Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/118

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Noch ein anderes Erinnrungszeichen
Einer anderen Fatalität
Kann ich keinem Menschen leicht verschweigen,
Weil mir's grade auf dem Kopfe steht.
Köhler's Lorchen und Inspectors Jettchen,
Beide ungefähr so alt wie ich,
Und das letztere ein rundes Mädchen,
Führten schmeichelnd in Versuchung mich.
Auf des Baumes höchsten Wipfel sahen
Sie die letzten Kirschen lüstern an,
Denen ich nicht wagte mich zu nahen;
Denn sonst hätte ich's schon längst gethan.
Als sie mich nun beide freundlich baten:
„Hole uns die Kirschen doch herbei!“
Sprach ich: „Nein das kann mir nicht gerathen;“
„Denn das Aestchen bricht mit mir entzwei!“
„Daß Du uns die Kirschen holen könnest,“
Sprach die Runde, daran zweifl' ich nicht;“
„Wenn Du sie indessen uns nicht gönnest,“
„Leiste gerne ich darauf Verzicht!“
Da es schien, als wolle sie mir schmollen,
Sagte ich: „Jetzt steige ich hinauf;“
„Daß es nicht gelegen hat am Wollen“
„Wird sogleich Dir zeigen der Verlauf!“
Als ich reichte nach den Kirschen munter,
Brach das schwache Aestchen mit mir ein,
Und kopfüber stürzte ich herunter,
Grade mit dem Kopf auf einen Stein.
Jettchen sahe nun die blut'gen Früchte
Seiner ausgesproch'nen Lüsternheit,
Und ich sah ihm an in dem Gesichte,
Daß es ihm von Herzen thate leid.
Während es die Wunde hat gewaschen
Sah es mich so weich und lieblich an,
Daß ich, hätt' es nochmals wollen naschen,
Gleich den Fall noch einmal hätt' gethan.
Als ich völlig wiederum genesen,
Und das Loch im Kopf geheilet war,
Ist die Stelle lang so kahl gewesen,
Daß man sah darauf kein einzig Haar.
Endlich, als mit einem här'nen Kleide
Diese Blöße wieder ward bedeckt,
War dasselbe grad so weiß wie Kreide,
Daß mein Haar von Stund' an blieb gescheckt.
Sah man diese weiße mit den Jahren
Gleich in blonde Farbe übergehn,
Kann man doch noch heut' an meinen Haaren
Einen Unterschied der Farbe sehn.
Auch ist mir aus früher Kindheit Tagen,
Deren ich mich noch erinn're kaum,
Wie ich ihn hier kürzlich vor will tragen,
Im Gedächtniß ein besondrer Traum.
Eine Frau, die Töpfe auf dem Kopfe
Trug, und grinsend an mein Bettchen schritt,
Wollte mich in einem großen Topfe
Meinen Aeltern heimlich nehmen mit.
Da ich meinte, daß mit mag'rer Tatze
Eben sie mich angefasset hätt',
Wacht' ich auf und war mit einem Satze
Flugs bei meinen Aeltern in dem Bett.
Und bei der besorgten Aeltern Fragen
War mir's vor den Augen grün und blau,
Daß ich weiter noch nichts konnte sagen,
Als: „Die Töpferfrau! die Töpferfrau!“
Denn ich hätte mögen darauf wetten,
Daß ich nicht im Traume sie gesehn;
Sondern daß sie hinter unsern Betten
Irgendwo noch wirklich müsse stehn.
Ja, die Angst, in die sie mich gejaget,
War gedrungen mir durch Mark und Bein,
Daß ich's hätte nicht sogleich gewaget,
Wiederum zu schlafen ganz allein.
Als schon Jahre drüber hingestrichen,
Welche meiner Angst ein Ziel gesteckt,
Haben meine Aeltern zum Vergnügen
Mich noch mit der Töpferfrau geneckt.
Einem Blutfink hatte vorgepfiffen
Mein Papa: „Sag', was hilft alle Welt,“
Und da es der Vogel gut begriffen“,
War er ihm nicht feil um vieles Geld.
Aber als mein Peitschchen sich geschlungen
Um die Schnur, woran der Käfig hing,
Und ich rasch dasselbe losgeschwungen,
Riß ich auch die Schnur aus ihrem Ring,
Und der Vogel, welcher pfiff so munter,
Und so schön war, glänzend schwarz und roth,
Fiel mit seinem Korbe schnell herunter,
Und war augenblicklich mausetodt.
„Jetzt bekommst Du aber harte Schläge,“
Sprach die Mutter, „wenn's der Vater sieht!“
„Mach Dich darum lieber aus dem Wege,“
„Bis sich hat beruhigt sein Gemüth!“