Szillen (Kreis Ragnit)

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Disambiguation notice Szillen ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Szillen.
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Wappen der Stadt Tilsit

S z i l l e n

Kirchspielort und Marktflecken
Kreis Tilsit Ragnit, O s t p r e u ß e n
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Die Hauptstraße in Szillen


Hierarchie
Regional > Russische Föderation > Kaliningrader Oblast >Szillen (Kreis Ragnit)
Regional > Historisches Territorium > Deutschland 1871-1918 > Königreich Preußen > ::Ostpreußen > Kreis Ragnit > Szillen (Kreis Ragnit)


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Blick zur Kirche von Szillen

Allgemeine Informationen

Landstraße nach Szillen

Szillen (1936 in Schillen umbenannt) liegt 16 km südwestlich von Ragnit im prußischen
Stammesgebiet Schalauen und ist um 1580 bei der Besiedlung der "Großen Wildnis"
entstanden. Südöstlich bei Kraupischken stand die prußische Feste Sasawa.

Namensdeutung

Der Name bezieht sich auf die Lage in der Heide.

  • prußisch "šila" = Heide, Heidefläche

Andere Namen

  • Szillen (bis 16.09.1936)
  • Schillen (ab 17.09.1936 - 1945)
  • Шиллен (1945)
  • Schilino / Жилино (1946 bis heute)
  • litauisch: Žiliai

Politische Einteilung / Zugehörigkeit.

  • Szillen gehörte bis zum 1. Juli 1922 zum Kreis Ragnit
  • Szillen (ab 1936 Schillen) gehörte von 1922 bis 1945 zum Kreis Tilsit-Ragnit
  • Schilino / Жилино gehört seit 1945/46 zum Rajon Neman (Kreis Ragnit)

Kirche

Szillen Kirche.jpg

Zur Gründung des Kirchspiels wurde in Szillen eine Kirche aus Holz errichtet. Diese brannte nach neun Jahren infolge eines Blitzschlages nieder. Eine zweite Kirche, aus Fachwerk errichtet, brach im Jahr 1698 zusammen, angeblich während eines Festtags-Gottesdienstes, wobei es auch Opfer gegeben haben soll. Im Jahr 1701 wurde eine neue Kirche fertiggestellt, diesmal aus Feldsteinen und Ziegelecken, mit einem 44 Meter hohen Turm. Zur Einweihung war auch der soeben in Königsberg gekrönte preußische König Friedrich I. erschienen. Diese Kirche wurde im Januar 1818 durch einen Orkan bis auf den Altarraum zerstört, bis 1827 aber wieder aufgebaut. 1924 wurde vor der Kirche ein Kriegerdenkmal zur Erinnerung an die Opfer des Ersten Weltkrieges errichtet. Nach 1945 wurde die Kirche als Getreidespeicher benutzt. Der Turmhelm wurde 1965 abgetragen. 1983 brannte das Gebäude aus und das Dach stürzte ein.

Über der Tür an der Vorhalle stand:

"Gott erhalt den ersten König und dies neue Gottes Haus.
Bring er bis zum letzten Tage uns nur Gnad und Segen aus.
Preußens König Friedrich I hat dies Gottes Haus gebauet.
Dieses ist sein erstes Haus als man ihn den Ersten schauet."
Das ev. Pfarrhaus in Szillen

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Das Kriegerdenkmal vor der ev. Kirche in Szillen

Kirchenbücher

Kirchenbücher siehe: Kirchbuchbestände Kreis Tilsit-Ragnit

Standesamt

Szillen (Kreis Ragnit) gehörte 1888 zum Standesamt Szillen.

Geschichte

Salzburger Glaubensfluechtlinge.jpg

Die ersten Siedler kamen wohl im 16. Jahrhundert als Zinsbauern. Ab dem 17. Jahrhundert durfte dort auch Eigentum erworben werden. Im Jahr 1629 wurde das Kirchspiel Szillen errichtet. Im Jahr 1732 zogen protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem Salzburger Land zu. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden die Chausseen und die Eisenbahnlinie gebaut. 1895 wurde eine Freiwillige Feuerwehr gegründet. In den Jahren 1910/11 wurde Szillen an das Stromnetz angeschlossen. Angesichts der sich nähernden Front im Zweiten Weltkrieg wurde Schillen im Oktober 1944 evakuiert.

Ortsbeschreibung

Die Schule in Szillen
Schule in Szillen heute (1994)

Günstige Lage
Nach Ragnit war Schillen einer der größten Orte des Kreises. Inmitten fruchtbarer Äcker und einer grünenden Flur gelegen, wies die alte Siedlung eine stadtähnliche Anlage auf. Die kurzen Straßen waren eingerahmt von zweistöckigen Häusern. Die Chausseen nach Ragnit, über Jurgaitschen nach Heinrichswalde und Tilsit, über Lengwethen nach Pillkallen, über Kraupischken nach Gumbinnen und Insterburg ließen den Ort zum Knotenpunkt vieler wichtiger Wege werden. Dazu kam die Eisenbahnverbindung Tilsit-Insterburg, die einen Verkehr zu den beiden größten Städten des Regierungsbezirkes Gumbinnen ermöglichte. Alles in allem schafften diese Verbindungen die Voraussetzungen für ein gesundes Wachstum. Die günstige Lage erklärte auch, weshalb es die zahlreichen Geschäfte, Banken, Industrieanlagen, Gastwirtschaften und Hotels gab.

Schule und Gut
Die alte, noch mit Stroh gedeckte Schule brannte im Jahre 1892 ab. Der Neubau enthielt in seinem nördlichen Teil Wohnungen für den Präzentor Hoyer und zwei Lehrer, im südlichen Teil mit Vorbau vier Klassenzimmer und Wohnungen für Lehrerinnen. 1931 wurde der Vorbau um zwei Klassenräume erweitert. Eine Mittelschule wurde im Jahre 1939 im Hause des Kaufmanns Stechert eingerichtet.

Um 1895 wurde das 800 Morgen große Gut von Hildebrandt parzelliert. Es entstanden etwa 40 Grundstücke, durch deren Besiedlung die Bevölkerung Schillens sehr anwuchs. Insbesondere dadurch, daß die einzelnen Betriebe sich vergrößerten und die verschiedensten Erwerbszweige hinzukamen, erlebte das Wirtschaftsleben einen regen Aufschwung.

Technischer Fortschritt
Mit Unterstützung der Raiffeisenkasse konnte Schillen in den Jahren 1910-1911 elektrifiziert werden. Es wurde eine Elektrizitätsgenossenschaft gegründet, der Paul Kledtke vorstand. Von Schillen aus wurden auch die umliegenden Ortschaften mit elektrischem Strom versorgt.

1895 wurde auch eine "Freiwillige Feuerwehr" gegründet, die anfangs 20 Mann zählte und nur mit einer kleinen Handspritze ausgerüstet war. Nach 1925 waren es schom 50 Mann, ausgerüstet mit zwei Motorspritzen, einer fahrbaren Magirusleiter und zwei grossen Mannschaftswagen (Autos).
An der Kirche hatten Gemeinde und Kirchspiel Szillen ein Gefallenen-Denkmal des Ersten Weltkrieges errichtet.

Gewerbe

Marktplatz in Szillen

Die Elektrifizierung erleichterte die Einrichtung von Installations-, Maschinenbau- und anderen Werkstätten. Die Hausfrauen konnten in immer zahlreicher werdenden Einzelhandelsgeschäften einkaufen. Der Ort vergrößerte sich ständig. Zu Beginn des Jahres 1900 zählte Schillen zwischen 1200 und 1300 Einwohner, 1944, zum Zeitpunkt der Vertreibung, waren es über 2500. Um 1928 wurden folgende Ortschaften eingemeindet: Gut Larischhofen (Ußainen), Kropien, Nettelhorst (Gurbischken) und Hochmooren (Ihlauszen). Der Ort Billen (Babillen) wurde - ohwohl nicht eingemeindet - von Schillen mitverwaltet.
Bürgermeister August Bethke leitete die Geschicke Schillens von 1925-1929 mit Umsicht und Tatkraft. Dank seiner Tüchtigkeit entstanden in seiner kurzen Amtszeit drei Achtfamilienhäuser, ein Zehnfamilienhaus, ein Vierfamilienhaus und das Bürgermeisteramtshaus (mit drei Wohnungen). Er schloß den Kauf eines Vierfamilienhauses mit dazugehörenden 15 Morgen Land ab und sorgte auch für die Anlage eines neuen Friedhofes mit einer Kapelle.

Von seinen Amtsnachfolgern Franz Gottschalk und Paul Zimmermann wurde das Aufbauwerk fortgesetzt. Es entstanden die Einfamilienhäuser an der Fichtenwalder Kiesstraße. Die Hauptstraße - vom Bahnübergang bis zum Ortsausgang nach Breitenstein - wurde neu gepflastert, die tief liegenden Wiesen zwischen der Ragniter und der Hohensalzburger Straße dräniert und eine Kiesgrube zum Unterhalt der Gemeindestraßen angekauft. In Gemeinschaftsarbeit bauten die Einwohner Schillens sogar einen modernen Sportplatz. Auf dem Gelände des alten Sportplatzes wurden etwa 20 neue Siedlungshäuser gebaut.

Geschäftshäuser am Marktplatz in Szillen

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Der Marktplatz des Kirchspielortes Szillen

Bahnhof

Der Bahnhof in Szillen, Kreis Tilsit-Ragnit

Von Erich Hennig
Meine Eltern bewirtschafteten einige Jahre die kleine Landwirtschaft des Herrn von Holtei zu Füßen des
Mühlenberges an der Straße nach Ragnit in Höhe des Friedhofs. Hier kann ich mich noch an die Familie Berger,
besonders an Alfred und Franz erinnern. Der alte Berger war Viehhändler, hatte im Krieg einen Arm verloren.
Bis zur Versetzung meines Vaters nach Osterode - etwa 1936 - wohnten meine Eltern in der Siedlung am
Ortsausgang an der Straße nach Sommerau.

Nun möchte ich, soweit ich mich noch erinnern kann, den Bahnhof beschreiben. Betrat man vom Vorplatz das
Bahnhofsgebäude, war links die Fahrkartenausgabe, weiter die Gepäckabfertigung. Rechts kam man in die
Bahnhofsgaststätte zu Föllmer, später Härtung. Mußte man zum Zug, ging man durch die Sperre, wo oben
die große Uhr angebracht war. Auf der anderen Seite der Schienen war die Güterabfertigung.
Ein kleiner Weg führte in Richtung Illauschen zur Bahnmeisterei, wo auch die Werkstatt meines Vaters war
und die Teiche. Weiter kam man zum Stellwerk und dem Bahnwärterhaus, in dem Wichts wohnten.
Erwähnen möchte ich noch den Bahnmeister Klinger. Er wohnte gegenüber von Raudschieß.
Dorfeinwärts rechts der Schienen war die Verladerampe und das Sägewerk von Mikoteit.
Ergänzung von Bernhard Waldmann
Im August 1994 haben wir uns den Bahnhof von Szillen angesehen. Auf der Nordseite war der deutsche
Schriftzug Szillen noch zu erkennen. Sämtliche Bahnanlagen und Gebäude waren in gutem Zustand.

Der Bahnhof in Szillen, 1994

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Deutscher Schriftzug am Bahnhof von Szillen, 1994

Vertreibung

Begegnungsstätte „Haus Schillen“ in Szillen
Die Freude am Aufbauwerk der tüchtigen Bürgermeister Bethke, Gottschalk und Zimmermann sollte
bald durch die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges getrübt werden. Noch verloren sich die Kämpfe
in den Weiten Rußlands. Doch schon 1944 klopfte das Schicksal an die Tür. Mit Beginn der Kämpfe
auf ostpreußischem Boden begann die Flucht der Bevölkerung. Es folgte die planmäßige Räumung
der gefährdeten ostpreußischen Gebiete.
Vom bitteren Ende dieses aufstrebenden Ortes gibt die "Chronik der Gemeinde Schillen" Kunde:
"Ab 1942 übernahm Rudolf Peschel die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters. Er hat mit seiner
Gemeinde das unsagbar schwere Los der Vertreibung geteilt. Zunächst wurde Schillen im
Oktober 1944 evakuiert, das Amt Schillen nach Braunsberg verlegt.
Dann ging es im 1. Drittel des Februar 1945 im Treck, zu Fuß, streckenweise auch per Bahn,
über das Eis des Frischen Haffs, über Danzig, Lauenburg in Pommern, Stolp, Köslin, Stettin
nach Hamburg und Schleswig-Holstein. Es war ein Leidensweg, der viele Todesopfer forderte.
Die meisten der Überlebenden zerstreuten sich dann über das ganze Bundesgebiet, viele sind
aber auch in der Sowjetzone zurückgeblieben."

Die ersten Besucher, die nach 1992 zum ersten Mal wieder in ihren Heimatort Szillen gekom-
men sind, waren sehr betrübt, ihre Kirche in solch einem beklagenswerten Zustand vorzufinden.
Auch am Denkmal war ein stilles Gedenken kaum möglich, denn aufdringliche Kinder
umlagerten die Besucher in einer unangenehmen Art und Weise.

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Verschiedenes

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Karten

Szillen auf der Ostpreußenkarte von 1925
Umgebungskarte von Szillen
Ausschnitt aus dem Messtischblatt Szillen, 1938
Prußische Stammesgebiete
Die Lage von Szillen / Schillino im heutigen Kreis Ragnit
Der Landkreis Tilsit-Ragnit


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>SCHLENKO04XV</gov>

Quellen