Aulenbach: Unterschied zwischen den Versionen

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|[[Bild: Aulowönen Kirchspiel Aulenbach 006 - Sängerfest in Gaststätte Rautenberg.jpg|thumb|360 px|<center>'''Saal im Gasthaus Rautenberg''' Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) Aufführung um 1925  </center>]]
|[[Bild: Aulowönen Kirchspiel Aulenbach 011 - Gaststätte Rautenberg Ballsall.jpg|thumb|340 px|<center>Elfriede Rautenberg am Klavier im Saal des  '''Gasthaus Rautenberg''' - Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) um 1930  </center>]]
|[[Bild: Aulowönen Kirchspiel Aulenbach 011 - Gaststätte Rautenberg Ballsall.jpg|thumb|340 px|<center>Elfriede Rautenberg am Klavier im Saal des  '''Gasthaus Rautenberg''' - Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) um 1930  </center>]]
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Version vom 16. März 2015, 23:38 Uhr


Diese Seite gehört zum Portal Insterburg
Wappen des Landkreises Insterburg

A u l e n b a c h ( Ostp. )

Kirchspiel Aulenbach ( Aulowönen )
Landkreis Insterburg, O s t p r e u ß e n
_________________________________

Datei-Aulenbach (Ostp) Kirchspiel Aulenbach Evang. Kirche 2.JPG


Hierachie: Regional > Deutsches Reich > Ostpreußen > Regierungsbezirk Gumbinnen > Landkreis Insterburg > Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.) >Aulenbach


Gemeinde und Kirchdorf
Aulenbach
Kirchspiel Aulenbach (Ostp.)
Provinz : Ostpreußen (nördliches)
Regierungsbezirk : Gumbinnen
Landkreis : Insterburg [1] [2]
Amtsbezirk : Aulenbach [3]
Gegründet : nach 1376
Frühere Name : Auluwöhnen (nach 1376)
Auloweinen (nach 1619)
Rinkohnen (vor 1730)
Groß Aulowehnen (nach 1736)
Aulowehlen (nach 1777)
Groß Aulowöhnen (nach 1785)
Groß Auluwöhnen (nach 1815)
Groß Auluwönen (nach 1912)
Aulowönen (bis16.07.1938)
Einwohner (1939) : 1.049 [4]
Orts-ID : 49795 (nach D. Lange)
Geographische Lage
Koordinaten : N 54° 80′ 37″ - O 21° 77′ 80″
Datei:Karte Europa mit Ostpreußen.pdf Datei:Ksp Aulenbach - Karte - Lage im Kreis Insterburg.pdf
Datei:Karte Kirchspiel Aulenbach Gemeinde Aulenbach.pdf


Einleitung

Aulenbach - Poststempel 1940.jpg
Ort Aulenbach (Aulowöhnen) mit Ortsteil Alt-Lappönen 1939


Allgemeine Information

Kirchdorf und G e m e i n d e im gleichnamigen Kirchspiel Aulenbach. Schule am Ort, Amt, Standesamt & Gendarmerie: Aulenbach, Poststelle Aulenbach über Interburg 2 .

Ort Aulenbach (Kalinovka) mit Ortsteil Alt-Lappönen 1942 (1:50.000)

Das Kirchdorf Aulenbach lag in ”Klein Litauen (Lithuania minor)"[1] oder ”Preußisch Litauen”, dem nordöstlichen Teil des alten Ostpreußen.

Seine Einwohner waren nach der Reformation überwiegend evangelisch, eine eigene Kirche ist seit dem 17. Jahrhundert bekannt.

Koordinaten

GPS-Daten  : N 54° 80′ 37″ (Breite) - O 21° 77′ 80″ (Länge) [5]


Ortsnamen

Ort Aulenbach / Ostp. (Kriegerdenkmal, Schule, Kirche, Grünheiderstr.) 1939

Am 16.07.1938 entstanden durch Umbenennung des Kirchdorfes Groß Aulowönen / Ostp.

  • deutsche Ortsbezeichnung (Stand 1.9.1939): Gemeinde Aulenbach
  • vorletzte deutsche Ortsbezeichnung (vor der Umbenennung 1938) : Aulowönen


  • Wegfall der Zusatzbezeichnung nach 1912 : Groß Auluwönen
  • Feststellung der Schreibweise nach 1815 : Groß Auluwöhnen
  • Feststellung der Schreibweise nach 1785 : Groß Aulowöhnen
  • Namensänderung nach 1777 : Aulowehlen
  • Namensänderung nach 1736 : Groß Aulowehnen
  • Namensänderung nach 1730 : Rinkohnen
  • Namensänderung vor 1730 : Auloweinen
  • Feststellung der Schreibweise nach 1376 : Auluwöhnen
  • weitere (alte) Ortsnamen : Aulowönen, Aulowöhnen, Auloweinen, Auluwönen , Groß Aulowöhnen


Alt Lappönen ist unter Beibehaltung seines Ortsnamens ein Ortsteil der Gemeinde Aulenbach. Der Ort existiert heute unter dem Namen Kalinovka (Russland).

Weitere Ortsinformationen aus der Zeit vor der Umbenennung (1938) siehe unter Aulowönen.

Wirtschaft

Ort Aulenbach / Ostp. (Molkerei Genossenschaft) 1939

Aulenbach ist wirtschaftlicher Mittelpunkt des gleichnamigen Kirchspiels mit folgenden eingetragenen Firmen :

Adler Apotheke Luise Barkow; Emil Eschmann; Adolf Günter; Julius Gefeller; Dampfziegelei Ewald Guddadt; Gustav Knackstädt, Arthur Meyer; Gsstwirtschaft August Rautenberg; Dampfmühle Otto Schiemann; Ziegelei Teufel Emma Teufel; sowie 1 Molkereigenossenschaft ; An- und Verkaufsgenossenschaft; Raiffeisenkasse; Volksbank Insterburg (Nebenstelle); Landmaschinenreperatur u. Pflugfabrik Karl Hertzigkeit; Autoreperatur u. Handel Schwarznecker u. Reck; Buchdruckerei Curt Stamm; Arzt Dr. Epha; Tierarzt Jaeckel, Zahnarzt (Dentist) Quidor;

Es wurden regelmäßig Wochenmärkte abgehalten, 2 Mal im Jahr Pferde- und Viehmarkt mit Krammarkt. Den Güter- und Personenverkehr, vor allem zur Kreisstadt Insterburg, versah überwiegend die Insterburger Kleinbahn (IKB), die hier einen größeren Haltepunkt mit Verladegleisen hatte. [2]

Haushalte


Einwohner


1939 sind 516 Einwohner männlich, 138 unter 6 Jahren, 168 zwischen 6-14, 689 zwischen 14-65, 54 über 65 Jahre; es waren 418 in der Land- und Forstwirtschaft, 382 in Handwerk und Industrie, 79 in Handel und Verkehr; mit Angehörigen ohne eigenen Beruf wren 300 selbständig, 145 mithelfende Familienmitglieder, 70 Beamte und Angestellte, 426 Arbeiter

Ort Aulenbach / Ostp. (Gaststädte Rautenberg / Villa Teufel.) 1939


Die nachfolgenden Ortspläne und die Häuserlisten von Aulenbach im Jahre 1939 wurden von ehemaligen Bewohnern aus dem Gedächtnis erstellt, dieser vorliegende Plan von Erich Gettkandt. Sie sind die Erinnerungen eines damals 14 jährigen Jungen. Die Originale befinden sich im Privatbesitz. Die Ortspläne sind nicht Maßstabsgetreu und die Namenslisten können unvollständig sowie fehlerhaft sein.
Datei:Aulenbach - Lageplan der Häuser und Bewohner 1939.pdf
Datei:Aulenbach (Ostp) - Lageplan der Häuser (mit fehlenden Häusern) und Bewohner 1939.pdf



Zahl und Größe der landwirtschaftlichen Betriebe

  • 140 : 0,5 - 5 ha [2]
  • 34  : 05 - 10 ha [2]
  • 20  : 10 - 20 ha [2]
  • 5  : 20 - 100 ha [2]
  • 1  : über 100 ha [2]


Ortsgrundfläche

  • (keine Information)


Politische Einteilung

Datei:1196 Aulenbach - Aulenbach (Gemeinde) 1939 V2.pdf 

Provinz  : Ostpreußen
Regierungsbezirk  : Gumbinnen

Landkreis  : Insterburg [7]
Amtsbezirk  : Aulenbach [8]
Gemeinde  : Aulenbach (ab 16.7.1938)
Kirchspiel  : Aulenbach (Aulowönen) Ostp.

im/in  : östlich des Aule-Bach
bei  : 19,5 km nördl. v. Insterburg

Weitere Informationen

Orts-ID : 49795

Fremdsprachliche Ortsbezeichnung : Калиновка
Fremdsprachliche Ortsbezeichnung (Lautschrift):

russischer Name : Kalinovka / Kalinowka
Kreiszugehörigkeit nach 1945 : Черняховский р-н (Tschernjachowskij Rayon, Insterburg)
Bemerkungen aus der Zeit nach 1945 :
weitere Hinweise :
Staatszugehörigkeit : Russisch

Ortsinformationen nach D. LANGE, Geographisches Ortsregister Ostpreußen (2005) -- [9]


Kirchliche Einteilung/Zugehörigkeit

Evangelische Kirche ²

Zugehörigkeit :

  • Kirchspiel Aulowönen --> Kirchenkreis Insterburg --> Kirchenprovinz Ostpreußen --> Kirchenbund Evangelische Kircher der altpreußischen Union


Kirchenstempel Evangelische Kirche Aulowoenen (Ostp.) ca. 1930
Evang. Kirche Aulenbach (ca. 1938)

Die Kirche soll im Jahr 1610 - 1622 gegründet worden sein, Patron ist der König. 1619 erhielt Pfarrer Joh. Neander vom Kurfürsten Sigismund zu den 4 Widedehufen weitere 3 Hufen Übermaß in Aulowönen, im Salauschen, zuvor war die Urkunde hierfür für den Schulmeister Loth Krause ausgefertigt worden. Die erste Kirche war ein unansehlicher Bau, teilweise aus Ziegelm teils aus Holz.

Ein Bauer, Danny Szaknys (zu Deutsch Daniel Würfel), der im Jahre 1731 im gesegneten Alter von 116 Jahren starb, erzählte, daß er beim Bau der ersten Kirche im Aulowönen, der 1622 gebann und drei Jahre dauerte, zuletzt als Handlanger Ziegel herantrug. Der erste Aulowöner Pfarrer habe ihm in den ersten Jahren seines Dienstes getauft und zwar in der zunächst in Naggen bei Aulowönen auf Pfählen in Form einer Scheune errichteten Notkirche. Die Pest in den Jahren 1653 und 1688 habe in der Gemeinde sehr viele Menschen hingerafft. Noch höhere Opfer gab essin den 1709/10.

Im Jahre 1709 brannte diese Kirche vollständig ab. In den folgenden 8 Jahren wurde auf den alten Grundmauern ein hölzerner Notbau errichtet. der aber bereits im Jahre 1727 wieder baufällig wurde.

Ein Entwurf des Landbaumeisters Fischer für einen neuen Kirchenbau aus dem Jahre 1727 "zeigte einen geschmackvollen Still bei sparsamsten Mitteln". Nach ihm wurde dann im Jahre 1728 ein einfacher Feldsteinbau mit späterem Holzturm erbaut und 1730 fertiggestellt. Zum Bau dieser Kirche schickte der Amtmann Mühlpfort aus Georgenburg, 10.000 Ziegel, andere Ämter taten ähnliches. In der Kirchenrechnung vom Jahre 1747 heißt es "dem Meister Logien für Reparierung der Bälge an der Orgel 2 Taler, 45 Silbergroschen bezahlt". Zu der Zeit muß in der Kirche somit bereits eine Orgel gewesen sein.

Pfarrer Bernecker nennt für die mit sehr starken Mauern erbaute letzte Kirche das Jahr 1773. Ein abgeputzter Feldsteinbau mit stichbogigen Fenstern, ungefähr 33 m lang, 13 m breit mit einen hölzernen Dachreiter von 1813 mit welscher Haube, welche eine Wetterfahne mit der Jahreszahl 1813 trägt. Ein Eckstein an der Nordseite der Kirche trägt die Jahreszahl 1622. Im Dachreiter hängen zwei Glocken, sie sind 1735 und 1779 gegossen.

Das Innere dieser Kirche ist einfach, der Innenraum hat eine flache niedrige Decke. Die Emporen ziehen sich um das ganze Schiff herum. Der Kanzelaltar entstand zur Zeot des Kirchenbaues. Die Orgel wurde 1859 von Scherweit (Königsberg), erneuert und schließlich 1932 durch einen Neubau mit 20 Register von Furtwängler (Hannover), ersetzt. Gestühl und Bänke sind weiß und gold gestrichen, was dem Inneren ein festliches Gepräge gibt - zwei große Messingleuchter auf dem Altar wurden 1640 von dem damaligen Dorfschulzen Egidius Strützel gestiftet, ein bleiernes Pulpet vom Jahr 1683, ein Bibelbuch aus dem Jahre 1565 mit verbleiten Zinndeckeln, ware kostbare Reliquien der Kirche.

Das Vermieten der Kirchstände und Sitze war wohl immer ein sehr einträgliches Geschäft für die Gemeinde. Eine Liste aus dem Jahr 1799 nennt die Namen derjenigen, die sich so einen Platz in der Kircher erworben haben, fast die Hälfte der dort aufgeführten Namen sind Salzburger Nachkommen.

Im Jahre 1807 verwüsteten die Franzosen Kirche und Pfarrhaus, raubten die Abendmahlsgeräte und verbrannten Kirchenbücher. In der Kirchenrechnung von 1806/07 heißt es dazu : "Da durch die öfteren und mehr als hundertfachen Plünderung, auch durch gewaltiges Erbrechen der Schranken, welche die hiesigen Widdem in 3 Wochen, besonders den 18., 19, und 20. Juny hatte erdulden müssen und wobei Pfarrer an Geld, Silber, Vieh, Pferde, Wagen und Getreide gegen 3000 Reichsthaler wenigsten verlohren hat und unter anderem zwey beutel von 100 Groschen grob Courant und ein beutel wenigstens von 80 Groschen mit Schulgeld verlohren gegangen, so sind wenigsten hundert und achtzig Groschen hier in Rest gebrachtworden".

1925 wurden noch vereinzelt Gottesdienste in litauischer Sprache abgehalten, obwohl weniger als 50 Mitglieder der Gemeinde litauisch als Muttersprache angaben - um 1900 wurde die Pfarre Aulowönen als Muster hingestellt, "wo es möglich war, daß binnen kurzer Zeit aus einer verwahrlosten eine mustergültige Gemeinde entstand". 1932 gehörten der Kirchengemeinde 79 ha Pfarrland, wovon 64 ha verpachtet waren, den Rest bewirtschaftete damals Pfarrer Bernecker, als Verwalter der Kirchengemeinde.

Einsegnungsurkunde 1944 Evangl. Kirchengemeinde Aulenbach (Ostp.) unterschrieben von Superintendent Bernecker

Dass Pfarrhaus stammt aus dem Jahre 1720, es umschloss 13 große Zimmer und den Konfirmandensaal, es lag in einem 4 Morgen großen Obstgarten mit einem Teich, einer großen Scheune und geräumigen Stallungen, sowie zahlreichen anderen Nutzräumen

Dem letzten Gemeinde-Kirchenrat gehörten folgende Personen an :

  • Scharfetter (aus Kallwischken)
  • Dalheimer (aus Kiaunischken)
  • Scharfetter (aus Ernstwalde)
  • Forstreuter (aus Lindicken)
  • Lehrer Rege (aus neu Lappönen)


Die Pfarrer der Kirche

Johann Neander (1610-1638 ?) - Johann Fuchs( - 1654) - Jacob Albrecht Pusch (1647-1667) - Christoph d.Ä. Voigt (1667-1682) - Christoph d.J. Voigt (1682-1709) - Johann Christoph Voigt (1710-1746) (Chr. Voigt d.Ä. kam aus Norköping in Norwegen nach Aulowönen, ihm folgte sein Sohn der 1709 an der Pest starb, dann dessen Sohn bis 1746, die Pfarrstelle war also 3 Generationen in einer Familie) - Jonas Christoph Pusch (1746-1771), Johan Friedrich Roscius (1772-1808) - Johan Friedrich Hertell (1808-1825 ?) - Ed. Alexander Hundertmark (1841-1845) - Julius Hermann Schulz (1845- ) - August Friedrich Schulz (1853-1882) - Carl Hch. Bernhard Moeller (1882-1919) - Julius Jacob Alexy (1919-1926) - Paul Bernecker (1927-1936), unbesetzt (1937) - Gerhard Matern (1938 - 1944 ?) - 01.01.1945 unbesetzt


(Bilder im "Insterburger Brief" (Jahrgang/Seite) 11/7 "Die Aulowöner Kirche" , 14/176 "Das Dorf mit der Kirche" , 28/144 "Blick ins Dorf mit Kirchturm"

Katholische Kirchen

zur Zeit keine Informationen

Neuapostolische Kirche

Kirchenstempel Neuapostolische Gemeinde Aulenbach (Ostp.)ca. 1937


Wie aus dem Stempel (rechts) erkennbar gab es in Aulenbach eine neuapostolische Gemeinde.

Der Apostelbezirk Königsberg (Ostpreußen) ist eine ehemalige Gebietskirche der Neuapostolischen Kirche. Ende 1933 hatte er 20.346 Mitglieder; Ende 1934 umfasste er 20.472 Mitglieder.

Der Apostelbezirk Königsberg gliederte sich 1934 in folgende 9 Bezirke: Bezirk Königsperg / Pr. , Bezirk Arys, Bezirk Danzig, Bezirk Deutsch-Eylau, Bezirk Bromberg (Polen), Bezirk Königsberg-Ponarth, Bezirk Eydtkuhnen, Bezirk Prostken, Bezirk Tilsit,

Er löste sich infolge von Flucht und Vertreibung der meisten Mitglieder gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1944 bis 1947 auf. Er umfasste Ostpreußen, die Stadt Danzig (nach 1918 Freie Stadt Danzig), Litauen und Teile Polens (Westpreußen). [10]



Schule

Schulpflicht

Königliche Verordnung zur Einführung der Allgemeinen Schulpflicht in Preußen, 1717.

Am 28. Oktober 1717 führte der König durch die königliche Verordnung im Prinzip die allgemeine Volksschulpflicht auf den königlichen Domänengütern ein. So sollte jedes Kind zwischen fünf und zwölf Jahren zur Schule gehen.

„Wir vernehmen missfällig und wird verschiedentlich von denen Inspectoren und Predigern bey Uns geklaget, dass die Eltern, absonderlich auf dem Lande, in Schickung ihrer Kinder zur Schule sich sehr säumig erzeigen, und dadurch die arme Jugend in grosse Unwissenheit, so wohl was das lesen, schreiben und rechnen betrifft, als auch in denen zu ihrem Heyl und Seligkeit dienenden höchstnötigen Stücken auffwachsen laßen.“
Friedrich Wilhelm I.

Während seiner Regentschaft stieg das allgemeine Bildungsniveau in Preußen deutlich. Die 1717 erlassene Schulpflicht trug dazu wesentlich bei, auch wenn sie sich durch den schwachen und finanzarmen Staat nicht gleich flächendeckend durchsetzen konnte. So gab es statt der 320 Dorfschulen vom Jahre 1717 bei seinem Todesjahr (1740) schon 1480 Schulen. [3]


Meine Schulzeit in Aulenbach

Im Jahr 2013 verfasste Lothar Kuprat einen Bericht "Erinnerungen an die Schule in Aulenbach" der interessante Informationen über das Schulleben in den 1930iger Jahren in Aulenbach enthält. Der Bericht (siehe rechts) kann auch runtergeladen werden :

Datei:Erinnerungen an die Schule in Aulenbach.pdf

Nach dem Umzug komme ich mitten in das 2.Schuljahr. Eine Zwergschule mit 2 Lehrern in der alten Heimat, hier eine mehrklassige Schule mit mehreren Lehrern. Meine erworbenen Privilegien dahin. Als Neuer in die erste Reihe!
Das Schulgebäude hat 4 Klassenräume, in denen je 2 Schuljahre unterrichtet werden. 2 Räume befinden sich im Erdgeschoss, die beiden anderen im 1.Stock. Im Dachgeschoss ist für die Mädchen eine Küche eingebaut.
Auch hier die spartanische Ausstattung. Harte 2er und 4er Sitzbänke, die Tische mit Tintenklecksen versehen oder manche Erinnerung mit dem Messer eingeritzt ... Die eingelassenen Tintenfässer bestanden anfangs aus Zinn und waren zum Erstellen (gießen) unserer Zinnsoldaten bestens geeignet. Bis zur 2.Klasse gehörten Schiefertafel, Griffel und Schwamm (Spucke!) in unseren Tornister. All das kann man in Museen besichtigen. Die Umstellung auf Tinte mit der Redisfeder und Papier war zu Beginn mit viel Unheil verbunden. Tintenkleckse auf dem Papier und ständig blaue Finger gehörten dazu. Manche mühsam erstellte Hausaufgabe musste wiederholt werden. Bis 1940 haben wir die Sütterlinschrift geschrieben. Parallel wurde bereits vorher die lateinische Schrift gelernt.
Neben mir der Schüler (Name bekannt), frech und wenig rücksichtsvoll, bediente sich ab und zu auch meiner Utensilien, da er selbst wenig besaß. Verpetzen wäre mir nicht gut bekommen, es war auch nicht üblich. Für meine unfreiwillige Hilfe hat er mich stets vor anderen beschützt. Das Problem löste sich mit der Versetzung, er durfte seinen Platz behalten. Früher wurde nach Ostern eingeschult, die Schulzeit endete nach der 8.Klasse ebenso. Die Umstellung auf den Sommer erfolgte im Jahr 1941.
Schulleiter Herr Klein, wir sagten Präzenter, ein ostpreußischer Ausdruck für einen Dorfschullehrer. Uns unterrichtete er in Musik und Religion. In der Kirche spielte er die Orgel.
Klassenlehrerin Fräulein Peschke, von uns Rapetschke (Frosch) genannt, weil sie sich sprunghaft in der Klasse bewegte. Mit 30 oder mehr Kindern hatte sie große Schwierigkeiten. Ab und zu schlug sie blindlings mit dem Rohrstock um sich, obwohl es damals bereits untersagt war.
Personal-Karte für Lehrer Friedrich Gabriel Aulowönen 1931-1937
Lehrer Gabriel gab Natur- und Heimatkunde, später Geschichte. Er führte uns zu den sagenumwobenen Hügeln Bambul und Spitzin. Als anerkannter Heimatforscher hat er in der Zeitschrift "Nadrauen" seine Ergebnisse veröffentlicht. Durch ihn wurde für mich Geschichte auch ein Lieblingsfach. Ältere Schüler nannten ihn Gorilla, weil er viel über Affen erzählte. Er war im 1.WK verschüttet und hatte dadurch gesundheitliche Probleme. Hatte jemand Käsestullen in der Tasche, roch er es, die Tasche musste aus dem Fenster gehängt werden. Ein Aulenbacher ohne Tilsiter Käse?
3.Klasse. Klassenlehrer war Paulun mit den Fächern Deutsch, Rechnen, Raumlehre und Sport. Ein gefürchteter Lehrer mit enormem Verbrauch an Rohrstöcken, die er oft im Ärmel eingeschoben (versteckt) hatte. Bei Diktaten ging er durch die Reihen und schaute über die Schulter. Entdeckte er einen Fehler, konnte der Betreffende seinen Rohrstock auf dem Rücken zu spüren bekommen. Der Stock verriet nicht den Fehler.
Unter uns Jungen wurde viel Platt gesprochen. Manche Eltern und Lehrer mochten das nicht, weil sich dadurch Fehler beim Schreiben im Hochdeutschen eingeschlichen haben. Für einige war es auch zu vulgär. Ich hatte damit nie ein Problem. Steckenpferd von Paulun war das Einmaleins bis 20. Schnelle Frage - schnelle und richtige Antwort - oder .. ? Bei der Rückgabe von Arbeiten oder Hausaufgaben waren Handflächen oder das Hinterteil oft gefährdet.
Sport: Pferd- / Bockspringen, eine reine Angstübung. Wer nach mehreren Anläufen immer noch gegen die Geräte lief, statt sie zu überspringen, spürte seine Hilfe auf dem Hinterteil. Im Korridor Handstand gegen die Wand, ohne Matten. Auch hierbei leistete sein Stock Nachhilfe. Kaum jemand kam ohne Kontakt an diesem "Lehrmittel" vorbei. Elternprotest, ich habe nie einen erlebt. Dagegen: "Hast es wahrscheinlich verdient".
Für einen Schulausflug 1938 nach Rossitten übten wir Jungen auf dem Schulhof beim Marschieren: "Heute an Bord, Morgen gehts fort ... ". Zum Glück war das Schiff von Labiau nach Rositten so voll, dass er uns nicht mehr zusammenbekam. Trotzdem war Rossitten ein gelungener Schulausflug.
Doch Lob hat Paulun auch (zumindest von mir) verdient. In den Fächern Rechnen und Raumlehre habe ich bei ihm viel gelernt, es hat mir sogar Spaß gemacht. Ich hatte mit ihm kaum Probleme. Bis zum Verlassen der Volksschule war ich bei ihm Klassensprecher, für ihn "Oberschüler". Dieser war zuständig für die Utensilien, die für die nächste Stunde gebraucht wurden, er hatte aber auch für Ruhe nach dem Ende der Pause zu sorgen .... Paulun war in meiner gesamten Schulzeit der einzige Lehrer, der sich offen als Parteimitglied gezeigt hat. Doch im Unterricht hat er über dieses Thema nicht gesprochen, den Lebenslauf Hitlers musste man kennen. Doch das war es auch.
Frau Paulun gab bei den Mädchen Sport, Handarbeit und Hauswirtschaft. Dafür war im Dachgeschoss eine Küche eingebaut, wir Jungen haben ab und zu die "Kochkunst" überprüft. Teilnehmen durften wir daran leider nicht.
Den Fastnachtsbrauch haben alle Lehrer akzeptiert. Die Türen wurden dazu von innen "verbarrikadiert". Beim Erscheinen des Lehrers der Spruch: "Fastnacht feiert jedes Haus ", nach dem Versprechen keinen Unterricht abzuhalten und keine Hausaufgaben zu geben, wurde die Blockade beendet.
Fast hätte ich etwas vergessen. Unsere Toiletten. Nein, so vornehm haben wir sie nicht genannt. Unser Wortschatz war etwas kräftiger. Was sagte man dagegen zum Lehrer wenn man austreten musste: "Herr Lehrer, ich muss mal". Zur "Toilette" führte der Gang nach draußen über den Hof zu einem Häuschen, in dem sich die "Plumpsklos" und das Entsprechende für die Jungen befanden. Für die Belüftung war die Natur zuständig. Bei schlechtem Wetter und im Winter erforderte der Gang etwas Überwindung. Bei vielen war es zuhause nicht anders, bei mir auch nicht. Soweit ich mich erinnere gab es keinen Hausmeister. Eine Frau hat die Säuberung vorgenommen und im Winter die Öfen in den Klassenräumen angeheizt. Danach hatte der "Oberschüler" für diese Aufgabe zu sorgen. Bei anderen Lehrern hatte ich keinen Unterricht. Herr Volpert wurde Nachfolger von Herrn Klein. Lehrer Lehmann ist in Russland gefallen.
Die Privatschule :
In Aulenbach gab es eine Privatschule. Sie war 1913 gegründet worden, damit Kinder (10 bis 14) nicht zu früh nach Insterburg in Pension gehen mussten. Eine tägliche Fahrt wäre damals nicht möglich gewesen. Es sollte keine Eliteschule werden, sie wurde es auch nicht. Die Schule bestand aus den Klassen 1 bis 4 in Oberschulform. Seit 1926 war sie in 2 Räumen in einem Haus von Bleyer gegenüber vom Kleinbahnhof untergebracht.
Die Kriegsereignisse (Sept.1939) holten auch die Schulen ein. Paulun wurde Soldat, ein großer Stundenausfall war die Folge. In der Privatschule nicht. Von einigen Eltern wurde deshalb ein Wechsel ihrer Kinder in diese Schule vorgenommen. Dadurch erhöhte sich die Schülerzahl hier auf insgesamt etwa 35.
2 Lehrerinnen, Frau Dalheimer (Leiterin) und Frl. Friese erteilten den Unterricht. Ein Elternrat überwachte die Schule, eine Schülervertretung gab es nicht. Da ich bereits die 6.Klasse erreicht hatte, hat Frl. Friese einem Mitschüler und mir privat und unentgeltlich Unterricht erteilt. Wir durften eine Klasse überspringen.
Die Schüler kamen aus dem gesamten Kirchspiel, einige hatten einen 6km langen Weg. Frau Dalheimer: Eine Schülerin kam im tiefen Schnee zu Pferd von Wasserlauken, ein Schüler mit einem Schlitten noch weiter von Aschnaggern. Die Pferde wurden bei Gastwirt Knackstädt untergestellt. Ja, die schneereichen und kalten ostpreußischen Winter. Strapazen?
Nach Abschluss einer Klasse mussten alle Schüler zur Überprüfung nach Insterburg. Ab der 5.Klasse (Oberschule) konnte man zur Mittel- oder Oberschule wechseln. Durch die geringe Schülerzahl pro Klasse, im Schnitt unter 10, war der Unterricht recht intensiv. Bis auf meine Lieblingsfächer Deutsch, Geschichte und Mathe erreichte ich nicht das, was ich hätte erreichen können. Wozu musste ich z.B. in Aulenbach alle Fischarten kennen? Latein sprach kein Mensch bei uns ..... Die Ablenkung von der Schule in der damaligen Zeit war für mich oft zu groß, der Sport und die Pimpfe.
Frau Dalheimer war seit 1926 Leiterin der Schule. Die Herren des 3.Reichs wurden nicht ihre Freunde. Zu Schulbeginn wurde gebetet. Sie war sehr korrekt und konnte stolz darauf sein alle Schüler mit Erfolg durch die Überprüfungen in Insterburg gebracht zu haben. Frl. Friese kam aus Danzig. Durch die politischen Bedingungen, hervorgerufen durch Versailles, stand sie dem 3.Reich nahe. Mir hat sie sehr geholfen, auch was den Wechsel der Schule betrifft. Aus Furcht vor der Roten Armee hat sie 1945 den Freitod gewählt. Frau Dalheimer kehrte 1945 zurück und verbrachte schlimme Jahre bis zur Ausweisung in Aulenbach (Kalinowka).
Ab 1943 fuhr ich 6 mal in der Woche mit der Kleinbahn nach Insterburg. Der Zug setzte sich um ~6.30 in Bewegung, um 15 Uhr war ich wieder zurück. Anfang 1944 wurden viele Jungen aus unserer Klasse als Flakhelfer eingezogen. Die Lehrer mussten zum Unterricht in ihre Stellungen am Stadtrand. Im Sommer verabschiedeten wir uns in die Sommerferien, ohne zu ahnen, dass es kein Wiedersehen geben würde. Alle Schulen in unserer Gegend wurden für immer geschlossen.

Aufgeschrieben von Lothar Kuprat, Mai 2013


Aulowönen / Aulenbach, heute Kalinowka


Aulowönen - Klassenfoto (1921)
Aulowönen - Klassenfoto (1937)


Aulowönen Schüler Horst Seidler(1934)
Aulowönen spielende Schüler vor der Schule (1939)


Aulowöhnen - Alte Schule (1903)
Aulowöhnen - Schule Neubau (1920)


Aulowöhnen - Schule Neubau (1920)
Kalinovka (früher Aulenbach)- Schule Ruine, (1995)


Kalinovka (früher Aulenbach) - alte Schultoilette (2007)
Kalinovka (früher Aulenbach) - Neubau am alten Schulstandort (2007)


Kalinovka (früher Aulenbach) - russische Schulkinder (1995)
Kalinovka (früher Aulenbach) - Schulbus Haltestelle (1995)


Freiwillige Feuerwehr


Freiwillige Feuerwehr Aulenbach (Ostp.)

Feuerwehrleute (ca. 1930)vor dem Spritzenhaus. Im hinteren Bereich waren Zellen (Ausnüchterung / Straftaten) untergebracht. Hintergrund Gut Ehmer
Freiwillige Feuerwehr Aulenbach (Ostp.)

Das neue Feuerwehrauto (ca. 1940). Nach dem Brand der Mühle Schiemann, wo das alte Auto nicht ansprang, kaufte man ein neues


Gaststätte und Kolonialwarengeschäft Rautenberg


Gaststätte Rautenberg Aulenbach - Ksp. Aulenbach (Ostp.) Gesasmtansicht (um 1938)


Bereits im 1. Weltkrieg kam es zu russischen Übergriffen im Kirchspiel Aulowönen. Aus dieser Zeit ist eine Geschichte zu August Rautenberg von Pfarrer Leipacher überliefert :

" .... auch Gastwirt Rautenberg sollte von den Russen verschleppt werden, da schrien sein Weib und seine 6 Kinder um Erbarmen, die Russen ließen sich erweichen und er durfte zurückbleiben."


Beim August Rautenberg in Aulowönen

Kurt Müllerbuchhof vom Rittergut Buchhof wirdmete Alfred Rautenberg 1962 im Insterburger Brief (14. Jahrgang Seite 179) folgende Geschicht :

Das war der August Rauteberg,
der rief: "Daß Gott mir helf,
trinkt niemand mehr ´nen Tropfen Wein
mittags um halber zwölf?"
August Rautenberg Aulenbach, Ksp. Aulenbach (1940)
Da fuhr der Müllerbuchhof vor
und sprach: "Ich habe Durst.
auch Hunger hab´ich, möchte gern
von Ottchens Leberwurst."
Da stieg der August Rautenberg
hinab in seinen Keller
und holte eine Flasch´herauf,
die schwarze Katz´, die Zeller.
Und als wur uns kaum hingesetzt
da kam herein der Ehmer
Er sagte: "Das paßt ja ganz famos,
ich denk´, das Fläschchen nehm´n war!"
Und als dann noch der Jaeckel kam
da saßen vier im Zimmer
Na, wenn der ganze Schnee verbrennt,
die Asche bleibt uns immer!
Sie spielten Skat und tranken Wein
Manch´Lied stieg in der Runde,
und eh´man auseinanderging,
Verann noch manche Stunde.
So war es einst und wird es sein
solang´die Welt besteht
und wer das nicht recht glauben will,
der ist etwas verdreht
Meinem lieben, treuen Freund August Rautenberg und seinem lieben Ottchen zur Erinnerung an längst vergangene Zeiten.


Bei Kriegsende (2. Weltkrieg) war die Gastwirtschaft Rautenberg das erste Gebäude, welches am 19. Januar 1945 den vorrückenden russischen Panzern zum Opfer fiel :

14 Uhr : Sowjetpanzer ist vorgerückt bis Spitzinn (bewaldeter Hügel), nimmt Aulenbach unter Feuer, die Kirche brennt! Als der Rauch sich verzogen hatte, berichtete er :"Die Kirche steht unversehrt, Haus Rautenberg brennt!"


Ottilie und August Rautenberg Gründer und Besitzer der Gaststätte (Hochzeitsfoto 23.09.1901)
Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) Blick auf den Marktplatz und die Gaststätte sowie das Kolonialwarengeschäft Rautenberg (1920)


Saal im Gasthaus Rautenberg Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) Aufführung um 1925
Elfriede Rautenberg am Klavier im Saal des Gasthaus Rautenberg - Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) um 1930


Sängerfest - Gruppenaufnahme im Garten der Gastwirtschaft Rautenberg Aulowönen, Ksp. Aulenbach (Ostp.) (um 1925)
Familie August Rautenberg (Aulowönen)
v.l. stehend : Alfred, Elfriede, Herbert, Hedwig, Leo, davor Mitte Paul - sitzend : Ottilie und August Rautenberg


Marktplatz von Kalinovka, mit dem russischen Kulturhaus. Blick Richtung Kreuzingen. Hier stand früher die Gastwirtschaft Rautenberg. Hinter den Bäumen lag die Kirche. (1996)


Gärtnerei Fritz Meyer


Aulenbach - Ksp. Aulenbach (Ostp.) Eingang Gärtnerei Fritz Meyer
Aulenbach - Ksp. Aulenbach (Ostp.) Wohnhaus von Familie Meyer
Besitzer der Gärtnerei in Aulenbach (2010)


Gruppenfoto links: obere Reihe v.l.: Christel Bergmann, Doris Krüger, Magda Bergmann, Theodora Meyer, Ursula Meyer 2. Reihe v.l.: Margareta Meyer, Ursula Krüger, Carla Krüger, davor der Junge: Sohn von Magda Bergmann (1939) (Familie Bergmann kommt aus Gaiden im Ksp. Aulenbach (Ostp.)


Kfz-Werkstadt Schwarznecker & Reck

Informationen zu Schwarznecker & Reck siehe (Aulowönen) : Kfz-Werkstatt Schwarznecker & Reck


Textil und Kurzwaren Meyer

Ein jüdisches Geschäft in Aulenbach

Datei:Aulowönen - Ksp. Aulenbach - 1930 - Wohnhaus Herbert Meyer.pdf

Stürmer Schaukasten (Beispiel) (Thalheim 1933)

Der jüdische Geschäftsmann Herbert Meyer führte in Aulenbach (Ostp) ein Geschäft für Textilien und Kurzwaren. Nach den Progromen im November 1938 wurde das Geschäft geschlossen, die Familie musste den Ort verlassen. Später wurde das Haus von der Familie Lengwenus bewohnt. Wohin die Reise ging, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Bereits vor diesem Datum stand vor dem Geschäft ein Schaukasten mit dem Hetzblatt "Der Stürmer" von Julius Streicher. Trotz der Aufforderung, in dem jüdischen Geschäft nicht zu kaufen, haben viele Einwohner hier gerne eingekauft. Auch meine Mutter, die ich dabei oft begleiten durfte. Im November 1938 wurden die Schaufenster eingeschlagen und Herbert Meyer in unserem "Spritzenhaus" eingesperrt. Da dieses nur etwas 100m von uns entfernt war, habe ich gesehen wie seine Frau mit der kleine Tochter ihm das Essen brachte. Wie lange er dort inhaftiert war ist mir nicht bekannt.

Auf meine Nachfrage hat mir die jüdische Gemeinde Bremen am 16.3.2012 ein Schreiben übergeben. Aus diesem geht hervor, das Herbert Meyer 1911 in Aulowönen geboren wurde, später in Berlin wohnte und am 4. März 1943 nach Auschwitz deportiert sein soll (www.bundesarchiv.de/gedenkbuch)

Bürgermeister Ehmer hat sich für die Freilassung bzw. Ausreise 1938 eingesetzt. Bekannt ist, dass Druckereibesitzer Curt Stamm die Familie persönlich nach Insterburg gefahren hat. Diesen Ablauf haben mehrere Einwohner Aulenbachs bestätigt. Auch die damals 10jähre Tochter Ilse. Mir hat sein Bruder Horst Stamm diese Aussage persönlich bestätigt. Bei der Entnazifizierung, Stamm war Ortsgruppenleiter, soll die Aussage von Herbert Meyer dazu geführt haben, dass Stamm als "Mitläufer" eingestuft wurde.

Im Frühjahr 1945 wurde der damalige Feldwebel Willi Buchholz in Kulmbach(Bayern) zum Verhör geladen. Der amerikanische Offizier fragte ihn: "Kennen wir uns?" "Nein". "Ich bin Herbert Meyer aus Aulenbach". Herbert Meyer hat ihm eine Arbeit bei der örtlichen Brauerei besorgt und geraten, nicht zu seiner Familie, die ins Vogtland (Sowjetische Besatzungszone SBZ) umgesiedelt war, zu ziehen. War er später doch getan hat. Diesen Ablauf hat Willi Buchholz persönlich an Erich Gettkandt geschildert.

Neubau am Standort ehemals Wohnhaus Textil Meyer links Grundstück Schwarzencker
(Kalinovka 2013)

Auf meine Nachfrage bei der amerikanischen Botschaft 2012 und auf die damalige Zugehörigkeit zur US Army habe ich keine Antwort erhalten. Herbert Meyer hatte 3 Brüder und eine Schwester. Bruder Siegfried Meyer hat in Israel eine Obstplantage besessen und hatte Briefkontakt mit Christel Knackstädt, inzwischen verstorben. Eine Nachfrage über die israelische Botschaft hatte keinen Erfolg, da mir die Personalien nicht bekannt sind, eventuell auch aus Gründen des Datenschutzes.

Direkter Nachbar von Meyer in Aulenbach war die Autowerkstatt Schwarznecker & Reck. Herbert Meyer hat nach dem Krieg bei Herrn Schwarznecker um eine Bestätigung gebeten, das er das Haus/Geschäft in Aulenbach besessen hat. Wie die heute noch lebende Tochter Gertraud Schimmelpfennig geb. Schwarznecker bestätigt, kam diese Anfrage aus den USA. Leider hat sie die Unterlagen inzwischen vernichtet.

Es bleibt somit der Widerspruch, zwischen der offiziellen Quelle hinsichtlich des Transportes nach Auschwitz, einem Entkommen (oder einer gar nicht erst erfolgten Deportation), einer Militärlaufbahn in der US Army und dem späteren Verbleib.

Vielleicht finden sich zu einen späteren Zeitpunkt neue Informationen, die wir gerne an dieser Stelle einpflegen. Sollten Informationen vorhanden sein bitten wir um Kontaktaufnahme (info@kirchspiel-aulenbach.de)

Lothar Kuprat (Bremen), September 2014


Ziegelei & Gut Teufel

Informationen zu Teufel siehe : Ziegelei Teufel


Kriegerdenkmal Aulowönen / Aulenbach, heute Kalinowka

Einige Jahre nach dem 1. Weltkrieg 1914/18 wurde am Rand von Aulowönen auf Gemarkung "Gut Alt Lappönen" ein Kriegerdenkmal errichtet. Der Auftraggeber dürfte der Kyffhäuser- bzw. Stahlhelmbund gewesen sein, von dem es im Kirchspiel eine größere Kameradschaft gab. Ein großer Granit-Findling aus Oberschlesien wurde grob zerlegt und mit der Bahn nach Grünheide befördert. Von da aus wurde alles auf Rollwagen nach Aulowönen transportiert. Im Krug in Pillwogallen / Lindenhöhe wurde eine Pause eingelegt, die die Tiere brauchten. Auch die Fuhrleute freuten sich auf die Körnerchen zu 10 Pfennig das Gras.
Der Wagen mit dem großen Gedenkstein wurde von 16 Pferden gezogen, die kleinen Gedenktafeln von je 8 Pferden. Alle Steine wurden auf dem Marktplatz in Aulowönen abgestellt und dort bearbeitet. Dannach wurden sie an den Bestimmungsort gebracht. Die Abfälle der Steine ergaben noch den Belag für die Saaltreppe von Rautenberg. Man muss sich mal vorstellen, wie groß der Findling war. Landsleute, die damals auch noch Kinder waren, meinten, dass das Denkmal um 1925/26 erstellt wurde. Überlieferungen gibt es keine. 1997 fing man mit der Rodung des verwilderten Denkmals an.
Ich habe es bei meinem Besuch in Aulenbach gesehen. Im Jahre 1998 konnte man schon die Namen der Gefallenden auf dem Stein lesen. Ich selbst kann mich noch an einen Aufmarsch des Stahlhelmbundes erinnern, der mit einer Parade am Marktplatz endete. Ab 1935 zogen dann die politischen Organisationen und Vereine, voran eine Musikkapelle, am Heldengedenktag zum Kriegerdenkmal.
Verfasst von Erich Gettkandt im Insterburger Brief (Erscheinungsdatum nicht bekannt)


In Alt Lappönen gibt es noch heute einen sehr schönen, gut erhaltenen I. Weltkrieg Friedhof. Er liegend am östlichen Rand der Siedlung die heute Datschnoje heißt. Im Zentrum steht ein Obelisk aus Granit, der von beschrifteten Granitstelen umgeben ist. Der Friedhof ist eingefriedet von Betonpfosten und Metallrohren.

2010 wurden zusätzlich Symbolkreuzgruppen auf dem Friedhof aufgestellt [11]

Friedhof Alt Lappönen (1996) Findlinge
Friedhof Alt Lappönen (1998) Alfred Gettkandt vor den Findlingen
Friedhof Alt Lappönen (1998) Inschrift
Friedhof Alt Lappönen (2010) Eingang
Friedhof Alt Lappönen (2010) Gesamtansicht
Friedhof Alt Lappönen (2010) Obelisken


Geschichte

Am 19.1.1945 fielen die ersten russischen Bomben auf den Uszupgrund, um 14.00h brannte die Gastwirtschaft Rautenberg durch russichen Artilleriebeschuß, um 16 Uhr war Aulenbach in russischer Hand.

Nach 1945 berichteten Heimkehrer : Siedlungen beim Sportplatz stehen und sind bewohnt, Aulenbach ist Sitz einer Hauptkolchose, dazu gehören als Nebemkolchosen Steinacker, Neu Lappönen und Eichhorn, wo die Höfe Dalheimer und Ehleben stehen und mit Pferden und Vieh belegt sind. In Aulenbach befand sich ein Waisenhaus für deutsche Kinder, dort unterrichtete in den letzten Monaten (wohl Ende 1948) eine deutsche Lehrerein, die Kinder konnten kaum noch deutsch sprechen

Erlebnisbericht über die letzten Tage vor der Vertreibung 1944 : [12]

Geschichten & Anekdoten rund um Aulenbach


Ein Spaziergang durch mein altes Aulenbach


Der Bericht Ein Spaziergang durch mein altes Aulenbach (Ostp.) von Lothar Kuprat, (2013) 16 Seiten, ist als Dokument zum Downloaden verfügbar (siehe links)
Datei:Aulenbach (Ostp.) - Ein Spaziergang durch mein altes Aulenbach 2013.pdf

Über 65 Jahre nach dem erzwungenen Exodus gehe ich noch einmal in Gedanken durch unser Dorf, mein altes Aulenbach (Aulowönen). Ich bin kein geborener Aulenbacher. Durch meinen Stiefvater, Postbeamter in Aulowönen, zogen meine Mutter und wir Kinder 1935 hierher. Mein Geburtsort, von dem ich mich schweren Herzens verabschieden musste, liegt am Rande Masurens. Aulowönen? Doch Kinder finden schnell neue Freunde und sind meist ebenso schnell integriert, wie man heute sagt. So wurde auch dieser Ort sehr bald zu meiner neuen Heimat.
Vieles ist im Gedächnis haften geblieben, gespeichert, manches in Vergessenheit geraten, einiges mit Kinderaugen oder als Jugendlicher gesehen. Für die Erwachsenen sah die Wirklichkeit sicher oft anders aus.
Auf der R (Reichsstraße) 137 von Insterburg kommend, stand 1935 nach 20 km auf dem Ortsschild AULOWÖNEN, ab 1938 AULENBACH. Dort beginnt die Insterburger Straße. Ja, das Dorf mit etwas über 1000 Einwohnern hat Straßennamen, auch wenn diese hauptsächlich für die Post und Ortsfremde von Bedeutung waren. Auch eine Häufung von gleichen Namen gibt es nicht. Für die Beschreibung meines Spaziergangs sind sie jedoch hilfreich.
Links das erste Wohnhaus, etwas weiter die Ziegelei Teufel. Mit Beginn des Krieges stellt sie den Betrieb ein. Für uns Jungen wird daraus ein großer Spielplatz. In den leeren Trockenschuppen springen wir von Regal zu Regal, der alte Ziegeleimeister schimpfend und drohend hinter uns her. Doch mit der Jugend konnte er nicht mithalten und gab es später auf. Die vielen Spatzen vermissten oft ihre Eier, doch auch deren Nachwuchs war gesichert. Ostpreußen !

Insterburger Straße (R137) von Insterburg kommend, auf Höhe der Ziegelel Teufel (links). Im Hintergrund links das Wohnhaus Teufel (ca. 1937)

Wohnhaus („Villa“) Teufel, an der Insterburger Straße (R137) gelegen. Blick Richtung Insterburg. Im Hintergrund der Schornstein der Ziegelei Teufel (ca. 1937)
Ein sehr gefährliches Spielzeug dagegen waren die Loren. Wir zogen sie zur Formerei hoch, fuhren mit hoher Geschwindigkeit nach unten und sprangen ab. Viele kippten in die mit Wasser vollgelaufenen Gruben, wo sie bestimmt heute noch liegen. Für uns ist das „Spiel“ immer gut ausgegangen. Neben der Ziegelei das Wohnhaus von Teufel, die Villa Teufel.
Auf der anderen Straßenseite der neue Friedhof. Er war notwendig geworden, da der „Kirchhof“ nicht alle Verstorbenen aufnehmen konnte. Am Friedhof biege ich ab. Der Weg führt mich zum Schießstand, auf dem ich viele Stunden als Pimpf oder mit ihnen dort verbracht habe. Mit KK-Gewehren haben wir auf Scheiben geschossen.
Direkt an der Straße folgt die Landmaschinenwerkstatt von Richard Bajorat. Daneben der Feuerlöschteich, auf dem wir mit unseren selbst gefertigten Schlägern Eishockey spielten und nicht nur mit blauen Flecken nach Hause kamen. Bajorat hat uns die Schlittschuhe mitunter geschliffen. Hier führt ein Weg zu Ehmer, dem größten Bauernhof mit fast 200 ha. Ehmer war unser letzter Bürgermeister.
Landmaschinenwerkstatt Richard Bajorat, Insterburger Str. (R137) an der rechte Straßenseite gelegen. Aufgenomme von der Mülhle Schiemann (ca. 1930)

Insterburger Straße (R137) von Insterburg kommend, Mühle Schieman (links) gegenüber hinter den Bäumen Bajorat (1992) Rechts das ehemalige Wohnhaus von Curt Stamm .

Gegenüber von Bajorat die Mühle Schiemann. Im Winter 1942/43 brennt sie teilweise ab. Die Aulenbacher Feuerwehr hat diesem Ereignis ein neues Fahrzeug zu verdanken. Sie bekommt ihr museeumsreifes Fahrzeug erst in Gang als die Insterburger Feuerwehr bereits beim Löschen ist.
Neben dem Wohnhaus Schiemann das große Haus von Schuhmacher Seidler. In ihm wohnt u.a. die Hebamme Gronau. Seidler betreibt, wie viele andere Geschäftsleute, nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Wahrscheinlich hielten die Schuhe länger oder die Menschen gingen schonender mit ihnen um. Mode? Wir Jungen trugen Holländer, "Gänserümpfe" sagten wir dazu. Die waren zwar laut, für die Eltern aber erschwinglicher und während der Kriegsjahre mehr als ein notwendiger Ersatz.

Insterburger Str. (Dorfstraße) von Insterburg kommend. Rechts das Wohnhaus Stamm, links Wohnhaus Schiemann, im Hintergrund das Wohnhaus Seidler (1930)

Wohnhaus Seidler an der Insterburger Str. Blick vom Garten Leo Stamm. Hintergrund links Teile von Wohnhaus Schiemann. (1938)
Weiter ein Wohnhaus, Stellmacher Krohm und Sattler Lempke. Krohm musste über 10 Kinder in seinem Haus unterbringen. Dabei hat keine Behörde geholfen. Gab es die überhaupt?
Vom Haus Seidler wechsele ich auf die andere Straßenseite zur Druckerei Curt Stamm, in dem Wohnhaus ein Papiergeschäft. Im Schaufenster mein Traum, eine Modelleisenbahn. Dieser Traum sollte sich erst 5 Jahrzehnte später erfüllen. Stamm druckte u.a. auch Lebensmittelkarten und Briefe von Gauleiter Koch an die ostpreußischen Soldaten. Wir haben die Briefe gefaltet und in die vorbereiteten Umschläge gesteckt. Bäckerei Leo Stamm, Vater von Curt, direkt daneben. Leo war ein Aulowöner "Original" und lange Jahre Feuerwehrhauptmann. Über ihn gibt es viele wahre oder am Stammtisch entstandene Geschichten.
Die Gebäude "unseres" Kaufmanns Kleinke (man sagte dazu auch Kolonialwarengeschäft) mit der dahinter liegenden Tischlerei Leonhardt schließen sich an. Mit den Söhnen durften wir hier basteln, fertigten u.a. einfache Schier (Ski) an, bis die Wehrmacht uns 1942 ihre ausgedienten überlassen hat. In der Werkstatt war es nicht so ganz ungefährlich. Viele Maschinen waren damals nicht so gesichert, z.B. Sägen, Antriebsriemen .... Auch Tischler Leonhardt brachte mehr als 10 Kinder unter. Kindergeld? Die Mütter erhielten Mutterkreuze. Meine Mutter eins in Bronze.
Im gleichen Gebäude das Elektrogeschäft Schiemann. Von hier stammt unser Radio, ein Saba. Etwa ein Monatsgehalt kostete es, soweit ich mich erinnere. Auf der Skala erschienen viele Sender, es machte Spaß zuzuhören, auch wenn ich die Sprachen nicht verstand. Wenn es überlebt hat, wird es auch weiter östlich einen guten Klang verbreitet haben. Allerdings war das nicht der übliche Ablauf. Die "Volksempfänger", auch Goebbelsschreier genannt, waren für 35 bis 70 RM (Reichsmark) zu haben.
Ich bin an einer Kreuzung angekommen. Nach links führt ein Weg nach Gründann, weiter nach Waldfrieden. An der Kreuzung Tierarzt Dr. Jäckel, danach mehrere Insthäuser. Starker Regen oder die Schneeschmelze machen diesen lehmigen Weg selbst für die Anwohner fast unpassierbar. Für uns Jungen wird er interessant. Die Luftwaffe hat ein Leuchtfeuer errichtet. Obwohl es verboten ist, den Holzturm zu besteigen, versuchen wir es mit Erfolg und haben einen wunderbaren Ausblick. Beim Bau fanden wir in dem Sand russische Infanteriemunition aus dem 1. Weltkrieg. Was machen Jungen damit? Noch heute bekomme ich Angst beim Gedanken an unsere „Experimente“.
Einige Meter weiter an der Hauptstraße das Haus mit dem Arzt Dr. Epha, Dentist Kwidor und dem Juweliergeschäft Meyer. Zu Dr. Epha brauchte ich nicht, zu Dentist Kwidor dafür umso öfter. Er erschien mir immer furchterregend, weil er groß und kräftig war. Das musste er auch sein, denn sein Gerät wurde durch Treten in Gang gebracht, nicht ganz geräuschlos. Dann wusste ich nicht mehr, welcher Zahn die Schmerzen verursacht hatte. Der Respekt vor einem Zahnarzt ist geblieben.

Gebäude der ehemaligen Druckerei Stamm (2007).

Die Fleischerei Gefeller an der Kreuzung Insterburger Str. / Flötkestraße. Links das Hamburger Kaffeehaus (später Kaufmann Schlagowski), rechts die Fleischerei. (ca. 1925)
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, Fleischer Gefeller. Bis Kriegsbeginn noch Kaufmann Schlagowski, wie Kleinke mit Gaststätte. Danach wird hier ein Kindergarten eingerichtet. Im Nebenhaus Schuhmacher Tuleweit, die Gemeindeschwester, darüber Schneidermeister Kludke.
Von der Kreuzung nach rechts geht es in die Flötkestraße. Auf der rechten Seite die Hufschmiede Jöttkandt. Oft habe ich den Gesellen beim Beschlagen der Pferdehufe oder anderer, körperlich nicht immer leichter Arbeiten, zugeschaut. Nach Stunden im ostpreußischen Winter wurden die durchgefrorenen Glieder in der Schmiede zu neuem Leben erweckt.
Vor der Schmiede steht ein Kastanienbaum, gegenüber im oberen Stockwerk des Hauses sitzt Schneider Kludtke auf dem Tisch am Fenster. Darüber im Giebel ein kleines rundes Fenster. Zielschießen auf dieses. Es war nichts passiert, doch der Meister hat mich erkannt. Obwohl ich daran wirklich nicht beteiligt war, zuhause erhalte ich dafür die fällige Belohnung.
Weiter geht es in die Flötkestraße. Links ein Stall, dann das Haus, in dem ich meine Aulenbacher Jugendzeit verbracht habe. Unsere Wohnung ist nicht groß, vielleicht um die 60 m2, für eine Familie mit 5 Kindern. Wir Kinder haben uns wohlgefühlt und nie beklagt. 60 m2!
Unser Nachbar ist Stellmacher Laschinski, Großvater von Prof. Sallmon. Oft habe ich ihm zugeschaut, wenn er ein Wagenrad oder andere Teile für die Bauern erstellte. Neben der Fahrbahn, dem Sommerweg, macht er ein Feuer, um den Reifen aufzuziehen. Der Meister hat bis ins hohe Alter fast alles in Handarbeit hergestellt.
Der ganze Komplex gehört Fleischer Gefeller. In der Mitte ein Hof mit der Schlachterei. Ich beobachte das Töten der Tiere und im Knochenschuppen das Treiben der Ratten, auch das kein schöner Anblick. Hätte ich nur ein Gewehr!
Das alte Löschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Aulenbach mit Mannschaft (ca. 1920). Fahrer ist Reck, Mitinhaber der Firma Schwarznecker & Reck

Seitliche Ansicht Spritzenhauses der Freiwilligen Feuerwehr Aulenbach an der Flötkestraße. Im Hintergrund Teile des Guts Ehmer(1939)

An unserem Haus vorbei, keine 100 m, das Spritzenhaus der Feuerwehr. Ein Vergnügen, wenn die Mannen mit dem alten Gefährt ihre Übung beginnen wollen. Anschieben ist oft gefragt. An der Stirnseite des Gebäudes 3 Zellen, die nach mancher Feier mit Kurzzeit-Gästen belegt ist.
Dann die Gärtnerei Meyer. Durch die Aula, die hier und dicht an unserem Haus vorbeifließt, wird der Ort etwas getrennt. Bei Meyer gehe ich über eine Holzbrücke die Flötkestraße, von uns Sturgelstraße genannt, hinauf. Warum Sturgel? Eigentlich ist das ein Holz zum Umrühren der Kochwäsche. Wir hatten so ein Holz, da stand Persil drauf.

Gärtnerrei Fritz Meyer, in der Flötkestr. Richtung Alt Lappönen. Vor dem Haus war die Holzbrücke über die Aula (links) (ca. 1930)

Flötkestraße, Holzbrücke über die Uszup (Aula ) . Links Benno Teufel.Im Hintergrund links das Haus der Gärtnerei Meyer. (Frühjahr 1930).
Für uns ist die Straße eine Rodelbahn, obwohl das nicht erlaubt ist. Manchmal streuen die Anwohner Asche, die wir am Abend mit Wasser wieder unschädlich machen. Unten an der Brücke Wachtmeister Gutwirth, der auf einen Rodler wartet. Wenn dieser seine Absicht nicht rechtzeitig erkennt, "konfisziert" Gutwirth den Schlitten, den man mit einer Ermahnung bei ihm abholen muss. Mit dem Versprechen sich an die Regeln zu halten, kann man wieder Rodeln. Wo denn? In unserem flachen Land sind andere Rodelmöglichkeiten kaum zu finden. Also vorsichtig ein neuer Versuch.
Auf beiden Seiten der Straße Wohnhäuser und die Fleischerei Grigoleit, die während des Krieges schließt. Oben angekommen zur linken Seite der Hof des Standesbeamten Flötke, rechts das Haus von Kastrierer Durdack. Hier stoße ich auf die Grünheider Straße.
Die Aula, unsere Uschupp. Etwa 1 m breit und knietief, leicht konnte ich sie überspringen. In den ersten Jahren schaue ich den Fleischergesellen beim Fangen von Hechten zu. Irgendwann läßt die Molkerei Abwasser, das die Fische nicht mögen, in den Fluß. Zeitweise wird die Aula ein weißer Fluß.
Nach der Schneeschmelze wird das Flüsschen zu einem reißende Bach, man erkennt es nicht wieder, 2 m tief und 3 m breit. Das Flußbett reicht gerade noch aus, um die Wassermassen zu bändigen, zumindest im Ort. Auf den Eisschollen lassen wir uns mittreiben. Ein sehr gefährliches "Spiel", das zum Glück immer gut ausging. Wiesen und Felder ringsum stehen unter Wasser, ebenso unser Keller. Im Frühjahr ist er vollgelaufen, mancher Maus wird das zum Verhängnis. Wiesen und Felder sind bereits vor Frosteintritt überflutet. Die darauf liegende Schneedecke schaffen wir beiseite und laufen Schlittschuh auf den großen Flächen.
Ich gehe die Flötkestraße zurück bis an die Kreuzung (Insterburger Str.). Über die Brücke der Aula hinter Gefeller komme ich nach ca. 100 m, rechts, an das erste Haus. Herbert Meyer, man sagte nur Jud Meyer, hatte hier bis 1938 sein Konfektionsgeschäft. Mein Spaziergang geht weiter, doch an das Haus komme ich zurück.
Werkstatt Schwarznecker & Reck links die Giebelwand vom Gasthof Rautenberg (1928)

Marktplatz. Gasthof & Kolonialwarengeschäft Rautenberg davor der Saal. Rechts Werkstatt Schwarznecker & Reck, ganz rechts Haus "Jud Meyer" (1930)

Etwas weiter die Autowerkstatt von Schwarznecker und Reck. Daneben das größte Kolonialwarengeschäft Rautenberg. Auf dem Land gehört dazu eine Gaststätte. Ebenso besitzt Rautenberg einen Saal. In ihm finden fast alle Veranstaltungen des Ortes statt. Einmal im Monat füllt die Kreisbildstelle den Saal. Auch für uns Jungen gibt es interessante Filme, unsere Wehrmacht zeigt ihre Stärken und Joseph Goebbels sorgt dafür, dass wir die Wochenschau nicht verpassen.
Ich wechsele auf die andere Straßenseite und stehe vor dem Kolonialwarengeschäft Goetz, ebenfalls mit einer Gaststätte. Mit Sohn Siegfried geht es an den Billardtisch, kostenlos natürlich, er besitzt dafür den Schlüssel. Da in dem Raum auch mit dem Luftgewehr geschossen wird, geht das genauso. Ab und zu entführen wir ein Gewehr um in einem Keller der Stallungen Ratten den Garaus zu machen.

Hotel Oberstaller am Marktplatz, lionks Bächerei, in der Mitte das Wirtshaus und Hotel und rechts war der Friseur (ca. 1910)

Marktplatz gegenüberliegende Seite von Rautenberg. Gaststätte und Kolonialwaren Goetz (früher Hotel Max Oberstaller) (ca. 1925)
Im Haus hat Friseur Wollert seinen Laden. Ebenfalls bereiten sich junge Pimpfe in einem Nebenraum auf das Segelfliegen vor. Sie basteln zunächst an kleinen Modellen, werden weiter geschult und fahren zu Lehrgängen auf die Kurische Nehrung.
Ein großer Sommergarten, darin ein Tanzboden, gehört Goetz. Im Krieg ist die Tanzfläche verwaist. Am Ausschank im Garten haben Durstige mitunter nicht mehr ihr Geld so richtig in ihr Portmonee hineinbekommen. Für uns eine gute Einnahmequelle. In dem "Häuschen" mit dem Guckloch versuchen Siegfried und ich den Geschmack von Juno- oder Salem-Zigaretten zu testen. Allerdings wird uns dabei so schlecht, dass wir unser Experiment nie wiederholt haben. Das galt für unser ganzes Leben.
Neben Goetz führt eine Straße nach Streudorf (Budwethen). Links Stallungen von Goetz, Tischler Parakenings, dann unser strenge Wachtmeister Gutwirth der ein Pferd als Transportmittel besaß. Weiter die Post, gegenüber die Gärtnerei Sacks. Hier endet die Wohnbebauung, die Straße wird zum Weg. Kurz dahinter überquert die Kleinbahn die Straße.
Vor Rautenberg ein kleiner Platz. Hier findet der Wochenmarkt sowie der Jahrmarkt statt. So viel kann da nicht gewesen sein, ein Kettenkarussel, in das ich damals nicht gern gestiegen bin. Geld? Für eine Großfamilie waren 50Pfg. viel Geld.
Hinter Rautenberg ein größerer Hof und Stallungen, in denen die Bauern ihre Wagen abstellen und die Pferde versorgen wenn sie nach Aulenbach kommen. Die Bauern tun das Gleiche, oft mit einigen Meschkinnes oder anderem zu viel. Manche Pferde kennen den Nachhauseweg bereits.
Weiter auf der R137, der Kreuzinger Straße. Links die Apotheke direkt an der Straße, in dem Haus Hebamme Schlimmer. Ich gehe auf den Hof, dort befindet sich die Pflugschmiede Hertzigkeit. Sohn Heinz und ich sind ebenfalls Freunde. Hinter der Werkstatt hat die Neu-Apostolische Gemeinde ihren Gemeindesaal.
Ich steige die Stufen zur Apotheke hoch. Innen hohe dunkle Holzwände, in denen viele Schubladen zu sehen sind. Was da wohl drin ist? Auf einem Tisch einige Geräte, die ich noch nie gesehen habe. Eine kleine Waage erkenne ich, dann kleine und große Gläser und Flaschen, meist sehr dunkel. Ältere Leute nennen den Apotheker Provisor und machen darüber Witze. Nach dem kurzen Besuch geht mein Weg weiter Richtung Kreuzingen. Klempner Hasler, Bäcker Eschmann und Schneider Kuprat (nicht verwandt) folgen. In den Häusern befinden sich auch einige Wohnungen. Gegenüber das Kolonialwarengeschäft Knackstädt, ebenfalls mit einer Gaststätte.
Die Adler Apotheke an der Kreuzinger Straße Ecke Kirchstraße (1904)

Gaststätte Knackstädt (Königsbergerstraße). Später hieß sie Kreuzingerstr. Im Hintergrund links Verladestadtion der Insterburger Kleinbahn (IKB).(1910)

Etwas weiter der Hof von Amtsvorsteher Bleyer. Dazwischen liegt ein Haus, in dem sich unsere Privatschule befindet. Einige Jahre darf ich hier die Bank drücken. Gegenüber der Kleinbahnhof, die An- und Verkaufsgenossenschaft und die Raiffeisenkasse. Für die Güterabfertigung ist Kaufmann Knackstädt zuständig. In den Kriegsjahren werden Kohlen direkt vom Waggon verkauft. Auch um jede Mark zu sparen, holen sich viele Einwohner diese dort ab. Unsere Familie gehört dazu, mein Schlitten wird zum Kohlentransportmittel.
Mit langen Pfeiftönen überquert die Bahn die Straße in Richtung Kreuzingen. Im weiteren Straßenverlauf ein kleines Gehöft und die Ziegelei Guddat. Auch sie stellt ihren Betrieb ein.

Die Insterburger Kleinbahn, hier allerdings am Haltepunkt Waldfrieden (Ostp.) ca. 1939

Ziegelei Guddat auf der R137 Richtung Jennen. Ausflug der Privatschulklasse.(1941)
Zurück zum Marktplatz. Hier beginnt eine Straße, die weiter nach Schillen und Grünheide führt. Links das Tuchgeschäft Wilhelm, daneben die Hindenburg-Eiche und der Kirchhof. In dessen Mitte die evangelische Kirche. Der gesamte Kirchhof ist von einer Mauer umgeben. Diese Kirche, ein Feldsteinbau mit einem Holzturm, wurde 1730 neu errichtet. 1807 haben die Soldaten Napoleons die Kirche geplündert und Kirchenbücher verbrannt.
Die Evangelische Kirche Aulowöhnen - Sicht von der von der Molkerei (ca. 1925)

Molkerei Genossenschaft Aulowönen (gegenüber der Kirche an der Kreuzung Flötkestraße / Schillener Str / Grünheider Str. (1935)

Die Molkerei auf der anderen Straßenseite. Mit einer Milchkanne geht es oft in den kleinen Laden, Verpackungen waren unbekannt. Auch Butter und Tilsiter Käse - gab es überhaupt anderen? - kaufen wir dort. Im Krieg mussten wir etwas an der Heimatfront helfen, z.B. Heilkräuter sammeln uvm. Mit Pimpfen haben wir im Keller der Molkerei Kisten für den Versand der Käselaibe vorbereitet. Wenn der Keller 1945 noch so voll war, hätte das für die ganze Rote Armee gereicht.
Ich gehe nach links in die Schillener Straße. Links unsere Volksschule mit dem Schulhof, dahinter das Lehrergebäude, rechts neben der Schule ein Wohnhaus.

Die neue Schule in Aulowönen, gebaut um 1908. Ansicht von der Schillenerstr. Die lag direkt am Kirchhof nördlich der Kirche (1910)

Die Grünheider Straße ist leicht abschüssig und führt zu den sogenannte Kreishäusern. Die Straße führt nach Alt Lappönen (ca. 1928)
Auf der linken Seite mehrere kleine Gehöfte und Insthäuser. Rechts führt ein Weg zu dem Badeteich, der mit dem Wasser versorgt wird, das aus den Gräben kommt. In ihnen fühlen sich auch Frösche wohl, unsere Anwesenheit hat sie nie gestört. Das Wasser hat sich der jeweiligen Temperatur angepasst. Ein Sprungbrett (1-2 m hoch) war vorhanden.
Als Einstieg war eine "Rampe" aus Holzbohlen vorgesehen. Irgendwann ist sie aufgeschwommen und wird unsere Sprunginsel. Eine Umkleidekabine ist vorhanden. Zur Beobachtung des anderen Geschlechts haben Würmer darin im Laufe der Zeit kleine Löcher gebohrt. Trotz der spartanischen Einrichtung ist das "Bad" gut besucht. So mancher hat sich hier freigeschwommen. Eine Aufsicht gibt es nicht, Unfälle sind mir nicht bekannt. Im Winter wird aus dem Bad ein Freilufteisstadion.
Eine kurz vor dem 2.Weltkrieg gebaute Siedlung mit 15 Häusern steht am Ende der Schillener Straße.
Am Pfarrgebäude biege ich in die Grünheider Straße ein. Das Gebäude, es hat 13 Zimmer und einen Konfirmandensaal, liegt in einem sehr großen und schönen Garten. Man spricht von 2 ha. Die Kirchengemeinde besitzt fast 80 ha Land, deshalb gibt es einen Pfarrhof mit Stallungen.
Die Straße ist ein wenig abschüssig und führt über ein Bächlein, das auch den Badeteich mit Wasser versorgt. Nach etwa 200 m stehen links Wohnhäuser, die "Kreishäuser". Davor der Sportplatz. Der Bau einer Sporthalle wird mit Kriegsbeginn eingestellt und nicht mehr vollendet.
Gegenüber das Lager des weiblichen Arbeitsdienstes (RAD - Reichs Arbeitsdienst). Mit den Maiden gibt es so manche Schneeballschlacht, gegen die Übermacht ziehen wir Jungen meist den Kürzeren. Die Flächen hinter dem Kreishaus gehörten bis zur Aufsiedlung im Jahr 1927 zur Domäne Alt Lappönen (~600 ha). Am Sportplatz besteige ich mein Fahrrad, ein Fußmarsch dauert zu lange. In der Grünheider Straße zähle ich ca. 20 Häuser. Hinter dem ersten Haus steht das Kriegerdenkmal. Bis hierher und zurück bis zum Pfarrhaus laufe ich so oft es geht meine 1000 m. Am Ende der Siedlungen, abseits der Straße, wohnt mein Freund Fritz Friedrich. Nach einem Kurzbesuch geht es zurück.
Am Kreishaus biege ich nach links in den Birkenweg. Zu Fuß würde es besser gehen. Auch hier zähle ich ca. 20 Häuser. Am Weg liegen 2 kleine Hügel und Sandgruben, der Bambull und der Spitzin, über die es Sagen und gruselige Geschichten gibt. Man hat hier Menschenknochen gefunden, die während der Pest ohne Särge "verscharrt" wurden. Lehrer Gabriel hat hier geforscht. Von der Grünheider Straße zum Birkenweg führt der Kastanienweg, an dem 6 Siedlungen liegen. Dahinter liegt der Friedhof von Alt Lappönen. Ich besteige mein Fahrrad, zunächst geht es nachhause.

Blick ins Dorf, in der Mitte die Schule und rechts der Kirchturm (ca. 1915)
Damit endet mein Gedanken-Spaziergang. Bestimmt habe ich auf ihm einiges anders im Gedächtnis gespeichert, vergessen, einfach übersehen, nicht erwähnt ... Die Jahre!
Einige Ereignisse, Erlebnisse, Geschichten .... die mir beim Spaziergang wieder eingefallen sind, sollen jetzt folgen :
Ich gehe zurück an das Konfektionsgeschäft Herbert Meyer. Da meine Mutter hier einkauft, gehe ich ab und zu mit. Eigentlich soll sie hier nicht einkaufen. Das bekomme ich erst später mit. Mein Stiefvater ist Beamter. Irgendwann steht vor dem Haus ein Schaukasten, innen "Der Stürmer", dem Hetzblatt von Julius Streicher. Ich habe mir die Bilder angeschaut und über die Karrikaturen gelacht.
Die Schaufenster werden 1938 eingeschlagen, einige Tage wird Meyer in die Zellen des Spritzenhauses eingesperrt. Ich sehe seine Frau mit dem kleinen Kind, wie sie ihrem Mann das Essen bringt. Bürgermeister Ehmer bemüht sich um die Ausreise und bringt die Familie persönlich nach Insterburg. Ob er Erfolg hatte, habe ich bis heute nicht eindeutig klären können.
In meinem Alter habe ich dieses Drama nicht verstanden. Der Vater war ein dekorierter Soldat des 1.Weltkrieges und im Ort beliebt und angesehen. Für den Ort ist es kein Ruhmesblatt, auch wenn der Einzelne sicher machtlos war.

Aufgeschrieben von Lothar Kuprat, März 2013


Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Aulenbach

Ein Blick zurück - Im Jahr 2010 verfasste Horst Seidler einen Bericht "Meine Kindheit in Ostpreußen" der auch interessante Informationen über Aulenbach enthält. In der Einleitung schreibt er ".... mehrmals bin ich von meinen Brüder angesprochen worder, doch meine Erinnerungen an unsere ostpreußische Heimat niederzuschreiben, da sie sich selbst kaum noch an diese erinnern können. Auch meine Töchter äußerste ähnliche Wünsche, denen ich hiermit entsprechen möchte... " Nachfolgend einige Auszüge über das damalige Leben in Aulowönen / Aulenbach :


... wir wuchsen in dem kleinen Örtchen Aulowönen im Kreis Insterburg auf, einem Dorf mit ca. 1050 Einwohner. Das gesamte Kirchspiel Aulowönen zählte fast 5000 Einwohner. Im Jahr 1938 wurde der Ort von den Nationalsozialisten umbenannt in Aulenbach. Die Nazis waren der Meinung, Aulowönen höre sich nicht deutsch genug an. Dabei bestand die Provinz Preußen damals bereits ca. 750 Jahre. Deren Hauptstadt Königsberg wurde im Jahre 1255 vom Deutschen Ritterorden gegründet.
Haus Seidler Aulenbach (Ostp.) ca. 1938
v.r. Irma Stamm, Ursula Stamm, Frau Haack, Erika Stamm, Ruth Stamm, 2 Besucher - Ansicht vom Garten von Leo Stamm
Haus Seidler Kalinovka (Russland) 1996
Unsere Eltern besaßen eine Schuhmacherei, vor dem 2. Weltkrieg auch ein Ladengeschäft mit Schuhwaren. Als zweites Standbein hatten wir, wie nahezu alle Handwerksbetriebe in unserem Ort, eine Landwirtschaft mit Pferden, Kühen und Schweinen. Hier auf dem Hof fühlten wir Kinder uns natürlich besonders wohl - zumindest solange, wie wir ohne große Pflichten auf dem Hof herumtollen konnten. Wir bauten z.B. aus Decken und Säcken ein Zelt, und bewirteten uns selbst mit Pellkartoffeln, die zuvor in einem großen Dampf-Kessel für die Schweine gekocht worden war. Dazu gab es Salzheringe aus einer großen Holz-Tonne, gespendet von unserem Großvater (August Rautenberg) der unter anderem einen Kolonialwaren-Laden und eine Gastwirtschaft in Aulenbach betrieb. Einiges steuerte natürlich auch unsere Mutter dazu bei. Wir durften Pferdde reiten, und dabei oft Bekanntschaft mit dem Erdboden machen. Einen Sattel hatten wir natürlich nicht. Meinem Bruder Gerd passierte folgendes : Sein Pferd, auf dem er saß, wollte in den Stall, und da er allein nicht absteigen konnte, wurde er in der Stalltür regelrecht nach hinten abgestreift. Die Pferde kannten ihre Plätze im Stall ganz genau, man brauchte sie auf dem Hof nur loslassen, und sie wußten, wohin sie zu marschieren hatten. Zum Spielen fanden sich immer gleichaltrige Freunde. Auch in unserem Haus, dessen oberen zwei Stockwerke wir vermietet hatten, wohnten mehrere Jungs.
Ein großer Anziehungspunkt für uns war die Ziegelei meines Onkels Benno Teufel (Ziegelei Teufel). Heimlich schlichen wir uns auf das Gelände zum "Lehmstich", zu den Gruben, wo der Lehm gefördert wurde. Oder wir spielten mit den Lohren, mit denen der Lehm zur weiteren Verarbeitung ins Werk befördert wurde, was nicht ganz ungefährlich war. Ja, wir schoben die Lohren sogar die Schräge zum Brennofen hinauf, um dann mit ihnen wieder herunter zu fahren. Wir durften uns dabei natürlich nicht vom Ziegelmeister erwischen lassen. Den weichen, zur Weiterverarbeitung fertigen Lehm ergatterten wir gern zum "Schmugeln". Wir machten kleine Kügelchen, steckten diese auf einen dünnen, biegsamen Stock, und konnten diese dann über weite Entfernungen auf ein von uns anvisiertes Ziel befördert.
Für meinen Bruder Gerd (Seidler) und seinen Freund Gerhard Gronau, der mit seiner Familie über uns im ersten Stock unseres Hauses wohnte, dienten unter anderem die vielen kleinen Fensterscheiben der Ziegelei als Zielscheibe, allerdings zu einem Zeitpunkt, als kriegsbedingt in der Ziegelei (ca. 1941) nicht mehr gearbeitet wurde. Als meine Tante (Elfriede Teufel, geb. Rautenberg) von diesem Schießwettbewerb erfuhr (mein Onkel war Soldat), und auch wer daran beteiligt war, ließ sie die Sache auf sich beruhen. In der Ziegelei wurden Ziegelsteine, Dachpfannen und Drainagerohre gefertigt. Bevor diese gebrannt wurden, mußten sie für einige Tage in langen, luftigen Schuppen zum Trocknen gelagert werden. Hier hielten sich gern Eulen auf, die für uns Kinder von groem Interesse waren. In der Ziegelei fanden viele Mänger aus unserem Ort Arbeit .....
... als am 01. September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, war ich zehn Jahre alt. Der Krieg wurde bekanntlich gegen Polen begonnen. Die polnische Grenze war nur ca. 60-70 km von uns entfernt. Schon einige Wochen vor Kriegsausbruch merkten wir Kinder, dass etwas nicht stimmte. Täglich zogen Truppen durch unseren Ort, teils zu Fuß, teils zu Pferd, aber auch mit Panzern und Geschützen. Oft nahmen Soldaten Quartier in Scheunen in unserem Ort, so auch bei uns. Im Radio wurde gegen Polen Stimmung gemacht wegen angeblicher Grenzverletzungen und anderer Vergehen.
Am 1. September war es dann soweit. Wir waren morgens noch im Bett, als wir lauten Kanonendonner hörten. Er verstummte jedoch sehr bald, da das Miitär große Erfolge aufzuweisen hatte. Die deutschen Truppen waren weit nach Polen vorgestoßen. Nach nur 3 Wochen war alles vorbei, der Krieg gegen Polen war gewonnen. ... // ... Am 22.06.1941 hörten wir nach fast 2 Jahren wieder schweren Geschützdonner. Hitler hatte nun auch Russland den Krieg erklärt. Diese Ausweitung des Krieges sollte Deutschland zum Verhängnis werden ...
Der Krieg und auch schon die Vorkriegszeit hatten Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die einzelnen Familien. Viele Familienväter und erwachsene Söhne wurden zu den Soldaten eingezogen, auch unser Vater. Da die Arbeiten, vor allem in der Landwirtschaft, erledigt werden mußten, wurden die ersten Gefangenen aus Polen den Bauern und Handwerksbetrieben zugeteilt. Wir erhielten zunächst Antonm einen Weißrussen, der sich später als Glücksfall herausstellen sollte. Später, vor allem in der Erntezeit, bekamen wir noch eine Polen dazu. Dieser, ein Akademiker, war Pilot gewesen, und hatte zwei linke Händer. Er war kaum zu etwas gebrauchen. Wegen seiner guten Handschrift mußten wir ihn oft für die Erledigung schriftlicher Arbeiten an die deutsche Kommandantur abgeben. Für den Haushalt erhielten wir zunächst eine "Arbeitsmaid". Deutsche Mädchen mußten damals ein sogenanntes Pflichtjahr machen. Tagsüber halfen sie dort, wo sie gebraucht wurden, z.B. im Haushalt und abends wurden sie in Gemeinschafts-Unterkünften zusammengezogen. Das ware einfache Holzbaracken. Die Mädchen trugen braune Uniformen. Später bekamen wir eine junge Litauerin für den Haushalt und eine Polin für die Landwirtschaft, z.B. zum Melken.
Typischer Erntewagen aus Waldfrieden im Ksp. Aulenbach (Ostp.) ca. 1930
Wir mußten in dieser "vaterlosen" Zeit natürlich auch auf dem Hof helfen. Es gab damals noch nicht die Maschinen, die es heute gibt, um die Arbeit zu erleichtern. Vieles wurde noch mit der Hand gemacht. Wir mußten z.B. mit einem "Diestelstecher" über die Getreidefelder gehen, und Diesteln oder anderes Umkraut ausstechen. Heute setzt man Pestidzide dafür ein. Oder es wurde nur etwas dreiviertel der mit Rüben zu bestellenden Fläche mit Rübensaat ausgesät, und auf den Rest der Fläche pflanzte man später die zuviel aufgekommenen Pflanzen. Bei trockenem Wetter mußte dann natürlich alle zwei Tage gegossen werden. Beim einfahren der Heu- oder der Getreideernte mußte ich den von unseren Pferden gezogenen Erntewagen von Hocke zu Hocke, oder von Heuhaufen zu Heuhaufen weiterfahren, damit unser Anton die Getreide-Garben oder das Heu auf den extra für das Einfahren von Getreide langgemachten Wagen staken konnte. Auf dem Wagen wurden die Garben von der Magd angenommen, und richtig eingepackt. Die Heimfahrt auf dem hohen Erntewagen, dessen Fracht zusätzlich in Längsrichtung von einer langen Stange gehalten wurde, machte großen Spaß. Auch bei der Kartoffel- und Rübenernte, sowie beim Getreidedreschen mußte ich mit anfassen.
Horst Seidler mit Modellflugzeugen Aulenbach (Ostp.) ca. 1940
Die Gefangenen mußten im ersten Jahr der Gefangenschaft nachts noch in einer Sammelunterkunft unter Bewachung schlafen. Danach durften sie, wie auch die weiblichen Hilfskräfte, bei uns in eigenen Räumen im Dachgeschoss unseres zweiten Wohnhauses schlafen. Das gemeinsame Essen mit den Gefangenen und ausländischen Hilfskräften an einem Tisch war strengstens verboten. In den letzten Kriegsjahren hatten wir zu unseren Gefangenen, insbesondere Anton, ein fast familiäres Verhältnis. Er gehörte sozusagen zur Familie. Er bewirtschaftete unseren Hof als sei er sein eigener, war fleißig und gewissenhaft. Auch die Schuhmacherei mußte während der Kriegsjahre ohne unseren Vater auskommen, die Arbeit übernahmen zwei Gesellen.
Es war im "Dritten, dem tausendjährigen Reich" Pflicht, daß Jungs und Mädchen mit 10 Jahren dem Jungvolk (DJ = Deutsche Jungvolk) bzw. dem BDM (Bund Deutscher Mädchen) beitreten mußten. Wir trugen sogar Uniformen. Hilters Propaganda-Akteure verstanden es bestens, reißerisch für solche Organisationen zu werben. Sie haben uns ihre Ideologien beim wöchentlichen Dienst förmlich eingehämmert ..... Für uns Kinder hatte diese System auch etwas Gutes. Wir durften, entsprechend unseren Interessen, in unterschiedlichen Abteilungen Dienst tun. Ich hatte mich für den Segelflug-Modellbau entschieden. Andere Jungs entschieden sich z.B. für den Motorsport oder für den Fanfarenzug. Alles war von den Nazis mit Weitblick geplant, quasi als vormilitärische Ausbildung. ....
Horst Seidler´s Modellflugzeuge ca. 1939
... zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurden auch viele Lehrer eingezogen, und es fielen viele Unterrichtsstunden aus. Meine Eltern beschlossen daher, mich auf eine Privatschule zu schicken. Diese Schule lag in unserem Ort, und es unterrichteten zwei Damen. Es bestand also nicht die Gefahr, daß mit Unterrichtsausfällen gerechnet werden mußte. DIe Schule war in einem Privathaus untergebracht und hatte nur zwei sehr kleine Klassen. In unserem Jahrgang waren wir 4 Jungen und 2 Mädchen. Die Schule hatte das gleiche Lernprogramm wie ein Gymnasium. Wir mußten zum Abschluß eines jeden Schuljahres auf dem Gymnasium in der Kreisstadt Insterburg eine Prüfung ablegen, von der die Versetzung abhing. Wir konnten diese Schule allerdings nur bis zur 8. Klasse, der Untertertia, besuchen. Im April 1944 hatten ich die Aufnahmeprüfung für die 5. Klasse des Gymnasiums in Insterburg erfolgreich abgelegt. Leider fand wegen Lehrermangels und der ständigen Luftangriffe, auch auf Insterburg, kein Unterricht mehr statt. Ein Teil der Schule soll auch bereits durch Feuer zerstört gewesen sein. Im Nachhinein kann ich sagen, dass mir diese kleine Privatschule viel gegeben hat. Auch der Zusammenhalt für die Schuler untereinander war fantastisch. Mit den meisten der ehemaligen Schüler, soweit sie die Kriegswirren überlebt haben, treffen wir uns gelegentlich jetzt noch, meistens in Bremen. Danach sollte ich leider nie mehr die Möglichkeit haben, weiter die Schulbank zu drücken, außer während meiner Lehre. ...
Grundkarte SV für Vollfeldversorger
Lebensmittelkarte Teufel, Aulenbach (Ostpreußen) für den Zeitraum 08.01. -04.02.1945
... Ein Ereignis muß ich noch erwähnen, das für unsere Familie fast hätte schief gehen können. Während des Krieges waren Lebensmittel rationiert. Es wurden Lebensmittelkarten ausgegeben, entsprechend der Anzahl der Personen pro Haushalt. Wenn z.B. ein Schwein geschlachtet wurde, mußte das der Behörde gemeldet werden. Die Fleischzuteilung wurde dann entsprechend gekürzt, oder ganz gestrichen. Nach dem Schlachten mußten die beiden Schweinehälften gewogen und von einem Vertrauensmann begutachtet werden. Auch wir haben geschlachtet, nur statt eines, haben wir gleich zwei Schweine geschlachtet. Angemeldet haben wir jedoch nur eines. Aus Versehen nahm nun unser Gefangener zum Wiegen die beiden Hälften mit den Schwänzen mit. Wäre nicht mein Großvater Vertrauensmann gewesen, hätte es schlecht für uns ausgehen können. Auf Schwarzschlachten stand damals Zuchthaus.
Die Front kam, zumindest für uns im Osten Deutschlands, bedenklich näher. Statt an dem erhofften Segelfluglehrgang teilzunehmen, durften wir nun Schützen- und Panzergräben ausheben. Zunächst ging es im Juni 1944 für mehrere Wochen nach Wilkowischken in Litauen, unweit der Grenze zu Ostpreußen. Mitte Juli wurden wir dann nach Gildenburg, bei Osterrode im südlichen Ostpreußen, verlegt. Hier, ganz in der Nähe, lag das imposante "Tannenberg-Denkmal", daß zu Ehren von Generalfeldmarschall von Hindenburg, dem späteren Reichspräsidenten des Deutschen Reiches, errichtet worden war. Von Hindenburg hatte hier, im Gebiet der Masurischen Seen, im Jahre 1914 während des ersten Weltkrieges, die Russen vernichtend geschlagen. Er galt als der Befreier Ostpreußens. Während unseres Arbeitseinsatzes durften wir uns das Denkmal ansehen. Die im Januar 1945 einbrechenden Russen zerstörten dieses Denkmal bis auf die Grundmauern.
Wir waren in Scheunen untergebracht, weich gebettet auf Stoh. Bei Regenwetter mußten wir zwangsläufig in unseren Unterkünften bleiben und mußten Körper- und Kleiderpflege betreiben. Ansonsten wurden wir ganz früh auf LKW´s zu unserem dichtbewaldeten Einsatzgebiet gefahren. Jeder bekam seinen Abschnitt zugeteilt, der er bis zum Abend ausgehoben haben mußte. Die einzelnen Abschnitte waren ca. 5 m lang, ca. 60 cm breit unf 1,40 m tief. Diese sogenannten Schützengräben verliefen zickzackförmig. Wenn man Pech hatte bekam man ein Stück mit vielen Wurzeln zugeteit. Der Waldboden war über und über mit Blaubeeren bedeckt, und so durften wir morgens als Erstes die Blaubeeren "ernten". Dabei gab es in unserer Gruppe einen tragischen Zwischenfall. Ein Junge wurde von einer Kreuzotter gebissen. Er kam sofort in Krankenhaus und konnte gerettet werden. ...
... es wurde langsam kälter, und unsere anfängliche Begeisterung hatte sich längst gelegt. Wir durften einer nach dem anderen nach Hause fahren, um wärmere Kleidung zu holen. Die Fahrt nach Hause verlief etwas abenteuerlich. Als ich mit dem Zug in Insterburg ankam, fuhr kein Zug mehr nach Aulenbach auf der Kleinbahnstrecke Insterburg - Kreuzingen. Ich war also gezwungen, einen Zug in Richtung Tilsit zu nehmen und bis Grünheide zu fahren. Den Weg von Grünheide nach Hause, ca. 8 km, mußte ich zu Fuß zurücklegen. Es war inzwischen 23 Uhr geworden und etwas unheimlich, da ich auch ganz allein unterwegs wr. Am Himmel war eine riesige gespenstiche rote Kugel, wie ich sie vorher noch nie gesehen hatte. Ich vermutete zunächst, das könnte ein bemannter russischer Ballon sein, mit dem lautlos Spione hinter der Grenze abgesetzt werden könnten. Später wurde mir aber doch bewußt, dass es nur der Vollmond war. Ein weiterer Grund zur beunruhigung war, das jetzt einige Gefangene versuchten, sich zu den immer näher heranrückenden Russen durchzuschlagen. Nahe unserem Dorf hatte gerade ein vermutlich schlecht behandelter Gefangener seinen Arbeitgeber, einen Bauern und dessen Ehefrau, umgebracht. Auf der Flucht hatte er sich in der Nähe in einer Scheune versteckt. Als er jedoc entdeckt wurde und es kein Entrinnen mehr gab, zündete er die Scheune an und erschoss sich. Die Leiche war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. An dieses Ereignis mußte ich auf meinem Heimweg denken, zumal ich selbst bei dem Brand dabei war. ...
Die Lage bei uns in Ostpreußen wurde zunehmend kritischer. Der Russe war scheinbar nicht mehr aufzuhalten. Die ersten Flüchtlingstrecks aus dem Memelland kamen bei uns vorbei. Die Fliegerangriffe auf viele Städte im "Reich" und auch auf Königsberg, ca. 100 km und auf Insterburg, ca. 20 km von uns entfernt, wurden heftiger. Trotz der großen Entfernung war der Horizont nachts feuerrot. Auch in unserer Nähe fielen Bomben. Über uns fanden Luftkämpfe statt. Einmal konnten wir beobachten, wie ein englischen Flugzeug abgeschossen wurde. Wir liefen natürlich gleich zu Absturzstelle. Das Jagdflugzeug war ca. 3 m tief in das Erdreich eingedrungen; Der tote Pilot war noch in seiner Kanzel.
In der zweiten Oktoberhälfte (1944) gelang den Russen der Durchbruch in das östliche Ostpreußen. Die Bevölkerung, bis auf das Memelland, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht evakuiert. Wss die Menschen in diesem Teil Ostpreußens erleben mußten, ist nicht zu beschreiben. Der Ort Nemmersdorf, ca. 40 km von uns entfernt, erfuhr eine traurige Berühmtheit. Fast die gesamte Bevölkerung wurde brutal gequält, Frauen vergewaltigt und anschließend umgebracht. Die furchtbaren Bilder erschienen in allen Zeitungen (und der Wochenschau). Zum Glück gelang es den deutschen Truppen, die Russen, wenn auch nur für kurze Zeit, zurückzudrängen. Angesichts dieser Bilder begann auch bei uns die Angst zu wachsen, der Russe könnte wieder durchbrechen und auch unseren Ort überrollen. Ohne ausdrücklichen Befehl der "SS" durfte jedoch niemand den Ort verlassen. Wer es trotzdem versuchte, wurde von den Schergen festgenommen; Man sah ihn nicht wieder. Heimlich baute unser Anton in der Scheune einen Fluchtwagen zusammen. Er machte das sehr ordentlich. Er versah den extra langgemachten Wagen mit einem halbrunden Dach, bestehend aus mehreren Teppichen, wobei oben ein regenundurchlässiger Linoleum-Teppich befestigt war. Vorn und hinten konnte der Wagen verschlossen werden. Wir hatten den schönsten Wagen weit und bret. In unserem Wagenschuppen vergruben wir einige wertvollere Sachen, wie Porzellan und Silberbestecke, die wir nicht mitnehmen wollten, weil wir glaubten, bald wieder zu Hause zu sein. Bei einem Besuch im Jahre 1992 in der Heimat erzählten uns die jetzigen bewohner unseres Hauses, daß das ganze Grundstück umgegraben worden war, um nach vergrabenen Wertgegenständen zu suchen.
Ostpreußen, Frontverlauf im Januar 1945
Ich mußte mich in dieser Zeit dem "Volkssturm" zur Verfügung stellen. Dieser war das letzte Aufgebot zur Verteidigung Deutschlands. Es bestand nur aus alten Männern und Jungen unter 16 Jahren. Meine gleichaltrigen Mitschüler in der Stadt mußten, wie sonst überall auch, als Flakhelfer Dienst tun. Bei Fliegeralarm mußten sie die Flugabwehrgeschütze bedienen, und versuchen, feindliche Flugzeuge vom Himmel zu holen. Nachts erleuchteten riesige Scheinwerfer den Himmel.
Mitte November kam für den östlichen Teil des (Land)Kreises Insterburg, also auch für unseren Ort Aulenbach der Befehl zur Räumung. Ich glaube, daß ich meinen 16. Geburtstag noch zu Hause "feiern" konnte. Zuvor wurde das Vieh aus den Ställen gelassen, und in großen Herden Richtung Insterburg getrieben. Die Milchkühe brüllten, weil sie nicht mehr gemolken wurden. Auch andere Haustiere wurden einfach freigelassen. Unser Wagen wurde mit dem Nötigsten beladen, wou Betten, Pelzdecken, Kleidung und ausreichend Esswaren gehörten. Da wir bereits geschlachtet hatten, luden wir auch ganze Speckseiten, Schinken und Schmalztöpfe auf. Unser Großvater hatte uns aus seine Geschäft mit weiteren Lebensmitteln versorgt, wie 1/2 Sack Zucker, Mehl und andere lebenswichtige Dinge.
Unsere Wagenbesatzung bestand aus Anton, unserem Gefangenen, und mir. Wir traten die Fahrt im Konvoi mit etwa 8 Wagen an. Allein vom Hof meines Onkels, Benno Teufel, waren es 3-4 Wagen, vollgepackt mit dem Hab- und Gut seiner Leute. Die Leitung unseres Konvois übernahm der Inspektor des Hofes meines Onkels. Den Namen des Inspektors habe ich vergessen. Unsere Fahrt verlief zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch in halbwegs geordneten Bahnen. Ziel unserer Reise war die Kleinstadt Liebstadt bei Mohrungen, im westlichen Teil Ostpreußens, ca. 160 km Fahrtstrecke. Meine Mutter, und meine beiden jüngeren Brüder, Manfred und Siegfried (Seidler), fuhren ein paar Tage später mit dem Zug nach Liebstadt. Unser Vater hatte sich ein paar Tage Urlaub von seiner Einheit in Königsberg genommen, half meiner Mutter und begleitete sie bis Königsberg. Unsere Tante Liesbeth, die Schwester meines Vaters, begleitete meine Mutter, und stand ihr auch weiterhin während der gesamten Flucht bis Barmstedt hilfreich zu Seite. Meine Großeltern müttlerlicherseits und meineTante "Tita", Frau Teufel, hatten es besser gemacht. Sie waren mit ihrem Auto gleich bis Berlin zu unseren dortigen Verwandten gefahren, und hatten sich damit viele Stapazen erspart.
Die ostpreussische Landbevoelkerung bei Eis und Schnee auf dem Weg nach Westen.
Wir begaben uns alle auf eine Reise, von der wir glaubten, bald wieder zurückkehren zu können. Der Abschied fiel allen sehr schwer, selbst unserem Gefangenen Anton. urück blieben nur Soldaten und Angehörige des Volkssturms, dem ich auch zugeteilt worden war, und zu dem ich wieder zurückzukehren hatte. ...//... Nach 7 Tagen lam der Konvoi wohlbehalten in Liebstadt an ...//... Ich konnte jedoch nur wenige Tage bleiben. Ich hatte Order, nach Aulenbach zum Volkssturm zurückzukehren. Unser Anton fühlte sich hier natürlich nicht ausgelastet. Weil ich nach Aulenbach zurückgekehrt war, und die Lage verhältnismäßig ruhig war, glaubte er das auch tun zu müssen. Er spannte die Pferde vor den Wagen und fuhr los, um auf unserem Hof für Ordnung zu sorgen. Wahrscheinlich ist er dort nie angekommen. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört.
In Aulenbach war ich überrascht, unser Haus voller Soldaten vorzufinden. Unsere Wohnung war total vollgemüllt, für mich war kaum noch Platz. ers als damit drohte meinen Onkel Benno einzuschalten, der zufällig in Aulenbach war, zweigte das Wirkung. Mein Onkel war Major der Reserve beim Militär. Eine kurze Zeit verbrachte ich mit Nichtstun, auch der Volkssturm brachte mich scheinbar nicht. Doch dann erhielt ich den Befehl, mich in das Ausbildungslager Schulzendorf zu begeben. Hier tat auch mein Schulfreund Lothar Kuprat. als Hilfsausbilder Dienst. ...//... Weihnachten durften wir nach Hause. Mein Zuhause wa ja jetzt Liebstadt. Alles war noch ganz ruhig, fast unheimlich. Von der Front hörte man nichts Neues, obwohl der Russe bereits in Ostoreußen wr. Anfang Januar mußte ich wieder zurück nach Schulzendorf, um die Ausbildung fortzusetzen. Dann ging alles ganz schnell. Der Russe begann am 13. Januar seine Großoffensive. Er hatte inzwischen starke Einheiten an die ostpreußische Grenze verlegt, und stieß gleichzeitig von Osten und Süden vor. Als der Geschützdonner bereits zu hören wr, schickte man uns am 19. Januar "nach Hause". Wir sollten versuchen, trotz der verstopften Straßen und vollen Züge, durchzukommen. Ich bin also etwas abenteuerlich teils mit der Bahn, teils per Anhalter mit Militär-LkW, doch noch bis Liebstadt gekommen. Ich traft dort am späten Nachmittag ein. es herrschte auch hier schon eine groe Unruhe. Im Radio hatte meine Mutter gehört, das Aulenbch von den Russen eingenommen worden war.
Ernst Krüger aus Ernstwaldem ganz in der Nähe von Aulenbach, schilderte später in einem Bericht ausfühlich, wie er und weitere Volkssturmmänner noch vergeblich versucht hatten, die Russen aufzuhalten .....

Verfasst von Horst Seidler, Barmstedt 02.02.2010

(Zusatz von Horst Seidler : "Ich habe es gewagt, für diesen Bericht (das vollständige Original hat 22 Seiten) zum ersten mal den Kampf mit einem Computer aufzunehmen. Es war nicht ganz einfach, da sowohl der Computer als auch der Drucker nicht immer taten, was ich wollte, und mich manchmal fast zur Verzweifelung brachten. Daher bitte ich die nicht professionelle Ausführung zu entschuldigen. Aber zum Glück habe ich noch einen "Gutschein für einen Computer-Nachhilfe-Nachmittag" von meiner Enkelin Kaya, die ihren 81-jährigen Opa zum Computer ausbilden möchte")


Die letzten Tage von Aulenbach

Wie ich den Untergang der Heimat erlebte

Der nachfolgende Bericht ist eine Kopie des Originalberichts von Ernst Krüger, der die letzten Tage um den 19. Januar 1945 als Volkssturmmann in Aulenbach erlebte. Es ist der einzige bekannte schriftliche Bericht über die letzten Tage / Stunden um Aulenbach und Umgebung


Über die letzten Tage von Insterburg ist schon von anderer Seite geschrieben worden. Im Zusammenhang damit muß auch der Widerstand bei Aulenbach genannt werden, der mit einigen versprengten Truppen und Volkssturmmännern geleistet wurde. Dadurch wurde die Einkreisung der Stadt um 2 Tage verzögert, an denen wertvolles Gut und Menschen in Sicherheit gebracht werden konnte.
Am 13. Januar 1945 um 6.30 Uhr hat jeder Insterburger, der noch in der Stadt war, das gewaltige Trommelfeuer vernommen, mit dem die russische Offensive gegen Ostpreußen bei Pillkallen-Stallupönen eingeleitet wurde. Als Bauer in Ernstwalde bei Moorbad Waldfrieden kam ich gerade vom Morgenstalldienst zum Frühstück. Plötzlich begannen Tisch und Tasse zu tanzen, sodaß der Kaffee überfloß; Tür und Fenster klirrten, Ställe und Scheune wackelten wie bei der Explosion der Munitionsfabrik Rotenstein-Königsberg am 10. April 1920. Rasende Blitze flimmerten am östlichen Horizont, ein einziger Feuerschein erleuchtete den Himmel. Nach 2 Stunden riß das Trommelfeuer plötzlich ab, um nach 1 Stunde wieder für 1 Stunde weiter zu toben.Dann trat eine unheimliche Stille ein - man wartete auf Befehl, fragte telefonisch hier und da an. Überall gab es ausweichende Antwort : "Die Front hat gehalten" oder "kleine Einbrüche sind abgeriegelt".
Sonntag, den 14.1. Volkssturmappel in der Schule Steudorf. Am Schluß sagte der Sprecher (nicht der Führer der Einheit) Lehrer Gustav Mackschrat : "In der nächsten Woche werden wir in Aulowönen einen Probealarm haben. Das Ihre alle schnellstens da seid und Eure Karabiner nicht vergeßt!" - Die folgenden Tage verliefen ruhig. Dann wurde wieder Artilleriefeuer hörbar, das allmählich lauter wurde.
Freitag, 19.1 im 3 Uhr weckte mich lautes Schrillen des Telefons. Bezirksbauernführer Zienau rief an : "Volkssturmalarm in Aulowönen! Bestelle dem Nachbarn Scharfetter, er soll anspannen, dann kommt Ihr bei mir vorbei und nehmt mich mit." - Nach 1/2 Stunde war Hermann Scharfetter da, im kleinen Jagdschlitten, davor 2 seiner Trakehner Zuchtstuten gespannt. Den Emil Zienau trafen wir beim Verpacken von Speck, Wurst, Brot usw in einen Riesenrucksack. Verwundert fragte ich, wozu er das täte, eine Marschübung kann doch nicht so lange dauern. "Na vielleicht wird es auch ernst", meinte Zienau. Als wir beide dann schnell zurückfahren wollten, uns ebenfalls zu versorgen, sagte Zienau: "Das wäre nicht nötig, er hätte für uns alle drei im Rucksack." In Reisepelzen gehüllt trafen wir gegen 6 Uhr in Aulowönen ein. Fremde Gestalten wiesen uns in Dunkelheit zum Gasthaus Kleinke, dort lagen schon 3 Mann auf dem Stohlager. Ein Melder brachte Befehl, die Inster-Haff-Stellung bei Ossafurt (6 km östlich) zu besetzen. Als gegen 7 Uhr eine Gruppe von 8 Mann versammelt war, traten wir an. Alle in ruhiger Selbstverständlichkeit, zu einem Unternehmen "Himmelfahrt", der zerrissenen Front entsprechend. Ich entsinne mich nun noch auf die Kameraden Paugstat, Gustav Ukat und Franz Baumgart. Unsere Bezirks- und Ortsbauernführer wurden zurückgeschickt, die Evakuierung der Bevölkerung zu organisieren (reichlich spät). Beim Vorbeigehen verabschiedete ich mich von meinem Schwager, Gärtnereibesitzer Fritz Meyer und Familie, die im begriff waren, den Treckwagen zu besteigen.
Panzer VI "Königstiger"
Chausee nach Grünheide, ca. 1935
Ein Panzer mit weißem Tarnanstrich (Königstiger) wurde vor dem weißen Giebel der Molkerei mit viel Krach in Stellung gebracht und das Rohr zum Direktbeschuß von vorn auf die talwärtsabfallende Chaussee nach Grünheide gerichtet. Bei der Siedlung Nord verließen wir Volkssturmmänner die Chaussee nach Schillen und nahmen Richtung gen Osten auf Steinacker. Ein Treckwagen kreuzte unseren Weg. Franz Wenghöfer in Zivil, mit feldmarschmäßigem Gepäck, begleitete ihn bis zur Chaussee, verabschiedete sich von seiner Tochter Hildegard (Wenghöfer) (damals 20 Jahre alt), die hoch zu Roß den Treck führte und kehrte zurück, sich uns anzuschließen. Auf freiem Feld stand verlassen ein deutsches Aufklärungsflugzeug, das wegen Benzinmangels notlanden mußte. In Steinacker schloß sich Hans Korint uns an, nachdem er uns mir frischer Mich bewirtet hatte, die am Abend vorher ermolken war und am anderen Morgen nicht mehr zur Molkerei geliefert werden konnte. Im Garten von Fritz Forstreuter stand eine leichte Kanone, an der sich ein kunger Kanonier mit Knabengesicht zu schaffen machte. Auf meine Frage nach dem Geschützführer gab er zu Antwort : "So was gibts nicht mehr, ist keiner mehr da!"
Nach Aufreißen des Nebels waren sofort die russischen Kampfpflieger da. Der erste Pulk von 30 Maschinen warf seine Bombenlast auf Aulowönen. Glücklicherweise fielen sie in den Uszupgrund zwischen Gasthaus Götz und dem Grundstück von Tierarzt Jäckel (das bestätigte mir später Dr. Epha, der während des Angriffs mit seinem Auto den Ort verlassen hatte). Sobald ein Flugzeugpulk seine Bomben abgeworfen hatte und abdrehte, wurde er vom nächsten abgelöst. So ging das bis abends in tiefster Dunkelheit - Der sogenannte Haupttrupp unserer Wehrmacht benutzte die Chaussee Grünheide - Aulowönen als Rückzugsstraße. Zur Seitendeckung stand ein leichtes Geschütz mit Pferdebespannung 2 km nördlich an der Gutsscheune Schruben und ein zweites Geschütz weiter nördlich nochmals 2 km (wie schon erwähnt in Steinacker), beide ohne Infanterieschutz.
Um 9 Uhr empfing uns Zahnarzt Kwider an der Windmühle Ossafurt und wies uns in die Stellung gleich daneben ein, südlich der Chaussee nach Schillen. Nördlich der Chaussee lag die Gruppe Meckschrat. Links und rechts gab es keinen Anschluß an eine andere Einheit. Herrliches Winterwetter, klirrender Frost, gleisender Sonnenschein.
Gegen 11 Uhr fiel plötzlich ein Artillerieschuß von dem Geschütz an der Scheune Schruben. Die Gutsscheune Ehmer-Schiwinnen flammte auf. Schlagartig kam die russische Antwort aus Schiwinnen. Gutsscheune Pukies - Schruben flammte auf. Allmählich dehnte sich der Brand auf andere Gebäude aus. Lebhaftes Artilleriefeuer war aus der Gegend Grünheide zu hören. Kwidor schlug ein Brett vom Dach der Windmühle los und rief seine Beobachtungen zu.
Ungefähr um 12 Uhr : "Russischer Panzer schiebt sich langsam auf dem Weg von Schiwinnen nach Schule Birlenhof vor, belegt Siedlung und Einzelgehöte mit Strohfeuer. Alle 100m hält der Panzer und beobachtet.
Karte zu "Wie ich den Untergang der Heimat erlebte "19. Januar 1945"
13 Uhr : russischer Panzer fährt auf dem Feldweg von der Schule Birkenhof nach dem Gehöft Hans Regge, hat sich scheinbar verschossen und wird von einem anderen Panzer abgelöst.
14 Uhr : Sowjetpanzer ist vorgerückt bis Spitzinn (bewaldeter Hügel), nimmt Aulenbach unter Feuer, die Kirche brennt! Als der Rauch sich verzogen hatte, berichtete er :"Die Kirche steht unversehrt, Haus Rautenberg brennt!" 4 Schrappnellgeschosse, gegen unsere Windmühle gerichtet, erreichten nicht ihr Ziel, nur einige Schrappnellkugeln klapperten gegen die unteren Bretter. Kwidor ließ sich dadurch nicht stören, sondern meldete weiter : Ein zweiter Panzer aus Schiwinnen kommt auf uns zu, hat Dorfmitte von Milschlauken erreicht.
Da setzte das Geschütz aus Steinacker dem Panzer eine Granate vor den Bug. Eine Scheune, die dicht daneben stand, in der Munition lagerte, flog mit gewaltiger Detonation in die Luft. Ein riesiger Brand dehnte sich über das ganze Dorf aus. Der Panzer war verschwunden, der erwartete Großangriff von nachfolgenden Verstärkungen blieb aus. Vielleicht vermuteten die Sowjets, daß der Weg hierher vermient war. Man fragte sich, welche höhere Gewalt die Granate in das Munitionsdepot gelenkt hatte ? Das kleine 18jährige Kanonierchen wohl nicht.
15 Uhr : Freindpanzer hat den Bumbullus erreicht (ein Hügel der in alter Zeit durch seinen Spuk gefürchtet war), steht in der Kiesgrube, beschießt Aulenbach sowie Straßen und Ortschaften westlich davon. Später erfuhr ich, daß ein großer Teil des russischen Haupttrupps aus Grünheide bei Lindenhöhe von der Chaussee nach Süden abgeschwenkt war, über Groß Warkau in Richtung Insterburg - 20km gegen einen Teil der Panzerdivision "Hermann Göring", die auf der Chaussee Insterburg-Aulenbach im Anmarsch war. Erst in der zweiten Nacht später sind die Russen bei Nettienen über die zugefrorene Inster und Angerapp gegangen und dann vom Rittergut Breandes - Althof aus, von Westen her in die Stadt gedrungen. Unsere liebe alte Chaussee nach Insterburg wurde Schauplatz eines Chaos von Verstopfung durch Treckwagen, Viehherden, Luftkämpfen mit brennend abgestürzten Flugzeugen und Bombenangriff auf dazwischen aufmarschierende deutsche Panzer. In jener Stunde ahnte ich nicht, daß meine Frau und Tochter mitten darunter waren und nur durch das entschlossene Verhalten des französischen Kriegsgefangenen, Unteroffizier Louis Bonfandeau, Größe 1,55m, gerette wurden.
16 Uhr : Ein "Königstiger" kam auf Umwegen über jennen zu uns nach der Windmühle. Ein Leutnant stieg aus und fragte verwundert :"Ja, was macht Ihr denn hier ? Ihr seid doch schon lange umgangen, der Russe hat Aulenbach genommen. Macht, daß ihr schleunigst von hier verschwindet, nördliche Richtung nach Gut Kermaschienen, 2km, über freies Feld, einzeln gehen mit 100 Schritten Abstand, jede Deckung ausnutzen." Die Bewegung wurde sofort eingeleitet. Ich hörte noch den weiter beobachtenden Panzerfahrer vor dem Leutnant melden : "Feindliche Panzer auf Chaussee nach Kreuzingen haben Jennen errecht."
17 Uhr : Alle in Kermaschienen versammelt, auch der Königstiger. Der Offizier gab uns Verhaltensmaßregeln für den Weitermarsch. In Dunkelheit sollten wir einzeln, in Abständen zwischen den feindlichen Panzern die Chaussee überqueren und dann selbst zusehen, wie wir weiterkämen, er wüßte nicht, wie weit die Russen das Gelände westlich der Chaussee besetzet hätten. Er selbst wollte weiter nach Norden ausholen. In jedem Falle sollten wir die Hauptsammelstelle Königsberg erreichen. Kreuzingen brannte bereits hell auf. Paligstat und ich gingen zusammen nach Skardapönen - 3km. Er machte den Vorschlag, auf seinen Hof zu gehen, der an der Chaussee lag, um ein Pferdefuhrwerk für uns flott zu machen. Ich blieb zur Beobachtung an der Straße zurück. Sowjetpanzer rückten an. In der Dunkelheit entstand Tumult. Ich suchte vergebens meinen Kameraden, rufen konnte ich nicht wegen der Feindesnähe; also machte ich mich allein auf den Weg nach Königsberg. Der schwerste Gang, die brennende Heimat zu verlassen. Mehrmals habe ich mich umgeschaut, einzelne Granaten schlugen ein in Kallwischken (Hengstenberg), Streudorf, Tannenfelde, Waldfrieden und Buchhof. Allmählich veerstummte die Artillerie. Die Brände erloschten.

Aufgeschrieben von Ernst Krüger, geb. 18.10.1890 in Groß Warkau. Er war verheiratet ab 1920 in Ernstwalde, Kreis Insterburg


Unsere Flucht aus Ostpreußen

Der 2. Weltkrieg 1939-1945

Aufzeichnungen von Hedwig Seidler geb. Rautenberg (1906-1993) aus ihren Erinnerungen und ihrer persönlichen Sichtweise im Jahre 1992, vom handschriftlichen Original nahezu unkorrigiert von Sohn Siegfried Seidler übertragen.

Verlobung Adolf Seidler und Hedwig Rautenberg (1925)
Es war der 1. September 1939, als der 2. Weltkrieg begann. Die Ernte war noch nicht eingebracht. Die meisten Männer mussten weg zu ihren Truppenteilen oder auch zum Innendienst. Auch mein Mann Adolf Seidler, damals 43 Jahre alt, durch Lehrkurse ausgebildet, musste zum Beobachtungsposten, in sogenannte Bunker in unserer Umgebung, um auf feindliche Flugzeuge zu achten und sie zu melden.
Es hieß immer wieder, der Krieg ist bald zu Ende und Polen ist verloren. Wir alle glaubten es. Es ging auch alles gut. Die Sondermeldungen brachten gute Meldungen. Immer, wenn eine Stadt erobert war, war der Jubel groß und wir jubelten alle mit. Hitler war der große Mann, er wollte alles erobern. Es hieß nur noch „Heil Hitler“ überall auf den Straßen und die Hand flog hoch, bei jung und alt. Es war der damals übliche Gruß.
Auch mein Bruder Paul Rautenberg wurde gezogen und als Flieger ausgebildet. Bruder Herbert (Rautenberg) war zurückgestellt worden, er durfte das Geschäft der Eltern, die Gaststätte Rautenberg weiterführen, weil diese schon älter waren.
Die ersten Gefangenen trafen ein. Auch wir bekamen einen Weißrussen zugeteilt für die Arbeit auf dem Felde. Aber dann kam es anders. England, auch Frankreich und Rußland (Anmerkung: nicht korrekt!!!) erklärten uns den Krieg. Wir standen mit Österreich allein gegen so viel Übermacht.
Der Krieg gegen Polen dauerte wirklich nur drei Wochen. Leider war er aber noch nicht zu Ende und das dicke Ende kam noch. Italien trat als Verbündeter in den Krieg ein.
Todesanzeige Paul Rautenberg (3. Sep. 1943)
Mein Schwager Benno Teufel musste von Beginn an sein großes Anwesen, Ziegelei und Landwirtschaft verlassen. Der Nachbar, Gutsbesitzer Hans Ehmer, übernahm freundlicherweise die Aufsicht so gut es ging. Der Kriegszustand hielt an. Es wurde immer drohender und die Front rückte immer näher. Die Angst wurde größer für uns zu Hause. Die ersten Gefallenen wurden gemeldet.
Mein Mann, Adolf Seidler wurde nach Goldap , etwa 70 km weiter in den Luftraumbeobachtungsbunker verlegt. Dann eines Tages wurde er aus Unvorsicht eines Kameraden (beim Gewehrreinigen) durch einen Bauchschuss lebensgefährlich verwundet und lag nach schwerer Operation zehn Monate im Krankenhaus. Später wurde er zu einer Versorgungseinheit in Königsberg abkommandiert(Anmerkung: Hufenkaserne Königsberg).
So gingen schwere Jahre vorbei. Unsere Soldaten kämpften tapfer weiter. Die Winter waren kalt. Es kam die harte Schlacht um Stalingrad. Viele junge Leute mussten ihr Leben lassen. Vielen froren Füße und Hände ab.
Überführung Paul Rautenberg (Sep. 1943) nach Aulenbach
Mein Bruder Paul Rautenberg (Feldwebel und Bordfunker) stürzte 1943 mit dem Flugzeug tödlich ab. Meine Eltern haben ihn nach Aulenbach überführen lassen.
Immer näher kam die Front, die feindlichen Flugzeuge hörten wir des Nachts näher und näher an ihrem Brummen. Ganz deutlich unterschieden wir schon die englischen von den russischen. Es kam der Sommer 1944. Mein Bruder Leo Rautenberg war Lehrer in Schirwindt, ganz an der (Anmerkung: litauischen) Grenze. Er wurde mit seiner Familie ausgebombt. Er kam zu den Eltern nach Hause.
Auch für uns wurde es brenzlig. Viele, viele Flüchtlinge kamen mit ihren Trecks bei uns vorbei. Immer, immer mehr wurden es insbesondere aus dem Memelland. Schließlich sorgten meine Brüder dafür, auch unsere Eltern August und Ottilie Rautenberg in Sicherheit zu bringen. Mit dem Pferdewagen mit etwas Hab und Gut beladen brachte unser damaliger Kutscher Walter sie ein paar Kilometer von uns (meines Wissens nach Puschdorf (Anmerkung: ca. 30 km westlich von Insterburg an Bahnstrecke nach Königsberg ) erst mal weiter. Mein Mann weinte, als er sich von seinem Sohn verabschieden kam und ließ ihm etwas Geld zurück.
Neben Königsberg und Tilsit wurde auch Insterburg von Tieffliegern angegriffen. Immer verzweifelter wurde die Lage. Dann kam der Befehl, unseren Ort zu räumen. Alles ging so schnell. Wir packten das nötigste zusammen und sind mit der Bahn losgefahren (Anmerkung: am 14. November 1944). Tante Lisbeth Schlimmer (meine Schwägerin) kam mit uns, d. h. mit meinen Kindern Manfred 7 Jahre, Siegfried 3 Jahre und mir. Älterster Sohn Horst (Seidler), 16 Jahre und Anton unser Weißrusse mit dem Pferdewagen hinterher. Mein Mann Adolf Seidler hatte ein paar Tage Urlaub bekommen und ist mit uns bis Königsberg mitgefahren. Man hatte uns als Evakuierungsziel Liebstadt zugewiesen. (Anmerkung: die Bevölkerung des Kreises Insterburg war offenbar auf die Orte Liebstadt und Mohrungen aufgeteilt worden ).
Die erste Nacht verbrachten wir auf dem Bahnhof in Königsberg auf dem Fußboden. Siegfried weinte und schrie und wollte nach Hause.
Nach Ankunft in Liebstadt (Anmerkung: eingetroffen in Liebstadt am 15. November 1944) bekamen wir dort ein schönes großes Zimmer bei einer alten Dame. Sogar unser Schlafzimmer und den Teppich hatte Anton von zu Hause mitgebracht. Jedenfalls ging es uns vom 15. November 1944 bis 19. Januar 1945 in Liebstadt nicht schlecht. Immer in Gedanken, bald zurückzufahren.
Dann hörten wir am Sonnabend, 19. Januar 1945 im Radio, dass unser Heimatdorf Aulenbach (Ostp.) und auch Insterburg besetzt wurden. Am nächsten Tag, Sonntag, kam Horst der zwischendurch wieder zu seiner Volkssturmeinheit nach Aulenbach (Ostp.) zurückgefahren war, in Liebstadt an und sagte, dass Allenstein schon geräumt werden sollte und die größte Alarmstufe für uns bestand. Ja, nun aber wohin ? Es ging kein Zug mehr. Endlich hieß es, dass in einer Straße Militärlastkraftwagen stehen und uns mitnehmen wollten, aber sofort! Wir schnell los. Außer uns waren noch einige Bekannte mit uns. Wir mussten noch bis morgens 4.00 Uhr auf die Weiterfahrt warten. Die Kinder legten wir zeitweise in die Betten der geflüchteten Leute an der Straße, wir immer auf der Lauer wann es los geht. Dann war es soweit. Es war stockdunkel, Horst hatte uns in den Wagen geholfen. Im letzten Moment musste ich noch Manfred suchen, der hinten am letzten Wagen stand und sich in Ruhe die Panik ansah. Wir sind bis abends gefahren.
Fluchtroute Familie Seidler (November 1944 - März 1945)
Dann plötzlich blieben die Wagen stehen, wir mussten die Wagen verlassen. Wir waren in Elbing (eingetroffen am 20. Jabuar 1945). Es hieß, unsere Soldaten haben dort Übung. Es wurde geschossen in Elbing, wir sollten so schnell wie möglich Unterkunft suchen. Es waren aber die Russen, die Elbing angegriffen hatten. Wir fanden einen Rodelschlitten und sind gelaufen. Elbing war auch schon geräumt. Wir fanden ein leeres Haus und konnten wenigstens die Kinder in Betten legen. Unsere Angst war groß, die Russen schossen die ganze Nacht. Am nächsten Morgen sind wir ganz früh zum Bahnhof. Tiefflieger griffen Elbing an, wir warfen uns immer wieder auf die Erde und zitterten. Tatsächlich konnten wir mit dem nächsten Zug weiterfahren. In einem Güterzug, Gott sei Dank in einem geschlossenen Wagon, wo uns ein netter Bahnbeamter hinein half, sind wir vier Tage unterwegs gewesen, bis wir in Köslin (eingetroffen in Köslin am 25. Januar 1945) wieder Unterkunft fanden.
Hedwig Seidler mit Ihren Söhnen (1942)
Dort bekamen wir ein kleines Zimmerchen bei einem Bürovorsteher ( Herr Dumke ). Die Leute waren nett zu uns. Siegfried mochten sie gern. Er kriegte jeden Tag einen Teller Nachtisch zu Mittag. Wir holten uns das Essen aus einer Fernküche. Es ging ganz gut, bis der Russe auch da näher kam und wir weiter mussten ( Anmerkung: Abfahrt aus Köslin am 1. März 1945 ). Alle, auch unser Herr Dumke mit Frau und Tochter, stürmten zum Bahnhof. Die ganze Nacht standen viele, viele Leute da und warteten bei Kälte und Schneegestöber bis morgens um 8.00 Uhr, bis endlich ein Zug ankam und wir wieder im Viehwagon unterkamen. Gott sei Dank war da wieder ein kleiner Kohleofen und sogar in einer Ecke ein Häufchen Kohlen. Der Zug blieb oft auf freier Strecke stundenlang stehen, auch feindliche Flieger konnten wir beobachten. Manchmal gab es einen Teller warme Suppe vom Roten Kreuz, die den Kindern recht gut tat. Wovon Tante Lisbeth und ich gelebt haben, weiß ich nicht mehr. Wir hatten uns sicher Brot mitgenommen. Bald hätte ich vergessen, Horst musste uns in Köslin verlassen ( Anmerkung: er hatte sich dort freiwillig zum Reichsarbeitsdienst gemeldet.)
Unser Zug brachte uns über Kolberg, Wollin, Swinemünde (mit der Fähre), Stralsund und Rostock tatsächlich bis nach Hamburg, wo wir am 6. März 1945 um 5.00 Uhr morgens ankamen. Wir hatten ein wenig geschlafen und waren sehr erstaunt, in Hamburg zu sein. Dort auf dem Bahnhof erhielten wir wieder vom Roten Kreuz belegte Brote und warmes zu trinken.
Es ging nach kurzer Zeit weiter über Elmshorn nach Barmstedt (eingetroffen in Barmstedt am 6. März 1945 ). Ein netter Bahnbeamter riet uns, nicht in Elmshorn auszusteigen, Barmstedt sei ein kleines sauberes Städtchen, wir wären da gut untergebracht. In dem damaligen Hotel „Stadt Hamburg“ in der Marktstr.(Anmerkung: heute „Fahrrad-Jepsen“) wurden wir verteilt. Ich mit Siegfried und Manfred wurde zur Hamburger Str. Nr 13 gebracht (Anmerkung: ehemals Milchmann Schulz ). Es regnete in Strömen, müde, kaputt und hungrig bekamen wir ein winziges fast dunkles Dachstübchen. Ein Bett auf dem Fußboden für die Kinder, eines für mich, ohne Tisch, ohne Stuhl, ohne Waschmöglichkeit. Essen aus der Fernküche. So hausten wir ungefähr vom 6. März bis 10. April 1945- Bis wir dann in der Mühlenstr. Nr. 30 ein größeres möbliertes Zimmer fanden (Anmerkung: bei Familie Möller).
Sohn Gerd , der seit 1940 in Königswinter auf der Schule (Anmerkung: Adolf Hitler Schule ) war, fand uns in der Mühlenstr. im Sommer (1945) mit Hilfe unserer Verwandten in Berlin. Er musste auf dem Dachboden schlafen. Wir haben Kartoffeln gestoppelt und holten unser Essen aus der Fernküche. Es wurde immer enger im Zimmer, zumal mein Mann im Januar 1946 auch zu uns kam (aus englischer Kriegsgefangenschaft Nähe Wismar). Auch Horst fand zu uns. Ebenfalls aus Gefangenschaft entlassen (zunächst amerikanischer/Nähe Schwerin, dann englischer/ Krummsee Schleswig-Holstein) und einem Bauern in Hohenfelde zugeteilt. Unsere Freude war groß, alle gesund wieder zu haben.


Die alte Heimat nach der Vertreibung

Briefe aus der Vergangenheit

Die meisten Einwohner von Aulenbach (Ostp.) flüchteten spätestens im Januar 1945 vor der herannnahenden russischen Armee. Viel zu spät. Ein riesiger Flüchtlingsstrom setzte sich in Bewegung. Ende Januar 1945 mögen es wohl fünf Millionen Menschen gewesen sein, die versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Behörden hatten zwar für den Fall begrenzter sowjetischer Einbrüche Evakuierungspläne in der Schublade, aber die waren längst Makulatur. Zudem spielen Gauleiter wie Erich Koch in Ostpreußen Vabanque, riefen zum Durchhalten auf und hielten die Räumungsbefehle zurück. Doch dann gab es kein Halten mehr. Frauen und Kinder, alte Männer (die 16- bis 60-jährigen Männer wurden in den Volkssturm gezwungen) ließen alles zurück und machen sich in Trecks auf den Weg in Richtung Westen.

Einige Einwohner flohen zwar, kehrten jedoch nach dem Kriegsende ab Mai 1945 in Ihre alte, mittlerweile russisch besetzte Heimat zurück. Was Sie in Ihrer alten Heimat erlebte, bzw. welche traumatischen Ereignisse sich auf der Flucht ereigneten, schildern 3 Briefe aus der Zeit von 1946 bis 1949.

Franz Krüger lebte 1946 in Aulenbach (Aulowönen) und schrieb diesen Brief an Franz Scharffetter. Den Brief gab er einem Siedler aus Aulowönen mit, der 1946 versuchte zu Fuß von Ostpreußen nach Westdeutschland zu gelangen, was glückte. Durch diesen Brief erfuhr die Familie Krüger 1946, daß Eltern und ein Bruder in Ostpreußen lebten:


Aulowönen, den 16.8.1946
Meine lieben Freunde!
Brief von Franz Krüger (16.08.1946)
Wie ich nach und nach erfahren habe, habt Ihr Verwandte und Bekannte Euch in einem Dorf zusammengefunden und könnt und werdet auch hoffentlich mit Eurem Los zufrieden sein. Ich weiß nun nicht ob ihr von hieraus Bericht erhalten habt. Ich fühle mich jedoch veranlaßt, über die allgemeine Lage etwas zu berichten. An Franz Scharffetter habe ich vor 14 Tagen eine Karte abgeschickt. Ob er sie erhalten hat? Dort schrieb ich, die Scheune ist abgebrannt, das Haus steht noch, doch muß man sich den wohnlichen Zustand denken. Das Vorwerk war wenig beschädigt, habe dort mit einen Ableger Roggen gemäht und Gelegenheit gehabt, alles zu besichtigen.
Weidlauken ist Scheune und Stall abgebrannt, in Gründann steht alles; alle Höfe sind nur wenig von Russen bewohnt gewesen und in Kletten, Nesseln, Dornen und Diesteln eingewachsen.
Ernstwalde ist wenig beschädigt. Scharffetters Hof steht friedensmäßig da und ist der Sitz einer Kolchose. Alte Frau Scharffetter wohnt bei der Schmiedefrau Laschinski in Pesseln. Meine Frau und Schwester Dora haben sie gestern zufuß besucht und gesund angetroffen. Frau Noack arbeitet auf einer Kolchose in Neuwalde.
Nun, wie sieht es in Aulowönen aus? Der Hof von Bleyers ist friedensmäßig, ist der Wirtschaftshof, zu dem wir gehören, dazu rechnet noch der Hof von Flödtkes und der Stall von Knackstädts, das Haus ist stark zerschossen. Rautenbergs, Götz, Wilhelms, Teufels sind abgebrannt; Ehmers steht ein Stall, das Wohnhaus und die Insthäuser. In den anderen Häusern haben sich die Bewohner der Umgebung zusmmengezogen, soweit sie noch einigermaßen bewohnbar sind; der Sicherheit und der Arbeit wegen. Wir gehören nun auch dazu.
Meine Frau, mein Sohn und ich fanden uns Ende Mai vorigen Jahres (1945) zusammen, wohnte noch bis Mitte Februar diesen Jahres ohne Arbeit in Groß Warkau. Es ging ganz gut so, doch da keine Änderungen eintrat, mußten wir es vorziehen, Anschluß an Deutsche zu finden, und das war Aulowönen, zumal Meyers und Schwester Clara (Krüger) auch da sind. Mein Hof ist bis auf einen Stall ein Trümmerhaufen, die Ruinen stecken etwas aus dem Unkraut hervor, die Felder denkt Euch auch in diesem Zustand. Die abliegenden Dörfer sind von Bewohnern leer. Wir leben von heute auf morgen von dem sehr Wenigen, was wir verdienen und vom Klauen. Erfahren weiter nichts und besitzen fast nur, was wir auf dem Leibe tragen.
An weiteren Bekannten von Euch ist wohl kaum jemand hier. Frau Hunsalz, Lindicken wohnt mit ihrer Tochter dort, Herr H. ist im Herbst diesen Jahres gestorben. Gustav Warstat, Staggen, ist vor 8 Tagen hier in Aulenbach gestorben. Ich nehme an, daß ihr mit Eurem Schicksal dort zufrieden seid, wenn Euch auch mitunter das Heimweh ergreifen wird; doch Ihr könnt es freudig überwinden. Gern möchte ich unter Euch sein, doch kann ich sagen, daß es mir den Verhältnissen nach noch immer gut gegangen ist.
Es grüßt Euch alle meine Freunde und Bekannte herzlichst; auf Wiedersehen, Eurer
Franz Krüger , Frau und Hans-Georg.


Postkarte der Ehefrau von Franz Krüger (02.09.1947)

Die Familie Krüger führte aus dem russischen Teil Ostpreußens regelmäßig Briefkontakt mit Ihren in den Westen geflüchteten Kindern. Ein weiteres Zeitdokument ist die nachfolgende Postkarte, die Franz Ehefrau an Ihre Kinder in Görbitz schrieb. Interessant ist, das die Adresse sowohl in Deutsch als auch in Russisch verfasst ist. Aus dieser Postkarte sind die Verwirrung der Kommunikation sowie die Laufzeiten der Briefe gut verständlich:


Aulowönen, den 2.9.(19)47
Meine lieben Kinder!
Nun sollte diese Karte an Dodilein vorige Woche schon abgehen, aber wir kamen nicht dazu, und an Ulli geht der Brief auch erst morgen ab. Am Sonnabend, den 30.8. erhielten wir Ursels Brief vom 18.5., einen Brief von Onkel Ernst von Ostern u. von Onkel Bruno einen vom 29.12.46.
Papa ist noch immer in Tamowischken. - - - (?) geht seit gestern hier wieder zur Arbeit, er ist aber noch sehr schwach. Ich will in der nächsten Zeit, wenn wir noch hier sind, nach Tilsit rüberlaufen. Carlachen hat mir doch die Adresse von Herrn - - - (?) geschrieben, da werde ich doch über Euren Aufenthalt u.s.w. alles erfahren, als bis Ihr mir schreibt.
Gestern waren Tante Dora und ich nach Hause auf den Friedhof gegangen, da doch Opaps Geburtstag war. Wir fanden da noch an unserem Haus Weintrauben, die wir auch mitnahmen. Unser Krautschus ist ganz mit Holunder überzogen.
Es grüßt Euch 3 recht herzlich
Eure Mutti


Die Krügers verließ später Aulenbach und flüchteten zum Rest der Familie in den Westen. Der erste Brief von Franz Krüger an Franz Scharfetter (früher Kallwischken) nach der Ankunft aus Ostpreußen 1948 beschreibt die weitere Entwicklung der Orte des Kirchspiels bis 1947 :


Sachsenhausen, d. 27.10.1948
Mein lieber Franz!

Datei:Ksp. Aulenbach (Aulowönen) - 1948-10-27 - Brief Franz Krüger an Scharffetter S 01.pdf

Heute Deinen lieben Brief mit viel Dank erhalten, danke Dir recht sehr für die ausführlichen Berichte über alle Bekannten und die ganze Wirtschaft. Sicher wäre ich auch gern in Eure Zone gekommen, aber nun habe ich alle meine Kinder und alle Verwandten hier. Jetzt sind wir erst einmal glücklich hier. Wir haben es nun doch überstanden und haben die Freude erlebt, mit den Mädels zusammen zu kommen, ist immer eine herzliche Freunde, die man sich nicht denken kann.
Nun. lieber Franz, wollt Ihr viel von Eurer Heimat wissen. Viel könnte man davon schreiben, aber es hat ja kaum Zweck. Die Verwüstungen sind in unserer Gegend sehr groß. Mit Aulenbach (Aulowönen) geht es noch, da dauernd von Russen bewohnt war. Teufels Gehöft und Ziegelei, ebenso Rautenbergs sind verschwunden. Bleyers Hof ist ganz erhalten, da dort von Anfang an ein Wirtschaftshof war. Deinen Hof (Anmerkung: Gut Hengstenberg) habe ich ein Jahr nicht mehr gesehen, da ich doch im letzten Jahr von Aulenbach fort war, nach Gr. Warkau gezogen und in Kalkeninken arbeitete.
Jedoch viel kann sich nicht verändert haben. Die Scheune war abgebrannt, das Haus war furchtbar ausgeplündert und die Ställe nicht viel weniger, man konnte kaum noch ein Stehen wagen. Die Eindrücke sind erschütternd. Das Vorwerk war noch etwas besser. Gründann und Weidlauken waren auch noch etwas besser, doch gehen die Plünderungen weiter. Alles war unbewohnt. Z.B. Mittel Warkau stand noch sehr gut als wir 1945 nach Hause kamen, und jetzt war Luschnats Scheune ganz verschwunden, Haus und Ställe furchtbar ausgeplündert, die Dächer waren wohl noch oben. Albrechts und Wilks sind fast vom Erdboden verschwunden. Nur im Häuschen vom Schmiedemeister Neumann wohnte ein Russe ganz einsam, dieses Haus ist erhalten. So sind z.B. die Dörfer Horstenau, Neugrün, Pagelienen fast restlost abgebrochen. Wieder der Hof von Bindert, Klein Aulowönen ist in Ordnung, da dort ein Wirtschaftshof ist, ebenso Dalheimer. Weiter nach Skaisgirren, Popelken, Mehlauken, ging es auch mit den Verwüstungen weil dort mehr Russen abgesiedelt waren; überhaupt waren die kleinen Gehöfte überall mit Russen besiedelt, die wohl da für sich etwas erarbeiteten, aber sonst auf der Kolchose arbeiten mussten. Unsere Höfe sind dagegen in Kletten und Diesteln eingehüllt, die Obst- und Kirschbäume z.T. abgebrochen, die Felder sind fast alle unbestellt, in der Umgebung eines Wirtschaftshofes doch noch etwas mehr, aber im Allgemeinen liegt 75% brach. Über die weitere Wirtschaftsweise lohnt es nicht zu schreiben.
Hans Hasler ist vor 1 Jahr gestorben, das weißt Du doch wohl. ..... Weiter habe ich von Deinem Bruder hier nichts erfahren. Unser Artur (Krüger) ist wohl tot, man soll ihn auf einem Bahnhof schwer verwundet nicht weit von Kgb. (Anm. Königsberg) gesehen haben. Bruno  war in ruß. Gefangenschaft, bei Warkau, hat sich aber bereits ein Jahr nicht mehr gemeldet. Arno ist mit seiner Frau in Dänemark, mit seiner Schwester Frida (?) zusammen, die anderen Geschwister sind ja alle hier in der russ. Zone. Meyers und Bergmanns Gaiden und Warkau, beide letzteren haben in Mecklenburg Siedlung, habe alle dort oben besucht. Es geht ihnen allen recht gut. Die Neusiedler haben alles, auch Geld, aber nicht furchtbar viel.
Franz Krüger


Die Familie Perlbach betrieben einen Kolonialwarenladen mit Gastwirtschaft in Paaringen, 1½ km westlich von Gut Kallwischken (Hengstenberg). Ella Perlbach flüchtete mit Ihrer Familie im Januar 1945 mit einem Treck, doch Sie kehrte anschließend nach Aulenbach (Ostp.) zurück, wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet und überlebte dort 4 schwere Jahre.

Über das Leid auf der Flucht sowie dem Leben und den Entbehrungen in Aulenbach (Ostp.) nach 1945 berichtet sie in einem Brief an Franz Scharffetter im Jahre 1949:


Bleckmar, am 13.4. (19) 49
Liebe Familie Scharffetter,
Brief von Ella Perlbach (13.04.1949)
zum lieben Osterfest will ich Ihnen auch endlich ein Lebenszeichen von mir senden. Lange hat es gedauert. Aber deuten Sie bitte mein Schweigen nicht falsch. - 4 schwere Jahre liegen nun hinter mir, es ist mir selbst wie ein Wunder, daß ich die Zeit durchgestanden habe. Aus eigener jedoch nicht, täglich hat man erlebt, daß eine höhere Hand einen leitet und führt. Unendlich glücklich, dem Paradiese entronnen zu sein, kam ich mit soviel Hoffnung in diese Zone u(nd) hier traf mich das Furchtbarste. - Meine Ursel werde ich nie mehr wiedersehen, ich kann es noch immer nicht begreifen. Eher mußte man sich gefaßt machen, die Söhne nicht wiederzufinden, aber welche Mutter möchte wohl ein Kind mißen, sind ja alle ein Stück vom Herzen.
Das ist nun der erste Schlag u. welche werden noch folgen? Von meinem Mann und Walter habe ich noch kein Lebenszeichen erhalten. - Dort war die Sehnsucht mein Begleiter u. hier gesellt sich noch das Leid dazu. Nichts fällt mit so schwer als Briefeschreiben. Alles wird dann wieder aufgewühlt u. die Tränen laufen von selbst.
Ich habe über mein Schicksal noch nie geklagt, es war wohl so bestimmt für uns. Aber meinen lieben Mann möchte ich noch einmal wiederfinden. Wenn man auch nur das nackte Leben gerettet hat, aber man hat dann wieder gemeinsame Interessen u(nd) fühlt sich nicht so verlassen. - Ich habe doch wenigsten meinen Kleinsten gefunden, der jetzt für mich sorgt. - Im Anfang war es recht schwer für uns, wir fanden uns in diesem Leben gar nicht zurecht. Dieter war auch 3 ½ J. in Gefangenschaft, zuerst beim Amerikaner, dann wurden sie dem Franzosen übergeben. Damals noch ein halbes Kind 16 ½ J., so hat er über 5 Jahre im Sturm des Lebens gestanden und ist zum Mann gereift. Sehr stark ist er nicht, da er grad im Entwicklungsalter viel gehungert hat. Die Arbeit bei der Luftbrücke ist auch sehr schwer, aber wir können noch froh sein, daß er Arbeit hat, so haben wir auch noch unser Essen. Wir bewohnen ein kleines Stübchen und sind glücklich, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wenn ich an die Zeit beim Rußen denke, bin ich mit allem zufrieden.
Bis zum Frühjahr 1946 war es furchtbar, die Menschen starben wie die Fliegen. Unsere Tiere zu Hause haben viel besser gelebt, so oft dachten wir daran. Von März (19)46 gab es dann alle 10 Tage Verpflegung, aber nur für die Arbeiter und das reichte noch nicht mal aus. Jedenfalls war es ein Hungerleben trotzdem. Die Frauen und Kinder sind später nach Litauen ausgerückt, denn Kinder und Alte bekamen nichts. In den letzten Jahren gab es schon Rubel. Wer Geld hatte, konnte sich was vom Basar kaufen. Die Litauer brachten alles was sie hatten, aber oft reichte das verdiente Geld ja nur zum Brot und das gab es nicht mal.
Ich kann gar nicht alles schildern, Worte sind zu arm, um das wiederzugeben. Jedenfalls, seit wir Militärkolchose waren, standen wir noch unter den Tieren, man hat mit den Frauen gepflügt und gearbeitet bis man zusammenbrach. Vielleicht sehen wir uns mal wieder, dann will ich Ihnen mehr erzählen.
Nun will ich Ihnen noch schreiben, wie ich Ursel und meinen lieben Mann verlor. Wir kamen mit dem Treck bis Neuwiese, da war ein Fliegerangriff und alle hatten sich verloren. Wir waren grad mit Willuhn Paaringen zusammen. Dessen Frau war schwer krank und die Mutter über 80 Jahre. Da bat Willuhn meinen Mann, er möchte ihn doch nicht im Stich laßen und mein Mann bekam es auch nicht fertig. Wir kamen bis Kayenen (?), da konnte Frau W. nicht mehr sitzen. Ursel besorgte ihr, trotzdem alles von Flüchtlingen voll war, bei einem Tischlermeister ein Quartier, es war Nacht. Am andern Tag wurde sie sehr schlecht und starb am Nachmittag. Der Meister hatte noch einen Sarg, da wurde sie gebettet und in den Schuppen gestellt.
So kamen wir auch den Tag nicht fort und mußten die zweite Nacht bleiben. Als wir, Ursel und ich aufwachten (die Frau hatte uns zu sich genommen, da wir schon übermüdet waren ), 4 Uhr morgens, hörten wir solch Geschrei, wir sahen zum Fenster raus, da lagen am Dorfeingang 6 brennende Panzer (ruß.). Nun entstand ein Tumult, der Volkssturm wurde gesucht, aber keiner war zu finden. Ein Schießen und Krachen folgte. Mein Mann stand mit dem Wagen auf der Domäne, Ursel lief, nachdem es ein wenig ruhiger geworden war, zu meinem Mann, sie sagte ihm, Papa wenn es schlimm kommt, fahre ich mit der Wehrmacht. Mein Mann kam zu mir, als er zurück ging (zum Wagen), konnte er Ursel nicht finden. Er kam und erzählte mir, Ulla ist fort. - Es war der erste große Schmerz für mich. (Später ist sie noch von Frau Krause, Staggen gesehen worden). Ich lief nun zu meinem Mann und wir fuhren los, rechts u. links schlugen die Granaten ein. Die tote Frau mußten wir laßen. Wir fuhren nun Tag auch Nacht, aber man kam nicht mehr vorwärts. Wir wurden andauernd umgeleitet und kamen nicht von der Stelle. Bis Neuhof vor Königsberg kamen wir, da war es furchtbar, da ereilte uns das Schicksal.
Die Nacht über wurden wir eingesperrt und am Morgen ließ man uns laufen. An die Wagen durfte niemand mehr ran. So hatten wir nur, was wir auf dem Leibe hatten. Nun liefen wir wie die verirrten Schafe umher, alles schrie pascholl nach Hause. Keinen Ring, keine Uhr behielten wir an der Hand. Unseren Franzosen schleppten sie aus dem Stall hinter der Scheune u. gaben ihm Genickschuß.
Sie glauben es nicht, liebe Scharffetters, was wir [erlebt ?] haben. Ja, hätten wir nur an uns gedacht, vielleicht wären wir … [?] gekommen, anstatt daß mein Mann u. ich nach Königsberg wanderten, gingen wir zurück, man wußte ja gar nicht mehr, was richtig ist. Als wir in [...]utzken ankamen, stand Posten auf der Straße, auch ein Offizier, da nahmen sie mir mein Letztes, was ich noch besaß - meinen Mann, und mich schickte der Offizier weiter, sie werden versorgt. Mein Mann ging mit gesenktem Kopf ohne sich noch einmal umzusehen. Ich kann noch gar nicht daran denken, ich war ärmer denn je. Ich bat den Offizier noch einmal meinen Mann zu sehen (immer wieder ging ich zurück), er besann sich ein Weilchen, dann sagte er „Ihr Mann ist schon fort, liebe Frau, wir stehen im 6. Kriegsjahr, das werden Sie wohl wißen und Menschen werden gebraucht. – Nun irrte ich weiter, in mir war alles erstorben. Später kam ich bis Labiau, da fand ich einige von Wittgirren und auch Willuhn und die Oma. Wir wurden wieder verhört und ein Offizier brachte uns bis zum Ende der Stadt. Da gingen wir weiter und kamen unter Schwierigkeiten bis Spannegeln. Da wurde Willuhn, auch ich zur Kommandantur (Steinbrück) gebracht, daselbst war ich 14 Tage.
Da ließ man mich laufen, weil ich viel geweint habe. Der Offizier konnte es nicht begreifen, ich habe es doch gut, kann essen, auch trinken.
In Paaringen fanden wir noch Frl. Schurkus, einen Flüchtling von Heydekrug-Schug (dem waren Frau und 1 Kind erschoßen), Bielau und 5 Kinder, die anderen 5 Kinder, Frau und Mutter auch erschoßen. Die fuhren erst am Sonnabend und direkt in die Russen. Einige Tage wohnten wir auf Fröses Wirtschaft mit Polenfrauen, dann wurden wir vertrieben und gingen auf die Wirtschaft von Stonal [?] (Gustav). Die Männer wurden dann alle gegriffen und verschleppt. Schulz hatte noch 2 Kinder, 1 Junge 11 Jahre und einen kl(einen) 14 Monate. Den kleinen fanden sie am anderen Tage an einem Wagenrad stehen (das Unglück geschah vor Markthausen), der Junge konnte noch nicht gehen u. lebte, sicher ist er der toten Mutter aus dem Arm gefallen. Bielaus Frau war kurz vorher entbunden.
Es folgte eine furchtbare Zeit, es wohnten noch mehr deutsche Menschen/Frauen da. Da plünderten die Rußen alles, was man noch zusammen getragen hatte. Ich stand ohne Schuhe, auch ohne Mantel. Da, eines Morgens wurden alle Deutschen zusammengetrieben, in jedem Dorf vergrößerte sich der Treck, dann ging es zu Fuß, ich noch auf Klumpen, solch eine alte gefundene Jacke an, den kl(einen) Jungen in einem gefundenen Sportwagen, den 11-jährigen und den Wolfgang von Willuhn (Neffe) 13 Jahre, der sich inzwischen (Anm.: Am Seitenrand steht: Otto Brandstäter lag auf der Straße auf Fröses Land tot) eingefunden hatte, bis Pillkallen. Über eine Woche waren wir unterwegs, viele konnten nicht mehr weiter. Wir hatten aber einen vernünftigen Russen als Treckführer, der ließ oft ausruhen. Andere Posten dagegen haben die Menschen, die nicht mehr weiterkonnten, einfach erschoßen. Wäre unser Treck früher nach Pillkallen gekommen, wären wir wohl auch nach Rußland gekommen. Wir hörten da, daß ein Transport von Stallupönen zurückgekommen ist, es wäre verboten. Zu mir war einen Tag der Kommandeur von Aulenbach mit dem kl. ruß. Michel von Kurbjuhn gekommen, ich sollte nach Aulenbach zur Kommendantur zur Eintragung. Aber ich hatte allein große Angst zu gehen, zumal ich doch nichts für die Füße hatte. Hätte ich es getan, wäre ich in Aulenbach geblieben. - Man wußte ja nicht, was richtig ist. Wir wurden dann auf Gut Brenke, Klein Szameit, gebracht. Da haben wir 1 Jahr schwer arbeiten müßen. Da kam in Groß u. Klein Szameitkehmen das Massensterben. Die beiden Kinder, die ich betreute, sind auch tot, der große blieb leben. Frau Krause und Hans sind auch tot, Lörchner, auch von Spannegeln Friedrich Perlbach u. Frau, auch die beiden Kleinen von der Tochter, Tuleweits die Alten. Frl. Steinbacher fand ich auch, ist mit mir zusammen gewesen, kamen auch zusammen in diese Zone.
Traute Hunsalz, Stg. war in Rußland, ist zurück und nun hat der Verlobte sie verlaßen und sich mit einer heimischen Bergmannstochter verheiratet. Die beiden (Anm.: Ende der Seite, am Rand steht: Laaser (?) ist erschossen, der alte Pantel u. Tochter auch. Frau Hunsalz ist tot) jungen Leute Schinz, Wittgirren, haben ihre Frauen auch im Stich gelaßen. Ist das nicht furchtbar.
Rut (?) Steinbacher lebte, erfuhren es kurz bevor wir nach hier kamen. - Spannegeln war fast alles kaputt. Andauernd wurden neue Brände angelegt. Ihre lange Scheune sah ich auch brennen, Seidenbergs Paaringen, Müller Perlbachs u. Mallunats Insthaus auch. Bei uns war damals die Scheune abgebrannt, der neue Hühnerstall, Auto-schuppen u. Keller. Nun soll alles fort sein. Ich fand nie Ruhe, wenn ich an zu Hause dachte. Als ich dann hörte, daß alles fort ist, wurde ich ruhig. Den Gedanken, daß da, wo ich glücklich war, diese Horden hausen sollen, konnte ich nicht ertragen. - Jedoch, wenn es zum Frühjahr geht, steht die Heimat so lebhaft vor Augen, es ist, als wenn sie rufe:
Hew de Ruh gefunde, man de Sehnsucht blew. (Anm. Habe die Ruhe gefunden, nur die Sehnsucht bleibt.)
Manches sieht man nur wie durch Nebel, es rückt vieles schon in die Ferne, denn unser Denkvermögen hat im ersten Jahr sehr gelitten, das Gehirn verschrumpfte langsam, da wir doch 1 Jahr keine Verpflegung erhielten. Später in den Jahren konnte man sich allmählich erinnern.
Ich war 1946 beim Ernteeinsatz auch schwer krank, Typhus, wurde wie ein Hund immer von einer Stelle zur andern geschleift. Wie habe ich mir oft den Tod gewünscht, aber immer war ich nicht dran. Meine Haare hatte ich alle verloren; jetzt trage ich schon kleine Zöpfe über den Kopf gesteckt. Meine Uschi ist auch 1945 beim Ernte-einsatz in Neuhof krank geworden (Typhus), wurde nach dem Krankenhaus (Roßgarten) gebracht. Hat Typhus überstanden, da sie ein starkes Herz hatte. Da fand sich aber eine Lungenentzündung (sie lag am Fenster, muß sich wohl erkältet haben) u(nd) der vom Fieber ge-schwächte Körper hielt es nicht durch. Wenn ich die Jahre an mein Kind dachte, gingen meine Gedanken nur bis Königsberg, weiter fanden sie den Weg nicht. Da schläft sie nun! - Diejenigen, die mir den Tod an Eides Statt melden könnten, habe ich noch nicht gefunden. Als die Frauen vom Ernteeinsatz zurückkamen, wurde gesagt, Ursel wäre tot - und so muß ich es glauben. Immer höre ich ihr munteres Lachen und meine, sie müßte ins Zimmer treten. Wenn ich die jungen Mädchen sehe, dann sehe ich Ulla, es ist oft so schwer. - Ursel hat während ihrer Krankheit noch alle grüßen lassen, die sie lieb hatte und die Ursel lieb hatten, aber besonders ihren Papa und ihre Mutti.
Verzeihen Sie, liebe Scharffetters, ich muß aufhören, es ist heute zuviel für mich.
Grüßen Sie bitte die alte Dame, Frau Pfarrer, die Kinder und Ihnen
viele liebe Grüße verbunden mit guten Wünschen zu Ostern in Heimatverbundenheit
Ihre Ella Perlbach'
P.S. Und wieder will es Frühling werden, Jahre kommen und geh’n. Ich aber warte, warte, daß wir uns wiedersehen. So warte ich schon im 5. Jahr, aber das Schicksal gibt keine Antwort, es bleibt stumm.


Ein Brief an den Seelsorger

Der nachfolgende Brief wurde von Helene Eschmann im Jahre 1948 an Pastor Ahne, der bereits 1941 in Aulenbach konfirmierte, verfasst. Sie war 1948 zusammen mit dem Aulenbacher Gärtner Fritz Meyer und seiner Frau Gera Meyer, geb. Krüger sowie Ihrer Schwägerin Clara Dalheimer, geb. Krüger aus Aulenbach herausgekommen (ausgewiesen) worden, also 3 Jahre nach Kriegsende. Ihr Bruder Franz Krüger wurde mit seiner Ehefrau und Sohn ebenfalls im September 1948 aus Groß Warkau ausgewiesen. Der Brief wurde im Insterburger Brief (Ausgabe nicht bekannt) veröffentlicht :


Sehr geehrter Herr Pastor Ahne,
bevor ich Ihnen die gewünschte Aufzeichnung gebe, muß ich in Dankbarkeit bekennen : "Der Herr hat Großes an mir getan!" Nur dieses Wissen um des Herrn Hilfe gab uns die Kraft, die dreineinhalb Jahre in steter Angst, Entbehrung und harter Arbeit zu überstehen. Wie arm waren doch die Menschen, die trotz anhaltender Nöte noch immer nicht erkannten und seine Hilfe nicht erfahren durften. Wie ganz anders steht man doch in Trübsal und Kummer da, wenn man sich zu ihm flüchten darf.
Wir waren in Aulowönen ca. 40 Deutsche, darunter nur wenig Aulowöner, weil aus allen Gegenden diejenigen festgehalten wurden, die auf ihrer Wanderung ihre Heimat suchten. Frau Dalheimer, früher Lehrerin an der Privatschule und Leiterin der Frauenhilfe werden Sie, geehrter Herr Pastor, noch in guter Erinnerung haben, war nach dreiwöchiger Wanderung von Danzig zurückgekommen in der Hoffnung, ihre Angehörigen und alle anderen Einwohner wieder in geregelten Verhältnissen vorzufinden. Ebenso kamen auch wir, Frl. Feuersänger mit ihrer alten, kranken Mutter und ich , von Bludau bei Fischhausen zurück, wo uns die Sieger eingeholt hatten. Wenn wir meinten, auf der wochenlangen, erzwungenen Reise alles Unmögliche erlebt zu haben, so war es doch nur gering gegen alles folgende. Galten doch die Frauen, auch selbst ältere und ganz alte, als Freiwild.
Außerdem haben wir unter Kontrolle Männerarbeiten ausführen müssen bei ganz geringer Kost, ohne Fleisch und Fett, fast bis zum Schluß. Frau Dalheimer, geb. Krüger (jüngste Schwester von Franz Krüger aus Groß Warkau) hatte einen Schweinestall zu versorgen, der auf dem Hof von Amtsvorsteher Bleyer war, und noch einen Kälberstall, der sich im Wohnzimmer bei Knackstädt (Nachbargrundstück) befand. Eine Zuchtsau mit Ferkeln war in einem Zimmer bei Bleyer einquatiert. Als wir damals abgelöst wurden, bezogen unsere Nachfolger, die nach wochenlanger Reise, teils zu Fuß, aus Sibirien kamen, die mühsam reparierten Häuser. Das Schwein hatte, vollen Familienanschluß und lebte in der selben Stube, darin sich das tägliche Leben sämtlicher Bewohner abspielte. Im Zimmer nebenan hauste dann gleich die kleine Kuh, wenn sie eine hatten.
Von dem fruchtbaren Land wurde ca. ein Fünftel bestellt. Auf den anderen vier Fünfteln wuchsen schon mannshohe Diesteln und Birkenbäume. Jetzt erstreckt sich dort bestimmt der schönste Urwald mit wilden Tieren. Letztere fanden sich damals schon vereinzelt ein. In unserer Kirche war eine Zeitlang ein Pferdestall eingerichtet. Von den übrig gebliebenen Gebäuden war keins unversehrt geblieben. Türen, Fenster und Fußböden waren überall herausgerissen. Die Friedhöfe fand man oft umgepflügt, nicht um Land zu gewinnen.
Hotel Rautenberg und Ziegelei Teufel (meine letzte Bürostelle) waren total abgebrannt, ebenso fast alle anderen schönen Grundstücke und Geschäftshäuser. Soviel an Verwüstungen wie dort habe ich auf der ganzen Fahrt nach hier nicht gesehen. Besspielweise hat man sich in Insterburg nicht mehr zurechtgefunden, weil lange Häuserreihen wegradiert waren.
So oft es un möglich war, haben wir uns bei Frau Dalheimer um das liebe Gotteswort versammelt. Als nach langem, bangen Warten die erste Post von unseren Angehörigen nach zwei Jahren uns erreichte, fanden wir uns selbstverständlich zum gemeinsamen Loben und Danken bei Frau Dahlheimer ein. In ihrer bewährten Pflichttreue hat Frau Dahlheimer ihre schwere Arbeit oft bis zum Zusammenbrechen gemacht. Leider war auch das Pfarrhaus nicht nur äußerlich sehr mitgenommen. Ihr früheres Arbeitszimmer war mit Sägebock und Hackholz ausgestattet. Sie würden ihren früheren Wirkungskreis, der sich doch über eine große Umgebung erstreckte, nicht wieder erkennen.
Genußmittel gab es nicht. Unsere Nahrungsmittel, die wir als Arbeiter zugeteilt erhielten, bestand aus 150g Roggenmehl täglich. Das erste junge Grün, bestehend aus Brennesseln, Löwenzahn usw. erhöhte unser Lebensniveau. Unter den Ruinen haben wir uns noch manche Vorräte an Nahrungsmitteln, vor allem Kartoffeln, hervorgesucht und konnten so auch die nicht mehr arbeitsfähigen alten Personen ernähren. Läuse, Mäuse und Ratten waren unsere Haustiere. In diesem Jahr wurde es uns gezeigt, daß man auch ohne Vorräte an Nahrungsmittel, Kleidung und Geld, ohne Arzt und Medikamente leben kann. Jedoch mußten wir manche begraben und auch jetzt wirkt sich dieses nachteilig auf meinen Gesundheitszustand aus. Ich brauche eine gewisse Zeit, bis ich in Gleichgewicht kam.
Der Herr hat uns aber gleich liebe Glaubensschwestern zugeführt, die sich unser lieb angenommen haben. Ich wünsche, daß ich den alten Eltern und ihrer Tochter, die als Organistin im Kirchendienst steht, anerkennend behilflich sein könnte. Aus dankerfülltem Herzen wäre abschließend zu sagen : " In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über uns Flügel gebreitet" Römer 12,12. Er war uns ein wunderbarer Leitstern in dieser Prüfungszeit.

Geschrieben von Helene Eschmann, Aulowönen. Verstorben 1986 in DDR 6853 Ebersdorf.

Datei:Aulenbach (Ostp.) - Ein Spaziergang durch Kalinowka 1992.pdf


Ein Spaziergang durch Kalinowka (1992)

47 Jahre nach der Flucht besucht Lothar Kuprat Kalinowka, das alte Aulenbach. Der Bericht ergänzt in wunderbarer Weise seine Beschreibungen aus "Ein zum Downloaden verfügbar (siehe rechts)

Ja, es ist richtig von Kalinowka zu sprechen. Aulenbach oder Aulowönen ist im Januar 1945 nach fast 600 Jahren (~1375) seines Bestehens untergegangen.
47 Jahre nach dem Untergang fahren wir zu einem kurzen Besuch in die alte Heimat. Wir, dass sind Siegfried Goetz mit Partnerin und ich mit Ehefrau. Bei diesem "Spaziergang" haben mir die Aufzeichnungen von Erich Gettkandt sehr geholfen. Er hat in den alten Plan die von ihm nach der Wende vorgefundenen Veränderungen übertragen.
Ein Taxi fährt uns von Insterburg kommend auf der ehemaligen R 137 (jetzt A 157) Richtung Norden. Nach 20 km ein Ortsschild in kyrillischer Schrift - Kalinowka. Ich kann es auch lesen, doch Siegfrieds Partnerin Katja spricht fließend russisch. Wir haben einen herrlichen Sommertag erwischt, doch für diesen Spaziergang habe ich natürlich nicht soviel Zeit.

Ortseingang Kalinowka (von Insterburg). Mühle Schiemann (links); Druckerei Stamm (Mitte). Auf der Höhe Ortsschildes links stand früher die Villa Teufel. (1996)

Druckerei Stamm an der Insterburger Str. (Richtung Insterburg). Links Bäckerei Leo Stamm, Mitte die Druckerei Curt Stamm, jetzt ein Magazin und Wohnhaus Stamm. (1996)
Die Häuser am Anfang des Dorfes fehlen. Wo ist die Ziegelei geblieben, braucht man keine neuen Ziegel? Alles weg, unser Spielplatz ist restlos verschwunden. Nach den von uns in die Gruben gekippten Loren brauche ich deshalb nicht zu schauen. Die Villa, verschwunden. Der Friedhof gegenüber: Die Gräber geplündert, die Natur hat ihn in Besitz genommen, sie verdeckt den Frevel.
Die Pferdebaracke neben dem Friedhof war aus Holz und als Heizungsmaterial gut zu gebrauchen.
Viele Häuser in der Insterburger Straße stehen, fast alle in ungepflegtem Zustand, die wenigen Vorgärten verschwunden.
Die Druckerei, ein hässlich aussehendes Magasin
Das sogenannte Pfarrer-Witwen Haus wurde von Emma Teufel erworben. Hier wohnte Tierarzt Jäckel bis Kriegsende (1996)

Ruine des Gutshaus Ehmer, die seitliche Gebäude (Ställe) fehlen. (1995)

Bis auf die Häuser von Dr.Jäckel und Dr.Epha sind alle früheren Häuser an dem Weg nach Gründann verschwunden. Wahrscheinlich auch unser "Kletterturm" mit dem Leuchtfeuer. Er war aus Holz.
Der ehemalige Prachtbau von Bürgermeister Ehmer, man mag gar nicht hinschauen, eine Ruine.

Wohnhaus an der Flötkestraße. Hier wohnten wir. Unten Stellmacher Lachinski, oben Witwe Wieprecht (1992)

Rückseite Haus Laschinksi (rechts vom Haus fließt die Aula) (1992)
Die Flötkestraße. Die Hufschmiede ist erhalten, Pferde habe ich nirgendwo gesehen. Traktoren aber auch nicht. Schneider Kludtke bräuchte die Kastanien nicht zu fürchten, der Kastanienbaum ist verschwunden, das Haus allerdings auch. Weiter wäre der Stall von Gefeller gekommen. Das folgende Haus steht. Es ist meine alte Heimat. Wir gehen auf den Hof und treffen Frauen und Kinder, keine Männer. Nach einer Weile kommen Frauen dazu, es riecht leicht nach russischem Wässerchen. "Unsere" Wohnung ist für 2 Familien unterteilt, ich darf mir alles ansehen. Als einziges Inventar in der Wohnung hat der Kachelherd überlebt. Oma bietet uns Obst an. Auch das ist Russland und die russische Gastfreundschaft. Die Menschen sind ausgesprochen freundlich. Katja singt mit ihnen ein russisches Volkslied. Zwischenzeitlich ist eine junge Frau dazu gekommen, die scheinbar die deutschen Besucher in Augenschein nehmen soll. Sie soll Postangestellte sein.
Frau Kuprat in der heutige Küche, der Kachelofen hat überlebt (1992)

„Viehgeschäft J. Gefeller“ am Gebäude an der Insterburger Str. Richtung Insterburg. Im linken Gebäudeteil war in den 1940iger ein Kindergarten untergebracht. (1996)

Wer sie geschickt hat, wissen wir nicht. Zu der Zeit sind die alten Kader im Kaliningrader Oblast noch voll aktiv. Am vorderen Gebäude ist die deutsche Beschriftung noch deutlich lesbar - Viehgeschäft J. Gefeller.
Die Wehrmachtsbaracke gegenüber war aus Holz, ebenso wie die Pferdebaracke, was ihnen zum Verhängnis wurde. Das Feuerwehrgebäude, nur noch auf alten Ansichtskarten zu sehen. Ein neues habe ich nirgends gesehen. Die Gärtnerei und einige Insthäuser stehen.
Weiter in die Flötkestraße, unsere Sturgelstraße. Ob Kinder im Winter hier auch ihren Spaß haben? Schnee und Eis haben die Katastrophe überlebt. Die alte Holzbrücke über die Aula ist durch eine stabile Brücke ersetzt worden. Bis auf einige "Neubauten" fehlen hier alle alten Häuser, einschließlich des Hauses und der Gebäude unseres Standesbeamten Flötke.
Ein Blick in die Grünheider Straße. Den langen Marsch in das Siedlungsareal kann ich aus Zeitgründen nicht machen. Ich sehe von hier nur das bewohnte Kreishaus.
Siedlung Richtung Grünheide. Das sogenannte Kreishaus stand vor der Kreuzung Grünheider Straße / Birkenweg (2001)

Evangelischen Kirche mit Kirchhof und Friedhof. Die Kirche existiert nicht mehr, heute ist hier ein Materiallagerplatz (1996)

Das RAD (Reichsarbeitsdienst)- Lager bestand ebenfalls aus Holz. Den Bestand der Siedlungen kenne ich nur aus den Aufzeichnungen von Erich Gettkandt. Bekannt ist, dass hier deutsche Panzereinheiten auf sowjetische trafen. Bei den Kämpfen wurden viele Häuser zerstört, aber auch zahlreiche sowjetische Panzer abgeschossen. Dem Bambul und Spitzin hat man sicher nichts angetan.
Wir gehen weiter. Direkt an der Kreuzung das Pfarrgelände. Nichts mehr vorhanden, alle Gebäude verschwunden. Der Blick auf die gegenüber liegende Seite, ein Kulturschock. Obwohl die Kirche den Krieg überstanden hat, wurde sie entfernt. Der komplette Kirchhof (Friedhof) ist eingeebnet und mit einer Teerdecke überzogen. In einer Ecke des Kirchhofs hat jemand begonnen auf den Gräbern ein Gebäude zu errichten. Die Schule direkt neben dem Kirchhof hatte die Kämpfe überstanden, heute eine Ruine.
Die Molkerrei auf der linken Seite ist in Betrieb. Wer die Milch anliefert, ein Rätsel. Kühe habe ich nirgendwo gesehen. Auch Einzäunungen sind nicht zu sehen.

Die Molkerei–Genossenschaft Aulowönen im heutigen Zustand (2007)

Marktplatz von Kalinowka, mit dem russischen Kulturhaus. Blick Richtung Kreuzingen. Hier stand früher die Gastwirtschaft Rautenberg. Hinter den Bäumen lag die Kirche. (1996)
Ein Blick in die Schillener Straße. Soweit ich sehen kann, keine Häuser, nur die Siedlung am Ende ist zu erkennen.
Wir kommen an die Kreuzung, an der Rautenberg stand. Beim ersten Beschuss sollen die Gebäude getroffen worden sein, die dann in Flammen aufgegangen sind. Der Rest wurde entfernt, um dort ein Kulturhaus zu errichten. Es wird wahrscheinlich das gleiche Schicksal dieser Häuser im Osten teilen, d.h.langsam verfallen.
Daneben die Kfz.-Werkstatt. Sie war Jahre nach 1945 noch in Betrieb, auch Schwarznecker musste dort nach seiner Rückkehr arbeiten. Irgendwann wurde sie abgerissen. Warum?
Mit Siegfried gehe ich auf die andere Straßenseite, dort stand das Geschäft seiner Eltern (Gaststätte Goertz), sein Geburtshaus. Außer einigen Mauerresten, nichts mehr von dem großen Haus. Der Taxifahrer, der uns stets gefolgt war, sammelt einige Ziegel für seinen Bau. Er lobt die Qualität der deutschen Ziegel.
Mit Siegfried kämpfe ich mich quer durch den fast zugewachsenen Sommergarten. Traurig, wenn man diesen Garten gekannt hat. Wir gelangen aus dem Dschungel auf die Straße, die nach Streudorf führt. Hier hat nur das Haus von Polizist Gutwirth überlebt. Welch ein Zufall. Auf den Ruinen der Post und Gärtnerei hat man neue Gebäude gebaut. Hier wohnt eine ehemalige russische Lehrerin, mit der wir uns länger unterhalten, in russisch. Da sie erst einige Jahre nach Ende des Krieges hierher gekommen ist, kann sie uns nichts aus der Zeit direkt nach dem Ende der Kämpfe berichten. Das Haus und der Garten sind sehr gepflegt. Bei ihr sind 2 kleinere Enkelkinder zu Besuch. Wir staunen oft darüber, wie geschmackvoll vor allem Schulkinder gekleidet sind. Ihr Mann bedauert die Zerstörung durch seine Landsleute und die Vertreibung der Deutschen.
Hinter der ehemaligen Kleinbahnstrecke hat man eine neue Schule und ein Lehrerhaus gebaut.
Zurück zur Kreuzung, weiter in die Kreuzinger Straße. Die Tuchhandlung Wilhelm an der Ecke war einmal. Die Hindenburg Eiche lebt, bestimmt mit neuem Namen.
Gegenüber die Pflugschmiede Hertzigkeit und die Kapelle der Neuapostolischen Gemeinde, es war einmal. Die Apotheke an der Straße steht. Hier amtiert jetzt der Bürgermeister.
Die Kirchstraße, im Hintergrund die ehemalige Apotheke Adler. Heute Sitz des Bürgermeisters. (2007)

Kreuzinger Str. in Richtung Kreuzingen. Die ehemalige Apotheke Adler. Heute Sitz des Bürgermeisters. (2007)

Bis auf ein halbes Haus fehlen alle folgenden Häuser.
Am Bahnhof ist nur ein Teil des halbzerstörten Wohnhauses übrig geblieben. Die Kleinbahnschienen sind natürlich abmontiert. Vom Geschäft Knackstädt ist nur ein Teil erhalten. "Unsere" Privatschule gegenüber ist bewohnt, ebenso das Wohnhaus von Bauer und Amtsvorsteher Bleyer.

Reste der Verladestelle der Insterburger Kleinbahn, zerstört. Rechts Reste des Wohnhauses.(1996) Im Jahr 2007 war vom Haltepunkt Aulenbach nichts mehr zu sehen

Ehemalige Privatschule in Aulenbach (1995). An dieser Schule unterrichtete seinerzeit auch Clara Dahlheimer, geb. Krüger
Ein Blick weiter in Richtung Kreuzingen genügt, auch die Ziegelei Guddat braucht man nicht mehr.
Wir beenden den Spaziergang, steigen in das Taxi und fahren langsam durch Kalinowka, mein altes Aulenbach, zurück Richtung Insterburg. In der Kantine der ehemaligen Stadthalle in Insterburg gelingt es uns, noch etwas Essbares zu erhalten. Wir 5 Personen werden satt und bezahlen dafür umgerechnet 5 DM! Doch das war vor dem Touristenboom. Auf den Besuch der Toiletten haben wir aus hygienischen Gründen und fehlenden Sichtverhältnissen verzichtet. Nicht nur hier.
Am Abend sind wir wieder in Königsberg.
Bin ich von dem Gesehenen überrascht worden? Nach allem, was ich bisher wusste, auf der Fahrt hierher gesehen habe, konnte mich nichts mehr überraschen. So war es im Wesentlichen auch.
Die Straßen, auch in Aulenbach, sind nicht schlechter als sie zu meiner Zeit waren. Viele alte Bäume würde man wiedererkennen. Eine Ausnahme ist unsere alte Reichsstraße 1. Dort hat man für eine Autobahn teilweise alle Bäume gefällt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union wurde diese Umweltzerstörung gestoppt. Litauen setzte sich dazwischen.
Und bei den Gebäuden? Kaum ein Haus wurde Instand gehalten, selbst wenn es die Kämpfe unbeschädigt überstanden hat. Das Haus von Bürgermeister Ehmer z.B., die Volksschule und ... . Der Balkon vom Haus Seidler ist wahrscheinlich inzwischen ohne Fremdeinwirkung abgefallen.
Neue Farbe fehlt fast überall. An "unserer" Haustür kommt die alte Farbe durch. Qualität! Wie die alten Fenster ... Die wenigen Neubauten sind dem östlichen Stil angepasst, die Dächer mit Blech oder Eternit versehen ... Kleine unzerstörte Bauerndörfer, komplett abgerissen um den Kolchosen Platz zu machen. Ich habe kaum bestellte Felder gesehen, keinen Handwerksbetrieb oder Kaufmannsladen, nur das hässliche Magazin. Unsere Aula fast zugewachsen ... Zum Glück verdeckt die Natur so manche Erinnerung, aber auch manchen Frevel.
Auch wenn ich viel Gesehenes negativ beschrieben habe, den Menschen würde ich insgesamt Unrecht antun. Sie haben unter einer Diktatur gelebt, die wenig Privateigentum ermöglicht hat, kaum Eigeninitiative zugelassen hat, wie in der DDR und allen sozialistischen Staaten. Die Folgen sind bekannt. Hinzu kommt, dass Menschen aus allen Teilen der Sowjet-Union hier eingepflanzt wurden, obwohl sie keine Wurzeln hatten. Für sie war es fremdes Land mit einer anderen Kultur .
Die Gastfreundschaft ist sprichwörtlich, ein Begrüßungstrunk gehört meist dazu. Viele positive Beispiele könnte ich nennen. Was mir hier, genauso wie in Russland und der Ukraine aufgefallen ist, sind die geschmackvoll und gut angezogenen Kinder und Schüler. Oft besser als im reichen Deutschland. Nicht nur der Mode wegen.
Die Feindschaft, hervorgerufen durch unseren Krieg, scheint für die Menschen kein Thema zu sein. Selten ein Wort darüber zu uns. Selbst in Wolgograd (Stalingrad), Petersburg (Leningrad), Astrachan am Kaspischen Meer, Petrosawodsk in Karelien oder Moskau oder Jalta .... nicht. Im Westen schon eher.
Was nehme ich mit? Traurig bin ich schon, enttäuscht, nein. Es gibt auch nichts, worauf ich Heimweh haben könnte.

Lothar Kuprat (Bremen), März 2013


Dokumente zu Aulenbach

Seelenregister Aulenbach(1944/1945)


Seelenregister der Gemeinde Aulenbach / Kreis Insterburg (Stand 1944)


Bildmaterial


Insterburger Str. (ehemals Viehhandel Gefeller) (Aulowöhnen) Ksp. Aulenbach 1996
Insterburger Str. (ehemals Viehhandel Gefeller) (Aulowöhnen) Ksp. Aulenbach 1930

Genealogische und historische Quellen

Quellen

  1. Artikel Kleinlitauen. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 Kurt Henning und Frau Charlotte geb. Zilius, Der Landkreis Insterburg, Ostpreußen - Ein Namenslexikon, ca. 1970
  3. Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_I._%28Preußen%29


Genealogische Quellen

  • Kirchenbuchbestände :

Viele der Kirchenbücher sind in den Wirren der Zeit unwiderruflich vernichtet worden. Nachfolgend eine Übersicht der Bestände der Kirchenbücher der evangelischen Kirchengemeinde Aulenbach (Aulowönen) / Ostp.

  • Auszüge aus dem Kirchenbuch

der Ev. Gemeinde Aulenbach (Aulowönen) [13]

Adressbücher


Bibliografie


Genealogische Bibliografie

  • z. Zt. kein Ortsfamilienbuch vorhanden


In der Digitalen Bibliothek



Verschiedenes

Compgen-Metasuche.png nach dem Ort: Aulenbach



Weblinks

Offizielle Webseiten

GOV-Kennung  : AULACHKO04VT [14]
Messtischblatt  : 1196 (11096) [15] | Messtischblatt Jahr : 1939



Zufallsfunde

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Die Datenbank FOKO sammelte und ermöglichte Forscherkontakte. Seit Frühjahr 2018 ist der Zugriff jedoch, aufgrund der unklaren Lage durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), vorerst deaktiviert.


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>AULACHKO04VT</gov>