Lengerich
Hierarchie
Regional > Bundesrepublik Deutschland > Nordrhein-Westfalen > Regierungsbezirk Münster > Kreis Steinfurt > Lengerich
Früherwähnung
Name
„Liggerike" 1147; „Leggerike" 1170; „Lenkerike" 12. J.; „Lencrike" ca. 1200; „Lengerike" 1219.
Kirche
„presbiter Heinricus de Lengerike" 1149; „parrochia de Lengerke" 1188-1300; 1149 bestimmte der Osnabrücker Bischof Philipp die Grenzen der Kirche zu Lengerich u. Ladbergen; plebanus Wilhelmus 1290.
Grundherrschaft
1147 bestätigte Konrad III. dem Kloster in Herford den Besitz in Lengerich.
Landschaftslage
Lengerich liegt am nordöstlichen Rande des flachen sandigen Ostmünsterlandes mit seinen 1954 noch verbreiteten Wäldern in 70 m Höhe unmittelbar am südlichen Fuß des Tecklenburger Osning vor einer als Verkehrspaß vom Münsterland zum Osnabrücker Land benutzten Einsattelung. Bergwärts ausgedehnte Lager von Kreidekalken als Basis der Zementindustrie.
Geografische Position
- 1895: Geogr. Position bei (N 52° 11' | O 7° 51')
Ursprung der Ortschaft
Kirchdorf 1149. Flecken 1697.
Stadtgründung
Der Flecken Lengerich wurde durch König Friedrich Wilhelm I. mit Stadtrechten ausgestattet (1727). 1856 unterstellte sich Lengerich der Landgemein-deordnung als Titularstadt im Amte Lengerich. 1927 wurde die Landgemeinde Lengerich in die Stadtgemeinde übergeführt.
Stadt als Siedlung
Bauliche Entwicklung
Gewachsene Siedlung, Mittelpunkt Kirche; ellipsenförmiger Grundriß, Straßen rippenförmig. Keine Befestigungen.
Gebäude
Erste Kirche wohl um 800, erwähnt 1149. Margarethenkirche (ev. Stadtkirche) 1327, Umbau 1497. „Römer" um 1500, Aufbau des Obergeschosses als Rathaus 18. Jh. Neues Rathaus um 1900. Kath. Kirche 1893, Neubau 1926-28. Ev. Kirche im Ortsteil Hohne 1924. Alte Fach-werkhäuser. Haus Mark, spätere 18. Jhdt. Stadtschule 1829.
Zerstörungen 2. Weltkrieg
Völlig zerstört: 31 Wohnhäuser, 1 Schule. Schwer beschädigt: 45 Wohnhäuser, 1 Schule, 1 Fabrik, 1 Postgebäude. Weitere Schäden: 226 Wohnhäuser, 2 Kirchen. 256 Wohnungen gingen verloren.
- Kriegsschäden sind bis 1954 behoben.
Bevölkerung
Ältere Einwohnerzahlen
1785: 861 Einwohner.
Seuchen
Pest 1636 in der Grafschaft Tecklenburg.
Bevölkerungsverzeichnisse
- Kirchenbücher: ev. seit 1644
- Kirchenbücher: kath. seit 1851.
Abschriften der Mormonen
Staats- und Personenstandsarchiv Detmold
- 1810-1813 (Zivil, Stadt) Geburten, Aufgebote, Heiraten, Tote
- 1810-1813 (Zivil, Land) Geburten, Aufgebote, Heiraten, Tote
- 1815-1874 (ev.) Geburten, Heiraten, Tote
- 1851-1874 (rk.) Geburten, Heiraten, Tote
- 1815-1821 (Juden, Pfarrbezirk) Geburten, Heiraten, Tote
- 1822-1847 (Juden, Bürgermeisterei) Geburten, Heiraten, Tote
Berühmte Personen
- Johann von Münster, tecklenburgischer Hofrichter, ref. Schriftsteller und Reformator, * 24.08.1560 Vortlage (Ldgm. Lengerich), + 05.06.1632.
- Friedrich von Bodelschwingh, Gründer der Anstalt Bethel bei Bielefeld, * 06.03.1831 auf Haus Mark Ldgm. Lengerich), + 02.04.1910.
Jüngere Einwohnerzahlen
1818: 1.058 Einwohner (E.), 1821: 1.173 E., 1843: 1.425 E., 1858: 1.341 E., 1864: 1.403 E., 1871: 1.790E., 1885: 2.032 E., 1895: 2.183 E., 1905: 2.675 E., 1933: 13.181 E., 1939: 13.733 E., 1946: 17.799 E., 1950: 19.647 Einwohner (davon im Stadtkern 9.763 Einwohner, die anderen in umliegenden Bauerschaften der Stadtgemarkung' darunter Holme: 2.109 E., Heilanstalt Bethesda 1.264 E.), 1954: 19.999 E. (davon im Stadtkern 9.812 Einwohner). - Die Industrie zog Anfang 20. Jhdts. viele ausländische Arbeiter heran.
Sprache
Die niederdeutsche Mundart von Lengerich war bis Anfang 20. Jhdts. Umgangssprache. Sie gehört in den Unterraum Osnabrück-Melle des Westfälischen. Kennzeichen: bin `(ich) bin' (gegen südlich sin, si u. ä.).
- Sprachspott in Ladbergen gegen Lengerich: „Gaun, staun, Meß upslaun…, aule Kreggen Hols ümmedreggen", Ladbergen sagt: „gaon, staon, slaon, Kreien, dreien".
Wirtschaft
Handel u. Gewerbe
1954: Bis zum 19. Jhdt. vorwiegend Ackerbürgerstadt mit 2 Jahrmärkten. 1662 Papiermühle in der zugehörigen Bauerschaft Wechte. Im 18. Jhdt. Brauerei- und Leinenwebereigewerbe sowie Anfänge einer Kalkindustrie. 1871 mit dem Bau der Eisenbahn Aufblühen der kalksteinverarbeitenden Industrie; erste Zementherstellung 1890. 1954 hat Lengerich mehrere Zement- und Betonwerke (1874, 1877 u. a.). Drahtseilwerk 1818, Eisengießerei und Herdfabrik 1888, Fahrradfabrik 1910, Apparatebau 1946. Papiermaschinenfabrik 1865, Papierverarbeitungswerk 1892, Fetthüllenfabrik 1902. Bettwäschefabrik 1924, Handelsdruckerei, Knopfherstellung. Die 1747 gegründete Tabakfabrik wird seit 1807 als Seifenfabrik weitergeführt. Wurstfabrik 1902, Fleischwarenfabrik, Süßmostkelterei 1934. Holzschuhfabrik, Hartzerkleinerungs- und Zement-Maschinenbau (HAZEMAG).
Verkeht
1954: Die Lage vor einem für den Übergang vom Münsterland ins Osnabrückische geeigneten Sattel kam erst spät zur Geltung durch den Tunnel, mit dem der Lengericher Sattel von der Bahn (Köln-) Wanne-Eickel -Münster - Lengerich - Osnabrück - Bremen - Hamburg (1871) überwunden wurde. Quer dazu verlief die Teutoburger-Wald-Bahn Ibbenbüren – Lengerich – Versmold -Gütersloh (1901), Bahnhof beim Ortskern; Hauptbahnhof 1954 2 km südlich. Straßen: (Münster-) Greven - Lengerich - Osnabrück und Ibbenbüren-Tecklen-burg - Lengerich -Iburg.
Umgebungsbedeutung
1954: Lengerich ist wirtschaftlicher Mittelpunkt für den südlichen Teil des Kreises Tecklenburg.
Verwaltung
Rat
1727 bestand der Magistrat aus 2 Bürgermeistern, 4 Ratsherren und 1 Polizisten.
Landesherrschaft
Landesherren
Lengerich liegt in der Grafschaft Tecklenburg und kam mit dieser 1707 an Preußen.
- 1707-1729 tecklenburg-lingensche Regierung als preußische Provinz mit Sitz in Lingen.
- 1729 endgültige Abtretung der ganzen Grafschaft Tecklenburg an das Königreich Preußen.
- 1806-1810 gehörte Tecklenburg zum Großherzogtum Berg, Emsdepartement
- 1810 bis 1813 Kaiserreich Frankreich, Oberemsdepartement, Arrondissement Osnabrück, Kanton Lengerich, Mairie Lengerich
- 1813 Preußisches Gouvernement Weser-Rhein
- 1815 Preußen, Provinz Westfalen, Regierungsbezirk Münster, Kreis Tecklenburg
- 1946 Land Nordrhein-Westfalen, ab 1975 Kreis Steinfurt.
Kriegerische Ereignisse
Lengerich litt im 7jährigen Krieg sehr durch beide Parteien.
Zeitzeichen 1895
- Lengerich, Stadt / Stadtgemeinde in Deutschland, Königreich Preußen, Provinz Westfalen, Regierungsbezirk Münster, Kreis Tecklenburg, Amt Lengerich, am Südfuss vom Teutoburger Wald,
- Zuständigkeit/Einrichtungen: Standesamt Lengerich, Amtsgericht Tecklenburg, ev. Kspl Lengerich, kath. Kspl Brochterbeck, , ev. Pfr-Kirche, Synagoge, Postbezirk, Telegrafenamt, Eisenbahnstation Linie Bremen <> Wanne der Preuss. Staatsbahn. Gefängnis, 2 Krankenhäuser, Prov.-Irrenanstalt (Bethesda).
- Gesamtfläche 327,4 ha, (1895) 3 Wohnplätze, 220 Gebäude
- Einwohner: 2.183 (2.076 Ev., 52 Kath., 55 Juden)
- Gewerbe: Brennereien (Kalk), Fabrikation (Drahtseile, Tabak, Seide, Cichorien, Pumpernickel, Papier), Weberei (Leinen), Fabrikation (Apothekerkapseln), Brauerei (Bier), Molkerei, Steinbrüche (Kalkstein).
- Lengerich, Landgemeinde im Amt Lengerich
- Zuständigkeit/Einrichtungen: Amtsgericht Tecklenburg
- Einwohner: 5.164 in 10 Bauersch. u. 2 Rittergütern.
- Quelle: Hic Leones
Siegel, Wappen, Fahne
Datei:Wappen-Lengerich1948.jpg | Beschreibung:
Wappen 1948: In Blau ein aufrechter goldener Anker mit einem quer durch den Ring gezogenen grünen Lindenzweig, nach einem Siegel aus 1. Hälfte 18. Jh. Die Lindenblätter wahrscheinlich aus den Tecklenburger Seeblättern entstellt. Wiedereinführung des alten Wappens (jedoch mit 2 verschränkten goldenen Lindenzweigen) 1948. |
Datei:Wappen-Lengerich1939.jpg | Beschreibung:
Wappen 1939: In Silber über einem grünen Dreiberg, der mit einem silbernen, 2 blaue Balken zeigenden Schildchen belegt ist, 3 rote Seeblätter. Stadtfahne 1951: Weiß-Grün mit aufgelegtem Wappen in der Mitte. |
Finanzwesen
Münzwesen
Notgeld, ausschließlich Papier. Amt Lengerich 1923: 1 und 5 Mill.
Stadtgebiet
1858: 408 ha, 1893: 318 ha, 1900: 327 ha, 1927: 9205 ha, 1951: 9206 ha.
- Eingemeindung 1927: Lengerich -Land (8.914 ha).
- Abtretung an Tecklenburg 1930: Teil der Bauerschaft Wechte (38 ha, 65 Einwohner.).
- 1935 Stadt Lengerich
Politische Einteilung
Zu Lengerich gehören die Stadtteile Antrup, Aldrup, Exterheide, Hohne, Intrup, Niederlengerich, Niedermark, Ringel, Schollbruch, Settel, Stadtfeldmark und Wechte.
Kirchenwesen
Bistümer seit Mittelalter
Bistum Osnabrück, Archidiakonat des Dompropstes von Osnabrück, 1954 Bistum Münster. Dekanat Ibbenbüren. Margarethenkirche im Spätmittelalter Wallfahrtskirche, Patronat der Äbtissin von Herford.
Reformation
Reformation seit 1525 eingeführt. Reformiertes Bekenntnis 1591. Kreissynode Tecklenburg.
Bekenntnisse
1871: 37 Kath., 1925: 642 Kath., 1946: 2758 Kath., 82% Ev., 1950: 16 344 Ev., 3000 Kath., 662 Andersgläubige.
Juden
1788: 9 jüdische Familien. Da Lengerich Grenzgebiet gegen das den Juden versperrte Osnabrücker Land war, wohnten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhdt. über 100 Juden in Lengerich (1823: 114). Seitdem fiel die Zahl ständig. 1871: 91, 1925: 53 Juden. Synagoge 1820.
Wohlfahrtspflege
1954: Zwei städtische Krankenhäuser (das 2. seit 1948). Provinzialkrankenhaus für Hirn- und Nervenschäden. Provinzialheilanstalt. Gaswerk 1908, erweitert 1921. Elektrizität 1918. Teilwasserleitung 1934/35. Teilkanalisation 1954 im Ausbau (u. a. 1930/31).
Bildungswesen
Schulen
1954: Lateinische Schule im 17. Jhdt. vorhanden, später Rektoratschule, Mittelschule 1930. Erste öffentliche Volkschule mit 1 Klasse in 2. Hälfte 17. Jhdts., 2. Klasse Ende 18. Jhdt., 1879: 4 Klassen, 1954 zwölfklassige Stadtschule. Älteste bekannte Schule in der Bauerschaft Wechte 1684 gegründet. Zweite Volksschule 1780. 1797: 3 Schulen, 1800: 5, 1820: 6, 1823: 7, 1892: 8, 1895: 9, 1897: 10, 1898: 11, 1903: 12, 1905: 14, 1908: 15, 1910: 16, seit 1913: 17 Volksschulen. Landwirtschaftsschule von Westerkappeln nach Lengerich verlegt 1936. Westfälische Provinzialschule für Wohlfahrtspflege von Dortmund nach Lengerich verlegt 1946. Kreisberufsschule.
Zeitungen
- Tecklenburger Landbote 1929.
Archiv
- Lengerich/Stadtarchiv
- Evangelisches Pfarrarchiv
Artikel-Quellen
- Deutsches Städtebuch, Handbuch städtischer Geschichte, Bd. III. Nordwest-Deutschland, II. Westfalen (1954) W. Kohlhammer Verlag Stuttgart
- Adreßbücher, Stadtarchiv
Bibliografie
- Am Teutoburger Wald (1928).
- Brennecke, A.: Inventare der nichtstaatl. Archive des Kr, Tecklenburg (1903).
- Bau- u. Kunstdenkmäler, Kreis Tecklenburg (1908),
- Büld, H.: Volk und Sprache im nördl. Münsterland (1939).
- Gärtner, 0.: Die Stadt Lengerich in ihrer Sozial- und Wirtschafts-struktur (1937).
- Lengerich, Werden und Walten 1147-1947 (1947).
- Prinz, J.: Das Territorium des Bistums Osnabrück (1934).
- Schräwer, A.: Entwicklung und Verflechtung der Industrie des Kreises Tecklenburg (Diss. 1938).
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