Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/116

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Zögernd sah er nochmals nach der Flinte,
Sich bedenkend, was zu machen wär';
Endlich ging er sinnend, nicht geschwinde
Eine kurze Strecke vor uns her;
Plötzlich wandt er ab sich von dem Pfade,
Und indem ihm folgte unser Blick,
Kehrte er nun dahin wieder grade,
Wo er hergekommen war, zurück.
Darum mußten wir auch sicher glauben,
Was er eben dadurch zeigte klar,
Daß er uns nur, um uns zu berauben,
In dem Walde nachgelaufen war.
Nun begannen beide wir zu scherzen
Ueber unsern jungen Heldenmuth,
Und wir waren froh zugleich von Herzen,
Daß er nicht vergossen Menschenblut.
„Hätte Dir der große, starke Lümmel,“
„Auf den Kopf gethan den ersten Schlag,“
„Wären jetzt wir beide schon im Himmel,“
Ich im ernsten Scherz zum Bruder sprach.
„Ja, hätt' nicht gehalten ihn im Zügel“
„Hier vor meinem Flintchen der Respect,“
„Hätt' er mich,“ sprach jener, „mit dem Prügel“
„Gern in Einem Schlage hingestreckt.“
„Und ich glaube, da es vorher schneite,“
„Gar nicht, daß das kleine Mordgewehr,“
„Wenn's gekommen wär' zum ernsten Streite,“
„Auf den Schurken losgegangen wär'.“
Und so gab der Vorfall einem Jeden
Stoff zur Unterhaltung für den Tag,
Daß wir immer davon konnten reden,
Bis des Abends Schatten vor uns lag.
Weil bis dahin wir schon sieben Stunden
An dem kurzen Wintertag gemacht,
Und die Lust zum Gehen mir entschwunden.
Wollte da ich bleiben über Nacht.
Doch mein Bruder war nicht zu bewegen,
Auch zu bleiben an demselben Ort,
Und um sechs Uhr Abends ging deßwegen
Ich ermüdet mit ihm weiter fort.
Langsam ging ich bis an jenen Hügel,
Der vor Eschenrod steigt in die Höh',
Dort ließ aber hängen ich die Flügel
Da ich kam bis über's Knie in Schnee.
Darum sagte ich zu dem Begleiter:
„Halte ein, o Mensch, in Deinem Lauf!“
„Ohne auszuruh'n kann ich nicht weiter“
„Durch den tiefen Schnee den Berg hinauf!“
„Nein, Du darfst hier in dem Schnee nicht sitzen;“
„Bist Du aber wirklich so erschlafft,“
„Will ich“, sprach er, „gern Dich unterstützen,“
„Bis Dir droben wieder kommt die Kraft!“
Als wir auf dem Berge angekommen,
Wo er Arm in Arm mich hingeführt,
Hatten meine Kräfte zugenommen,
Daß ich wieder bin allein marschirt.
Da ich endlich nach dem langen Leide
Meine Mutter wiedersah zu Haus,
Brach an ihrem Halse ich vor Freude
Und auch sie in lautes Weinen aus.
Und sobald der Vater heim gekommen,
Der zum Förster ausgegangen war,
Und die Aeltern nun von uns vernommen,
Wie geschwebt wir hätten in Gefahr,
Sprachen sie: „Wir haben es bereuet,“
„Daß wir hatten weg euch lassen gehn;“
„Desto mehr sich unser Herz nun freuet,“
„Wohlbehalten wieder euch zu sehn!“
Ward auf jener Reise ich marode,
Ziehe daraus Niemand doch den Schluß,
Daß dies sei bei mir gewesen Mode;
Denn ich war vorzüglich gut zu Fuß.
Wenn wir wollten in die Wette laufen,
Lief ich allen andern Knaben vor,
Keiner kam mir aus dem ganzen Haufen
Gleich, als nur mein Bruder Theodor.
Auf dem Kopfe konnt' ich nicht nur stehen,
Sondern schlug auch meisterlich ein Rad,
Und auf beiden Händen konnt' ich gehen,
Daß mir Keiner darin gleich es that.
Manchen hohen Baum hab' ich erklommen,
Der so schwierig zu ersteigen war,
Daß hinauf kein Andrer konnte kommen,
Wenn er auch nicht scheute die Gefahr.
Selbst den Kirchthurm habe ich befahren
So wie es die Schieferdecker thun,
Als vom Flaschenzuge diese waren
Weggegangen, um sich auszuruhn.
Die Gymnastik machte mir Vergnügen,
Und ich hab' an's Turnen mich gemacht.
Dem ich fleißig pflegte obzuliegen,
Daß ich's ziemlich weit darin gebracht.