Schlappschill
Schlappschill ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Schlappschill (Begriffserklärung). |
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Hierarchie
Regional > Litauen > Schlappschill
Regional > Historisches Territorium > Deutschland 1871-1918 > Königreich Preußen > Ostpreußen > Kreis Memel > Schlappschill
Einleitung
Schlappschill, Kreis Memel, Ostpreußen
- Weitere Informationen siehe unten in den Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
Name
Andere Namen und Schreibweisen
Namensdeutung
Der Name Schlappschill bedeutet "feuchte Heide". Der Ort entwickelte sich aus einer Forstkolonie.
- preußisch-litauisch „šlapias“ = nass, feucht
- „šlapimetis“ = regnerisches Wetter, Regenperiode, nasse Jahreszeit
- „šlapiuoti“ = nass sein, Nässe enthalten von quellendem Boden, Stocken der Wände
- prußisch "syla, šila" = Heide, Heideland, Fichtenwald
Allgemeine Informationen
Politische Einteilung
1785 war Schlappschill unbebaut.[7]
Anfänglich Forstkolonie; durch Kgl. Ordre vom 30. Juli 1880 Landgemeinde[8]
1916 Landgemeinde[9]
1939 ist Schlappschill Gemeinde und Dorf.[10]
Kirchliche Zugehörigkeit
Evangelische Kirche
Anteile von Schlappschill gehörten 1912 zum Kirchspiel Dawillen und zum Kirchspiel Plicken, vor 1854 (1888) (für Dawillen) bzw. vor 1891 (für Plicken) allerdings zum Kirchspiel (1888) Memel Land.
Katholische Kirche
Schlappschill gehörte 1888 und 1907 zum katholischen Kirchspiel Memel.
Friedhof
Alter Friedhof
Schlappschill hatte ursprünglich einen eigenen Friedhof, der nördlich der Landstrasse nach Gargsden lag. Seit ca. 1930 wurden dort keine Bestattungen mehr vorgenommen. Der alte Friedhof liegt in einem kleinem Wäldchen, man kann ihn aus östlicher Richtung gut erreichen. Von der Landstraße aus biegt man am Waldrand ab und fährt ein gutes Stück hoch, falls die Schranke nicht unten ist. Am Ende des Weges geht man in den Wald und findet bald den Eingang zum Friedhof. Er ist etwas gepflegt und man erkennt gut die Gräber und vereinzelt auch Inschriften.
Die Bilder wurden freundlicherweise von Peter Wallat zur Verfügung gestellt. Stand Mai 2012
Neuer Friedhof
Südlich der Landstraße nach Gargsden liegt der Friedhof von Löbart Nausseden. Seit ca. 1930 wurden dort auch verstorbene Einwohner aus Schlappschill beigesetzt.
Standesamt
Schlappschill gehörte 1888 und 1907 zum Standesamt Groß Jagschen.
Geschichte
Das Dorf Schlappschill wird 1864 in einer Statistik erwähnt mit 39 Wohngebäuden und 235 Einwohnern und war eine Ansammlung von Einzelgehöften ca. 2 km westlich von Garsden.
Im Mai 1870 wird der "Verband zur Entwässerung des Szlapszill-Terrains" in Form einer Genossenschaft mit Korporationsrecht gegründet. Der Verband hatte seinen Gerichtsstand bei dem Kreisgericht Memel. (Quelle: Gesetz-Sammlung für die königlichen preussischen Staaten 1870)
Aus der Sonderschrift des Memeler Dampfbootes vom 17.Juni 1930 anläßlich der Landwirtschaft- und Industrieausstellung in Kaunas: "Die erste im Memelgebiet ausgeführte genossenschaftliche Melioration größeren Stils sind die Anlagen innerhalb der Genossenschaft Schlappschill im Kreise Memel. Die Verwirklichung des aufgestellten Entwässerungsplanes erfolgte in den Jahren 1875 - 77. Angeschlossen an die Genossenschaft sind die Flächen zahlreicher Besitzer mit einem Gesamtbeteiligungsgebiet von rund 800 ha. Die Länge der ausgebauten Kanäle beträgt 14 km."
Ab 4.6.1874 gehörte Schlappschill zum neu gebildeten Amtsbezirk Groß Jagschen, welcher vom Amtsvorsteher in Baugskorallen verwaltet wurde.
Anzeige im Memeler Dampfboot vom 14.10.1875: "Freiwilliger Gutsverkauf. Das eine Meile von hier unweit der Chaussee belegene köllmische Gut Gabergischken von 1033 Morgen, sowie das Vorwerk Schlappschill von 80 Morgen, mit guten Gebäuden in Ziegeldach, vollständigem Inventar, einer Milcherei und dem ganzen Einschnitte werde ich Sonnabend, den 30. d.M. 12 Uhr Mittags in meinem Geschäftszimmer zum Verkaufe ausbieten. Anzahlung mäßig. gez. Meyhoefer, Rechtsanwalt"
Am 30.7.1880 wurde die neue Landgemeinde Schlappschill gebildet, teilweise aus dem Gutsbezirk Klooschen/Forst.
Die Gemeinde Schlappschill hatte im Jahr 1905 eine Gesamtfläche von 798 ha, 52 bewohnte Häuser und 286 Einwohner. Von den Einwohnern hatten 260 Personen Litauisch als Muttersprache, 26 Personen Deutsch.
1910 heißt der Gemeindevorsteher Lemtis, die Schöffen sind Becker und Berteitis.
Der 1. Weltkrieg hinterließ in Schlappschill seine Spuren. Besonders im März 1915 hatte das Dorf und seine Bevölkerung -sofern sie nicht geflüchtet war- sehr unter den eingedrungenen russischen Soldaten zu leiden. So wurde der Besitzer Petereit in Memel erschossen, der Besitzer Jurgan entkam schwer verletzt, jedoch mit erfrorenen Fingern an beiden Händen. Bei der amtlichen Feststellung der Schäden in Stadt und Kreis Memel bezeichnete man das Dorf Schlappschill als "mehr oder minder stark geschädigt".
Gemeindevorsteher im Jahr 1930 war der Besitzer Hermann Schmiedefeld, Kassenrendant Besitzer Michel Pareigis. Schöffen waren: Besitzer Johann Becker, Besitzer Hans Karallus, Besitzerfrau Maria Schmiedefeld.
Bürgermeister ab 1939 war der Besitzer Jonis Mestars [2]
Beitrag im MD vom 20.September 1960: Auf Kolchosen des Kreises Memel „Die Kolchosen haben alle Namen erhalten. Schlappschill, Klein Jagschen und Matzkieken nennen sich „Weg zum Kommunismus“. In Schlappschill befindet sich im Hause Jurgan die Zentralstelle für die Vieh- und Schweinekolchose.“
Bewohner
Familie Hugo JURGAN
Hugo JURGAN [3] und seine Ehefrau Ida [4]hatten ein Haus unweit der Strasse nach Laugallen.
Das Foto zeigt das Ehepaar mit seinen vier Töchtern v. l. Lucia, Erika, Waltraud und Gerda.
Familie Jonis MESTARS
Goldene Hochzeit von Jonis MESTARS [5] und Ehefrau Marinke geb. ATTS[6].
Das Foto entstand 26.9.1956 in Oberheinsdorf/Vogtland, wo das Ehepaar nach der Flucht aus dem Memelland wohnte. Im Hintergrund v. l. die Kinder Johann[7], Marie[8] und Willi. Jonis MESTARS war der letzte Bürgermeister von Schlappschill.
Jurgis LEBARTAS
Jurgis LEBARTS [9] (LEBARTAS, auch: George LEBARTU), geboren am 20.3.1869 zu Schlappschill, ist wohl die bekannteste Person des Ortes. Er war Verleger in Klaipeda und gab u.a. die Zeitung Klaipedos Garsas [10] heraus, ferner den Lietuwiu Kalendros und den Apzwalgos Kalendros. [11] Der Verlag hatte seinen Sitz in der Simon-Dach-Strasse 1 im Hause der Rytas-Druckerei.
Am 30. November 1918 unterschrieb Lebartas als einer von 24 preußisch-litauischen Intellektuellen den Akt von Tilsit[12]. In ihm wurde die Abtrennung "Kleinlitauens" (Anm.: nördliches Ostpreußen) von Preußen und die Angliederung an das neu gegründete Litauen gefordert.
Lebartas war Mitglied des Litauischen Nationalrates und des Obersten Komitees zur Rettung von Kleinlitauen. Dieses Komitee wurde im Dezember 1922 gegründet. Es verfasste als Oberster Ausschuß zur Errettung des Memelgebietes am 9.1.1923 einen von Lebartas unterschriebenen Aufruf in deutscher Sprache an die Bewohner des Memelgebietes, in welchem es gegen die Umwandlung des Memelgebietes in eine polnische Kolonie und gegen die Errichtung eines Freistaates protestierte. Stattdessen empfahl es den Anschluss an Litauen. [13] [14]
Lebartas soll sich an dem 1923 im Memelland stattgefundenen Aufstand beteiligt haben und auch verhaftet worden sein. Am 9. Juli 1923 wurde er Mitglied in der neugegründeten Ortsgruppe Memel (20. Mannschaft) des Schützenverbandes des Memelgebietes. Von 1924 bis 1939 war er Ratsmitglied in der Vereinigung der Litauer im Memelgebiet. Am 20.März 1926 wurde er zum Vorsitzenden der litauischen Sportvereinigung "Laisve" in Silute gewählt. Er war Mitglied in mehreren litauischen Vereinigungen und unterstützte die Schützen, die litauische Jugendvereinigung und die Choristen. 1935 gründete er in Silute einen Schützenverein, den er auch leitete.
1939, nach der Wiedervereinigung des Memellandes mit dem Deutschen Reich, ging Lebartas aus Angst vor einer möglichen Verhaftung nach Palanga. Für seine Verdienste um Litauen wurde er 1928 mit dem Gediminas-Orden und mehreren Medaillen ausgezeichnet. Er starb im Herbst 1944 in Palanga (andere Quellen nennen auch 1946 als Todesjahr) und wurde zunächst in Klaipeda beigesetzt, im Jahr 2002 auf den Friedhof Joniskes (Klaipeda) umgebettet.
Am alten Bahnhof von Silute befindet sich eine Gedenktafel für Jurgis Lebartas.
- Literatur zum Aufstand im Memelgebiet 1923:
Weitere Bewohner von Schlappschill finden Sie hier auf einer eigenen Seite:
Familiennachrichten aus dem Memeler Dampfboot
MD vom 5.3.1956, Aus Heimatbriefen: "Heute wissen wir, was Kommunismus heißt: alles enteignen! Alle Namen, die ich hier nenne, sind nach Sibirien verschleppt. ....Karallus aus Schlappschill, Jurgan aus Schlappschill..., alle, die für den Russen Kapitalisten waren."
MD vom 5.8.1959, "Wir begrüßen in der Freiheit": Jakob Pawils, seine Ehefrau Anna geb. Lymant und Sohn Johann aus Schlappschill.
MD vom 20.1.1959, "Wir begrüßen in der Freiheit": Am 10.2.1958 sind im Lager Friedland eingetroffen Johann Masuhr, geb. am 8.4.1868 in Schlappschill, Else Gebinnus geb. Masuhr, geb. am 6.12.1902, Wilhelm Gebinnus, geb. am 6.1.1908 und Erika Gebinnus, geb. am 10.9.1940. Am 25.11.1958 kamen Hans Masuhr, geb. 1934 in Schlappschill, seine Frau Ruth geb. Jakuszeit, geb. am 29.11.1936 und Sohn Roland, geb. am 3.8.1953.
MD vom 8.1.1960, "Wir begrüßen in der Freiheit": Christoph Mestars aus Schlappschill.
MD vom 5.7.1959: Vor etwa 4 Jahren starb in Sibirien, Bezirk Irkutsk, die Memelländerin Karallus aus Schlappschill. Nunmehr ist am 3.Mai (1959) auch ihr Ehemann Jurgis Karallus in Bodaibo gestorben, ohne seine Ausreise erlebt zu haben.
Erinnerungen
Von Willi Mestars, der sich an seine Zeit als Postfacharbeiter in den Jahren 1939-1942 erinnert:
- "Ein Jahr nach meiner Schulentlassung begann am 1. September 1939 der zweite Weltkrieg. Die Männer im wehrfähigen Alter wurden zur Wehrmacht einberufen. Mit meinen 15 Jahren wurde ich nicht zum Wehrdienst gerufen, aber zur Deutschen Post als Postfacharbeiter. Also wurde ich zum Briefträger bestellt. War das eine köstliche, abenteuerliche Zeit! Ich fühlte mich schon fast wie ein kleiner Beamter, vor allem als ich die Briefträger-Mütze etc. anlegte. Eine gute Fügung brachte es mit sich, dass ein Mitschüler, mit dem ich gemeinsam 8 Jahre die Schulbank in Gabergischken drückte, namens Willi Peleikis, ebenfalls zur Post gerufen wurde. Also waren wir beide wieder bis auf weiteres zusammen.
- Es gab viele lustige, mitunter halb tragische Begebenheiten. Wir waren drei Zusteller: ein älterer Mann namens Walluks [17] und wir zwei jüngeren. Es mussten verhätnismäßig große Bezirke bestellt werden. Ich hatte es gut, im Sommer per Fahrrad, im Winter per Skier. Außerdem hatte ich mir einen kleinen Schlitten herstellen lassen, auf dem ich auch Pakete mitnehmen konnte. Und wenn ganz schlechtes Wetter war, dann bin ich mit einem kleinen Panjepferdchen geritten. Denn im Winter standen bei uns vier Pferde im Stall, die zu wenig Ausarbeitung hatten. Jeden dritten Tag war einer von uns Dreien dran, die gesamte Post vom Sender Memel in Klausmühlen nach Gabergischken (ca. 6 km Entfernung) zu holen.
- Ich erwähne eine kleine Begebenheit: Also, an einem sehr kalten Wintermorgen war ich unterwegs, per Schlitten und Pferd, um die gesamte Post zu holen. In einer sehr scharfen Rechtskurve kippte der Kastenschlitten um und ich lag mit allen Postalien im tiefen Schnee. Das Pferd rannte in einem hohen Tempo weiter, der Schlitten richtete sich wieder von alleine auf. Alleine, ich lag hilflos im Schnee! Ich stand geschwind auf, lief hinterher und versuchte durch Zurufe das Pferd zum Stehen zu bemühen. Alles vergebens, bis endlich die Kutschierleine unter einem Schlittenkufen zu liegen kam und somit das Pferd stehen blieb. Also noch einmal den Berg hochgefahren, alles eingeladen und dann weiter. Das war eine Episode von vielen. Die Zeit als Postbote ging bis Ende September 1942, zum 1. Oktober 1942 lag mein Einberufungsbefehl zur Wehrmacht vor."
Verschiedenes
Karten
Familienforscher
Familie Mestars aus Schlappschill und Baugstkorallen: Erika Carstens, Kontakt: e.carstens(at)yahoo.de.
Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
<gov>SCHILLKO05PR</gov>
Quellen
- ↑ Schroetterkarte (1796-1802), Maßstab 1:50000
- ↑ Urmesstischblatt von 1860
- ↑ Messtischblatt 0293 Plicken, 0294 Laugallen (1910-1940), Maßstab 1:25000 © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie
- ↑ Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
- ↑ GOV: http://gov.genealogy.net/
- ↑ Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
- ↑ Johannes Sembritzki, Geschichte des Kreises Memel, Memel, 1918
- ↑ Johannes Sembritzki, Geschichte des Kreises Memel, Memel, 1918
- ↑ Johannes Sembritzki, Geschichte des Kreises Memel, Memel, 1918
- ↑ Amtsblatt Gumbinnen 1939: Neugliederung der Gemeinden und Gutsbezirke im ehemaligen Memelland ab 1. Mai 1939, S. 64ff,
http://www.memelland-adm.de/Archiv/13 Verwaltungsbezirke/index.htm