Königreich Westfalen

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Disambiguation notice Westfalen ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Westfalen.

Hierarchie

Regional > Historisches Territorium > Reichsdeputationshauptschluß > Rheinbund > Königreich Westfalen

Westfalenkarte 1812: französische Länderneuschöpfungen. Es sind nur die Gebietsteile dargestellt, die auf dem Gebiet der späteren preußischen Provinz Westfalen und des angrenzenden rechtsrheinischen Rheinlands liegen (Dr. Wilh. Kloster, vor 1926)

Name

Königreich Westfalen (alte Schreibweise: Westphalen, frz. royaume de Westphalie)

Kurzgeschichte

Der Friede von Tilsit am 7. Juli 1807 verschaffte auch dem jüngsten Bruder Napoleons eine Königskrone: das „Königreich Westfalen". Allerdings gehörten vom alten Reichskreis Westfalen nur Osnabrück, Minden-Ravensberg, Paderborn und Corvey zu dem französischen Gebilde. Die Zentralgebiete der neuen Staatsschöpfung lagen in Hessen, Braunschweig und um Magdeburg.

Am 6.07.1807 erhielt der Kaiserliche Oberkammerherr Talleyrand Befehl, ein Wappen für das neue Königreich zu entwerfen, einen Tag später teilte Napoleon bereits die Anerkennung des Staates durch Rußland und Preußen mit. Betroffen waren über 3.000.000 nun sogenannte „Westfalen". Das Kaiserliche Dekret vom 18. August 1807 bestimmte die Gebiete näher, welche das Königreich bilden sollten, nämlich

Provisorische Regierung

Mit den Staatsräten Simeon, Beugnot und Jollivet traf am 28.08.1807 eine Regentschaft in Kassel ein. Den drei Regenten stand der Militärgouverneur Lagrange zur Seite. Noch am gleichen Tage verkündete die Regentschaft das Kaiserliche Dekret über die Schöpfung Westfalens und forderte die Gouverneure und Intendanten der Provinzen zur Durchführung auf.

Mit der Verkündigung der Verfassung am 1.12. hörten die Regierungsbefugnisse der Regentschaft auf. Die Verfassung verankerte eine außerordentlich starke Stellung des Kaisers. In wichtigen Angelegenheiten blieb Jerome als neuer König von Westfalen von ihm abhängig. Gleichzeitig trat eine neue provisorische Regierung ins Leben: Simeon (Justiz und Inneres), Lagrange (Krieg), Beugnot (Finanzen und Handel), Jollivet (Schatz). Die Intendanten der Provinzen, alle Zivil-, Militär- und geistlichen Behörden blieben vorläufig im Amt. Am 11. Dezember ernannte Jerome die ersten neun Staatsräte, unter ihnen den Präsidenten der Regierung in Paderborn, v. Coninx, und den Landrat von Warburg, Freiherrn v. Metternich. Die eigentliche Besitzergreifung des Landes erfolgte am 15. Dezember durch eine Königliche Proklamation. Am 1. Januar 1808 fand in Kassel die offizielle Huldigung statt.

Departementverfassung

Das Dekret vom 24. Dezember teilte das Land in acht Departements. Sämtliche Präfekten waren Deutsche. Auch an die Spitze der Verwaltung des Königreichs trat ein Deutscher, Johannes von Müller (Ernennung zum Minister-Staatssekretär am 17. November 1807) welcher allerdings schon am 28. Dezember um seine Entlassung bat, die am 21. Januar 1808 gewährt wurde. Sein Nachfolger wurde der Erste Kammerherr Le Camus, Graf von Fürstenstein.

Gebietszuwachs

Graf Fürstenstein unterzeichnete im Auftrag Jeromes mit dem Herzog von Cadore am 14.01.1810 in Paris einen Vertrag, in dem Hannover ohne das rechtselbische Lauenburg zum Königreich Westfalen geschlagen wurde. Die Besitzergreifung erfolgte am 1. März.

Gebietsverlust

Durch Senatsbeschluß vom 13. Dezember 1810 wurden die nördlich einer Linie von der Lippemündung bis Lauenburg liegenden Gebiete dem Kaiserreich Frankreich einverleibt. Der größten Teil des Weserdepartements einschließlich der Städte Osnabrück und Minden und den nördlichen Teil der eben erworbenen hannoverschen Gebiete gingen dem Königreich verloren. Am 5.03.1811 entband Jerome die ihm verloren gegangenen Untertanen des Treueids. Compans (Frankreich) und Malchus (Westfalen) führten die Grenzabsteckung durch.

Ende des Königreichs Westfalen

Ende Oktober 1813 brach das Königreich zusammen. Am 28. Oktober übernahm ein Militärgouvernement die Verwaltung der ehemaligen preußischen Besitzungen. Am 10.11.1813 ergriff General von Borstell Besitz vom Fürstentum Paderborn. Auch die übrigen Gebiete kehrten in die Hände ihrer alten Besitzer zurück.

Regierungs- und Verwaltungsstruktur

  • Königreich Westfalen

Ministerien und Zentralbehörden

Präfekturen

Die Artikel 34 bis 37 der Verfassung des Königreichs vom 7. Dezember 1807 sahen nach französischem Vorbild eine Einteilung in Departements, Distrikte (statt Arrondissements) und Mairien (Munizipalitäten) vor, von denen jeweils mehrere, vorwiegend für Militärzwecke, zu Kantonen verbunden wurden.

An die Spitze jedes Departements trat ein Präfekt (Gehalt 12.000 fr.). Ihm zur Seite stand ein Generalsekretär, der Präfekturrat und der Generaldepartementsrat. Zum Ressort des Präfekten gehörte die gesamte innere Verwaltung unter Oberleitung des Ministers des Innern. Ihm unterstand auch die Steuerverwaltung. An militärischen Aufgaben übte er die Aushebung und Aufsicht über die Nationalgarden, Truppenverpflegung, Truppenaushebungen usw. aus. In seinem Amtssitz stellte er gleichzeitig die Spitze der Distriktsverwaltung als Unterpräfekt dar.

Der ständige Vertreter des Präfekten war der Generalsekretär (Gehalt 4.000 fr.). Er leitete das Verwaltungsbüro, erledigte die Expeditionen und zeichnete für die Archive verantwortlich.

Der Präfekturrat, bestehend aus drei oder vier Mitgliedern (je 1.200-1.500 fr. Gehalt) unter Vorsitz des Präfekten, trat als Spruchbehörde in Streitsachen der Verwaltung auf. Er entschied über Steuernachlässe, Streitigkeiten über die Erhebung indirekter Steuern, zwischen Unternehmern öffentlicher Arbeiten und Behörden, Einsprüche von privater Seite gegen Schädigungen durch öffentliche Arbeiten und sonstige Gesuche. Er entschied als Verwaltungsbehörde. Nur der Staatsrat konnte seine Urteile annullieren. Bei Prozessen mit den Besitzern kaiserlicher Domänen, den sogen. Donatairs, entschied der Präfekturrat in erster, der Staatsrat in der Appellationsinstanz.

Der Generaldepartementsrat, den der König auf Vorschlag mit 15 bis 20 Mitgliedern aus den Departementskollegien besetzte, wählte den Präfekten und Generalsekretär aus seiner Mitte. Der Rat tagte jährlich einmal für die Dauer von zwei Wochen. Er verteilte die Steuern auf die Distrikte, entschied über die von den Distriktsräten und Kommunen eingehenden Gesuche um Steuernachlässe, bestimmte die Zuschüsse für die Departementalausgaben und nahm darüber die Rechnung ab. Er konnte sich schließlich über Lage und Bedürfnisse des Departements äußern.

Präfekturen und Departements

Friedensgerichte

Domänenverwaltung

Administrationen der Forsten und Gewässer

Aufsichtsaufgaben: Unter der Leitung eines Konservators beaufsichtigten in den Departementes „Gardes-generaux", „Inspecteurs de Ire classe" und „Sous-inspecteurs de 2de classe" die einzelnen Forstbezirke

Steuerbehörden

Unter den mit Dekret vom 18. März 1808 in jedem Departement eingerichteten Direktionen der direkten Steuern arbeiteten in jedem Distrikt Kontrolleure der direkten Steuern, so z.B. in den Distrikten Minden und Paderborn.

Baubehörden

Die Präfekten der Departements leiteten auch die Bauverwaltung ihres Amtsbereiches. Die oberste Fachverwaltung in Kassel war bis zum April 1811 mit der Generaldirektion der Berg- und Hüttenwerke verbunden, seit dem Dekret vom 16. April 1811 aber unter der Oberleitung des Ministeriums des Innern verselbständigt.

Die fachlichen Aufgaben im Departement führte ein Oberingenieur. Sein Aufgabenbereich umfaßte die Unterhaltung der Brücken und Chausseen, der öffentlichen, Domanial- und Gemeindebauten und die Leitung und Aufsicht bei öffentlichen Bauarbeiten. Je nach Bedarf wurde er von Distriktsbaumeistern, Kondukteuren und Eleven unterstützt.

Spezialdomänenadministrationen

Politische Einteilung

Die Verwaltungseinteilung erfolgte nach französischen Vorbild. Das Königreich Westfalen war zunächst in 8 Departements (frz. département) eingeteilt, diese in Distrikte (auch als Unterpräfektur oder Bezirk bezeichnet; frz. district oder auch arrondissement) und diese wiederum in Kantone (frz. canton, auch Cantons-Mairien genannt). Die Kantone waren in Communen (frz. commune, auch Munizipalitäten oder Mairien genannt) unterteilt, die entweder als Stadt (frz. ville) oder als Dorf (frz. village) bezeichnet wurden.

An der Spitze der Kantone stand ein (auch im üblicherweise deutschsprachigen Schriftverkehr so bezeichneter) Cantons-Maire, an der Spitze der Communen (Munizipalitäten) ein (ebenfalls auch im deutschsprachigen Umgang so bezeichneter) Maire.

Departements


Departements im Königreich Westfalen (1807-1813)

Aller (seit 1810) | Elbe | Fulda | Harz | Leine | Nord (nur 1810) | Niederelbe (nur 1810) | Oker | Saale | Werra | Weser (bis 1811)

Distrikte


Distrikte im Departement der Elbe (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Mageburg | Neuhaldensleben | Salzwedel | Stendal


Distrikte im Departement der Fulda (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Cassel | Höxter | Paderborn


Distrikte im Departement des Harzes (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Duderstadt | Heiligenstadt | Nordhausen | Osterode


Distrikte im Departement der Leine (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Einbeck | Göttingen


Distrikte im Departement der Oker (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Braunschweig | Goslar | Helmstedt | Hildesheim


Distrikte im Departement der Saale (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Blankenburg | Halberstadt | Halle


Distrikte im Departement der Werra (Königreich Westfalen) (1807-1813)

Eschwege | Hersfeld | Marburg


Distrikte im Departement der Weser (Königreich Westfalen) (1807-1811)

Bielefeld | Minden | Osnabrück | Rinteln

Farben der Westfälischen Kokarde

Art. 1. Die Westphälische Cocarde soll am Rande weiß und in der Mitte blau seyn. [...]
(Königliches Decret, welches sie Farben der Westphälischen Cocarde bestuimmt, und den Civilbeamten, so wie allen Anderen, welche keine Militärgrade haben, das Tragen der Epaulettes verbietet. Im Pallaste zu Napoleonshöhe, am 8ten December 1807.)

Geschichte

Umfang 1807

Wir, Napoleon, von Gottes Gnaden [...]
Art. 1. Das Königreich Westphalen ist aus folgenden Staaten zusammengesetzt, nämlich:
aus den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen; aus dem auf dem linken Ufer der Elbe gelegenen Theile der Altmark; aus dem auf dem linken Elbe-Ufer gelegenen Theile der Provinz Magdeburg; aus dem Gebiete von Halle; aus dem Hildesheimischen und der Stadt Goslar; aus dem Halberstädtischen; aus dem Hohensteinischen; aus dem Gebiete von Quedlinburg; aus der Grafschaft Mansfeld; aus dem Eichsfelde, nebst Treffurt, Mühlhausen und Nordhausen; aus der Grafschaft Stollberg-Wernigerode; aus den Staaten von Hessen-Cassel, nebst Rinteln und Schaumburg, jedoch mit Ausnahme des Gebietes von Hanau und Catzenelnbogen am Rheine; aus dem Gebiete von Corvey; aus Göttingen und Grubenhagen, nebst den darin eingeschlossenen Bezirken von Hohenstein und Elbingerode; aus dem Bisthume Osnabrück; aus dem Bisthume Paderborn; aus Minden und Ravensberg; und endlich aus der Grafschaft Rietberg-Kaunitz. [...]

(Königliches Decret vom 7ten December 1807, wodurch die Publikation der Constitution des Königreichs Westphalen verordnet wird)

Enteignung

Die Fürsten von Salm-Salm, Salm-Kyrburg und Arenberg wurden durch Dekret vom 22. Januar 1811 enteignets; auch der Großherzog von Berg und der König von Westfalen verloren an diesem Tage ihre Besitzungen nördlich der neugezogenen französischen Grenze. Ihre Proteste verhallten unberücksichtigt, sie wurden dem Kaiserreich Frankreich einverleibt.

Bibliografie

Archive

Archivalien

  • Akten der Unterbehörden des Königreiches Westfalen gelangten in den meisten Fällen in die Registraturen der Nachfolgebehörden, davon unterlag ein großer Teil der Vernichtung. Die Reste sind in den Archiven dieser Behörden weiterhin vorhanden.
  • Die Zentralakten wurden noch im 19. Jahrhundert nach regionalen und lokalen Gesichtspunkten aufgeteilt. Sie lagern in den regionalen Staatsarchiven.
  • Ein unteilbarer Aktenrest aus den Registraturen der Ministerien und Generaldirektionen ging nach Berlin in das Preußische Geheime Staatsarchiv. Diese Akten lagerten zur Zeit der DDR im Zentralen StA II, Merseburg. Andere Akten lagern in der Saltykow-Schtschedrin-Bibliothek, Leningrad (Politische Polizei u. Kgl. Garde).
  • In der Sammlung des Altertumsvereins Paderborn (Akten Nr, 151) befinden sich der Nachlaß Gehrken zu diesem Thema.
  • Für den Raum der Preußischen Provinz Westfalen waren 1950 rund 3.400 Aktenstücke (385 Kartons) im Staatsarchiv Münster archiviert (Findbuch B 80 Bd. I - III. mit Index, 18. Jhdt. - 1840).
  • Für den Raum des Kurfürstentums Hessen (Hessen-Kassel) befinden sich die Archivalien des Königreichs Westfalen im Staatsarchiv Marburg (Bestände 75 bis 79). Es handelt sich überwiegend um Akten des Fulda- und Werra-Departements sowie der Unterbehörden (Unterpräfekturen/Distrikte, Kantone, Mairien (Communen)). Die Akten der untersten Verwaltungsebenen wurden allerdings oft von den Nachfolgebehörden weitergeführt und sind mit den entsprechenden Beständen archiviert. Beständeübersicht in HADIS unter "Staatsarchiv Marburg B.1.7.".

Archivalienhinweise

  • Thieme, H., Bloß, W., (Bearb.), Zur nationalen Befreiungsbewegung 1813/1814. Quellen im Deutschen Zentralarchiv, Abteilung Merseburg. In: Archivmittellungen 13 (1963).
  • S. N Iskjul, Das westfälische Archiv in der Staatlichen öffentlichen M. E. Sal-tykow Schtschedrin-Bibliothek (Leningrad). In: Westf. Forschungen 25 (1971)
  • Rob, Kl.,(Bearb.), Quellen zu den Reformen im rheinbündischen Deutschland. Bd. 2, Das Königreich Westphalen. 1991.

Ortslexika und Karten

Karten

  • Karte Königreich Westfalen des Landesgeschichtlichen Informationssystems Hessen
  • Ulrich, Th.: Das Königreich Westphalen 1807-1810. Ebd. Blatt 48 a.
  • Special-Atlas des Königreichs Westphalen nach Official-Quellen entworfen und herausgegeben vom Geographischen Institute, Weimar 1809, Online
  • Streit, Friedr. Wilh.: General-Charte von dem Königreiche Westphalen, Weimar, 1809, Online
  • E. F. Held. Charte von dem Königreiche Westphalen, Weimar, 1811, Online
  • Ulrich, Th.: Niedersachsen 1812. Höhepunkt der napoleonischen Fremdherrschaft. In: Geschichtlicher Handatlas Niedersachsens. Hrsg. v. G. Schnath. Berlin 1939. Blatt 46/47.
  • Weiland, Karl Ferdinand: General-Charte von dem Königreiche Westphalen, Weimar, 1812, Online

Online-Grundlagen

Weblinks

Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

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