18. Jh.), ehem. von Eckersten, Post, von Oheimb, seit 1883 Sanatorium; „Burghof" (16. Jh.), ehem. von Zersen (bis 1732), von Sehellersheim, seit 1914 zum Sanatorium; Münchhausen-Hof (Lusthäuschen 1565, große Scheune 1598) 1527 bis heute Familienbesitz; „Eulenburg" (Steinwerk 15. Jh.), 17.-19. Jh. Kanzlei- bzw. Regierungsgebäude; „Prinzen- oder Fürstenhof" (etwa 1565/70 von Schaumburg. Kanzler Joh. Gogreve erbaut), seit 1900 Amtsgericht. Einer der Lehnshöfe nach Erfordernis als Wohnhof unmittelbar in der Hand der Landesherrn, z. B. vor 1328 Vornkampe-Hof „curia habitationis" Graf Adolfs VI., vor 1527 Münchhausen-Hof;im 18. Jhdt. (1701-25 und weiterhin) als „Prinzenhof" fürstl. hess. Absteigequartier (hier 1760 Landgraf Wilhelm VIII. gestorben).

Pfarr-bzw. Marktkirche St. Nikolai im Stadtmittelpunkt: 1238 erstmalig als ecclesia in civitate erwähnt. 1257 zuerst ecclesia forensis, 1320 ecclesia parrochialis genannt, Nikolauspatrozinium seit 1286 bezeugt. Auf ältere, vielleicht basilikale Anlage zurückgehende 3schiffige, gotische Hallenkirche (Anfang 14. Jhdt.), Westturm erhielt anstatt alten Spitzhelms Ende 18. Jhdts. stark verjüngten Barockaufsatz mit Laterne. Stadtkirche mit Pfarrhof (dos, wedem) von Stadtherrn 1238 an Kloster Rinteln, das damit Patronatsrecht erlangt (noch 1538 geübt), 1471 völlig inkorporiert; seit Reformation beide Pfarrer vom Stadtrat bestellt. 1544 und 1566 Kalandshof genannt.
Frühere Kapellen:

  1. Unser-Lieben-Frauen-Kapelle auf Weserbrücke bzw. vor Wesertor seit 1383 erwähnt,
  2. Unser-Lieben-Frauen-Kapelle an St.-Nikolai-Kirche (1401),
  3. Simon-Juda-Kapelle an Klosterkirche (seit 1442 erwähnt),
  4. Kapelle auf Seebrücke bzw. vor Seetor (1444, 1542),
  5. Marienkapelle vor Ostertor, 1450 begr. (Besetzungsrecht des Rates),
  6. Neue Kapelle Unser-Lieben-Prauen an St.-Nikolai-Kirche, 1484 begr.,
  7. Katharinenkapelle am „Luhderberg" oberhalb R., 1522 von Graf Anton von Schaumburg begr.
  8. 1622 Dreifaltigkeitskapelle auf neuem Friedhof vor Ostertor geweiht.

Benediktinerinnenkloster St. (Marien und) Jakobi: Anfangs Zisterzienserinnen von Bischoferode (wüst vor Stadthagen u. dort 1224 vorhanden) um 1230 von Graf Adolf IV. nach Alt-Rinteln verlegt, dort 1235 und 1237 erwähnt; siedelte 1237/38 in neue Stadt über, 1238 vom Gründer ausgestattet, 1296 Bestätigung Papst Benedikts VIII.; unterstand Aufsicht und geistlicher Betreuung des Benediktinerklosters St. Moritz und Simeon in Minden, nach dessen Beitritt zur Bursfelder Kongregation (1464) auch Rinteln reformiert und in Bursfelder Rezessen genannt; im Zuge schaumburgischer Reformation 1563 aufgehoben. Klostergebäude mit anschließendem Wirtschaftshof an Südwestmauer, Neubauten 1518-25. Klausurnordteil bildete 1257 zuerst genannte, 1schiffige gotische Klosterkirche ohne Chor, 1754 und 1879 neue Dachreiter. Klostergebäude und Einkünfte 1621 Universität Rinteln zugewiesen; zufolge Restitutionsedikts 1630 bis 1633 Okkupation für Bursfelder Kongregation und englische Benediktinern überlassen; nach Aufhebung der Universität in deren Räumen 1817 ff. Gymnasium. Klostergebäude 1875 und 1890 niedergelegt und daselbst Schulneubau errichtet. Kirche einziger Rest der Gesamtanlage, 1659 an reformierte Gemeinde (auch Universität und Garnisonkirche).

Im Mittelalter drei Termineien auswärtiger Klöster: Mindener Dominikaner (1365, 1433, 1435), Herforder Franziskaner (1326 Baustätte in Rinteln erworben, 1365 genannt, 1530 ff. adel. Sitz), Herforder Augustiner-Eremiten (1365, 1522). Terminei der „ Schwarzen Mönche" (Augustiner ?) nachweislich von Anton von Eckersten (1535 tot) angekauft, als adeliger Sitz zugelassen und im 16./17. Jh. „Termin(hof)" genannt, Nachbesitzer im 18. Jhdt. von Friesenhausen, 1952 Haus Ritterstr. 7-8. Neugotische St.-Sturmi-Kirche 1888 von kath. Gemeinde erbaut.

Ackerbürgerhäuser (fast durchweg Giebelstellung) seit 1517 erhalten. Rathaus am Markt (bis 1900 Verwaltungssitz, seitdem ausschließlich Gaststätte): kleinerer Westbau mit Frührenaissance-Staffelgiebel, Umbau 1583; größerer Ostbau, zwischen 1598 und 1604 mit Volutengiebel in den Formen der Weserrenaissance erbaut. 1350 „gymnasium", d. i. Gilde- oder Rathaus, 1542 „Kleines" Rathaus erwähnt. Brot- und Metzgerscharren - letzterer zuerst Mitte 14. Jh., Brothaus 1450, 1530 - bis 18. Jh. am Markt. Daselbst Hauptwache, später aufgestockt, darin vor 1900 Amtsgericht, danach Stadtverwaltung. Gegen 1747 Kommandantur über Wesertor errichtet, 1952 Zollamt. Seit 1620 Rats- und Univ.-Apotheke am Markt. 1890 Post, 1898 Landratsamt, 1937 Stadtsparkasse, 1876 bzw. 1909 Oberschulen für Jungen und Mädchen erbaut. Stadtschule: 1480, 1542 am Kirchplatz, 1603 Neubau; heutige Gebäude 1831, 1899 und 1952. 1238 ff. Wassermühle des Klosters bzw. 1563 ff. der Landesherrschaft, 1566 Neubau. 1494 und 1616 Windmühlenprivileg für Stadt Rinteln (1616-69 auf Stadtwall). Brücke (über Weser?) um 1255, Weserbrücke zuerst 1383, 1623 kriegszerstört, 1658 neu errichtet; ab 1713 im Sommer Schiffbrücke, im Winter Fähre. 1847 bis 1927 Steinpfeilerbrücke (1877 Eisenüberbau), seit 1928 eiserne Bogenbrücke. 1900 neuer Kreishafen.

Überschwemmungen

Rinteln durch Befestigung im allgemeinen hochwassergeschützt, jedoch bei Großhochwasser (1552, 1643, 1682, 1740) z. T. Stadt selbst überschwemmt.

Zerstörungen

Keine nennenswerten Gebäudeschäden im 2. Weltkrieg; 04.04.1945 jedoch Weserbrücke gesprengt, Wiederaufbau Ende 1946 vollendet. [2]

Bevölkerung

Ältere Einwohnerzahlen

1550: 910 Kopfsteuerpflichtige (ohne Adel und Geistlichkeit sowie Kinder, die noch nicht „tom Altar Christi gewest"). 1613: 386 schoßpflichtige Hausbesitzer. 1747: 2.240 Einwohner (E.) (m. 996, w. 1.244, darunter 430 Männer, 525 Frauen, 421 Söhne, 507 Töchter, 145 Knechte, 212 Mägde zuzüglich 71 Studenten und Garnison). 1775: 2.357 E. (m. 1.054, w. 1.303, 468 Männer, 600 Frauen, 429 Söhne, 461 Töchter, 61 Knechte, 48 Gesellen, 48 Lehrjungen, 242 Mägde). 1795: 2.498 E. (m. 1.149, w. 1.349).

Seuchen

[1516] (370 Tote), 1540, 1599, 1626, 1637 Pest.

Bevölkerungsverzeichnisse

  • Bürgerbücher: Bürgerbuch seit 1666 (vorher Neubürger in Gerichts- bzw. Ratsprotokollen 1585 ff.).
    • 1723 bis 1766 Stadtgerichtiche Eheprotokolle. Schoßpflichtige bis 1880 in Kämmereirechnungen 1675 ff. Schatzregister 1613-16. Einwohnerverzeichnisse 1773-1832.
  • Universitäts-Matrikeln verloren
    • Woringer, August, Die Studenten der Universität zu Rinteln (Academia Ernestina), in: Mitteilungen der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte, Heft 59, Leipzig 1939

Kirchenbücher

Die ev.-luth. Kirchenbücher und jüdischen Register sind bei Archion einsehbar.

Adreßbücher

Berühmte Personen

  • Burgmannsgeschlechter: von Bardeleben, von Eckersten, von Münchhausen, Post, von Wartensleben, von Westphalen, von Zersen.
  • Seßhafte Bürgergeschlechter: seit 15. Jhdt. Bödeker, Knübel, seit 16. Jhdt. Brüggemann.
  • Bekannte Rintelner Professoren-Familien: Fürstenau (Med.), Kahler (Theol.), Pestel (Jur.), Wippermann (jur. Lehrstuhl Familienstiftung!).
  • Hilmar von Münchhausen, Söldnerführer (Obrist), * 1512, t Steyerberg 1573, Burgsitz in Rinteln
  • Josua Stegmann, Theologe und Kirchenliederdichter, * Sülzfeld (Thür.) 1588, t Rinteln 1632, 1621 ff. Prof. in Rinteln
  • Johannes Gisenius, Theol., * Dissen 1577, t Lieme bei Lemgo 1658, 1621-52 Prof. in Rinteln
  • Andreas Henrich Buchholz, Romanschriftsteller, * Schöningen 1607, t Braunschweig 1671,1639-47 Prof. Theol. in Rinteln
  • Gerard Wolter Molanus, Theol., * Hameln 1633, t Hannover 1722, 1659-74 Prof. in Rinteln
  • Thomas Abbt, Popularphilosoph, * Ulm 1738, t Bückeburg 1766,1761-65 Prof. in Rinteln
  • Joh. Aug. Ludw. Wegscheider, Theol., * Küblingen 1771, t Halle/Saale 1849, 1806-10 Prof. in Rinteln
  • Carl Wilhelm Wippermann, kurhess. Politiker und Staatsmann, * Rinteln 1800, t Rinteln 1857, 1826-32 Stadtsekretär bzw. Bgm. in Rinteln, schaumburgischer Spezialhistoriker.
  • Franz (Freiherr von) Dingelstedt, Theaterintendant und Schriftsteller, * Halsdorf 1814, t Wien 1881, Jugend in Rinteln.
  • Georg Osterwald, Maler und Graphiker, * Rinteln 1803, t Köln 1884.
  • Christian Kröner, Tier- und Jagdmaler, *Rinteln 1838, t Düsseldorf 1911.

Jüngere Einwohnerzahlen

Stand 1952: 1804: 2.267 Einwohner (E.), 1812: 2.791 E. (m. 1.270, w. 1.521), 1827: 3.207 E. (m. 1.539, davon bis 7: 252, 7-14: 203, 14-70: 1.049, über 70: 35, w. 1.668, davon bis 7: 206, 7-14: 200, 14-70: 1.232, über 70: 30), 1837: 2.975 E., 1849: 3.377 E., 1858: 3.156 E., 1861: 3.255 E. (m. 1.560, w. 1.695), 1880: 4.334 E. (m. 2.164, w. 2.170), 1890: 4.045 E., 1900: 4.765 E. (m. 2.339, w. 2.426), 1905: 5.329 E., 1916: 5.751 E. (m. 2.832, davon 792 im Wehrdienst, 29 gefangen, w. 2.919), 1925: 5.430 E. (m. 2.525, w. 2.905), 1933: 5.672 E., 1939: 5.790 E. (m. 2.648, w. 3.142), 1946: 9.324 E. (m. 3.989, w. 5.335). 01.01.1950: 10.301 E. 1939: 1.862, 1946: 3.171 Haushaltungen. 1946 (Wohnsitz 1939): Rinteln 5.015, Westzone 2.086, östl. Oder/Neiße 1.414, Ostzone und Berlin 600, Ausländer 281. - 01.01.1950: Altbevölkerung 5.910, Vertriebene 2.227 (darunter rund 1.030 Schlesier, 540 Pommern, 425 Ostpreußen, 125 Brandenburger), 1.969 Umquartierte.

Sprache

Ratsurkunden (älteste 1252) 13. Jhdt. und 1. Hälfte 14. Jhdt. lat., dt. zuerst 1356, dann niederdeutsche Amtssprache. Wohl 70er Jahre 16. Jhdt. endgültiger Übergang zur mitteldeutschen Kanzlei- bzw. niederdeutschen Schriftsprache, im täglichen Gebrauch noch mehr oder weniger mundartlich durchsetzt (Kämmereirechnungen 1558 niederdeutsch, 1586 hochdeutsch; Richter urkundete 1560, Rat 1564, Geistliche und Knappe 1570 niederdeutsch; Rat 1578, Stadtsekretär 1582 hochdeutsch.). Weiterhin Niederdeutsche Umgangssprache. Die Mundart liegt 1952 in dem keilartigen Zwischengebiet zwischen Westfälisch und mik-Gebiet (Kennzeichen: mi 'mir und mich', sin '(ich) bin'); sie ist 1952 im ganzen durch eine Hinwendung der bisher Mundart sprechenden Schichten zum Hochdeutsch bedroht.

Wirtschaft

Handel und Gewerbe

Stand 1952: Wirtschaftsentwicklung entsprechend den allgemeinen Verkehrsverhältnissen im Weserbergland vorwiegend örtlich bedingt. 2 Jahrmärkte 1392 landesherrlich genehmigt, dazu vor 1444 dritter (Mitte 18. Jh. von Marktbeziehern aus Hameln, Lemgo, Blomberg, Minden, Bückeburg, Obernkirchen, Hessisch-Oldendorf beschickt), 1769 ff. 1 jährl. Viehmarkt, Mitte 19. Jhdts. außer 2 „Messen", 3 Krammärkte (sämtl. mit großem Viehmarkt), 1651 und 1717 Wiedereinrichtung von Wochenmärkten. 1747: 8 Kaufleute u. Krämer, 8 Höker, 5 jüdische Händler, 1847: 15 Kolonial- bzw. Material-, 3 Ausschnittwarenhändler, 7 Höker. Seit 1903 Konsum- und Spargenossenschaft.

Rinteln: Marktplatz und Rathaus
Historisches Zentrum für Handel und Handwerk
Markt, Bürgerhaus
Histor. Rathaus, Kirche

Handwerker seit Stadtgründung in Ämtern bzw. Zünften zusammengeschlossen, Mitte 14. Jhdts. 6, später 8-10. 18. Jhdt. starkes Überwiegen der Schuhmacher. Vom 18. zum 19. Jhdt. fühlbarer Rückgang des Handwerks. Vergleiche 1747 und 1847: insgesamt 235 (168) Handwerker, davon 161 (101) zünftig, 74 (67) unzünftig, 45 (25) Schuhmacher und Gerber, 32 (16) Bäcker, 26 (26) Schneider, 15 (13) Schlachter, 14 (13) Schmiede, 12 (—) Leineweber, 12 (8) Schreiner usw. 1834 ff. staatl. Schau- und Leggeanstalt (Legge: Garngebleichtes Leinen!), 19. Jhdt. Leinenhandel mit Rheinland und Übersee. Neben Handel und Handwerk ehemalige Landwirtschaft von erheblicher Bedeutung, ackerbürgerliche Verhältnisse. Reihebrauen berechtigter Bürger, 1747: 155 Braugerechtigkeiten, 17./18. Jh. 2-3 städtische Brauhäuser; neben Braun- bzw. Bitterbier seit 2. Hälfte 16. Jhdts. sogenannter "Broihan" als Weiß- oder Süßbier. Brauaufsicht durch Rat- und Gemeinde verordnete. Infolge Braulose-Ankaufs durch Stadt 1853 Ende bürgerlichen Brauwesens. Seitdem städtische Pachtbrauerei, 1872 verkauft, 1893 ff. als Rintelner Aktienbrauerei weitergeführt. 1373 bis um 1880 Ziegelhütte nördlich der Weser, ursprünglich Erwerbsgenossenschaft zu gesamter Hand (Stadt, Kloster und drei Ministeriale), später städtischer Betrieb unter Aufsicht von Ratsziegelherren; als Erbpachtziegelei 1857 verkauft. Ebenda 1734-76 herrschaftliche Glashütte (meist Flaschen) im ehemal. städt. Schützenhaus begr., älteste Hütte Schaumburgs, Pächter 1753 ff. Bremer, 1773 ff. Amsterdamer Kaufleute. 1843-79 Schwefelholz- und Wachszünderfabrik. Mitte bis gegen Ende 19. Jh. blühende Zigarren- und Tabakindustrie. Seit 1861 Papierverarbeitungswerk Schröder & Wagner. Nach 1872 neuer Niederlags- und Werkplatz Ober-kirchener Sandsteinbrüche. Seit 1876 Glasfabrik Gebr. Stoevesandt begr.; Flaschenherstellung. Seit 1897 Obstwein- und Fruchtsektkelterei „Pomona". Seit 1908 Kiesbaggerei. 1927 ff. kleine Schiffswerft. Seit anfang des 20. Jhdts. 2-3 Betriebe der Bekleidungsindustrie, auch Baustoffherstellung. 17.-18. Jh. (1614 ff.) städt. Wechsel, bankmäßiges Unternehmen unter Geschäftsführung vom Rat bestellter Wechselherren. Seit 1828 Stadt-, seit 1905 Kreissparkasse. Seit 1868 Vereinsbank.

Verkehrseinrichtungen

Stand 1952: Brückenortstellung brachte mäßigen Durchgangsverkehr aus Nord-Schaumburg, dem Mindenschen und Lippe. Von größeren Fernverkehrsstraßen nicht unmittelbar berührt. Preußische Heer-und Poststraße Königsberg-Berlin-Kleve verließ Wesertal schon durch Paß von Steinbergen, ebenso 1952 die Bundesstraße Kassel-Höxter-Hameln-Bückeburg. Von letzterer bei Steinbergen Bundesstraße über Rinteln-Lemgo nach Detmold abgezweigt. 1. Hälfte 17. Jhdt. Thurn-Taxis Postroute von Hamburg-Bremen nach Köln-Frankfurt vorübergehend (z. B. 1636) über Bückeburg und Rinteln. Im 18./19. Jhdt. Poststation der hessischen Postrouten:
a) von Kassel über Höxter- Barntrup-Rinteln-Minden nach Bremen- Hamburg
b) 1764-1802 von Kassel über Paderborn- Detmold- Lemgo nach Rinteln
Eisenbahnstrecke Löhne-Rinteln-Hameln-Hildesheim 1875 eröffnet. Private Nebenstrecke Rinteln-Stadthagen (schon 1847 projektiert) ab 1900. Elektrische Straßenbahn Rinteln-Barntrup der Extertalbahn seit 1929. Bei Steinbergen (5 km) An- und Abfahrt der Autobahn Köln-Hannover-Berlin (1939). Weserschiffahrt brachte Anschluß an Fernhandel zwischen Städten des „Oberlandes" und Bremen (an Weserhandelsgütern 1628 Wein, Getreide, Eisen, Stahl, Leder). 1541 Salzlieferung von (Sooden-) Allendorf. Vom Bremer Großhandel mit Höker-, bzw. sog. „Bremer Waren" (Butter, Käse, Stockfisch, Hering, Öl, Tran) versorgt. In Rinteln örtlicher Umschlag und Niederlage meist für Bremen bestimmter und dort stapelbarer Güter: 16./17. Jh. Holz aus nordlippischen Waldungen (Stadt Rinteln seit 1608 Holzverkaufsrecht) ; 2. Hälfte 18. Jhdts. schaumburger Töpferwaren; zeitweise, besonders im 19. Jhdt. Obernkirchener Steinkohle und Bückeberger Sandstein (diese jedoch in älterer Zeit meist flußabwärts bei Lahde-Petershagen zu Schiffe gebracht). Um 1840 in Rinteln Umschlag von Obernkirchener Steinkohle, Sandstein und Hohlglas, auch Getreide und Rübsamen als Ausfuhr-, von Holz, Wein, Tabak, Eisen und Sollingstein als Einfuhrgut; später auch Ausfuhr von Rodenberger Salz und Ziegelwaren. 1900 kreiseigener Weserhafen mit Bahnanschluß in Betrieb genommen, dort 1927, 1936, 1939, 1940 Großspeicher für Getreide errichtet. Um 1952 vorwiegend Getreide, Kies und Sand, Holz u. a. umgeschlagen. Rintelner Schiffer ehemals in Vlothoer Schiffergilde.

Umgebungsbedeutung

Stand 1952: Als Behörden-, Markt- und Schulort und Sitz gewerblicher Wirtschaft deutlich hervortretende Zentralität, zum Einzugsgebiet von Rinteln gehören von jeher Teile Nord-Lippes (Extertal) und des südöstlichen Kreises Minden. [3]

Verwaltung

Rat

Mit Stadtrechtsprivileg 1239 auf Neugründung Rinteln eine in allen wesentlichen Punkten ausgebildete Stadtverfassung übertragen. Rat ursprünglich vom Landesherrn eingesetzt, jedoch im Einvernehmen mit Bürgerschaft. Spätestens bis 1344 freie Ratswahl, weiterhin Bestätigung des Landesherrn, diesem bis in die Neuzeit sogenannten „Kürgulden" gezahlt. Ratskollegium (Radmanne, Radlude, consules, sworen Rad, consulatus) von 12 Mitgliedern (12 Zahl zuerst 1282). Bürgermeister (proconsul) 1332 zuerst namentlich genannt; 17.-18. Jh. regierender Bürgermeister als consul, stellvertretender Bürgermeister als proconsul, Rat als senatus, Ratsherren als senatores bezeichnet. Neben neuem oder sitzendem der abtretende alte Rat, beide zusammen 24 Mitglieder; 2 Ratskollegien seit 1324, 2 Bürgermeister seit 1350 nebeneinander erwähnt. Während 30jähr. Krieges Ratsherrenzahl auf 20 vermindert und 1642 Beibehaltung dieser Regelung beschlossen. Rats- und Bürgermeisterwahl (Ratsumsetzung, Ratsveränderung, mutatio senatus) mindestens seit 1. Hälfte 15. Jhdts.; „nach altem Gebrauch" neuer Rat von vorjährigen abtretendem in Gegenwart der „Geschworenen" (Gemeindevertreter) gewählt und vereidigt. Besondere Ratsverordnete (auch hier „alte" und „neue") hatten vor allem Obliegenheiten im Rahmen städtischer Finanz-, auch schon früh kirchliche Vermögensverwaltung: 15. /16. Jhdt. Rechnungsführung von 2 Lohn-, Zise-, Wächter-, Pfannen-, Mühlen-, Ziegel-, Bruch-, Rente-, 1569 ff. auch Schulherren, Älterleuten der St.-Nikolai-Kirche (zuerst 1356) und des Hl.-Geist-Armenhauses usw. Ferner sog. Feuerrat, d. h. 4 Feuerherren (zuerst Mitte 14. Jhdts.). Als Folge von Umtrieben unter der Bürgerschaft durch Eingreifen der Landesherrschaft 1674 Umbildung der Ratsverfassung alter Form: an Stelle freier Ratswahl Bürgermeister und Rat von Rintelner Kanzlei „zum Regiment bestellet", jährlicher Wechsel zwischen 2 Ratskollegien mit 2 rechtsgelehrten Bürgermeistern (meist gleichzeitig anderweitig beamtet oder öffentlich tätig), ab 1785 ununterbrochene Amtszeit eines Bürgermeisters (Jurist).

Gericht

Rinteln seit Gründung selbständiger, aus Landgericht ausgeschiedener Gerichtsbezirk, jedoch auf Gebiet innerhalb Befestigung, die Stadt im eigentlichen Sinne, beschränkt. Öffentliche und gemeindliche Gerichtsbarkeit, d. h. Gerichte von Landesherr und Rat nebeneinander, Zuständigkeiten schon im Stadtrechtprivileg festgelegt:

  1. Landesherrlicher Richter, dessen Bestellung an Zustimmung der Bürgerschaft gebunden, übte öffentlich Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit, ebenso freiwillige Gerichtsbarkeit (bes. pflichtmäßige Auflassung von Wigboldgut), 2-3 Ratsleute als Beisitzer und 2-3 Dingpflichten.
  2. Rat stand, da besonderes Schöffenkolleg fehlte, Urteilsfindung und Gerichtsbarkeit in geringeren Strafsachen zu; richtete namentlich über Vergehen gegen Maß und Gewicht, hatte gewerbepolizeilich wie auch allgemein-polizeiliche Befugnisse.

Etwa Mitte 14. Jhdt. ndt. Ratssatzungen (Statuta, Willekoren) zusammengestellt, 14. Jh. bis 1. Hälfte 16. Jh. (1397 ff.) durch zahlreiche, teils längere Nachträge und Einschübe erweitert und der Entwicklung angepaßt. Rat wußte gerichtliche Zuständigkeiten gegenüber öffentlichen Gericht allmählich auszudehnen, erfolgreiche Konkurrenz in Beurkundung von Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit. Landesherrlicher Richter dürfte spätestens seit 4.-5. Jz. des 15. Jhdts. vom Rat beeidet und wohl auch bestellt sein, wurde mehr und mehr städtischer Beamter, später von Bauermeistern als führenden Gemeindevertretern in Vorschlag gebracht. 16. / 17. Jhdt.: 4 ordentliche Gerichtssitzungen an den Quatembern:

  1. nach dem 1. Fastensonntag
  2. nach Pfingsten
  3. nach dem 3. Septembersonntag, Kreuzerhöhung
  4. nach dem 3. Adventssonntag

sogenannte „Quatertempergerichte" (daneben „öffentliche Notgerichte"); außer 3 „zugeordneten Richteherrn" des Rates und 2 Dingpflichten bildeten Eidgeschworene der Gemeinde den Umstand. Daneben Ratsgericht.

Im 18. Jh. peinlicher Prozeß vor Rat und Gemeindevorstehern in Anwesenheit des Amtmanns zu Schaumburg, Urteile auf Grund gelehrter Rechtsgutachten und landesherrlicher Bestätigung. Bei Beginn französischer Fremdherrschaft 1806 mit Ratsverfassung auch hessische Stadtgerichte aufgehoben, 1814 bei Neueinsetzung der Stadträte deren streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit nicht wieder hergestellt; Rügebußen und Polizeistrafen 1816 wieder bewilligt. Gesetze: 1615 Schaumburgische Polizeiordnung Graf Ernsts, 1732 hessische Untergerichtsordnung, bzw. 1748 peinliche Gerichtsordnung. Außerhalb Stadtbefestigung bis 16. Jhdt. Gogericht zuständig; Feldmark Rinteln zum Bereich mehrerer Gogerichte (z.B. Exten und Engern) gehörig; anfangs Gografenwahl Rintelner Ministerialität und Stadtgemeinde, 1333 Bestätigung bei Herzog von Sachsen nachgesucht, der 1385, 1444, 1475 an den genannten Gogerichten lehnsherrliche Rechte übte; beide 1444 als herzoglich-sächsische Lehen an Bürgermeister und Rat zu Rinteln; Dingstätte vor Seetor bzw. auf Seebrücke; kamen vor 1464 unter Einfluß des Landesherrn, 1535 neben Gograf landesherrlicher Vertreter und 2-3 Rintelner Ratsleute als Beisitzer wohl im Laufe 16. Jhdts. eingegangen. Nahe Rinteln schaumburgisches Grafen- bzw. Freigericht ("mallus comitis") 1223 erwähnt. Um 1255 richtet der Freigraf vor Rintelner Brücke ("ante pontem Rinteln"). 1293, 1450 Freigraf genannt.

Bürgerschaftsvertretung

Im Mittelalter Gesamtheit der Bürger als universitas oder "Meinheit" bezeichnet, 1275 "universitas militum et burgentium". Angehörige der auf Rintelner Burgmannshöfen ansässigen Ministerialengeschlechter im Mittelalter (bes. 13.-14. Jh.) im Rat nachweisbar und z. T. Bürgermeister. Wann Handwerker Anteil am Stadtregiment gewannen, unsicher. „Ratsverwandten" standen Vertreter der „Gemeinde" gegenüber: Als Vorsteher der 4 Stadtviertel je ein Bur- oder Bauermeister (1674 ff. Viertelsherren, -meister); schon Mitte 14. Jhdts. nachweisbar, für Feldmarkangelegenheiten und Wegebau zuständig, handhabten Flurpolizei (Pfändung), standen im Mittelalter militärischem Aufgebot vor, führten in der Neuzeit Einquartierungsrollen. Anscheinend seit 30er Jahren 16. Jhdts. (sicher 1537) dem Rat 2 Beisitzer „von der Gemeine wegen" zugeordnet, unter dieser Bezeichnung zuerst 1558; mit Lohnherren bzw. Kämmerern für Rechnungssachen verantwortlich, legten Rat gemeinsam Rechnung (so 1537 ff.). Im 17. Jhdt. als Gemeindeausschuß 14 Geschworene bzw. Eidgeschworene, denen Bauermeister, Beisitzer urd Richter zugehörten: wohnten Ratswahl bei, brachten Gravamina der Bürgerschaft vor, bildeten Umstand des Stadtgerichts. Jährliche Gemeindeversammlung (Bur- bzw. Bauersprache) mit öffentl. Verlesung der Ratssatzungen gegen Mitte 15. Jh. (z. B. 1444) erstmalig bezeugt. Seit Stadtgründung Ämter (officia) d. h. Gilden mit 2jährlich gewählten Werkmeistern. Zunftwesen 13. bis Anfang 16. Jhdt. vom Rat durch Zunftsatzungen geordnet, zuerst um 1350; später durch schaumburgische Polizeiordnung von 1615 geregelt. 17./18. Jhdt. landesherrliche Zunftbriefe, 1816 kurhessische Zunftordnung. Ende der Zunftverfassung 1867.[4]

Landesherrschaft

Landesherren

Rinteln in der später in den niederrhein.-west-fälischen Reichskreis einbezogenen Grafschaft Schaumburg. Grafen von Schaumburg - 1119 urkundlich erstmalig so benannt, seit 1110 Grafen von Holstein - begründeten 12.-14. Jhdt. Landesherrschaft an mittlerer Weser. Unter ihren planmäßigen Stadtgründungen war Rinteln, das jedoch vor 1304/24 unter die Lehnshoheit der Bischöfe von Minden kam, gleich anderen festen Plätzen und Städten der Diözese wohl durch Lehnsauftrag seitens des Stadtherrn. Nach Aussterben des Schaumburgischen Grafenhauses (1640) Teilung der Grafschaft alten Umfangs, deren eine Hälfte zufolge Staatsvertrages von 1647 mit Rinteln an Hessen-Kassel fiel. Neue staatsrechtliche Verhältnisse im Westfälischen Frieden 1648 anerkannt. Rinteln huldigt neuer Landesherrschaft 08.06.1648. Hessen-Schaumburg mit Kurhessen

Preußische Verwaltungseinbindung

Herrschaftseinbindung

Rinteln seit Mitte 17. Jhdts. Sitz hess.-schaumburgischen Landesbehörden fürstliche Kanzlei: 1651 von Rodenberg nach Rinteln verlegt; seit 1760 als Regierungsbezirk Rinteln, bildete gleichzeitig Obergericht und unter Zuziehung des Superintendenten luth. Konsistorium. 1821 Umbildung kurhessischen Behördenwesens und Trennung von Verwaltung und Rechtspflege: Regierung Rinteln ersetzt durch Deputation bzw. Kommission der Kasseler Regierung, jedoch Obergericht (bis 1879) beibehalten. Rinteln seit 1867 Sitz der Kreisbehörden und (nach Aufhebung des Amtes Schaumburg und Schaffung besonderen Rintelner Gerichtsbezirks), ab 1821 eines Land-, später Amtsgerichts. Als Landstadt stets fest in der Hand des Stadt- bzw. Landesherrn.

15.09.1443 von Graf Otto II. an Edelherrn Bernhard VII. zur Lippe verpfändet, dem die Stadt huldigte. Seit 2. Hälfte 16. Jhdts. Eingreifen der schaumburgischen Grafen in Verwaltungs- und Polizeibereich ihrer Städte, 1615 Landespolizeiordnung Graf Ernst. Durch diese und andere Landesgesetze für unmittelbare Einflußnahme Rechtsgrundlage geschaffen, u. a. seit dieser Zeit behördliche Aufsicht auf Stadthaushalt (Rechnungsprüfung). Weitere, städtische Freiheit einschränkende Maßnahmen der neuen hessischen Landesherrschaft: 1674 Reform der Ratsverfassung, 1762 von Landgraf Friedrich II. Polizeikommissare eingesetzt und Polizeiordnung erlassen. Erst 1848 Ortspolizei wieder Gemeindeangelegenheit.

Rinteln hatte Landstandschaft und gehörte im Mittelalter Einung schaumburgischer Städte und Flecken an. Unter hessischer Herrschaft blieb landständige Verfassung für schaumburgischen Landesteil erhalten; Landtage 17.—19. Jhdt. in Rinteln, zuletzt 1815/16. 1832 kurhessische Verfassung, 1834 kurhessische Gemeindeordnung, 1897 hessisch-nassauische Städteordnung.

Kriegerische Ereignisse

  • 1384 Graf von Tecklenburg vor Rinteln
  • 1434 in Spiegelbergischer Fehde, Belagerung durch Graf Moritz d. J. von Spiegelberg, der vor Rinteln fiel.
  • 04.02.1623 Einnahme von Rinteln durch Christian von Braunschweig; folgend Einquartierungen, Durchmärsche, Weserübergänge usw. meist kaiserlicher und schwedischer Truppen (1623, 1625, 1631 z. B. Tilly).
  • 02.03.1633 kaiserliches Heer von Schweden und Braunschweigern in einem Gefecht bei Rinteln geschlagen.
  • 1646 Teile der Stadtbefestigung von Schweden niedergerissen.
  • 1665 Rinteln als Stützpunkt für hessische Besitzungen und Einfiußgebiete im Weserraum von Landgräfin Hedwig Sophie (Schwester des Großen Kurfürsten). 1665 ff. zur Festung ausgebaut. [5]

Kriegswesen

Wehrhoheit

Allgemeine Wehr- und Wachtpflicht unbescholtener tauglicher Einwohner seit Mitte 14. Jhdts. belegt. Aufgebot unterstand Burmeistern als Vorstehern der 4 Stadtviertel. Wehrhoheit der Stadt, Rüstung und Bewaffnung später auch von Zünften überwacht. Ursprünglich Berittene als Kerntruppe. Nicht nur kurz befristete Auszüge bzw. Verfolgung des Angreifers bei unmittelbarer Bedrohung der Stadt, sondern Rintelner Landesherrn zu allgemeinen Landesverteidigung (Landhode) verpflichtet, leistete auf Ansuchen auch mit Söldnern Heeresfolge.

Schützengilden

Spätestens gegen Mitte 15. Jhdts. Schützenformation als städtische Wehreinrichtung unter Ratsaufsicht, 1450 erstmalig festliches Schützenschießen erwähnt. Gesamtverband mit Schützenmeister (dieser zuerst 1586 genannt) anfangs nach Stadtvierteln mit je 3 Korporalschaften gegliedert, später entsprechend den 3 Toren 3 Wehreinheiten. Neuorganisation im Zusammenhang mit Ausbau Rintelns zur Festung: seit 1665 je 1 Kompanie alter und junger Bürger; 2. Hälfte 18. Jhdts. um dritte vermehrt. 1674 Schützengesetze. Ab 1794 Bürger- bzw. Schützenkompanie Bestandteil hessischen Heeres, mit Beginn französischer Fremdherrschaft 1806 aufgelöst, nach Wiederherstellung zur Landwehr gerechnet. 1830-54 Bürgergarde, 2 Rintelner Kompanien bildeten 11. kurhessisches Bürgerbatl.

Garnison

Rinteln 1651-1821 hessische Garnison, 1665/71 bis 1818 hessische Festung, 1818-66 nur Titularfestung. Anfangs kleine Garnison, 1670 um 2 Komp. vermehrt, später Regimentsstärke mit 2-3 Batl.; nach 1688 nahm am 3. Devolutionskrieg gegen Ludwig XIV. und 1701 ff. am Span. Erbfolgekrieg teil. R. 1719-95, 1800-06, 1814-16 Standort traditionsreichen hess. Füs.-Rgts., dessen bekannteste Kommandeure (nach diesen jeweils benannt!) A. H. und F. W. von Loßberg (1770-89, 1789-95), kämpfte auf alliierter Seite 1756-63 im 7jähr. Krieg, 1776-83 in engl. Solde in Nordamerika und 1793-95 im 3. Koalitionskrieg gegen Napoleon. 1795-1800 hess. Leib-Rgt. mit 2 Batl. vorübergehend in R. 1816-21 1-3 Komp. des hess. Jäger-Batl. 1763-1806 Garnison- bzw. Land(wehr) Rgt. 1914—18 Res. Jäger-Batl. Nr. 20. [6]

Siegel, Wappen, Fahne

Beschreibung:

Wappen : Über Wellen turm- und zinnenbewehrter Torbau mit Nesselblattschild in offenem Torbogen; Feld rot, Figur silb., nesselblatt silb. in rotem Felde.

Siegel: Großes Siegel:
1. (13.-14. Jh. "Sigillum burgensium de Rentelen" (zuerst 1281 belegt) mit stadtherrl. Wappenschild, sog. Schaumburg. Nesselblatt.
2.) 15.-17. Jh. "Sigillum borgencium civitatis Rintelen" (zuerst 1437 belegt): Über Wellen 2geschoss., oben von Fenstern durchbrochener, unten mit schräggestelltem Nesselblattschild belegter got. Zierbau, flankiert von 2 freistehenden schlanken, spitzbedachten 2geschoss. Rundtürmen.

Fahne: (?)

Finanzwesen

Münzwesen

Gebräuchliche Münze der Grafschaft Schaumburg. Umlauf westfälischen und niedersächsischen Geldes. Seit 1567 landesherrliche Münze, 1604 nach Hessisch-Oldendorf verlegt, 1618-20 vorübergehend wieder in Rinteln gemünzt. [7]

Steuern, Zölle

Landesherrliche Steuern: 1391 Bede, bis 17. Jhdt. als (Land- bzw. Herren-)Schatz bezeichnet (Leistungen Rintelns 1466, 1474, 1494 „to deine Regimente", 1528 „tor Schattung", 1540 „to Schatte", jedoch „nicht ut sunderlicher Pflicht dan to eine gutwilligen Stuer und Tolage"). Städte steuerten in corpore, Betrag durch Subrepartition aufgebracht. Statt Schatz 17./18. Jh. Kontribution. Stadtherrlicher Wortzins war 1. Hälfte 15. Jh. städtische Akzise bzw. Lizent. Land- und Wasserzoll: 1476 beide an Kloster Rinteln; Weserzoll zuerst 1383 er-wähnt, 1556 Tarif Graf Ottos IV., Weserzoll 1647-1734 gemeinsamer Besitz Hessens und Schaumburg-Lippes, 1856 mit übrigen Weserzöllen aufgehoben. 1841 Hessisch-Schaumburg in den Dt. Zollver. einbezogen. - Städt. Steuern und Abgaben: 13.-19. Jh. (bis 1880) Schoß erhoben, 1257 als "exactiones" zuerst erwähnt; 16. Jhdt. Haus- und gemeiner Schoß, 17./18. Jhdt. Vor- oder Personal- und Haus- oder Realschoß unterschieden ; für ersteren von unbehausten Bürgern Bürgerrechtverwahr, von Einliegern oder Beiwohnern Beiwohnungsgeld. Als Gerichtsabgabe laut Stadtrechtsprivileg Wede, 15. Jhdt. Richtegeld und Brüche. 1391 Wegegeldprivileg Graf Ottos I., 1582 von Graf Adolf XI. auf (Obernkirchener) Kohlentransporte erweitert. 15. Jhdt. Wein und Bier(ak)zise, Pfannen-, Wächter-, Fisch-, Jahrmarktstättegeld, dazu 16. Jhdt. Bürger-, Amts-, Holz-, Wichtegeld, Fährschatz, Gartenzins, Weidegeld u. a. 1773 ff. Fleischheller als Schlachtsteuer. Die verschiedenen Zweige städtischer Finanzverwaltung unter Ratsverordnete aufgeteilt, die gesonderte Rechnungen führten.

Stadtgebiet

Stand 1952: Gemeindebezirk 1937: 2.111,57 ha. Seit 1928 mit Forstgutsbezirk Todenmann. 1747: 3.324 Morgen, davon 2.252 Morgen Ackerland, 1.025 Morgen Wiesen, Gärten, Weiden usw. 1328 der Stadt von Graf Adolf VI. Weser-, Streit-, Seeanger und „Meinheit der Elve" überlassen. Stadtgebiet von Landwehren eingeschlossen, erstmalig Mitte 14. Jhdts. erwähnt; seit 1. Hälfte 15. Jhdt. 3 mit Schlagbäumen verschließbare, durch Warttürme gesicherte Durchlässe im Nordwesten, Südwesten und Süden bei Dankersen, Hatteln(wüst) und Rottorf (wüst) genannt. Im Nordteil der Feldmark zwischen Weser und Bergkette ehemals Rintelner Knick, der Gogerichte Engern und „Zu den 7 Eichen" schied und Grenze gegen Herrschaft zum Berge bzw. Fürstbistum Minden bildete: 1564 von Graf Otto IV. an Stadt Rinteln verkauft. Rintelnscher und Silixer Hagen als städtische Waldungen, etwa 8 km von Rinteln entfernt in Nord-Lippe, 1461 erworben, 1827 bzw. 1880 verkauft. 1747 insgesamt 3.864 Morgen städtischer Wald. Um Rinteln eine Reihe meist im 14. und 15. Jhdt. wüst gewordene Siedlungen: Stiedern, Northeim, Alt-Rinteln, Dankersen (Rittergut seit 1578) rechts, - Ottbergen, Hatteln, Dudensen, Rottorf, Updorf links der Weser. Wüste Marken ganz oder teilweise in Stadtfeldmark aufgegangen; kein Wüstwerden infolge Einwirkungen des 30 jähr. Krieges.

Kirchenwesen

Kirchliche Einteilung/Zugehörigkeit

Altarraum der Nikolaikirche
Ev.-luth. Kirche St. Nikolai
Pfarramt St. Nikolai
Brennerstr. 30, 31737 Rinteln
Internet www.nikolai-rinteln.de
Gedenktafeln für die Opfer des I.Weltkrieges
Orgel der Jakobikirche
Ev.-ref. Jakobi-Kirche Rinteln
Ev.-ref. Pfarramt
Klosterstr. 17, 31737 Rinteln
Internet www.rinteln.reformiert.de
kath. St. Sturmiuskirche
Röm.-kath. St. Sturmius-Kirche
Katholisches Pfarramt St. Sturmius
Kapellenwall 15, 31737 Rinteln
Internet www.st-sturmius.de

Bistümer seit Mittelalter

Diözese Minden, Archidiakonat Ohsen (Kirchohsen, Kreis Hameln). Kirchliche Rechte im gesamten Stadtgebiet, namentlich Patronat der Pfarrkirchen, standen im Mittelalter dem Kloster Rinteln zu. Mindestens seit Mitte 14. Jhdts. Einflußnahme der Stadt gegenüber kirchlichem Machtbereich, zunehmendes Vordringen des Rates (zuerst 1356 be-legbar) auf dem Gebiet kirchlicher Vermögensverwaltung :

  1. Rechnungslegung der Älterleute vor dem Rat,
  2. Ratstreuhänderschaften über Seelenmessen-, Altar-, Kapellenstiftungen, an den beiden letzteren z. T. Besetzungsrechte.

Diese patronatähnlichen Rechte erleichterten mit Reformation erfolgte Begründung vollen städtischen Kirchenpatronats. 1342 Nikolaus-Brüderschaft, von Priestern und Rittern begründet, später Nikolaus-Marien-, Leichnams-, Michaelis- und Veits-Brüderschaften genannt, denen der Rat z. T. Satzungen gab (Mitte 14. Jhdts., 1398); auch Kaland "Unserer Lieben Frauen".

Reformation

1532 reformierte Predigten Lemgoer Franziskaners. 1559 Reformation in der Grafschaft Schaumburg durch Graf Otto IV. Landesherrlicher Kirchenregent, erste Kirchenvisitation 1564. Anfangs mecklenburgische Kirchenordnung von 1552, 1614 darauf fußende schaumburgische Graf Ernsts (ohne Konkordienformel). 1649 lutherischer Bekenntnisstand von Hessen gewährleistet. Hessische Kirchen- und Konsistorialordnungen seit 2. Hälfte 17. Jhdt. (1676) auch für Schaumburg, mit Ausnahme der das Bekenntnis betreffenden Angelegenheiten, mehr und mehr verbindlich. Rinteln von Mitte 17. Jhdt. bis 1821 Sitz hessisch-schaumburgischen Konsistoriums, 1821-38 Deputation Kasseler Konsistoriums. 1621-32, 1639 bis 44, 1661-1859, 1939 ff. Rinteln Sitz einer Superintendentur, deren Inhaber gleichzeitig Theologieprofessor und Senior der theologischen Fakultät. 1838 ff. Metropolitanat (Klasse) Rinteln für Südteil des Kreises Grafschaft Schaumburg. Lutherische Gemeinde mit 2 Pfarrern, diese 1762 ff. im Metropolitenrang. 1919 Todenmann mit Gut Dankersen von Eisbergen (Kreis Minden) nach Rinteln eingepfarrt. Bis 1937 hessische, dann hannoversche Landeskirche. Seit 1659 reformierte Gemeinde (hessische Beamten, Garnison). Katholiken anfangs von Bückeburg pastoriert, seit 1859 selbständige Gemeinde: Diözese Fulda, seit 1930 Hildesheim. [8]

Evangelische Kirche

  • Der Ort Goldbeck, gehört zur Lippischen Landeskirche.

Bekenntnisse

1811: 1.841 luth., 869 ref., 31 kath.; 1861: 2.006 luth., 1.143 ref., 49 kath.; 1900: 3.264 luth., 5 altluth., 681 ref., 1 altref., 436 un., 296 kath., 1925: 4.786 ev., 376 kath.; 1939: 4.992 ev., 510 kath., 150 gottgl.; 1946: 7.618 ev., 1.350 kath.

Juden

Seit 1402 Juden nachweisbar. Mit landesherrlichen Geleitsbriefen (erster 1582) gegen Schutzgeldzahlung in geringer Zahl zugelassen. 17.-18. Jhdt. 2-5 Haushaltungen, Anfang 17. Jh. 18, 1747 24, 1795: 20, 1811: 33, 1827: 42, 1861: 57, 1900: 79, 1925: 53, 1933: 73, 1938: 44 Juden. 2. Hälfte 14. Jhdts. und Ende 17. Jhdts. Judeneidformeln. Nach vorübergehender Gleichstellung im Königreich Westfalen (1808) in Kurhessen 1816 Staatsbürgerrechte. 19. Jhdt. Synagogengemeinde (mit Schule) für Landgerichts- bzw. Justizamtsbezirk Rinteln Jüdisches Vorsteheramt und Landrabbinat Kassel. Begräbnisstätte am Stadtwall, deren Benutzung 1590 auch von Stadthagener Juden nachgesucht.

Wohlfahrtspflege

Stand 1952: Städtisches Armenhaus zum hl. Geist seit Mitte 14. Jhdts. erwähnt, dessen Verwalter 2 Älterleute des Rates. 16./18. Jhdt. 1561 gestiftetes Armenhaus der von Münchhausen genannt. Außerhalb, vor Seetor, bis 17. Jhdt. Siechenhaus. Seit 1835 Land-, 1952 Kreiskrankenhaus, Gebäude 1853. 1931 städt. Jugendherberge. 1747: 19 öffentliche Brunnen, 1902 Wasserleitung. 1896 Gasanstalt, 1914 Elektrifizierung. 1928 Altstadt- Kanalisation, seit 1930 Kläranlage. Seit 1867 Straßenbeleuchtung. 1898 Fernsprecher.

Bildungswesen

Schulen

Stand 1952: 15.-16. Jhdt. 2 Lehrer („Mester" seit 1431, „undermester" seit 1483 erwähnt) in städtischen Diensten. 17.-19. Jhdt. luth. Stadt- bzw. Ratsschule, 1665 ff. ref. Schule, beide mit lateinischen und deutschen Abt.; 1817 Oberklassen mit Gymnasium vereinigt, 1826 Unterklassen zusammengelegt und zu ev. Volksschule erweitert; letztere 1860 in 6 Klassen 353 Schüler. 1869 kath. Schule, 1908 städt. 1938 Gemeinschaftsschule. Seit 1569 Schulherren des Rates. 1817 Staat. Gymnasium begr. 1937 Oberschule. 1845-85 Privattöchterschule. 1880 zweite Privattöchterschule, 1904 städt., 1910 gehobene, 1912 höhere Mädchen-(Mittel-) Schule, seit 1920 Lyzeum, 1937 Oberschule. - 1621-1810 Universität, 1610 in Stadthagen als akadem. Gymnasium von Graf Ernst von Schaumburg begr., zur Universität erhoben (Privileg: Reichsvikar Friedrich von der Pfalz 1619, Kaiser Ferdinand II. 1620), Ostern 1621 nach Rinteln verlegt und daselbst am 17.07.1621 im ehemal. Benediktinerinnenkloster eröffnet und vom Gründer mit Einkünften der schaumburgischen Klöster Rinteln, Obernkirchen und Egestorf ausgestattet. Bei Eröffnung einzige Voll-Universität in Nordwest-Deutschland nördlich von Marburg und westlich von Helmstedt. Großzügiges und wissenschaftlich bemerkenswertes Programm in Statuten von 1621 entwickelt. 30jähr. Krieg brachte seit 1623 große Schwierigkeiten. Auf Grund des Restitutionsedikts 1630-33 Besetzung durch Benediktiner der Congregatio Anglicana, die sich trotz Verweigerung kaiserlicher Privilegien Rechte von Theologieprofessoren an-maßten. Die Universität kam gegen 1640 fast zum Erliegen (nur 3-4 Professoren!); 1642 feierl. Neueröffnung. Nach Teilung Schaumburgs 1647-65 hessisch und schaumburgisch-lippischer Gemeinschaftsbesitz. Rinteln blieb infolge Ungunst der Verhältnisse und der knapp bemessenen Mittel kleine Hochschule, deren Einzugsgebiet insbesondere Schaumburg und Hessen, jedoch auch das angrenzende Westfalen und Niedersachsen. Durchschnittich 12 bis 13 Professoren (nebenher z. T. in staatl., kirchl., städt. Ämtern). 1747: 71, 1761 etwa 120 Studenten: 10.12.1809 von König Jerome von Westfalen aufgehoben, mit Wintersemester 1809/10 geschlossen; hessischerseits Wiederherstellung abgelehnt. - 1876-83 Technikum: 1874 in Bad Münder (Kr. Springe) begr., im Wintersemester 1879/80 insgesamt 251 Schüler. 1906-23 Präparandenanstalt. 1909 bis 1925 Lehrerseminar. 1816-69 Handwerksschule. 1889 und 1903 städt. Portbildungsschulen für Gewerbe und Kaufleute begr., seit 1936 als gewerbliche und kaufmännische Kreisberufsschulen mit Nebenstellen in Rodenberg weitergeführt. 1935 Handels-, 1937 höhere Handelsschule; diese 1938 mit kaufmännischer Berufsschule zur Kreishandelslehranstalt verbunden und 1950 zur Wirtschaftsoberschule ausgebaut. 1938 Landwirtschaftsschule; 1947 landwirtschaftliche Kreisberufsschule. Seit 1947 Niedersächsisches Lehrerfortbildungsheim. [9]

Druckereien/Zeitungen

  • Rintelner (Univ.-)Buchdrucker 1622-69/70 Lucius; ab 1665 Fa. Wächter-Enax (1694ff.) -Bösendahl (1772ff.). Bei Lucius 1631 „Cautio criminalis" von Spee.
  • 1762-71 Rintelnsche Anzeigen von gelehrten und gemeinnützlichen Sachen (mit R.sche Anzeigen von Policey- und Commereien-Sachen).
  • 1787-1808 Hessen-Schaumburg. Intelligenz-Bl. bzw. Intelligenzbl. für die Grafschaft Schaumburg. 1813-21 Hessen-Schaumburg. Landes-Anzeigen, 1822-68 fortgesetzt als Wochenblatt für den Kreis Rinteln. (amtl. redigiert).
  • Seit 1869 verlagseigenes Kreisblatt für die Grafschaft Schaumburg, ab 1883 fortgesetzt als Schaumburger Ztg., 1906ff. täglich, 1921ff. Heimatbeilage.
  • 1827-31 Schaumburger Volksbl. 1883-85 Liberales Wochenbl. für die Grafschaft Schaumburg, 1885-92 Schaumburger Wochenbl. 1902ff. Rintelner 1919-25 Schaumburger Anzeiger.
  • Wiss. Z.: Annalen bzw. Neue Ann. der neuesten theol. Lit. und Kirchengesch. (weit verbreitet), 1789ff. hg. von Prof. J. M. Hassencamp, 1798 ff. von Prof. L. Wachler, beide in Rinteln.
  • 1797-1805 Materialien für alle Theile der Amtsführung eines Predigers, hg. von Prof. G. W. Rullmann-R. 1803ff. und 1814ff.
  • Annalen bzw. Neue Annalen der Gesetzgebung, Rechtsgelehrsamkeit und Rechtspflege in den kurhess. Landen, hg. von B. Chr. Duysing-R. G. Könnecke, Hess. Buchdruckerbuch (1894).

Geschichtsdarstellungen

  • F. Busch, Bibliografie der niedersächs. Gesch. (1938).
  • A. F. von Aspern, Cod. dipl. hist. comit. Schauenburg (1850).
  • C. W. Wippermann, Regesta Schaumburgensia (1853).
  • Beiträge zur Geschichte der Stadt Rinteln, hg. vom Archiv der Stadt Rinteln, Heft 1 (1935).
  • W. Maack, Das malerische Rinteln (1950).

Bibliografie

Bibliografie-Suche

Periodika

  • Öffentliche Anzeigen des Weser-Departments, 1810, Digitalisate

Fußnoten

  1. Quelle: Keyser, Erich (Hrsg.): Niedersächsisches Städtebuch (1952)
  2. Literatur: Bau- und Kunstdenkmäler im Reg.-Bez. Cassel 3: Siebern und Brunner, Kr. Grafschaft Schaumburg (1907).
  3. Literatur: F. Wenthe, Die Städt. Sparkasse zu R. in ihrer lOOjähr. Entwickl. (1928), in: Wirtschafts- und Verwaltungsstudien (hg. von Schanz) 91. B,. Feige, Wirtschaftsentwicklung im Schaumburger Land (1950).
  4. Literatur: F. W. Ande, Das Wandmacherbuch. Ein Beitr. zur Gesch. der B.er Wollweber-, Tuch- oder Wandmacherzunft, in: Rintelner Heimatbl. 11 (1931).
  5. Literatur: G. Schmidt, Die alte Grafsch. Schaumburg (1920), in: Studien und Vorarbeiten zum Hist. Atlas Niedersachsens 5. W. Hopf, Die Landgrafsch. Hessen und die Grafsch. Schaumburg, in: Schaumburg Heimat I (1939).
  6. Literatur: F. W. Ande, Ges. der Rintelner Bürgerschützen v. J. 1674,in: Rintelner Heimatbll. 9 (1929). Ders., Zur Gesch. des Rintelner Schützenwesens ebd. 14 (1934) und 15 (1935). A. Woringer, Rinteln als hess. Festung und Garnionsstadt (1935), in: Beitr. zur Gesch. der Stadt Rinteln Heft 1. Zur Rintelner Militärgesch., Vgl. versch, Aufsätze von K. Vogt in Rintelner Heiniatbll. 15-19 (1935-39), Z. Niedersachsen 44 (1939) und Schbg. Ztg. 1942 Nr. 250 ff.).
  7. Literatur: P. Weinmeister, Münzgesch. der Grafschaft Schaumburg: Z. f. Numismatik 25 (1908).
  8. Literatur: J. C. Paulus, Nachr. von allen Hess.-Schaumb. Superinintendenten. Kirchen und Predigern (1786). H. Heidkämper. Gesch. der Reform in der ehem. Grafsch. Schaumburg, in: Mitt. d. Ver. f. schbg.-lipp. Gesch. 10 (1948).
  9. Literatur: F. W. Strieder, Hess. Gelehrten- und Schriftstellergesch., 18 Bde. (1781 ff. bis 1812, 1819). F. K. Th. Piderit, Gesch. der Hess.-Schaumb. Univ. Rinteln) in: K. W. Justi, Vorzeit 10, 1839 (SA. 1842). H. F. Suchier, Statuta, leges et privilegia univeräitatis Riuteliensis (Progr. Gymn. S. 1879, 1880). E. Schröder, Die Univ. Rinteln. (1927). R. Feige, Aus der Frühgesch. der Univ. Rinteln.; in: Rintelner Heimatbli. [19 (1939). A. Woringer, Die Studenten der Univ. zu Rinteln. (1939), in: Mitt. der Zentralstelle für dt. Personen- und Familiengesch. 59.

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