Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/117

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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In der Scheuer hatt' ich fest geschlungen
Oben mir das Rollseil am Gerüst,
Darauf hab' ich mich herumgeschwungen,
Und Gesellschaft nicht dabei vermißt,
Von der Tennwand sprang mit einem Satze
Ich bis an das Seil, das senkrecht hing,
Welches ich, so flink wie eine Katze,
Jedesmal mit sich'rem Griffe fing.
Darauf lief ich mit den beiden Händen
An dem Seile hurtig auf und ab,
Ohne meine Beine anzuwenden,
Oder daß ich Hülfe damit gab.
Als ich einst die Rolle aus der Latte
Heben wollte, und die Kraft dazu
Lange noch nicht in dem Arme hatte,
Stürzte von der Leiter ich im Nu.
In dem Fallen griff ich nach dem Seile,
Und erwischt's auf einer Seite nur,
Daß mit ihm ich wie mit einem Pfeile
Augenblicklich in die Tiefe fuhr.
Unten fiel ich auf des Seiles Schlinge,
Daß zusammen schlugen Kopf und Füß';
Weil sie aber mitten mich umfinge,
Sie mich nicht zu Boden fallen ließ.
Hätt' das Seil bis auf die Erd' gehangen,
Hätte ich gebrochen Hals und Bein;
Da es aber schwebend mich umfangen,
Ward es meine Retterin allein.
Unsrer Magd, die Zeter schreien wollte,
Als sie meinen Fall mitangesehn,
Sagte gleich ich, daß sie schweigen sollte,
Denn es sei mir gar kein Leid geschehn.
Doch ich habe auch in frühern Jahren,
Ja sogar zuweilen schon als Kind
Ausgestanden mancherlei Gefahren,
Die mir noch in dem Gedächtniß sind.
Als mein Bruder nämlich einmal bliese
Eine Feder in die Luft vor mir,
Ich mich durch dieselbe schrecken ließe,
Grad als wäre sie ein reißend Thier.
Nein, ich werde nimmermehr vergessen,
Wie er, mich zu schrecken, zu mir sprach:
„Ach, das ist der Wolf, der will Dich fressen!“
Und die Angst, in der ich schrie hernach.
Meiner Großmama, die ängstlich fragte,
Warum ich denn so entsetzlich schrie,
Ich, so gut ich's damals konnte, sagte:
„Ach, der Wof, der Wof!“ — da lachte sie.
Als mein Bruder einst mit einem Stabe
Zielte nach dem Centrum an der Thür',
Und ich mich zu nah' befunden habe,
Warf er gerade auf ein Auge mir.
Aus dem Lide, welches stark verwundet,
Mir im Augenblick das Blut entquoll,
Und der Schaden war noch nicht erkundet,
Als das Auge dick schon zu mir schwoll.
Erst nachher, als die Geschwulst verschwunden.
Und man mir in's Auge sahe klar,
Haben Alle große Freud' empfunden,
Daß das Innere gesund noch war.
Da die Schmerzen waren überstanden,
Freute ich mich selber in der Seel',
Weil nun keine Furcht mehr war vorhanden,
Daß ich für die Zukunft werde scheel.
Später schlug mit einer Schäferschippe,
Die der Großpapa ihm mitgebracht,
Auch mein Bruder mir die Oberlippe
Von einander, ehe er's gedacht.
Auch ein Zahn flog mir aus meinem Munde
Bei demselben unvorsicht'gen Schlag,
Und als zugenähet war die Wunde,
Ein paar Tage ich zu Bette lag.
Essen konnt' ich damals keine Speise;
Trinken konnt' ich grade auch nicht viel;
Denn ich trank auf ganz besondre Weise
Alles nur durch einen Federkiel.
Da ich hinter meinem Bruder stande,
Und er meinte, ich ständ nicht so nah',
Er auch meinen Schaden erst erkannte,
Als er mich entsetzlich bluten sah.
Nach der Heilung mir jedoch ein Knötchen
In der Lippe lange fühlbar blieb,
Bis mir ein Student das alte Nähtchen
Beim Rappiren von einander hieb.
Denn nachdem die Wunde jetzt geheilet,
Fühlte ich kein altes Knötchen mehr;
Drum hab' dem Student ich Lob ertheilet,
Daß er gut zu einem Doctor wär'.
Dennoch habe ich bis diese Stunde
Stets gehabt ein Denkmal jenes Tags,
Denn ein schiefer Zahn in meinem Munde
Ist die Folge jenes Schippenschlags.