Weber
Wolle und Leinen im ländlichen Alltag: Die Herstellung von Kleidung und Stoffen gehörte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zum ländlichen Alltag. Im Winter wurde die Zeit zum Spinnen und Weben genutzt. Zur Herstellung von Leinen wurde selbst angebauter Flachs und Hanf verwendet, zur Herstellung wollener Strümpfe die Wolle eigener Schafe. Zugekauft wurden nur feinere und teurere Stoffe für die Sonntags- und Festtagskleideung.
Weber ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Weber (Begriffsklärung). |
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Einleitung
Schon im 12. Jhdt. wurden gewebte Tuche über den Fernhandel abgesetzt, doch blieben Spinnerei und Weberei im 11. und 12. Jhdt. noch weitgehend häusliche Nebenbeschäftigung, und es wurde kaum über den lokalen Bedarf hinaus produziert.
1268 erhielten die Basler Linwetter (Leineweber) ein Privileg, und Speyer erließ 1298 eine Weberordnung.In der Weberei verbreitete Garne waren Wolle (Tuchmacherei), Flachs und Hanf (Leinenweberei) aus einheimischen Rohstoffen, später aber auch Baumwolle und Seide aus eingeführten Rohstoffen, sowie Barchent (Mischgewebe aus Leinen und Baumwolle) wurden verarbeitet.
Spezialisierungen
Schon seit dem 14. Jh. wurde Schafzucht in größerem Rahmen betrieben, und um 1500 war Wolle fester Bestandteil des Groß- und Fernhandels. Die Wolle mußte zunächst grob gesäubert (gebrockt) und gebrüht werden, bevor sie mit dem Wollbogen (Zunftzeichen) geschlagen und dann gleichmäßig mit Fett durchfeuchtet wurde. Die "geschmälzte" Wolle wurde von Wollschlägern mit dem Wollkamm (Krempel) gekämmt, gestrichen oder kardätscht (die Fasern wurden parallel gelegt und so zum Spinnen vorbereitet). Bis in das 19. Jh. blieb auch das Spinnen und Spulen hauptsächlich Frauen-und Kinderarbeit. Als eigenständiges Gewerbe trennten sich in Schlesien im 14. Jh. die Garnzieher von den Wollwebern.
Tuchmacher
Der Tuchmacher (Tuchweber, Wandmacher) war ein zünftiger Handwerker, welcher wollene Tücher und tuchartige Zeuge auf dem Webstuhl herstellte, und in größeren Städten mit den Tuchbereitern und Walkmüllern eine gemeinsame Zunft bilden konnte.
Frauen- und Männerarbeit
Das Weben war zumindest auf dem platten Lande noch im 18. Jahrhundert als Nebenerwerbstätigkeit, regional unterschiedlich, sowohl Frauen- als auch Männerarbeit. Gewebt wurde von Landwirten wie auch von Tagelöhnern je nach Raumausstattung und Möglichkeit in der Stube, auf der Diele oder in einer Webkammer. Nach der Arbeit baute man den Webstuhl häufig aus Platzmangel auseinander und stellte die Einzelteile in eine Nebenraum oder neben dem Bett ab.
Frauen auch in Gilden
Frauen waren jedoch auch als selbständige Weberinnen tätig, wenngleich sie um 1500 schon weitgehend aus der städtisch-zünftischen Weberei verdrängt waren: In Bremen gab es nach 1500 nur noch bei den Leinewebern selbständige Meisterinnen, die Mitarbeit von Frauen und Töchtern war hier durchaus üblich. Schmalweberinnen und Schleierwirkerinnen betrieben auch im 16. und 17. Jhdt. noch ihr Gewerbe.
Weberei in Westfalen um 1800
Leinen aus Flachs
1816/1836: Anfang des 19. Jhdts. sind die meisten Weber in Westfalen Heuerlinge oder Taglöhner im Nebenerwerb mit äußerst geringem Grundeigentum. Selbst begüterte Landwirte oder Kaufleute halten unter Umständen in einem Nebenhaus (Brinksitzer, Altenteiler, Kötterhaus) einen Weber, welcher mit seiner Familie, als dessen Dienstbote, an dessen Webstuhl beschäftigt ist und in seinem Auftrag aus Flachsgarnen Leinentuche herstellt.
Dies Geschäft ist kapitalintensiv, da das von den Webern zu verarbeitende Garn vorher von den Spinnern angekauft werden muß. Das angekaufte Garn muß dann noch in feiner Buchenasche gekocht und nach Einsatzart vorsortiert werden. Festgesponnenes Garn (wird zur Kette gebraucht) muß mindestens 2 Stunden oder länger kochen, wenn der Flachs von Natur nach der Ernte hart und spröde war.
Zu einem Werk Leinen von 60 Ellen gehört ½ Scheffel Asche à 8 Groschen. Steigt das Garn im Kessel beim Kochen, ist es von geringerer Qualität, sinkt es ab, wird es zur Herstellung von feinem Leinentuch eingesetzt. Die Sortierung an dieser Stelle verspricht den meisten Gewinn, denn das beste Garn wird im eigenen Haus zu Leinen gewebt, das übrige aber an andere Webern vergeben.
Leinen für die Aussteuer
Leinentuch für die Aussteuer wurde zur Unterscheidung gerne mit Initialen versehen und bei Bedarf auch bestickt. Dazu wurden von besonders fähigen Frauen Stickmustervorlagen entwickelt und weiter gereicht.
Klassen der Weber
1816/1836: Zwei Webstühle können 5 Menschen ausreichend beschäftigen. Es gibt sehr viele Klassen von Webern zu dieser Zeit, deren Hauptklassen beschreiben sich wie folgt:
- Weber mit guter Kapitalausstattung, welche im eigenen Haus 3 Webstühle betreiben und darüber hinaus noch 1 bis 12 weitere Stühle in der Nachbarschaft beschäftigen. Das von ihnen bevorzugte Wintergarn wird beim Kochvorgang entsprechend vorsortiert.
- Weber, die auf 1 bis 3 Webstühle im Hause beschränkt sind, aber über eine so aureichende Kapitalausstattung verfügen, die es ermöglicht, daß sie ihre Garnvorräte (auch Wintergarne) in bar erwerben und auf Vorrat anlegen können.
- Weber, die zwar auch 1 bis 3 Webstühle im Hause besitzen, aber das Garn wegen Kapitalknappheit nur zeitnah kaufen können und daher auch auf die schlechteren Sommergarne angewiesen sind. Ein Großteil dieser Weber sind auf wiederum bemittelte Spinner angewiesen, die ihnen dann auf Kredit Garne zu höheren Preisen und ohne Auswahlmöglichkeiten überlassen.
- Weber, welche nur 1 Webstuhl haben und ohne Kapital aber kreditwürdig sind, können das Leinengarn im bereits gekochten Zustand mit Aufschlag (à Werk zu 60 Ellen 1 Thlr.) von den Webern 1.Klasse zu deren Einkaufpreis in Minderqualität übernehmen. Sobald sie dann ihr gefertigtes Stück verkauft haben, lösen sie ihren Kredit ab und können danach wiederum neues Garn auf Kredit erhalten.
- Weber, welche weniger kreditwürdg sind, können nur das schlechteste Leinengarn im bereits gekochten Zustand von den Webern 1.Klasse erhalten, welches zur Sicherung in deren Besitz verbleibt. Mit ihnen wir der Lohn für das Weben von Fall zu Fall vereinbart. Der vereinbarte Lohn wird bei Übergabe des gewebten Leinens fällig. Sie müssen nach ihrer Meinung „die Fäden für andere knüpfen!“
Löhne
1816/1836: Die Weber unter 1 u. 2 weben nicht selber sondern besorgen den Einkauf des Garns, das Kochen, Sortieren und den Verkauf der fertigen Leinenstücke. Hier verrichten männliche Dienstboten das Weben, welche bei freier Kost für ein Werk à 60 Ellen 16 Groschen bis 1 Thlr, je nach feiner Qualität erhalten.
Frauenarbeit
1816/1836: Die Weberfrauen haben durch die gleichförmige und sitzende Arbeit durchweg dicke Füße (Wasser). Je besser sie weben, je eher kommen sie unter die Haube. Weberfrauen leiden in der Folge unter schweren Geburten. In den Weberklassen 3 bis 5 weben die Frauen oder ihre Söhne und Töchter, die sich aber, wenn sie es zur Meisterschaft in der Kunst des Webens bringen, bei Nr. 1 oder 2 in ein Arbeitsverhältnis gehen. Das Schulkind fängt beim Spulrad an, der Greis endet hier.
Leinenverkauf
Der Verkauf der gewebten Leinwand erfolgte auf den Märkten in den Städten. Hier wurde auf der Legge die Leinwand auf rechtes Maß und einwandfreie Verarbeitung untersuchte, in Kategorien eingeteilt und entsprechend gestempelt. Bekannt waren westfälische Leggen z.B. in
Webvorgang
Weben nennt man die Herstellung von Zeugen (Geweben) durch regelmässige Verschlingung rechtwinklig sich kreuzender Fäden. Durch die der Länge nach verlaufenden stärkeren Fäden (Kette, Zettel, Aufzug) zieht sich ohne sichtbare Unterbrechung der Einschuss (Einschlag, Eintrag), indem dieser Faden an den Rändern der Kette deren äusserste Fäden umschlingt und zurückkehrt. Durch dies Umschlingen entsteht die Egge (Leiste, Sahlband).
Aufstellung des Webstuhls
Die Weberin oder der Weber sitzt an dem Webstuhl und verarbeitet gesponnene Garn (Wolle, Leinen, Seide) zu einem Stoff des Produktes. Die Vorbereitung des Webstuhls im eigenen Heim war aufwändig. Das Anbringen der Kettfäden, zwischen denen das Schiffchen hin- und herwandern sollte, erforderte viel Erfahrung. Oft musste der Webstuhl selbst erst aufgebaut werden. Die sogenannte Kette wurde von mehreren Personen angebracht, wobei verhindert werden musste, dass sich die Kettfäden verknoteten. Über alle Bäume und Streben des Webstuhls führten die Fäden vom drehbaren Kett- zum Brustbaum, vor dem die Weberin saß.
Dabei lief die Kette von einem Kettenbaum zum Linnenbaum. Durch die Hebel wurden jeweils abwechselnd die Kettenfäden hochgehoben und der Schussfaden mit dem Schiffchen (in welchem der Einschuss auf einer Spindel aufgewickelt enthalten war), zwischen beide Fadensysteme hindurch geschossen. Dann wurde der eingeschossenen Faden mittelst des Rietblattes fest an den vorhergehenden angeschoben oder angeschlagen, die gehobenen Fäden wurden zurück gelegt, die vorher unten liegenden Fäden angehoben und das Schiffchen wieder eingeschossen, etc. Die Hebel wurden dabei mit den Füßen durch die Treter bewegt.
Das Tuch entsteht
Die Schussfäden und Kettfäden werden dadurch zu einem Gewebe verbunden. Die Kettfäden und die längs laufenden Fäden eines Stoffes, die Schussfäden werden quer dazu eingewebt.
- Die Kettfäden mit gerader und ungerader Zahl werden abwechseln angehoben und gesenkt, so entsteht ein Fach.
- Durch dieses Fach wird mit dem Schiffchen der Schussfaden gezogen.
- Anschließend wird der eingewebte Schussfaden mit der Kammlade festgeschlagen.
So laufen alle drei Arbeitsschritte immer wieder hintereinander:
- Fach bilden
- Fach schließen
- anschlagen
Weiterverarbeitung
Nach dem Weben wurden die Tuche gewalkt (Walkmühle), um eine Verdichtung und Verfilzung des Tuches zu erreichen. Während der Loden nicht gefärbt und auch nicht geschoren wurde, wurden bessere Tuche vom Tuchscherer bzw. Tuchbereiter appretiert.
Ausbildung in der Gilde
- Lehrzeiten waren vergleichsweise kurz, bis ins 17.Jhdt. ein bis zwei Lehrjahre aus
- Bildweber (gemusterte Gewebe, Bildwerk) vier Jahre
- kein — oder nur ein geringes — Lehrgeld an den Meister zu zahlen, während die Lehrjungen meist von Anfang an (geringen) Lohn erhielten.
- Im Spätmittelalter bildeten sich auch Vereinigungen der Gesellen im Textilgewerbe heraus.
Ende des Handwerks
Durch die Einführung der mechanischen Webstühle (Maschinenstähle, Kraftstühle), welche anfänglich meist durch Dampf betrieben waren, wurde in kürzester Zeit das Handwerk verdrängt, da deren Leistung die der Handstühle erheblich übertraf. Den ersten brauchbaren mechanischen Webstuhl konstruierte Cartwright 1787.
Spezialisierungen
Bereits im Mittelalter gab es diverse Spezialisierungen in der Weberei:
- Wollweber = Tuchmacher, Wandmacher oder Grautucher (städtische Gilden)
- Leinenweber (ländliches Heimgewerbe zur Verarbeitung von Flachs und Hanf für Haustuch, Säcke und grobe Zeuge, jedoch nicht mehr für zu exportierende Leinwand)
- Schmalweberin
- Schleierwirkerin
- Strumpfweber
- Bildweber
- Kam(m)seidenweber (1805 in Dülmen)
Bandweberei
Die Bandweberei (Bandwirkerei) ist die Darstellung schmaler Gewebe auf Webstühlen, Leinene Bänder wurden aus Garn (Leinwandband) oder Zwirn (Zwirnhand) gefertigt. Strippenbäuder (Siruppen) sind grobes geköpertes Zwirnband. Baumwollene Bänder sind leindwandartig (Perkalband) gewebt. Wollene Bänder (Harrasband) bestehen stets aus Kammwollgespinnst.
Quellen
- Diverse Museen
- Schwerz, Joh.Nep. von: Beschreibung der Landwirtschaft in Westfalen (1836)
Literatur
- Voigt, Die Weberei in ihrer sozialen und technischen Entwickelung (3. Aufl., Weim. 1882)
- Ölsner, Die deutsche Webschule (8. Aufl., Altona 1902)
- Reiser und Spennrath, Handbuch der Weberei (Berl. u. Münch. 18851900, 3 Bde.; 2. Aufl., Leipz. 1907 ff.)
- Schams, Ausführliches Handbuch der Weberei (3. Aufl., das. 1900)
- Webmaterialienkunde (Berl. 1898) und Kalkulation der Webwaren (4. Aufl., Nürnb. 1907)
- Lembcke, Mechanische Webstühle (2. Aufl. Braunschw. 1894; dazu 7 Fortsetzungen, 188896)
- Reh, Lehrbuch der mechanischen Weberei (2. Aufl., Wien 1890)
- Kinzer und Fiedler, Technologie der Handweberei (4. Aufl., das. 190608, 2 Bde.)
- E. Müller, Handbuch der Weberei (Leipz. 1896)
- Reiser, Lehrbuch der Spinnerei, Weberei etc. (4. Aufl., das. 1901)
- Gruner, Mechanische Webereipraxis (Wien 1898) und Theorie der Schaft- und Jacquardgewebe (Wien 1902)
- Oberholzer, Praktischer Wegweiser für die Einrichtung und Behandlung des mechanischen Webstuhls (4. Aufl., Lörrach 1900)
- Donat, Technologie der Jacquardweberei (Wien 1902) und Großes Bindungslexikon (Wien 1904)
- Utz, Die Praxis der mechanischen Weberei (Leipz. 1907)
Zur Geschichte der Weberei
- Fischbach, Geschichte der Textilkunst (Hanau 1883) und Ornamente der Gewebe (160 Tafeln)
- Bucher, Geschichte der technischen Künste, Bd. 3 (Stuttg. 1893)
- Kohl, Geschichte der Jacquardmaschine (Berl. 1873)
- Demmin, Die Wirk- und Webekunst etc. (Wiesbad. 1893)
- Dreger, Künstlerische Entwickelung der Weberei und Stickerei (Wien 1904)
- Ephraim, Über die Entwickelung der Webetechnik und ihre Verbreitung außerhalb Europas (in den »Mitteilungen des Leipziger Museums für Völkerkunde«, Heft 1, Leipz. 1904)
- Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde (Stuttg. 1904)
- R. Wilbrandt, Die Weber in der Gegenwart, sozialpolitische Wanderungen (Jena 1906)
Gute historische Vorbildersammlungen
- Drahan, Ornamentale Entwürfe für die Textilindustrie (Reichenberg 1883) und Geometrische Entwürfe (das. 1883)
- Kumsch, Stoffmuster des 17. und 18. Jahrhunderts aus dem königlichen Kunstgewerbemuseum zu Dresden (Dresden 188995,200 Tafeln)
- Lessing, Die Gewebesammlung des königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin (Berlin 1900/1907,300 Tafeln)
- Haebler, Moderne Textilkunst (Planen 1905).
Fußnoten
Museen
- Freilichtmuseum am Kiekeberg, Museumsweberei
- Historische Dithmarscher Handweberei in Meldorf
- LWL - LWL-Industriemuseum - TextilWerk Bocholt, Weberei und Spinnerei
- Textilfabrik Cromford, Von der Faser zum Garn - Die erste Textilfabrik
- Deutsches Textilmuseum Krefeld
- Tuchmacher Museum Bramsche
- Webereimuseum Haslach, Verarbeitungsschritte von der Flachsaufbereitung bis zur fertigen Leinwand