Motzischken
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Motzischken Kreis Pogegen (von 1920 - 1939) |
Hierarchie
Regional > Litauen > Motzischken
Regional > Historisches Territorium > Deutschland 1871-1918 > Königreich Preußen > Ostpreußen > Kreis Ragnit > Motzischken
Einleitung
Motzischken, bis 1920 Kreis Ragnit, 1920-1939 Kreis Pogegen, 1939-1945 Kreis Tilsit-Ragnit, Ostpreußen.
- Weitere Informationen siehe unten in den Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
Name
Andere Namen und Schreibweisen
- 1785 auch Mocziszken
- 1815 Motszischken, lit. Mociskiai[1]
- Litauische Namen: Mociszkiai[2], Mociškiai[3]
Namensbedeutung
Der Name weist auf schwer zu bearbeitendes Areal.
Allgemeine Information
Politische Einteilung
1939 ist Motzischken eine Gemeinde mit den Dörfern Bäuerlich Naußeden, Erbfrei Naußeden und Heydebruch.[6]
Kreiszugehörigkeit:
- Motzischken gehörte bis zum 9. Januar 1920 zum Kreis Ragnit
- Motzischken gehörte ab 10. Januar 1920 bis 21. März 1939 zum Kreis Pogegen
- Motzischken gehörte ab 22. März 1939 bis 1945 zum Kreis Tilsit-Ragnit
Kirchliche Zugehörigkeit
Evangelische Kirche
Motzischken gehörte 1912 zum Kirchspiel Szugken, vor 1900 aber zum Kirchspiel Wischwill.
Bäuerliche Frömmigkeit
Erinnerungen von Marie Luttkus, geb. Buddrus, aus Motzischken, 1985 niedergeschrieben: [7]
Wir wurden im Allgemeinen christlich erzogen. So wurde z. B. am Sonntagnachmittag in
unserer Familie das „Predigtlesen“ nie ausgelassen. Wenn dann mittags abgeräumt war,
wurde das dicke Predigtbuch vorgenommen. Darin waren lange Predigten von Pastoren.
Gelesen hat mein Großvater in litauisch, später auch meine Mutter, die aber in Deutsch.
Natürlich waren uns Kinder die ein- bis anderthalb Stunden sehr langweilig. Immer, wenn
ein Blatt umgeschlagen wurde, guckten wir, ob auf der anderen Seite der Schluß stand.
Draußen warteten schon die anderen Kinder auf uns zum Spielen.
Auch meinem Vater passierte es oft, daß er einschlief.
Katholische Kirche
Eine katholische Gemeinde mit einer kleinen Kapelle gab es in Riedelsberg,
einem Ortsteil von Wischwill.
Friedhof
Motzischken hat einen alten Friedhof.
Lage
Fotos
Die Fotos wurden im Juni 2020 von Eligijus Valskis gemacht und freundlicherweise von ihm zur Verfügung gestellt.
Standesamt
Motzischken gehörte 1888 zum Standesamt Weszeningken.
Bewohner
Schule
Fotos der ehemaligen Schule
2021
Diese Bilder wurden freundlicherweise von Kęstutis Zdanevičius zur Verfügung gestellt.
Geschichte
Erinnerung an Johannes Bobrowski
Hier, im Süden Litauens, in dem Dorf Mociškiai, das damals Motzischken hieß, verbrachte Bobrowski in den dreißiger Jahren die Sommer auf dem Gehöft der Großeltern. Von hier stammt der 1917 in Tilsit Geborene, hier heiratete er seine Frau Johanna, geb. Buddrus, mit der er nach Krieg und Gefangenschaft in Ost-Berlin lebte - als Lektor für den Union Verlag, als in beiden Deutschlands preisgekrönter Dichter.
Bis zu seinem frühen Tod 1965 blieb die Kindheitslandschaft sein Lebensthema, er weitete sie aus zu einem poetischen Kontinent, zu seinem Sarmatien, wie er die Gegend zwischen Weichsel und Wolga nach einer antiken Weltkarte nannte.
Die Kinder, die heute die einsame Bushaltestelle von Motzischken belagern und den Fremden auf der Fährte der Poesie argwöhnisch umtoben, ahnen nichts von Bobrowskis Versuch, dem einst hier ansässigen Völkergemisch aus Litauern, Polen, Russen, Deutschen und Juden ein Denkmal aus Gedichten zu setzen, einen Sarmatischen Divan zu schreiben, der einen Teil des Leids tilgen sollte, das die Deutschen den Völkern des Ostens zugefügt haben.
Niemand spricht mehr deutsch in Mociškiai, die Gegend ist so verlassen, daß die Grenze von traumhaft zu trostlos so schmal ist wie der Weg, der an der Jura entlang zu den zugewucherten Grabsteinen des Friedhofs führt. Nur die Hauptstraße ist asphaltiert, wer sie verlässt, etwa auf der Suche nach den Schauplätzen von Bobrowskis Roman
Litauische Claviere, nach Bittehnen, Schreitlaugken, Prussellen, stellt den Mietwagen auf eine harte Probe. Dies ist eine Art Zonenrandgebiet, mit der Memel als Grenze.
Windschiefe Heuschober, zerfallende Silos erzählen die Geschichte der Landflucht auf Litauisch, sie klingt genauso wie überall: Die Zukunft ist die Stadt, aus Äckern wird Brachland, europäische Steppe, wo ab und an eine Kuh angepflockt ist. Landwirtschaft ist hier trügerische Selbstversorgeridylle.
Die wellblechgedeckten Holzhäuser sind gegürtet mit Bauerngärten, in denen Malven wie pastellfarbene Schwerter stecken, Milchkannen und Bienenkörbe stehen Spalier, und der obligatorische Ziehbrunnen macht noch aus der kleinsten Hütte ein selbstgenügsames Minireich. Die träge Unaufhaltsamkeit, mit der die Jura sich durch die Wiesen schiebt, rhythmisiert nach wie vor den Gang aller Dinge. Am äußersten Scheitelpunkt der Waschbrettpiste rund um die Willkischker Höhen schaukelt ein Günter-Grass-Double auf dem Klapprad entlang. Was sucht der Mensch hier, fernab von allem, was ein Ziel sein könnte? Der Fluss fließt in einer eigenen Zeit, jenseits von allem Zweckdenken. [8]
Verschiedenes
Memeler Dampfboot vom 11.08.1933
Ergebnisse zu den Wahlen der Gemeindeorgane im Kreise Pogegen
Motzischken: Gemeindevorsteher wurde Gutsbesitzer Buddrus, erster Schöffe Bartschat, zweiter Schöffe Kaufmann Brenneisen und Ortskassenrendant Bartschat.
Memeler Dampfboot vom 28.05.1937
Schulverband Motzischken erhält noch in diesem Jahr eine eigene Schule
Wie wir gestern bericheten, wird vom 1.Juli ein Gesamtschulverband Motzischken gebildet, dem die Gemeinden Erbfrei-Nausseden, Bäuerlich-Nausseden, die Förstrei Nausseden und die Gemeinde Motzischken angehören werden. Diese Gemeinden werden von den Schulverbänden Weszeningken, Willkischken und Groß Szagmanten abgetrennt.
Mit der Bildung dieses Gesamtschulverbandes Motzischken wird ein lange erwogener Plan Wirklichkeit. Schon vor dem Kriege wurde der Bau oder Ankauf einer Schule in Motzischken ernsthaft erwogen. Aus heute unbekannten Gründen unterblieb der Ankauf des Grundstückes. Auch nach dem Krieg wurden Stimmen laut, die eine schule in der Umgebung von Motzischken verlangten. Von den Einwohnern gingen zahlreiche Gesuche ein, in denen geklagt wurde, dass die Kinder oft vier bis fünf Kilometer weit zu gehen hatten, bis sie die Schule erreichten, was besonders im Winter untragbar war. Überdies mussten die Kinder, die in Willkischken zur Schule gingen, die Jura überqueren, die oft mehrmals im Jahr Hochwasser führte, so dass die Unterrichtsversorgung der Kinder ernstlich in Frage gestellt war. Es muss anerkannt werden, dass keiner der Orte den Vorteil, die Schule zu bekommen, für sich beanspruchte, sondern dass man nur eine Schule für den Umkreis Naussedens und Motzischkens verlangte. Die beteiligten Kommunalverbände erklärten sich mit der Gründung eines Gesamtschulverbandes einverstanden, so dass nun ein Schulverband gewählt werden kann. Der Landrat und der Schulrat befürworteten dieses Vorhaben, und das Direktorium hat an Ort und Stelle Räumlichkeiten, die für die Schule in Frage kommen können, besichtigt. Da etwa dreißig Kinder vorhanden sind, ist zunächst eine einklassige Schule geplant, für die Räume schon vorgesehen sind. Die Arbeiten werden in Kürze in Angriff genommen werden, und im Herbst schon werden die Kinder des Gesamtschulverbandes Motzischken ihre eigene Schule ganz in der Nähe ihrer Wohnungen besitzen.
Besuch in Motzischken
Reisebericht von Trudel Mende, geb. Gudjons, Tochter von Hans Gudjons aus Alt Lubönen:
Sonntag, 30. August 1993
Heute wollen wir nach Litauen auf die andere Memelseite fahren.
Der Michael hat uns versetzt und so mieten wir zwei Taxifahrer für diesen Sonntag für je 45,- DM. Das Wetter war gut. In Tilsit besuchten wir erst noch den Markt in der Deutschen Straße. Rolf kauft Pfifferlinge ca. 2 kg für 2,60 DM, angeboten werden auch Walderdbeeren und Mirabellen. Nina schenkt einem kleinen Mädchen 500 Rubel, diese bringt ihr nachlaufend eine blaue Knoblauchknolle. Ein etwas aufdringliche Händler will Nina unbedingt eine Riesenflunder für 1,- DM verkaufen, aber wir können doch keinen frischen Fisch ins Memelland mitnehmen.
Mit der Überfahrt über die Luisenbrücke nach Litauen ist es kompliziert, denn wir haben für Litauen kein Visum. Bernd möchte auf alle Fälle, dass wir den Versuch unternehmen. Die russischen Taxifahrer verhandeln für uns mit den Zollbeamten. Wir einigen uns auf 51,- DM pro Nase für ein Tagesvisum. Das war eine teure Angelegenhei, doch wir wollten das Vorgenommene ausführen.
Erst ging es hinter der Luisenbrücke im Grenzbereich über eine staubige Landstraße, wie wir sie gar nicht mehr kennen. Vor Pogegen kam dann Asphaltstraße. Der Ort Pogegen sieht nett und gepflegt aus, mit einem kleinen Park. Wir biegen nach rechts ab in Richtung Kaunas (144 km). Dann Willkischken.
Wir halten an der Jura, kurz hinter der Brücke, betrachten die Landschaft und machen Aufnahmen. Als wir weiterfahren wollen, streikt eins unserer Autos, aber mit Hilfe mehrerer Hammerschläge besinnt es sich und fährt wieder. Es waren zwei komfortable russische Wagen, in denen man wunderbar bequem saß. Hinter dem Ortsschild Motzischken halten wir an. Wo ist die Kleinbahn geblieben? Wir suchen den Hof der Familie Buddrus. Wir biegen in die Dorfstraße ein, wo einige Häuser stehen, kennen uns aber leider nicht aus.
Als wir schon zurück wollten, kam uns eine alte Frau nachgelaufen und sprach uns in deutscher Sprache an. Sie war eine geborene Deutsche mit Namen Schäfer, die mit einem Litauer namens Kairat verheiratet ist. Sie kannte die Namen Buddrus (unsere Verwandten), hatte aber nie zuvor Angehörige der Familien gesehen. Vorher waren schon welche von der Johannes-Bobrowski-Gesellschaft im Dorf gewesen, da hat sie erfahren, daß ein berühmter Dichter die Johanna Buddrus geheiratet hat.
Frau Kairat (litauisch exakt Kairatiene) zeigt uns die erste Hofseite Buddrus, wo nichts mehr steht. Dann führt sie uns einen recht weiten Weg, vorbei an Wiesen, die zur Jura hingehen. Vor dem Hof Michael Buddrus grüßt uns eine junge Frau und strebt an uns vorbei. Aus dem Buddrus-Haus kommt ein großer alter Mann mit einer Art Baskenmütze auf dem Kopf, den wir dann auch fotografiert haben. Der Litauer redet viel auf uns ein, was wir natürlich nicht verstehen. Frau Kairat übersetzte uns, daß er besorgt war, wir wollten Haus und Hof zurück haben. Er ist sehr schwerhörig und Frau Kairat mußte ihm sehr lautstark mitteilen, daß wir nicht die Absicht hätten, ihn zu vertreiben.
Wir gehen dann weiter zum Hof von Georg Buddrus, der nicht weit vom Anwesen des Bruders entfernt ist. Unterwegs überholt uns ein Lastwagen. Ein Ehepaar mit Tochter benutzen die Stallgebäude des hinteren Buddrus-Hofes für eine Bullenzucht. Sie kamen mit dem Lastwagen und brachten auch Herrn Kairat mit, der uns wie Leute von einem anderen Stern anstaunte. Die kleine Tochter spielte auf dem Hof von Georg Buddrus, während Wasser aus dem erhaltenen Brunnen neben dem Wohnhaus für die Bullen geschöpft wurde.
Wir sitzen auf der Bank vor dem Wohnhaus, das von außen noch ganz passabel aussieht, aber nicht mehr bewohnt ist. Wie es innen aussieht, haben wir nicht gesehen. Auf dem Hof mit Ehepaar und Kind und den Kairats wurden mehrere Aufnahmen gemacht. Weil der Weg zurück für mich zu anstrengend war, baten wir Frau Kairat, den Lastwagenfahrer zu bitten, daß er Bernd und Rolf zu unseren Taxifahrern an der Hauptstraße bringt, damit sie uns abholen. Es klappte alles und wir verabschiedeten uns von den Bauern und dem Kind., das noch allerlei Geschenke von uns bekam.
Frau Kairat lud uns in ihr Häuschen ein und bereitete uns eine wohlschmeckende Mahlzeit. Eier mir Speck (Spirgel), dazu Brot, das sie aber bei einem Bäcker in Willkischken kauft. Für den Brotkauf muß die achtzigjährige Frau immer einen weiten Fußmarsch zurücklegen. Frau Kairat bereitet uns auch Kaffee. Da sie keine Kaffeekanne besitzt, muß sie ihren Wasserkessel dazu benutzen, Milch oder Sahne gleich mit drin. Das Häuschen, eine typische Kate, war blitzsauber, das Geschirr für so viele Leute mußte vom Boden geholt werden. Außerdem brachte sie eine große Butterkugel, die oben gemustert war, auf den Tisch, dazu eigene Tomaten und Äpfel aus dem Garten. Es war sehr gemütlich in dem kleinen Wohnraum neben der Küche, der Kachelofen war am Morgen etwas angeheizt worden, an den Fenstern standen blühende Blumenstöcke, auch ein Fernseher war vorhanden.
Ich schrieb mir die Adresse der Kairats auf, um ihnen mal ein Päckchen zu schicken. Frau Kairat bedankte sich dafür, daß wir ihre Einladung angenommen haben. Die beiden Alten machten einen ganz zufriedenen Eindruck, sie sind Selbstversorger mit einem Kuhchen, Hühnern und Gartenland. Ganz nahe, gleich hinter der Scheune, fließt die Jura, in der sie auch immer gebadet haben, nur in diesem Sommer nicht, weil es zu kühl war. Auf dem Hof war auch ein Hund und zwei Kätzchen spielten.
Zum Abschied drücken wir ihr ein bißchen deutsches Geld in die Hand, das dort jeder dringend nötig hat. Auf der Rückfahrt Richtung Tilsit sehen wir Leute, die auf einer Wiese eine Kuh häuteten, die vielleicht verendet war. Hildegard und Nina sahen auch einen Mann neben seinem Fahrrad halb im Gras, halb auf der Straße liegen, ob er verletzt oder betrunken war, haben wir nicht erfahren, unsere russischen Fahrer hielten nicht an.
Nachtragen muß ich noch, daß der alte Mann mit der Baskenmütze zum zweiten Buddrus-Hof kam und uns einen großen Korb Äpfel brachte, die wir in einer Tüte mit nach Ragnit genommen haben. [9]
Ergänzung von Bernhard Waldmann:
Im darauffolgenden Sommer (1994) haben wir die Kairats noch einmal besucht.
Beide waren gesund und munter. Als wir ankamen, war Herr Kairat allein im Haus.
Er mußte seine Frau erst vom Feld holen.
Sie hat sich mehrfach entschuldigt, daß ihre Schürze so schmutzig sei.
Die alten Leute wollten gern zu ihrem Enkelsohn nach Jurbarkas ziehen.
Sie hofften, ihr Haus in Motzischken für 1.500,- DM verkaufen zu können.
Memelländisches Festessen
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Internetlink
Fotos aus Motzischken
K r i e g
Brief der Anita von Goldammer aus Motzischken an ihre Kinder:
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Karten
Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
<gov>MOTKENKO15CC</gov>
Quellen
- ↑ Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
- ↑ Amtsblatt des Memelgebietes vom 01.09.1923
- ↑ Amtsblatt des Memelgebietes vom 29.12.1923
- ↑ Michel-Katalog Deutschland-Spezial 2014 - Band 1: 1849 bis April 1945
- ↑ Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
- ↑ Amtsblatt Gumbinnen 1939: Neugliederung der Gemeinden und Gutsbezirke im ehemaligen Memelland ab 1. Mai 1939, S. 64ff,
http://www.memelland-adm.de/Archiv/13 Verwaltungsbezirke/index.htm - ↑ Quelle: Anneliese Schmidt
- ↑ Quelle: Auszug aus einem Artikel in ZEIT ONLINE, Reisen
- ↑ Quelle: Reisebericht von Trudel Mende, geb. Gudjons, Tochter von Hans Gudjons aus Alt Lubönen, niedergeschrieben im Sommer 1993