Beiträge zur Genealogie der adligen Geschlechter 2 (Strange)/E-Book

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Beiträge


zur


Genealogie der adligen Geschlechter


von


Joseph Strange.



Zweites Heft.







Cöln 1865.

Bei J. M. Heberle (Heinrich Lempertz).




Druck von J. S. Steven in Cöln.
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Die Lehenträger der Herrschaft Dreyborn von Werner von Vlatten bis auf Daem von Harff den Aeltern.




      Dreyborn war wenigstens vom J. 1351 bis zum J. 1420 eine Jülicher Pfandherrschaft. Die Nachrichten über diesen Zeitraum sind indess so dürftig, dass man kaum im Stande ist, die verschiedenen Pfandherren mit Sicherheit namhaft machen zu können. Der Pfandherr kam und ging wieder ab, oder er kam gar nicht und gab die Herrschaft in Pachtung. Aus diesem Verhältniss folgt, dass das Dreyborner Archiv keine alte Nachrichten besitzen kann, und dass, wenn sich auch Urkunden aus der Zeit der Pfandherren erhalten haben, diese vielmehr anderswo zu suchen sind.

      Daem von Harff Herr zu Dreyborn erhielt im J. 1604 von Christophel von Rolshausen Herrn zu Trimporten und Türnich, Amtmann zu Monjoye, einen sogenannten Extract (Eintragung eines Reversals ins Lehenbuch), mit der Versicherung, dass derselbe aus dem in Düsseldorf vorhandenen Original copirt sei. Er führt das Datum 1351 und lautet wie folgt[1]:

„Reversal Johanns Herrn zu der Schleiden, in welchem er bekennt, dass ihm Gerart ältester Sohn zu Jülich Graf von dem Berg versetzt hat seine Burg in Dreyborn mit dem Gericht hoch und nieder, und mit den Dörfern die in das Land von Dreyborn gehören, mit Namen Malsbenden, Gemünd, Mauwel, Nierfeld, Oleff, Herhahn, Berrescheid, Morsbach, Hellenthal[2], Heistert, Wiltz, Muer, Dottel und Scheven mit allem was dazu

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gehört, und überdies noch 25 Morgen Benden um die Burg daselbst, für drei tausend alte Schildgulden.“ Demgemäss konnte Dreyborn schon damals eine grosse Herrschaft genannt werden. Sie wurde noch grösser, da in der Folge noch mehrere andere Ortschaften hinzukamen, nämlich Dorf Dreyborn, Ettelscheid, Anstos[3], Scheuren, Dieffenbach,Call und Wallenthal. Indess würde man sehr irren, wenn man glaubte, dass die genannten Ortschaften ganz und ausschliesslich in die Herrschaft Dreyborn gehört hätten. Einzelne Häuser und ganze Gassen sortirten etwa nach Schleiden. Selbst im Dorf Dreyborn besassen die Herren zur Schleiden bedeutende Gerechtigkeiten[4]. Umgekehrt aber hatte Haus Dreyborn, wenigstens zu einer gewissen Zeit, auch in der Stadt Schleiden verschiedene May- und Herbstschatzungen zu erheben.

      Nach Johann Herrn zur Schleiden schweigt die Geschichte bis zum J. 1398, wo wir gleichfalls durch ein Reversale die wahrscheinlich zunächst nach ihm folgenden beiden Pfandherren kennen lernen. Der erste von ihnen ist Wilhelm von Muysbach, ein Name, der in mehrern Urkunden bei Lacomblet vorkommt, bei Fahne aber in einen Wilhelm von Mirbach verwandelt erscheint. Baudewyn von Muysbaich, den ich im J. 1377 finde, ist wohl ein Bruder desselben. Wann Wilhelm in den Besitz der Herrschaft Dreyborn gekommen, gelingt vielleicht einem Andern noch zu ermitteln. Sein nächster Nachfolger ist Gumprecht von Neuenar. Dieser bekennt in seinem Reversale v. J. 1398, dass er mit Vergunst des Herrn Wilhelm Herzogs zu Jülich das Schloss und Land von Dreyborn mit seinem Zubehör, so wie dies in Händen Herrn Wilhelms von Muysbach Ritters versetzt war sein Leben lang, von demselben gelöst und ihm sein Recht und seine Leibzucht daran abgekauft, und dass ihn dann sein gnädiger Herr mit Schloss und Land belehnt habe, dasselbige zu gebrauchen und zu behalten sein Leben

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lang, jedoch so, dass es allewege ein offen und ledig Haus seines gnädigen Herrn sein und bleiben, und nach seinem Tode wieder an denselben zurückfallen solle. So geschah es denn auch; denn nach Gumprechts Tode ward Dreyborn an den Ritter Diederich von Endelstorp verpfändet. Von diesem, wie von seinen Vorgängern, weiss man gerade nur zu sagen, dass er Pfandherr zu Dreyborn gewesen, und wahrscheinlich bis zum J. 1419. Nach seinem Tode hat Werner von Vlatten im J. 1420 mit Wissen und Willen des Herzogs Reynolt die Herrschaft aus der Pfandschaft gelöst, und ist derselbe mit Schloss, Vorgeburg, Weiern, Graben, mit den Dörfern, Gerichten, Mannen, Scheffen, Landleuten, mit Artland, Büschen, Benden, Kirchgifften, Fischereien, Schatzung und Gefällen und all seinem Zubehör zu einem rechten Mannlehen erblich belehnt worden.


I. Werner von Vlatten und sein Sohn Wilhelm von Vlatten Ritter.

      Ein Rittersmann von altem Schrot und Korn war Werner von Vlatten wohl nicht. In seinen Jugendjahren mag er manche Fehde mit durchgefochten haben; aber späterhin wandte sich sein Sinn ganz dem Landwirthschaftlichen zu; und wer sich ihn als einen umsichtigen und wohl bemittelten Oeconomen oder Landedelmann denkt, der mag wohl die richtigste Vorstellung von ihm haben. Von seinen Einsichten lässt es sich erwarten, dass er in seiner neuen Herrschaft manche zweckmässige Einrichtung traf und alte Uebelstände beseitigte. Allein nur eine kurze Reihe von Jahren wendete er derselben sein Augenmerk zu. Man muss nämlich wissen, dass er bei dieser neuen Erwerbung einzig und allein an seinen ritterlichen Sohn dachte; diesem wollte er einen rechten Rittersitz verschaffen. Ihm selbst genügten seine Höfe; und wir dürfen annehmen, dass er, nachdem er alle nöthige Einrichtungen in der Herrschaft getroffen, mehr in den Gefilden von Nörvenich, als auf den luftigen Höhen von Dreyborn geweilt habe. Von seinem Wohlstande und den reichen Mitteln, über die er zu verfügen hatte, geben viele Urkunden Nachricht. Ich habe alle die noch vollständig lesbar waren, selbst auch solche, die nur von örtlichem Interesse sind, in den Beilagen mitgetheilt. Von denen

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die sich nicht copiren liessen, verzeichne ich hier einige nach ihrem Hauptinhalt.

      Im J. 1400 verkaufen Arnold Graf zu Blanckenheim und Margaretha von Waldeck dem Werner von Vlatten all ihr Gut zu Poll, mit Namen 18 Malter Roggen. — Es ist dies die einzige Urkunde, worin Werner von Vlatten mit einem ritterlichen Prädikat, nämlich als Knape von den Wapen, erscheint. Im J. 1411 verkauft Lysebeth von den Wyer[5] Wittwe Wilhelms von Vlodorp mit Rath ihrer beiden Schwäger Goedert von Vlodorp Dechant zu Aachen und Gerart von Vlodorp Vogt zu Roermunde, für sich und ihre beiden unmündigen Söhne Goedert und Wilhelm von Vlodorp dem Werner von Vlatten 38 Morgen Busch bei Embken. — Diese Urkunde ist für die Genealogie Flodorf von Wichtigkeit. Der jetzt noch minderjährige Goedert von Vlodorp erscheint in der Folge als Herr zu Leuth, verh. mit Catharina Tochter von Herwinands-rode. Von ihm stammt Ritter Wilhelm von Flodorf Herr zu Leuth und Dahlenbroich, welchem Hermann und Diederich von Bronckhorst und Battenberg, Vater und Sohn, im J. 1493 ihren Antheil an der Herrlichkeit Rykelt übertrugen. Aus seiner Ehe mit Alverade von Harff, Gotschalcks Tochter, stammt endlich jener Wilhelm von Flodorf, welcher mit Odilia von Hoemen verheirathet war.

      Im J. 1420 verkauft Emont von Meroetgen aus seinem Erbe und Gut und Zehenden zu Buir den Gebrüdern Wilhelm von Vlatten Ritter und Werner von Vlatten eine Rente von 10 Malter Roggen zum Behuf der Kapelle zu Pissenheim. — Dass beide Brüder früher schon aus einem Legat, welches ihr Vater derselben Kapelle vermacht hatte, eine Fundation errichteten, ist aus den Beilagen zu ersehen. Da nun auch eine Palandische Stiftung von 10 Gulden Jahresrenten bestand, so lässt sich leicht denken, dass diese Familie auch zur Collatio Altaris S. Barbarae Berechtigung zu haben glaubte. Und so finde ich, dass namentlich der Ex-Domherr Reinhart von Palant desswegen einen, wiewohl erfolglosen Prozess anfing.

      Im J. 1432 kaufte Werner von Vlatten von dem Abt und

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Convent des Gotteshauses zu Heisterbach einen Hof zu Pingsheim, wovon die Abtei bisher auf dem Churfürstlichen Amte zu Lechenich jährlichs vier Rheinische Gulden hatte entrichten müssen. Von diesem Census ward der Hof befreit, indem Werner von Vlatten denselben dem Erzbischof Diederich als ein Mannlehen auftrug, womit er am 12. Februar selbigen Jahrs belehnt wurde.

      Im J. 1432 verkaufte Werner von Merode dem Werner von Vlatten eine Jahresrente von 31 Malter Roggen, und verpfändete ihm zur Sicherheit seinen Zehenden zu Mertzenich. — Vor mehr als vierzig Jahren, nämlich 1388 hatte Wilhelm von dem Bongart genannt von Bergerhausen seinen Zehenden zu Mertzenich dem Ritter Werner von Merode Sohn Philips von Merode Ritters selig verkauft.

      Im J. 1436 verkaufte Wilhelm Luyschhain von Godelsheim dem Werner von Vlatten alle seine Pfenningsgelder, Zinsen und Pachten zu Nörvenich.




      Nach den mir vorliegenden Hülfsmitteln will ich jetzt die verwandschaftlichen Verhältnisse des Werner von Vlatten zu ordnen und eine Genealogie zu entwerfen versuchen[6]. In der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts finden wir einen Ritter Werner von Vlatten, welcher der Vater der folgenden fünf Brüder gewesen zu sein scheint:

  1. Johann von Vlatten Ritter, welcher im J. 1385 dem Herzog von Jülich sein Haus Vlatten als ein offenes Haus aufträgt. Sybgyn von dem Bongart war vielleicht sein Schwiegersohn und Erbe. Das Haus Vlatten kommt dann im sechzehnten Jahrhundert an die Herren von Gymnich.
  2. Werner von Vlatten.
  3. Goedert von Vlatten, welcher einen Sohn Johann von Vlatten hinterlässt.
  4. Reynart von Vlatten Knape von den Wapen.
  5. Wilhelm von Vlatten Knape von den Wapen, dessen Gattin Adelheid eine geborne von Mulenarck gewesen zu sein scheint. Verschiedene Umstände, jedoch keine sprechende Beweise, bestimmen mich diese Eheleute als die Eltern der nachfolgenden drei Brüder zu betrachten:
    1. Wilhelm von Vlatten Ritter verh. mit Johanna Schwester der beiden Brüder Johann und Arnolt Muyllart von Hoylhoven oder Hülhoven[7].
    2. Werner von Vlatten Lehenträger zu Dreyborn.
    3. Reynart von Vlatten Pastor zu Buir.

      Die Gebrüder Wilhelm von Vlatten Ritter und Junker Reynart von Vlatten Pastor geben im J. 1420 all ihr Erbe und Gut zu Irresheim, nämlich Hof, Haus und 156 Morgen Artland nebst den Weiden den Eheleuten Hencken von Meroetgen und Metza in Erbpacht. Da dieses Gut in der Folge in Händen der Erben des Werner von Vlatten sich befindet, so ist man wohl zu der Annahme berechtigt, dass Ritter Wilhelm ohne Leibeserben geblieben, und seine Güter an seinen Bruder übergegangen sind.

      Die Gattin des Werner von Vlatten finden wir in folgender Darstellung. Die Eheleute Johann Smeych von Liessingen Ritter Herr zu Zievel der Junge[8] und Fya von Rede hatten folgende fünf Kinder:

  1. Andreas Smeych von Liessingen Ritter Herr zu Zievel, verh. mit Guitgyn[9].
  2. Lette von Liessingen heirathete 1390 den Ritter Gilys von den Wyer, und nach dessen Tode den Werner von Vlatten.
  3. Mene von Liessingen verh. mit Gerlach von Wunnenberg[10].
  4. Fya von Liessingen heirathete 1403 Daniel von Mulenarck, und erhielt zur Mitgift den Hof zu Gladbach, darzu 25 Malter Roggen zu Sevenich bei Jülich, und 25 Malter Roggen zu Poll. Sie muss früh und kinderlos gestorben sein; denn in der Aussteuer ihrer folgenden Schwester finden sich die 50 Malter, und der Hof zu Gladbach wird wohl derselbe sein, den wir im Verfolg als Besitzthum des Werner von Vlatten kennen lernen.
  5. Metza von Liessingen verh. mit Roilman vom Geysbusch zu Bolheim, womit sie ausser etwa einer Tochter drei Söhne hatte, Johann, Roilman und Heinrich vom Geysbusch, alle drei Ritter. Da Metza noch im J. 1473 im Leben ist, so muss sie unter ihren Geschwistern nothwendig die jüngste gewesen sein.

      Der gemeinsame Bruder und Schwager Andreas von Liessingen starb ohne Leibeserben, und seine nächsten Verwandten theilten sich, wie aus den in den Beilagen mitgetheilten Documenten zu ersehen, im J. 1440 in seine Hinterlassenschaft an Hab und Gut, so wie in gleicher Weise in seine zurückgelassenen Schulden. — Ich verweile hier noch einen Augenblick bei Ritter Andreas und seiner Gattin Guitgen. Im J. 1422 verwendeten beide Eheleute eine Erbrente von sechs Malter Roggen, die ihnen Johann von Gymnich das Jahr vorher aus den Einkünften seines Hofs zu Risdorf verkauft hatte, zu einer Fundation zu Lessenich. Dem dasigen Pastor überweisen sie nämlich ein Malter, mit der Verpflichtung, jährlichs des Donnerstags nach den heiligen Tagen mit zwei andern Priestern zu ihrem und ihrer Verwandten Seelenheil ein Jahrgedächtniss mit einer Sing- und zwei Lesemessen mit den herkömmlichen Ceremonien zu halten, und den beiden Priestern nebst Speise und Trank einem jeden vier Schillinge zu zahlen. Von zwei andern Maltern sollen ferner die Kirchmeister Brot backen und dieses an selbigem Tage nach vollendetem Gottesdienste an die Armen vertheilen. Zum dritten sollen jährlichs anderthalb Malter zur Unterhaltung und

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Beleuchtung einer Ampel ober ihrem Begräbnisse in der Kirche zu Lessenich verwendet werden, und solle diese Ampel Tag und Nacht brennen an den Festen unserer Lieben Frauen, auf Aller Heiligen und Aller Seelen und auf den Kirchweihungen, ferner Tag und Nacht von Christabend bis Dreizehn Tag zu Abend, von Palm-Abend bis des Donnerstags nach Ostern, von Pfingst-Abend bis des Samstags darnach, und von des Heiligen Sacraments-Abend zur Vesper bis alle die guten Tage um sind. Sodann sollen die Kirchmeister von diesen anderthalb Maltern noch jährlichs bei ihrem Jahrgedächtniss vier gewöhnliche Grabkerzen auf ihrem Grabe brennen lassen. Für Anzünden der Ampel, so wie für Läuten an dem Jahrgedächtnisse erhält der Offermann jährlichs ein halb Malter, und die Kirchmeister für ihre Mühe jeder ein Sümmer. — Das Haus Dreyborn besass zu Lessenich das Patronatsrecht, und erwähne ich in dieser Beziehung nur, dass Margaretha von Plettenberg Wittwe von Eltz im J. 1567 nach Tod des Pastors Diederich den Trierischen Domkapitular Wilhelm Quad (Bruder des Daem Quad Herrn zu Landscron) zur dortigen Pfarrstelle präsentirte. Diese Berechtigung ist allerdings aus der Erbschaft des Ritters Andreas herzuleiten. Werner von Vlatten, welchem das halbe Schloss Zievel zufiel, scheint mit demselben zugleich die Lessenicher Kirchengifft erhalten zu haben; und wiewohl diese Halbscheid bei Dreyborn nicht verblieben ist, so hat doch der Verkäufer (ohne Zweifel Werners Sohn) die Gifft für sich reservirt. Nur auf diese Weise kann ich mir die Berechtigung des Hauses Dreyborn erklären.

      Ich komme jetzt auf Werner von Vlatten zurück, und bemerke, dass er mit seiner Gattin Lette von Liessingen zwei Kinder hatte: Wilhelm von Vlatten Ritter, und Adelheid von Vlatten, die im J. 1425 den Ritter Gerart von Eynenberg Herrn zu Landscron heirathete. In selbigem Jahr scheint Werner seinem Sohn Wilhelm den Rittersitz Dreyborn überlassen zu haben, wiewohl erst eine Urkunde v. J. 1429 denselben als Herrn zu Dreyborn bezeichnet. Bekanntlich war dieser mit Elisabeth Tochter des Diederich von der Brohl verheirathet; seit wann, bin ich nicht im Stande anzugeben. Ueberhaupt fehlt es mir an Stoff zu einer Geschichte desselben, was ich um so mehr bedaure, da ich jetzt die ans Fabelhafte grenzenden

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Anekdoten, die über ihn im Umlauf sind, auf sich beruhen lassen muss. So viel mag indess sicher sein, dass er nicht seine meiste Zeit auf Dreyborn zugebracht hat, sei es nun dass er bei Hof weilte, oder sich bei nahen und fernen Fehden betheiligte. So trat denn im J. 1444 die Nothwendigkeit ein, dass sein Vater, der unterdess alt und schwach geworden, und Dreyborn nicht zu schützen vermochte, die Hälfte von Haus, Hof, Land und Leuten in die Hände des Herrn zur Schleiden übergeben musste, damit dieser das Ganze in seinen Schutz und Schirm nehme. Das Reversale das der Graf ihm in dieser Angelegenheit ausstellt, habe ich in den Beilagen mitgetheilt. Das Jahr nachher ist Werner von Vlatten gestorben. Nach Tod seines Vaters mag Wilhelm sich eine Zeit lang des Landwirthschaftlichen etwas mehr angenommen haben, und wir finden sogar, dass er im J. 1446 seinen Besitzstand durch Erwerbung eines bedeutenden Hofes zu Ginnick vermehrte. Allein wie früher, so hat er auch wohl in der Folge die grössere Zeit von seinen Gütern fern gelebt, und die Verwaltung derselben seiner Gattin überlassen. Wir hören überhaupt nichts mehr von ihm, bis eine Urkunde meldet, dass er „buysen landz doitzhaluen affgegangen is". Kurz vor seinem Tode ward ihm ein Document ausgestellt, das jetzt vielleicht nicht mehr existirt, das aber in dem Inventarium der Urkunden, die nach Absterben des Ferdinand Frh. von Geyr in dessen Archiv zu Cöln sich vorfanden, unter diesem Titel aufgezeichnet wurde: „Rescriptum Prioris generalis ordinis Fratrum S. Crucis F. Georgii de Brugis, in quo Wilhelmum de Vlatten militem propter devotionem quam ad eum ordinem gerit, omnium orationum, missarum, psalmorum, jejuniorum &c. participem facit. Datum 1457. die 3. Julii“.

      Wilhelm von Vlatten hat nur einen unehelichen Sohn, Diederich von Vlatten, hinterlassen. Uneheliche Kinder sind immer eine missfällige Erscheinung, in welcher Region sie auch zum Vorschein kommen mögen. Aber so gern man sich auch einen alten Ritter ohne Makel vorstellen möchte, so wollen wir dem Wilhelm von Vlatten doch nicht zürnen, schon darum nicht, weil seine Gattin ihm nicht gezürnt zu haben scheint. Hat es doch sogar den Anschein, dass ihr Verwandter, Diederich von Braunsberg, der Pathe jenes Diederich geworden. Derselbe

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mochte wohl mit allen liebenswürdigen Tugenden ausgestattet gewesen sein, so dass er nicht blos die Freude seines Vaters, sondern der ganzen Familie war. Daher dieselbe denn auch nach Tod seines Vaters — dem er bis zu seinem letzten Augen, blick treulich beigestanden — allen Bedacht darauf nahm, ihm ein anständiges Auskommen zu verschaffen. Auf Verwendung der beiden Bitter Gerart und Johann von Eynenberg, Vater und Sohn, ward er vom Erzbischof Diederich im J. 1458 mit Hof und Gut zu Pingsheim belehnt. In selbigem Jahr übergaben ihm Elisabeth von der Brohl, Gerart von Eynenberg, Adelheid von Vlatten und Johann von Eynenberg ihren Hof zu Pissenheim[11] und damit er denselben ganz frei gebrauchen könne, so übertrugen sie eine Rente von hundert Mark, womit der Hof an Johann von Blens beschwert war, auf die Dreyborner Gefälle. Ohne Zweifel wurde ihm noch manches andere, worüber sich keine Nachricht erhalten, überwiesen. Ueberdies scheinen sich seine Vermögensumstände noch durch eine vortheilhafte Heirath, vielleicht mit einer Cölnerin, um ein Bedeutendes verbessert zu haben; denn im J. 1466 bekennen Johann von Eynenberg Ritter und Irmgart seine eheliche Hausfrau, dass sie dem Diederich von Vlatten und Beelchen seiner ehelichen Hausfrau eine Rente von vierzig Rheinischen Gulden verkauft, und ihnen zur Sicherheit ihre Güter zu Ahrweiler verpfändet haben. Seine beiden Höfe verpachtete Diederich im J. 1464 dem Johann von Palant zu Laurenzberg, welcher aber nicht accurat war, so dass er sich veranlasst fand, im J. 1472 den Johann von Oyss zur Einforderung des Rückstandes zu bevollmächtigen. Indess blieb er ohne Leibeserben, und so sind denn die beiden Höfe wieder an das Haus Dreyborn zurückgefallen. Wie es mir scheinen will, so hat er in Cöln gewohnt, und ist dort gewiss auch gestorben ; daher erklärt es sich, wie das oben erwähnte lateinische Document, das von ihm getreulich aufbewahrt nach seinem Tode in seinem Nachlass sich befand, in Cölner Familien-Archive übergegangen ist[12].

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      Von der Hinterlassenschaft des Ritters Wilhelm von Vlatten hatte seine Wittwe Elisabeth von der Brohl die Leibzucht. In den ersten Jahren scheint sie die Güter, etwa unter Beistand des Diederich von Braunsberg und des Diederich von Vlatten selbst verwaltet zu haben. Aber wie letzterer seine beiden Höfe verpachtet hat, so verpachtet sie in selbigem Jahr 1464 ihre Güter, nämlich Dreyborn und Heistert[13] mit ihren Hochgerichten, Nutzen und Gefällen, ferner Nörvenich, Gladbach, Merscheim, Mertzenich, Buir, Eggersheim, und alle andere Erbschaft— ihrer Schwägerin Adelheid von Vlatten, die inzwischen gleichfalls Wittwe geworden, für vierhundert Rheinische Gulden, mit dem Zusatz, dass diese Güter nach ihrem Tod auf Adelheid übergehen sollen. Gleichzeitig verkauft sie dem Johann von Deynsburg das Dorf Rohr, das sie einst ihrem Gatten zur Mitgift gebracht hatte, mit all seiner Herrlichkeit und Freiheit, mit Pachten, Zinsen und Curmöden. Nicht lange nachher vernehmen wir von einer Gräflichen Fehde. Die Veranlassung dazu geben die erwähnten Höfe zu Gladbach und Merscheim; aber in wiefern, das ist nicht ganz klar. Ich will indess meine Vermuthung hierüber vortragen. Werner von Vlatten hatte im J. 1444 die Hälfte seines Hofs zu Merscheim bei Johann von Loen Herrn zu Heinsberg und Lewenberg mit fünfhundert Rheinischen Gulden beschwert, und dann diese Hälfte von demselben zu Lehen empfangen. Es wäre nun möglich, dass der Pfandbrief in der Folge in den Besitz des Vincentius Grafen zu Moers und Sarwerden[14] gekommen ; und da Ritter Wilhelm von Vlatten vielleicht alle die Jahre seine Verpflichtungen nicht erfüllt hatte, so begnügte sich der Graf nicht mit dem Hofe zu Merscheim, er griff auch den zu Gladbach an, und übergab dann beide seinen beiden Natürlichen, nämlich den jungen Grafen Diederich und Walrave von Moers Bastarden. Diese beiden Hauptleute der Fehde scheinen dann nicht blos die Pächter der Höfe verdrängt, sondern auch selbst das Haus Dreyborn beunruhigt zu haben, sei es nun, dass ihre Kampflust sie dorthin führte, oder dass die


  1. Da der Extract im Styl des sechzehnten Jahrhunderts copirt ist, so glaubte ich berechtigt zu sein, in neuerer Schreibweise copiren zu dürfen.
  2. Hellenthal gehörte späterhin zur Herrschaft Schleiden. Von den Orten Wiltz und Muer habe ich keine Spur entdecken können.
  3. Dieser Ort hiess früher Maisthous, Mastoss, Mastoiss.
  4. Im J. 1663 verkaufte Franz Anton Graf zu der Marck und Schleiden dem Johann Frh. von Harff die seiner Grafschaft zur Schleiden angehörigen Häuser und Unterthanen im Dorf Dreyborn mit allen Gefällen, Renten, Zinsen, Schatzeinkünften, Büschen, Benden, Zehenden, Pachten, Jagden, Fischereien, Regalien und Gerechtigkeiten.
  5. Lysebeth ist wahrscheinlich eine Schwester des noch zu nennenden Ritters Gilys von den Wyer.
  6. Wie nahe die Herren von Vlatten, welche das Erbscbenk-Amt bekleidet haben, der Familie unseres Werner von Vlatten stehen, diese Frage muss ich unerörtet lassen.
  7. Beide Brüder hatten wenigstens einen Theil ihrer Güter in der Gegend von Nörvenich.
  8. So wird er noch im J. 1377 genannt zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Vater Johann Smeych von Liessingen, der nebst seinem Bruder Gyselbrecht von Uetzheim bereits in einer Urkunde v. J. 1328 vorkommt.
  9. In Copien heisst sie bald Guitgyn von Niuerheimb, bald Guitgyn von Iuenheim. An Nievenheim oder Iversheim ist wohl nicht zu denken. Sie war vielleicht eine Guitgyn von Euenheim.
  10. Der Sohn dieser Eheleute, Johann von Wunnenberg, war mit einer Tochter des Ritters Dederich von Kesselstat verheirathet, und hinterliess zwei Söhne: Dederich und Gerlach von Wunnenberg. Letzterer heirathete im J. 1474 Margaretha von Deynsburg, und hatte mit derselben gleichfalls zwei Söhne: Roprecht und Johann von Wynnenberg.
  11. In den Beilagen habe ich die Anerbung an diesen Hof v. J. 1459 mitgetheilt.
  12. Das Müddersheimer Archiv enthält noch manches von alten Cölner Familien, namentlich von den Mommersloch und Cleingedank; und so liegt denn die Vermuthung ziemlich nahe, dass obige Beelchen einem von diesen Geschlechtern angehörte.
  13. Heistert war in dieser Zeit schon eine allodiale Herrschaft der Herr zu Dreyborn.
  14. Der Graf war bekanntlich Herr zu Gladbach: welches Haus er im J. 1460 dem Diederich von Landsberg für 2200 Rheinische Gulden verpfändete.