Lohneinkommen 1864 (Kreis Coesfeld)
Arbeitseinkommen 1864: Informationen über zeitliche Lebensbedingungen unserer Vorfahren geben ein Abbild der lokal bodenständigen Menschen in ihren Zeitverhältnissen um damit eine Basis zur Darstellung persönlicher Geschichte von Vorfahren in Zeit und Raum zur Anlage von Biografien.
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Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel
Dem Ehemann als Familienoberhaupt oblag es traditionell, die Kosten zur Aufrechterhaltung des Hausstandes an die Hand zu schaffen, also für das notwendige und notdürftige Einkommen Sorge zu tragen. Wenn aber der Familienvater nicht mehr im Leben war oder so verarmt, daß er den notdürftigen Unterhalt der Familie nicht mehr leisten konnte, so mußten früher dessen Vorfahren in aufsteigender Linie zunächst diese Last auf sich nehmen. Erst wenn dies nicht möglich war, fiel früher die Last der Mutter zu und nach ihr den mütterlichen Vorfahren.
Mit dem Gesetz zur öffentlichen Armenpflege vom 31.12.1842 sind bei eintretender Hilflosigkeit von Gemeindangehörigen zunächst die Armenverbände zuständig (Armenhäuser). Reichen hier die Mittel nicht aus, wird auf die Geldbestände der Gemeindkasse zugegriffen.
Löhne der Tagelöhner
Diese Regelung war allgemein und betraf daher alle gesellschaftlichen Stände in Stadt und Land, allerdings waren hier arme Menschen stärker betroffen als vermögende. Dazu zählten besonders die Tagelöhner, welche sich täglich auf`s Neue um das notwendige und notdürftige Einkommen sorgen mußten. Ständige lokale, regionale und familiäre Kriesen führten einzelne Tagelöhner oft in existenzielle Schwierigkeiten, manchmal fehlte hier selbst das Geld für die nächste Mahlzeit.
Insgesamt 364 Haushalte in 313 Häusern wurden 1806 beispielsweise im Bereich der historischen Altstadt Haltern gezählt. Enthalten war in der Gesamtzahl der selbständigen Haushalte auch 39 Haushalte von Tagelöhnern, immerhin 13 Prozent, wovon 7 Mieter waren, während 32 Familien im Eigentum (häufig im Gadem) wohnten.[1]
Frauen weiterhin benachteiligt
1864 stellte sich im Kreis Coesfeld der Lohnsatz eines gewöhnlichen Tagelöhners wie folgt dar:
- in den Städten, für die Sommermonate (9 Arbeitsstunden) 10 - 12 Silbergroschen
- auf dem Lande, für die Sommermonate (9 Arbeitsstunden) 9 - 10 Silbergroschen
- in den Städten, für die Wintermonate (8 Arbeitsstunden) 8 - 10 Silbergroschen
- auf dem Lande, für die Sommermonate (8 Arbeitsstunden) 6 - 7 Silbergroschen
Vom Dienstherrn wird bei dieser Löhnung keine Kost verabreicht, sondern nur um 10 und um 16 Uhr Branndwein oder Bier.
1864 erhalten Tagelöhnerinnen
- in den Sommermonaten 5 - 7 1/2 Silbergroschen
- in den Wintermonaten 4 - 5 Silbergroschen
Vom Dienstherrn gibt es dazu um 10 und um 16 Uhr Butterbrot und Kaffee.[2]- Währung: 1838 - 1873 in Preußen: 1 Taler = 30 Silbergroschen = 360 Pfenni(n)g
- Währung: 1871–1873 wurde in allen deutschen Ländern der Taler durch die Mark (= 1/3 Taler) zu je 100 Pfennig abgelöst
Kinder mussten zur Existenzsicherung beitragen
1864: Die Existenz einer Tagelöhnerfamilie ist, wenn der Mann allein das Brot verdienen muß, weil noch Kleinkinder im Haus durch die Ehefrau zu beaufsichtigen sind, äußerst dürftig. Sie hat große Mühe sich durchzuschlagen. Günstiger stellen sich die Verhältnisse, wie es meistens der Fall ist, wenn Mann und Frau als Tagelöhner beschäftigt sind (auf Tagelohn gehen), oder ein erwachsener Sohn (über 14 Jahre alt) "mit zum Erwerb verwendet werden kann" (!)- nur in diesem Fall findet die Familie ein angemessenes Auskommen (Kinder konnten in diesem Fall nicht für eine spätere Ehe, einen eigenen Haushalt ansparen)
Freie Kost bei Lohnverrechnung
1864: Überwiegend außerhalb der Stadtmauern, also in Kirchspielen, Dörfern und Bauerschaften, herrscht die Sitte, daß der Tagelöhner vom Auftraggeber verköstigt wird, trifft dies zu, wird getahlt
- für den Männerarbeitstag 3 3/4 bis 5 Silbergroschen
- für den Frauenarbeitstag 2 bis 4 Silbergroschen
Demgegenüber zahle der Bauer an seine Leibzüchter, welche das ganze Jahr über zur Mithilfe verpflichtet waren, neben der freien Kost
- für den Männerarbeitstag 2 1/2 Silbergroschen
- für den Frauenarbeitstag nur 1 1/4 Silbergroschen
Löhne von Dienstboten und Gesinde
1864: Die Löhne für Dienstboten sind in Stadt und Land im Kreis Coesfeld ebenfalls unterschiedlich, es erhält jährlich
- in der Stadt ein Knecht 30 - 40 Taler
- in der Stadt eine Magd 12 - 18 Taler
- auf dem Lande ein Knecht 20 - 30 Taler, dabei einige Hemde und 1 Paar Schuhe
- auf dem Lande eine Magd 10 - 15 Taler, dazu ein Paar Schuhe und ein Spint Leinsamen gesät
Fazit 1864: Das Gesinde, welches auch im Kreis Coesfeld sehr gut und sehr reichlich beköstigt wird, steht sich besser als ein Tagelöhner mit seiner Familie.
Löhne bei Fabrikarbeitern
1864: Die Löhne der Fabrikarbeiter richten sich nach der Anstelligkeit beim Umgang mit neuen Fertigkeiten und der Art ihrer Beschäftigung. So beträgt der Tageslohnverdienst
- in der Prinz Rudolph-Eisenhütte zu Dülmen zwischen 6 Sgr. und 1 Taler
- in Lederfabriken zwischen 8 Sgr. und 20 Sgr., wenn nicht im Stücklohn bezahlt wird.
Handwerkerlöhne
Handwerksgesellen standen in der Lohnhöhe den Knechten ziemlich gleich, nur die Berufsgruppen der Schmiede, Schlosser, Tischler, Müller, Bäcker, Metzger und Sattler verdienten jährlich 40 bis 50 Taler.
Geringe Gewebetreibende
Die Angehörigen der geringesten Klasse der selbständig Gewerbetreibenden sind seit Einführung des allgemeinen und gleichen Kataster- und Steuerwesens durch die neuen Landesherren ab 1803 in den Steuerlisten ausdrücklich ausgewiesen und werden dementsprechend geringfügig besteuert [1]
Auch sie haben große Mühe, ihr Auskommen zu finden. daher sorgen sie in der Regel dafür, durch Ackerbau auf angepachteten (Heuerlinge) Grundstücken ihren Bedarf an Lebensmitteln so umfangreich wie möglich selbst zu ziehen.
Zu derr Zeit kann man davon ausgehen, das nur diejenigen Gewerbetreibenden dieser Art, welche mit mehreren Gehilfen arbeiten, ein ausreichendes Betriebsergebnis erzielen können.
Das Zimmermans- und Schneidergewerbe wird auf dem Lande gewöhnlich nur im Tagelohn außerhaus, gegen Bezug von 2 1/2 bis 5 Silbergroschen und freier Kost betrieben
Holzschuster und Weber befassen sich mit ihrem Gewerbe hauptberuflich wegen des schlechten Verdienstes vorzugsweise nur im Winter, wenn es am Einkommen als Tagelöhner mangelt.
Armutszunahme
- 1864 Die Lage der arbeitenden Klasse hat sich in den letzten 3 Jahren wesentlich verschlechtert, in den Jahren von 1859 - 1861 war die Kartoffelernte schlecht bei fortwährender Verteuerung aller übrigen Lebensmittel. Dadurch fielen manche Tagelöhner und geringe Gewerbetreibende der öffentlichen Armenpflege oder der Privat-Wohltätigkeit anheim.
Keine Sozialversicherung
Ein Aufwand für Arzneimittel oder Arztkosten mußte von jedem selber aufgebracht werden, Lohnfortzahlung war unbekannt. Die Krankenversicherung wurde erst später eingeführt. Krankheiten bargen ein enormes Risiko und Lohnverlust, man fühlte sich durchweg hilflos und ausgeliefert, Hochkonjunktur für Aberglauben und Amulette.
Fußnoten
- ↑ 1,0 1,1 Quelle: Stratmann, Bodo (Bearb.): Die Lebensverhältnisse in der Stadt Haltern in der Übergangszeit von 1769 bis 1816 (2015, Verein für Altertumskunde und Heimatpflege e.V. in in Haltern am See)
- ↑ Quelle: Mersmann: Statistische Nachrichten über den Kreis Coesfeld 1862. (Münster, Fr. Regensberg)