Milchbude (Kr.Tilsit)

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Wappen von Pogegen

M i l c h b u d e

Gutsbezirk bei Pogegen
Memelland, O s t p r e u ß e n
_____________________________________________________

Auf einer Weide beim Gut Milchbude, Kreis Pogegen, Memelland, Ostpreußen


Hierarchie


Gutshaus Milchbude, Kreis Pogegen, Memeland


Einleitung

Milchbude, bis 1920 Kreis Tilsit, Ostpreußen; (1920-1939) Kreis Pogegen; (1939-1945) Kreis Tilsit-Ragnit..
Das Wiesengut Adlig Milchbude lag auf dem Nordufer der Memel am Rand von langgestreckten Teichen,
die aus Altarmen der Memel entstanden sind. Vom Gut sind keine Reste mehr vorhanden.
Die Entfernung zum Bahnhof Tilsit betrug 4 km.


Name

Andere Namen und Schreibweisen

Namensbedeutung

Der Name weist auf eine Molkerei mit Käseherstellung.


Allgemeine Informationen

K u r z i n f o [5]

  • Adlig Milchbude, Memelland, 4 km bis zum Bahnhof Tilsit,
    Rittergut, Vieh- und Pferdezucht, 301 ha, 45 Pferde, 150 Rindvieh, Besitzer Fritz Habedanck.
  • Gut, 4 km nordwestlich von Tilsit, am Nordufer der Memel[6]


Politische Einteilung

  • Bis 10. Januar 1920 Kreis Tilsit
  • 1920 - 1923 unter französischer Verwaltung
  • Am 10. Januar 1923 von Litauen militärisch besetzt und annektiert
  • Am 22. März 1939 nach Ultimatum von Litauen an das Deutsche Reich zurück gegeben
  • 1.5.1939: Milchbude kommt zur Gemeinde Plauschwarren. [7]
  • 13. Januar bis 25. Januar 1945 Milchbude und Plauschwarren werden von der Roten Armee erobert.
  • 1990/91 Milchbude und Plauschwarren gehören zur unabhängigen Republik Litauen


Kirchliche Zugehörigkeit

Evangelische Kirche

Milchbude (Kr.Tilsit) gehörte 1912 zum Kirchspiel Tilsit Land,
nach der Abtrennung des Memellandes aber 1933 zum Kirchspiel Pogegen.


Standesamt

Milchbude (Kr.Tilsit) gehörte 1888 zum Standesamt Winge.


Bewohner

Das Foto zeigt Nanna von Grumbkow im Juni 1944 auf dem Hof
des Gutes Adlig Milchbude bei Pogegen im Memelland. Das Wirtschaftsgebäude im Hintergrund ist der Kuhstall auf der rechten Seite des Gutshofes.
Das Foto zeigt Marie-Agnes von Grumbkow und Jutta von Grumbkow
im April 1943 auf dem Hof des Gutes Adlig Milchbude neben dem Pferdestall.
Der Pferdestall war ein langgestrecktes Gebäude auf der linken Seite des Gutshofes, vom Gutshaus aus gesehen.
  • Frau Westphal (Vorname unbekannt), geborene Klunk aus Tilsit; geboren 1790, gestorben um 1845.


Geschichte

Milchbude Plan.jpg

Angaben zum Gut Adlig Milchbude

Gutshaus von 1816
Besitzer:

  • Joh. Samuel Habedanck, Posthalter in Laugszargen
    Besitzer von Laugszargen, Heideberg und Schillgallen
    geb. 24.02.1803 in Tilsitt, gest. 04.03.1891 in Milchbude
verheiratet am 24.02.1831 mit Eleonore Emillie Zausinger
geb. 06.06.1807 in Tilsit, gest. 04.03.1891 in Laugszargen.
  • Hans-Karl von Grumbkow, letzter Besitzer
    geb. 12.08.1903 in Berlin, gest. 18.09.1984 in Fallingbostel
verheiratet am 01.02.1938 mit Adelheid Minna von Eicke und Pollwitz
geb. 26.09.1909 in Bonn, gest. 15.08.1945 in Wurzen.

Das Gut hatte eine Größe von 300 ha. Es lebten ca. 100 Personen auf dem Gut. Es gab auch Milchwirtschaft mit eigener Käserei (85 Milchkühe). Besonders bekannt war der Tilsiter Käse, im Betrieb waren 32 Personen beschäftigt. Im Volksmund wurde Adlig Milchbude auch das „Schmandschlößchen“ genannt.

Tilsiter Käse

Zubereitung von Tisiter Käse

Käsereien bestanden in Ostpreußen bereits zur Ordenszeit. Die eingewanderten Holländer Mennoniten, die seit 1713 mit 105 Familien in der Memeler Niederung siedelten und in großen Mengen ihren „Mennonitenkäse“ vermarkteten, und auch die Salzburger verbesserten die Produktionsverfahren. Vor 1845 wurde in Plauschwarren/Milchbude bei Tilsit von einer Frau Westphal, geb Klunk (um 1790 - 1845) aus der Schweiz, Molkereibesitzerin in Tilsit seit 1840, eine Käserei eingerichtet. Als sie noch nicht verheiratet war, entwickelte sie auf dem Gut Brijohlen bei Tilsit den Brijolehner Käse, ein damals 600 bis 700 Gramm schwerer Weichkäse nach Limburger Art Daraus wurde der Tilsiter Käse, ein geschütteter, ungepresster Käse mit Kümmel und Salz, der in standardisierter Form bezüglich Form, Gewicht und Abmessung seinen Siegeszug in der Käsewelt antrat. [9]

Großen Aufschwung nahm die Käseproduktion in der wirtschaftlich prosperierenden Zeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Der Anfall an Milch erreichte Größenordnungen, die in traditioneller Weise in Ostpreußen nicht mehr abzusetzen war. Als Ausweg bot sich die Käseherstellung an, denn der Käse war wesentlich haltbarer als Frischmilch, Quark etc. und konnte mit dem neuen Transportmittel Eisenbahn weithin verteilt werden. Die fehlenden Fachkräfte für die Milchgewinnung und die Käseproduktion holte man sich aus der Schweiz, und bis zur Jahrhundertwende wurden viele Käsereien aus der Taufe gehoben. Die Melker aus der Schweiz, die es gewohnt waren, die Kuh umfassend ringsum zu pflegen und zu betreuen, erlangten bald als die „Schweizer“ hohes Ansehen in der Landwirtschaft. Die Bezeichnung wurde sogar als „Schweizarskaja“ in den heutigen russischen Sprachschatz übernommen.

Ende der 1930er Jahre existierten allein rund um Tilsit über 50 Molkereien, die jährlich 4.600 Tonnen Tilsiter Käse herstellten. Nach 1945 verfielen alle diese Molkereien. Dennoch wurde auch in der Oblast Kaliningrad noch Käse dieser Art hergestellt. Nach der Umbenennung von Tilsit in Sowjetsk nannte man ihn dann allerdings fortan Sowjetsker Käse, neuerdings aber auch Tilsitski Syr. In Nordostpreußen wird Tilsiter Käse heute in Heinrichswalde hergestellt, wo eine Fabrik dem Vernehmen nach mit 72 Mitarbeitern täglich 2 Tonnen produziert. [10]

Herstellung von Tilsiter Käse, um 1930
Abtransport von Tilsiter Käse


Neuanfang in der Schweiz

Fotos aus der Thurgauer Zeitung vom 30. Juli 2007

Die Thurgauer Otto Wartmann und Hans Wegmüller brachten das Original Tilsiter-Rezept, das sie um 1890 in der Milchbude nördlich von Tilsit kennengelernt hatten, in die Schweiz. Ab dem Jahr 1893 produzierten die beiden Käser den eingewanderten Tilsiter Käse im Thurgau.

Der Tilsiter soll nun in der Ostschweiz einen neuen Heimatort erhalten. Auf dem Holzhof in der thurgauischen Gemeinde Bisseg soll mit dem Segen der Behörden im Sommer 2007 eine symbolische Neugründung von Tilsit stattfinden. Das bedeutet, dass jetzt wieder Original Tilsiter Käse aus „Tilsit“ vermarktet werden kann.

Die Tilsiter SO Switzerland GmbH, Geschäftsführer Bruno Buntschu, die den Tilsiter Käse herstellt, bemüht sich darum, direkt in Sowjetsk eine Käsefabrik zu bauen. Inzwischen ist das Projekt der Käserei gestoppt worden, weil man festgestellt hat, dass in der Oblast Kaliningrad nicht genügend Milch für die Produktion des Tilsiters zur Verfügung steht. Jetzt müssen Milchwirtschaftsbetriebe in der Umgebung von Tilsit oder in der Elchniederung angesiedelt werden, was sicher einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

2012
In Planung: Schaukäserei in Tilsit / Ostpreußen - Tilsiter Käse kehrt an seinen Ursprungsort zurück –
Jetzt sind die Planungen so weit vorangeschritten, dass voraussichtlich im Herbst 2013 in Tilsit / Sovetsk mit dem Bau einer Schaukäserei begonnen werden kann. Diese aktuelle Dokumentation vom Oktober 2012 enthält hierzu Einzelheiten.
Tilsiter wieder aus Tilsit, ein Bericht aus dem St. Galler Tageblatt vom 19.11.2012

Fotos 2022

Zwei alte Bäume weisen auf eine frühere Ansiedlung hin. Von dem ehemaligen Gut Milchbude ist bis auf ein paar Stein- und Mauerreste nichts mehr zu finden.

2022 ©KestucioZ.Fotografija
2022 ©KestucioZ.Fotografija
2022 ©KestucioZ.Fotografija
2022 ©KestucioZ.Fotografija
2022 ©KestucioZ.Fotografija
2022 ©KestucioZ.Fotografija

Diese Bilder wurden freundlicherweise von Kęstutis Zdanevičius zur Verfügung gestellt.


Verschiedenes

Meteorologische Beobachtungen

April 1836
Am 28. April wurde in der Gegend von Tilsit eine Windhose wahrgenommen, welche während eines Gewitters nicht weit von dem Gute Milchbude (eine Meile westlich von der genannten Stadt) entstand, vom Entstehungs-Orte tobend über die Memel hinzog, zunächst mehrere am Ufer befindliche Uebersetzkähne zertrümmerte, einen 7 Last tragenden Fährkahn nebst dem dazu gehörigen kleinen Handkahn, durch die Luft führte und die Trümmer davon eine Strecke weit (angeblich gegen 100 Schritte) auf das Ufer schleuderte, auf dem weitern Verheerungszuge aber nicht blos viele Bäume entwurzelte, sondern in fünf einzelnen Ortschaften auch mehrere Gebäude (überhaupt 7 Scheunen, 5 Ställe, ein Eigenkäthner und ein Hirtenhaus) zerstörte, bei welcher Gelegenheit 3 Personen Kontusionen erhielten, 14 Stück Kühe aber getödtet wurden.[11]

Fotoalbum

Pogegen und Umgebung hier klicken !

Karten

Milchbude auf der Schroetterkarte Blatt 12, (1796-1802), Maßstab 1:50 000
© Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Siehe ganz links bei Plauschwarren auf der rechten Memel (Fluss)-Seite auf der Schroetter Karte 1802, Maßstab 1: 160 000


Milchbude im Preußischen Urmesstischblatt Nr. 65, 1861
© Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz


Milchbude im Messtischblatt 0896 Rucken, 0897 Pogegen und 0997 Tilsit (1914-1937) mit den Gemeindegrenzen von 1938, Maßstab 1:25000
© Bundesamt für Kartographie und Geodäsie


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>MILUDEKO05WC</gov>

Quellen

  1. Messtischblatt 0897 Pogegen, (1913-1941), © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie
  2. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  3. Amtsblatt des Memelgebietes vom 01.09.1923
  4. Amtsblatt des Memelgebietes vom 29.12.1923
  5. Angaben nach Helmut Fritzler, Leipzig.
  6. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  7. Amtsblatt Gumbinnen 1939: Neugliederung der Gemeinden und Gutsbezirke im ehemaligen Memelland ab 1. Mai 1939, S. 64ff,
    http://www.memelland-adm.de/Archiv/13 Verwaltungsbezirke/index.htm
  8. Amtsblatt des Regierungspräsidenten in Gumbinnen, 2.9.1939
  9. Albrecht Dyck, Tilsiter Käse aus Schillen, Tilsiter Rundbrief, Pfingsten 2012, S. 74
  10. Hans Dzieran, Der "Tilsiter" will an die Memel zurück, Tilsiter Rundbrief, Pfingsten 2012, S. 76
  11. Meteorologische Jahrbuch von 1836, Augustin Stark (Domkapitular, wirklicher geistlicher Rath), Augsburg 1840