Tilsit

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Wappen der Stadt Tilsit

T i l s i t

Kreisstadt am Memelstrom
O s t p r e u ß e n
___________________________________________

Die Luisenbrücke in Tilsit


Hierarchie


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Luisenmedaillon am Südportal der Luisenbrücke
Das Südportal der Luisenbrücke in Tilsit, Sommer 1993

Einleitung

Tilsit war bis 1922 die zweitgrößte Stadt Ostpreußens, denn das zahlenmäßig
größere Elbing gehörte bis dahin zur Provinz Westpreußen.

Name

Der Name bezieht sich auf den Fluss Tilse.

vgl. dazu

  • prußisch "tilte, tiltan" = Brücke, auch Knüppeldamm, Moorbrücke
  • litauisch "tilžti" = unter Wasser stehen, quellen, weichen, sich voll Wasser saugen
  • "tilške" = Weidelgras, Lolch, Löthardel (botanisch lolium perenne, arvense, temulentum, remotum), Vogelmiere (stellarau media), Wasserdost (bidens tripartitus);
  • "tilškiai" = Leindotter (camelina sativa), Flöhkraut (Unkraut im Flachs)

Einwohner, Fläche

Der Stadtkreis Tilsit hatte 1905 37.148
und 1939 insgesamt 59.105 Einwohner und eine Fäche von 5.901 ha.

Umgebungskarte Tilsit-Ragnit

Wappen und Luisenmedaillon

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Das Wappen von Tilsit hat in Silber über blauem Wasser eine rote Mauer mit spitzbedachtem Turm
und zwei hohen, bedachten Zinnen; der Turm ist belegt mit dem von Silber und Schwarz gevierten Zollernschild.

Auf dem neuen Wappen der Stadt Sowjetsk ist das barocke Südpotal der Luisenbrücke dargestellt.

Das Luisenmedaillon vom barocken Südportal der Königin-Luisen-Brücke ist im Memelwasser aufgefunden und von Tauchern geborgen worden. Nach gründlicher Überarbeitung ziert es wieder den zweitürmigen Torbogen, der als Wahrzeichen von Tilsit gilt. Das von der Sowjetmacht angebrachte Hammer-und-Sichel-Emblem mußte weichen.

Auch von den russischen Bürgern der Stadt wird die preußische Königin Luise sehr verehrt.

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Allgemeine Informationen

Der Schenkendorfplatz in Tilsit um 1910

1905 ist Tilsit eine Stadt (ein Stadtkreis) im preußischen Regierungsbezirk Gumbinnen, am Einfluß der Tilse in die Memel, 14 m ü.M., hat vier evangelische (darunter eine runde litauische) und eine katholische Kirche, Synagoge, sieben Bethäuser verschiedener Sekten, ein schönes Rathaus, ein Denkmal der Königin Louise (modelliert von Professor Eberlein), ein Denkmal des hier geborenen Dichters Max von Schenkendorf, ein Kriegerdenkmal und (1905) mit der Garnision (2 Bataillone Infanterie Nr.41 und ein Dragonerregiment Nr.1) 37.148 Einwohner, davon 1052 Katholiken und 671 Juden.
Die Industrie ist wichtig in Eisengießerei und Maschinenbau, Hefen-, Spiritus-, Gips-, Kunstwoll-, Chemikalien-, Knochenkohlen-, Seifen-, Kunststein-, Käse-, Schnupftabak-, Chromleder-, Zellstoff-, Wagen- und Möbelfabrikation, auch befinden sich dort Dampfmahl- und Dampfschneidemühlen, Bierbrauereien, eine Holzimprägnieranstalt, Kalkbrennerei, Aal- und Lachsfang. Der Handel, unterstützt durch eine Korporation der Kaufmannschaft, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1906: 251,5 Mill.Mark) und die Schiffahrt auf der Memel, ist besonders bedeutend in Tabak, Holz, Getreide, Steinkohlen, Flachs, Öl, etc., auch hat Tilsit besuchte Pferdemärkte. Dem Verkehr dient eine elektrische Straßenbahn; für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Osterode-Memel, Königsberg-Tilsit und Tilsit-Stallupönen. Die Stadt hat ein Gymnasium, ein Realgymnasium, ein Lehrerinnnenseminar, eine Taubstummenanstalt, ein Waisenhaus, Konservatorium für Musik, Theater, etc. und ist Sitz eines Landgerichts und eines Hauptzollamtes.
Die städtischen Behörden zählen 12 Magistratsmitglieder und 42 Stadtverordnete. Zum Landgerichtsbezirk Tilsit gehören die sechs Amtsgerichte zu Heinrichswalde, Kaukehmen, Ragnit, Groß Skaisgirren, Tilsit und Wischwill. In der Nähe von Tilsit das Dorf Splitter.

4 km westwärts Tilsits fängt die Tilsiter Niederung an, ein fruchtbarer Landstrich im Bereich der Mündungsarme der Memel, der sich von Nord nach Süd 80 km, von Ost nach West 53 km weit ausdehnt. [1]

Landkreis Tilsit-Ragnit


Der Landkreis Tilsit-Ragnit
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Am 10. Januar 1920 trat der Versailler Vertrag in Kraft. Dadurch wurden der Kreis Ragnit und der Landkreis Tilsit – soweit nördlich der Memel gelegen – an das Memelgebiet abgetreten. Aus ihnen entstand der neue Kreis Pogegen. Am 25. März 1920 wurde die Verwaltung des Restkreises Tilsit südlich der Memel vorläufig auf den Landrat in Ragnit übertragen.


Am 1. Juli 1922 wurden die zerschnittenen Kreise südlich der Memel endgültig neu organisiert:

Eingliederung der Landgemeinden Dwischaken, Kaltecken, Kalwen, Moritzkehmen, Schillgallen b. Tilsit und Senteinen (teilweise) und des Gutsbezirks Paszelgsten aus dem Landkreis Tilsit in den Stadtkreis Tilsit,

Zusammenschluss des Kreises Ragnit, der Landgemeinden Alloningken, Birkenwalde, Blausden, Gaiwethen, Groß Brettschneidern, Groß Dummen, Groß Ischdaggen, Groß Wingsnupönen, Grünheide Försterei, Kattenuppen, Kaukwethen, Kaukweth-Kludszen, Kellmienen, Klein Brettschneidern, Klein Dummen, Krauleiden, Kühlen, Lapienen Försterei, Papuschienen, Pauperischken, Puskeppeln, Sandlauken, Schillkojen, Seikwethen, Skardupönen, Skroblienen und Smaledumen des Kreises Niederung und des Landkreises Tilsit zum neuen Kreis Tilsit-Ragnit mit dem Sitz der Verwaltung in Tilsit. Dementsprechend wurde am 15./16. August 1922 das Landratsamt des nunmehr auch formell vereinigten Großkreises von Ragnit nach Tilsit verlegt.

Am 27. März 1924 wurden die Grenzen des Stadtkreises Tilsit dadurch abgerundet, dass die Gutsbezirke Laukändter Wüstenei und Schnecken, Forst aus dem Kreis Tilsit-Ragnit eingegliedert wurden.

Zum 30. September 1929 fand im Kreisgebiet entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der nahezu alle bisher selbstständigen Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Zum gleichen Zeitpunkt wechselte der Gutsbezirk Sziedlauken vom Kreis Tilsit-Ragnit zum Landkreis Insterburg.

Gemeinden

Kirchliche Zugehörigkeit

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Diözese Tilsit (Stand 1912):

KS Coadjuthen Gr. 1568 (siehe dort)
KS Nattkischken Gr. 1892 (siehe dort)
KS Neu Argeningken Gr. 1902 (siehe dort)
KS Piktupönen Gr. 1574 (siehe dort)
KS Plaschken Gr. 1695 (siehe dort)
KS Pokraken Gr. 1891 (siehe dort)
KS Rucken Gr. 1870 (siehe dort)
KS Willkischken Gr. 1561 (siehe dort)
KS Laugszargen Gr. 1864 (siehe dort)
KSTilsit
Tilsit Stadtkirche

Stadt I Gr. KvR
Stadt II Gr. 1557
Stadt III Gr. 1895
Stadt IV Gr. 1901
Stadt V Gr. 1912

Tilsit Landkirche (litauische Gemeinde)

Land I Gr. ca. 1510
Land II Gr. 1878 (?)

Militär seit 1714
Reformiert Gr. 1679
Katholisch Gr. 1661
Katholisch Militär ab 1886
Mennoniten Gr. 1713 (Pokraken), Alt-Lutheraner ab 1848, Litauer (siehe Land), siehe auch Genealogische Quellen Ostpreußen

Evangelische Kirchen

Turm der Ref. Kirche am Deutschen Tor in Tilsit
  • Die ev.luth. Deutsche Kirche (Lutherkirche, Alte Kirche, Stadtkirche, Deutschordenskirche)
Eine deutsche evangelische Kirche ist in den Archivalien schon um 1538 erwähnt. Wahrscheinlich stammte der wohl in Holz ausgeführte Bau noch aus vorreformatorischer Zeit. Wegen Baufälligkeit wurde er 1598 abgebrochen; 1610 wurde der Neubau durch den Königsberger Theologieprofessor Andreas Pouchenius eingeweiht.
Diese Kirche war ein dreischiffiges chorloses orientiertes Rechteck, zunächst mit westlichem Turm, der 1699 abgerissen und 1702 durch einen massiven Turm mit dreifachem barockem Kuppelhelm, der auf acht Eichenkugeln ruhte, ersetzt wurde. Die südliche Vorhalle mit geschwungenem Giebel wurde 1700 angefügt. Der Innenraum gliederte sich in das mit einem flachen Korbbogengewölbe abschließende Mittelschiff und in die beiden flachgedeckten Seitenschiffe mit den Emporen an der Nord- und Südwand.
  • Die Litauische Kirche (Christuskirche, Landkirche)
Bevor die Litthauer (spätestens 1553) eine eigene Kirche bekamen, sprechen die archivalischen Quellen von einem "Predigtstuhl", unter dem man sich einen kanzelartigen überdachten Aufbau vorzustellen hat. Die neue, neben der deutschen errichtete litauische Kirche war ein Fachwerkbau ohne Turm und Glocken. Sie wurde während des Neubaues der deutschen Kirche auch durch die Deutschen benutzt.
Nach mehreren Reparaturen im 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die Litauische Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen und 1757 durch einen Neubau nach dem Entwurf des Landbaumeisters Karl Ludwig Bergius ersetzt. Diese Kirche auf ovalem Grundriß war von einem turmartigen Dachreiter gekrönt. Innen trugen toskanische Säulen das hölzerne Tonnengewölbe. Die Seitenschiffe waren flach gedeckt. [2]
Ort Jurburg Glocke aus Tilsit 01.jpg
Kirchen:
  • Stadtkirche, Deutsche Straße
  • Landkirche, Hohe Str. 7
  • Reformierte Kirche, Hohe Str. 8
  • Römisch-Katholische Kirche, Fabrikstr. 33
    (Turmspitze abgetragen
    heutige Nutzung als Brauerei)
  • Evangelische-Lutherische Kirche, Bleichstr. 11
Kirchenbücher
siehe:
Kirchbuchbestände Kreis Tilsit
Ort Jurburg Glocke aus Tilsit 02.jpg


  • Links; Eine Tilsiter Glocke auf dem Kirchhof der Katholischen Kirche in Jurburg (JurbarkasGeorgenburg)
  • Rechts: Ausschnitt aus der Inschrift: "SERVA VERBUM TUUM ET FRANGE VIRES HOSTIUM COMMUNI SUMPTU REI PUB<LICAE> TILSENSIS FUSA ANNO 1674"
    = Schütze Dein Wort und zertrümmere die Kräfte der Feinde. Mit öffentlichen Mitteln der Stadt Tilsit gegossen im Jahre 1674

Katholische Kirchen

Andere Glaubensgemeinschaften

Die Synagoge stand in der Kirchenstraße in Tilsit

Jüdische Glaubensgemeinschaft

Lange bevor im 19. Jahrhundert Juden Stadtbürgerrechte in Tilsit erwerben durften, hielten sich jüdische Kaufleute bereits in größeren Gruppen in der Stadt auf, um Handel zu treiben. Zum einen reisten sie über die 20 km nördlich gelegene Landesgrenze bei Laugszargen ein, zum anderen kamen sie mit den zahlreichen Holzflössen auf der Memel von Litauen oder Weißrussland. Die Gemeinde, die sich nach 1812 etablierte, durfte erst 1842 eine Synagoge errichten. Sie stand in der Kirchenstraße Nr. 18 neben der Luisenschule.

Allmählich wuchs die Zahl ihrer Mitglieder bis auf 650 Personen (1910). In den Jahrzehnten zwischen 1880 und 1910 spielte Tilsit eine wichtige Rolle als Durchgangsstation für die jüdische Auswanderung aus dem Zarenreich nach Übersee. Nach dem Frieden von Versailles wurde die Memel zum Grenzfluss. Die weltoffene kleine Handelsstadt verwandelte sich in eine nationale Grenzstadt. Vor allem die jüdische Jugend verließ in den 1930er Jahren die Stadt, um ins Ausland zu emigrieren. Ihre Wege führten nach Südafrika, in die Vereinigten Staaten, aber auch nach Shanghai und nach Litauen. Am 9. November 1938 wurde die Synagoge in Brand gesteckt. Viele Juden versuchten, nach Litauen zu fliehen. Die in Tilsit verbliebenen Juden wurden im August 1942 deportiert.

Eine Ausstellung, die vom 12. Juli bis zum 30. August 2009 im Stadtmuseum in Sovetsk zu sehen war, zeigte viele Facetten jüdischen Lebens in und um Tilsit.

Die „Loge zu den drei Erzvätern“ steht in der Stiftstraße an der Ecke zur Fabrikstraße. Das Haus gehörte zum Orden B'nai B'rith und wurde wie eine Loge geführt, war aber keine Freimaurerloge. Erich Mendelsohn war der Architekt, 1925 bis 1926 erbaute er das Haus im Stil der klassischen Moderne. Den Horizontalismus begründete der Architekt mit der Vorstellung, der Bau könne als Appell für die Auflösung aller Hierarchien in Politik, Wirtschaft und Kultur verstanden werden.
Das heutige Haus der Pioniere (Дом пионеров, ул.9-го Января) ist mit Skulpturen aus der sowjetischen Zeit geschmueckt.

Tilsiter Kirchen, die nicht mehr existieren

  • die Lutherkirche (oder Deutsche Kirche oder Deutschordenskirche oder Stadtkirche) am Schlossplatz, erbaut 1598 – 1612, Turm von 1702. Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete in der nicht zerstörten Kirche ein Sägewerk. Von 1956 bis zum Anfang der 1960er Jahre soll sie Sammelstelle für Altstoffe gewesen sein. Danach verfiel sie recht schnell. Als herabfallende Trümmerteile 2 Passanten erschlugen, sah man sich veranlasst, die Kirche 1965 abzureißen, nachdem sie abgebrannt war. Auf dem Platz der Deutschordenskirche steht ein Neubau. Der Aufsatz des Hauptaltars aus dem Jahr 1611 wurde gerettet und befindet sich heute - restauriert - in der Johanneskirche in Bartenstein (Bartoszyce/Polen), ebenso zwei Beichtstühle von 1638 und Teile der Taufschale
  • die Christuskirche (oder Litauische Kirche oder Landkirche) von 1757 am Schenkendorfplatz. Sie überstand den 2. Weltkrieg ohne Schaden, wurde aber 1949/50 von Kindern in Brand gesetzt, brannte aus und wurde 1951/52 abgerissen.
  • die Friedhofskapelle im Kapellenweg samt nebenstehender Leichenhalle von ca. 1800 und dem dazugehörigen Friedhof
  • die katholische Kirche von 1847 - 1851 in der Wasserstraße mit Turm von 1888, diente nach dem Krieg als Altstoffsammelstelle. Das Kirchenschiff wurde in den 1960er/1970er Jahren abgerissen, um Baumaterial zu gewinnen, der Turm 1983 gesprengt. 1992 übergab man das Grundstück der Katholischen Kirche, die auf den alten Fundamenten einen Kirchenneubau errichteten.
  • die Synagoge von 1841 wurde bereits 1938 zerstört. [3]


Geschichte

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Persönlichkeiten

Beschreibung der Stadt Tilsit

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Markttage in Tilsit

Von Lena Grigoleit aus Bittehnen

Unsere Welt ging bis Tilsit, dahinter war für uns ein fremdes Land. An den Markttagen, mittwochs und sonnabends, stiegen wir um acht Uhr mit unseren Körben auf den Dampfer. Eine halbe Stunde nur, und man war dort.

Auf dem Schenkendorfplatz drängte sich alles nach der schattigen Seite. Morgens war die Butter noch kühl, schön in Rhabarberblätter eingewickelt, je Blatt ein halbes Kilogramm. Vorne lag auf Pergamentpapier das Schmeckstückchen. Ich schrie immer mit aller Kraft: “Madamchen, steinharte Butter, Butter wie Stein!”

Die Städter - geschniegelt und gebügelt, wie meine Mutter zu sagen pflegte - ließen sich nur schwer beeindrucken. Sie zogen in aller Ruhe ihre Teelöffelchen aus den Taschen und kosteten. “Pfui”, riefen sie, wenn ihnen die Butter nicht behagte, und spien sie aus. Wenn sie sahen, du hattest noch viel im Angebot und es war bald Mittag, handelten sie: “Laß noch ein bißchen runter. Die Butter schmilzt schon und wird gleich schlecht werden.”

Die Deutschen waren reich, und wir brauchten die Reichsmark. Mit unseren Lit und Cent konnten wir in der Stadt nichts kaufen. In Litauen konntest du deine Ware auch nicht loswerden, zuviel war von allem. Damals sagte man: “Es ist billiger, die Wagenräder mit Butter zu schmieren, als Wagenschmiere zu kaufen.” Nur mit den Schweinen war es etwas besser, die übernahm der Engländer. In dem Land essen sie Speck zum Frühstück, das war günstig für uns.

Wenn der Marktkorb leer war, gingen wir spazieren. Alles spielte sich auf der Hohen Straße ab. Mama hatte ihre Geschäfte, wo sie wußte, daß es was Gutes gab. Wäsche, Schuhe, Kurzwaren, auch Fahrräder, Kartoffelstampfer oder Töpfe, das war in Litauen schwer zu haben. “Schau nicht rechts, schau nicht links, kaufe bei Raudies und Bugerings”, stand dort. Deutsche Straße Nummer 73 war die Anschrift, das weiß ich noch. Auch das Schuhgeschäft Tack hatte so eine lustige Reklame: “Die Welt wird schöner mit jedem Tack.”

Ich kaufte immer gern diese Schnecken, solche dünnen leichten Kuchen mit Puderzucker beschmiert. Und in der Drogerie, schräg gegenüber, das Journal “Magazin der Hausfrau”. Das war ein interessantes Blatt, nicht groß, nicht dick, aber allerhand drin. Eines Tages, an einem Sonnabend, habe ich mir beim Frisör die Haare abschneiden und ondulieren lassen.
Da hat mein Vater mich geschlagen deswegen.

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Auf dem Rückweg mußtest du aufpassen, daß dich der litauische Zoll nicht erwischte.
Alle haben geschmuggelt natürlich, wie das so ist an der Grenze. Besonders im Winter, wenn die Memel zugefroren war. Da konntest du mit Kanonen über den Strom fahren, so stark war das Eis. Dann zogen ganze Karawanen durch Nacht und Nebel. Unsere Kühe und Schweine waren drüben willkommen. Sie waren billig, genau wie unser Schnaps. Und wir bekamen, wenn wir Glück hatten, den Kaffee von dort unverzollt. Auch Zentrifugen wurden verschoben über den Strom und viele andere landwirtschaftliche Geräte. In Bittehnen konnten wir oft die Schüsse hören und das Fluchen, wenn die Zöllner jemanden zu fassen kriegten.

Jeden Herbst war an der Tilsiter Luisenbrücke Jahrmarkt. Ich weiß noch, wie ich in diesem Korb saß. Ein Rad mit Körben dran, und wenn du dreimal rumgefahren warst. mußtest du aussteigen. Von oben besehen, war die Memel nicht mehr so breit. Die Stadt schaukelte, seltsam, wie betrunken. In die “Fahrt zum Mond” bin ich nie eingestiegen, die war mir zu schnell. Lieber aß ich Zuckerstangen oder diese verzuckerten Mandeln.

Später, schon im Krieg, habe ich diesen Film gesehen, “Die Reise nach Tilsit”, nach dem Buch von Hermann Sudermann. Da war unser Markt schon nicht mehr, nur im Film konnte man ihn noch besehen. Ich mußte weinen. Das tat mir so leid, wie die beiden, Ansas und Indre, Karusell fuhren, und er denkt an nichts anderes, als wie er sie umbringen kann. Sie war so schön mit ihrem neuen Tuch. Alle haben ihr nachgeschaut, obwohl sie eine Bäuerin war. Nachher haben sie von dem süßen Likör getrunken, und die Stadt hat ihnen so gut gefallen, dass er abließ vom Morden und sie wieder liebte. Nur hat es nichts genützt. Auf dem Rückweg ist er ertrunken im Sturm.

Tilsit hat mich immer angezogen. Noch heute fahre ich ab und zu hin. Aber wohnen, wohnen wollte ich dort nie, in den engen Häusern. Dort mußt du einen Büstenhalter tragen und dich ganz anders kleiden. In der Stadt kenne ich keinen. Überhaupt kennt dort niemand irgendeinen. Wenn ich in der Paradiesstraße am Kochtopf stehe oder abwasche, dann schau ich auf den Wald, und ich weiß, der und der ist da vor dem Fenster gegangen. [4]

Die Reise nach Tilsit

Prospekt vom Spielfilm "Die Reise nach Tilsit", 1939

Auszug aus Sudermanns Novelle

Dann biegen sie in die Deutsche Straße ein, die breit ist wie ein Strom und an ihren Rändern lauter Schlösser stehen hat. In den Schlössern kann man sich kaufen, was man will, und alles ist viel schöner und prächtiger als in Memel.

Sie fahren in einer Droschke nach Jakobsruh, jenem Lustort, der bekanntlich so schön ist wie nichts auf der Welt. Bäume so hoch und schattengebend wie diese hat Indre noch nie gesehen, auch nicht in Heydekrug und nicht in Memel. Am Haff, wo es nur kurze Weiden gibt und dünne Erlen, könnte man sich von einer solchen Blätterkirche erst recht keinen Begriff machen.

Wie sie auf dem Weg zur inneren Stadt an dem “Anger” vorbeikommen, jenem großen häuserbestandenen Sandplatz, auf dem die Vieh- und Pferdemärkte abgehalten werden, da hören sie aus dem Gebüsch, das den einrahmenden Spazierweg umgibt, ein lustiges Leierkastengedudel und sehen den Glanz von Purpur und von Flittern durch die Zweige schimmern...

Also ‘rauf auf die Pferde! ...Und sie reiten und fahren und reiten wieder, und dann fahren sie noch einmal und noch einmal, weil sie zum Reiten schon lange zu schwindelig sind. Die ganze Welt ist längst eine große Drehscheibe geworden und der Himmel jagt rückwärts als ein feuriger Kreisel um sie herum. Aber sie fahren noch immer und singen dazu:

Logo Leerstelle.jpg» Tils'chen, mein Tils'chen, wie schön bist du doch!Logo Leerstelle.jpg

Ich liebe dich heute wie einst!
Die Sonne wär’ nichts wie ein finsteres Loch,

Wenn du sie nicht manchmal bescheinst. «

Straßenverzeichnis

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Heutige Situation

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Tilsiter Käse

Herstellung von Tilsiter Käse, um 1930

Man kann nicht über Tilsit berichten, ohne an einen weltbekannten Namen zu erinnern. Hier ganz in der Nähe ist der Geburtsort des Tilsiter Käses. Auf der anderen Seite der Memel, kaum zwei Kilometer entfernt, liegt Milchbude (Plauschwarren / Jovarynè). Dort übernahm eine Frau Westphal 1845 eine Käserei und begann mit der Herstellung einer neuen Sorte, die einen Siegeslauf um den Erdball machen sollte.

Die zunehmende Viehwirtschaft in den Niederungsgebieten suchte im vorigen Jahrhundert nach immer mehr Absatzmöglichkeiten. Man holte Fachleute aus der Schweiz. Diese “Schweizer” waren bald in ganz Ostpreußen ein Begriff für Melker. Auf dem Gut Birgen (Birjohlen), Kreis Tilsit-Ragnit, soll ein Schweizer namens Nessloff sich daran versucht haben. Frau Westphal übernahm die Idee und entwickelte sie weiter. 1840 richtete sie in Tilsit, Deutsche Straße 38, eine große Molkerei ein. Schließlich ging sie nach Milchbude und begann dort das Werk ihres Lebens.

Der Tilsiter Käse ist bis heute berühmt und beliebt. Er hat manche Nachahmer gefunden. Auch in Sowjetsk wird seit geraumer Zeit darüber nachgedacht, wie man die Tradition des Tilsiter Käses fortsetzen kann. [5]

Aktuell

In Planung: Schaukäserei in Tilsit / Ostpreußen - Tilsiter Käse kehrt an seinen Ursprungsort zurück –
Jetzt sind die Planungen so weit vorangeschritten, dass voraussichtlich im Herbst 2013 in Tilsit / Sovetsk mit dem Bau einer Schaukäserei begonnen werden kann. Diese aktuelle Dokumentation vom Oktober 2012 enthält hierzu Einzelheiten.
Tilsiter wieder aus Tilsit, ein Bericht aus dem St. Galler Tageblatt vom 19.11.2012

Museum für Stadtgeschichte in Tilsit, seit 1992

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Videos

Königin Luise von Preußen

Luise Auguste Wilhelmine Amalie Herzogin zu Mecklenburg (* 10. März 1776 in Hannover; † 19. Juli 1810 auf Schloss Hohenzieritz) war als Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. Königin von Preußen.
Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4

Die Reise nach Tilsit: Video
Die Reise nach Tilsit: [1]
Postkartenfilm ca. 18 Minuten: Video
Von Sowjezk nach Tilsit (1939): Video Seit dem Ende der Sowjetunion wird die Geschichte der ehemals ...

Bildergalerie

Genealogische Quellen

Adressbücher

Tilsiter Adreßbücher

Grund- und Häuserbuch

Grund- und Häuserbuch der Stadt Tilsit 1552 - 1944 von Horst Kenkel [2]

Sonstige Literatur

Stastistisch-topographische Beschreibung der Stadt Tilse von E.C. Thiel, Königsberg 1804 [3]


Verschiedenes

Fotoalben von Tilsit

Alte Ansichten

Der Schenkendorfplatz mit dem Schenkendorf-Denkmal in Tilsit
Das Land- und Amtsgericht am Hohen Tor in Tilsit

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Postkarte Tilsit.jpg


Karten

Tilsit auf der Schroetterkarte (1796-1802), Maßstab 1:50 000
© Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Schroetter Karte 1802, Maßstab 1: 160 000


Prußische Stammesgebiete



Anekdote

Zufallsfunde

Oft werden in Kirchenbüchern oder anderen Archivalien eines Ortes Personen gefunden, die nicht aus diesem Ort stammen. Diese Funde nennt man Zufallsfunde. Solche Funde sind für andere Familienforscher häufig die einzige Möglichkeit, über tote Punkte in der Forschung hinweg zu kommen. Auf der folgenden Seite können Sie Zufallsfunde zu diesem Ort eintragen oder finden.

Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>SOWTSKKO05WB</gov>

Quellen und Fußnoten

  1. Quelle: Meyer Großes Konversation-Lexikon 1906, Bd.19., S.555.
  2. Quelle: Text übernommen von der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit
  3. Quelle: übernommen von ostpreussen.net
  4. Quelle: Ulla Lachauer, Paradiesstraße, Rowohlt, Reinbek 1996, Seite 26-28, ISBN 3 498 038788
  5. Helmut Peitsch, Reiseführer Nord-Ostpreußen, Seite 357/358, Rautenberg, Leer 1993, ISBN 3-7921-0509-8