Aulenbach - ALT
ARBEITSPLATTFORM für Willschicken
W i l l s c h i c k e n Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.) |
Hierachie:
Regional > Deutsches Reich > Ostpreußen > Regierungsbezirk Gumbinnen > Landkreis Insterburg > Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.) >Aulenbach - ALT
Ort und Gemeinde | |
Willschicken | |
Kirchspiel Aulowönen (Ostp.) | |
Provinz : | Ostpreußen (nördliches) |
Regierungsbezirk : | Gumbinnen |
Landkreis : | Insterburg [12] |
Amtsbezirk : | Groß Franzdorf (Franzdorf) [13] |
Gegründet : | vor 1675 |
Frühere Name : | Wilpischen (um 1785) Wilschicken (nach 1785) |
Einwohner (1905) : | 150 |
Orts-ID : | 62435 (nach D. Lange) |
Geographische Lage | |
Koordinaten : | N 54° 80′ 55″ - O 21° 82′ 44″
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Einleitung
Willschicken ist ein C h a t o u l d o r f und eine Gemeinde im Kirchspiel Aulowönen. Die Schule liegt in Pillwogallen / (Lindenhöhe), Amt Franzdorf, das Standesamt und Gendarmerie in Aulowönen / Aulenbach, Die Gemeinde liegt von Insterburg 22 km entfernt, ca. 3 km östlich von Aulowönen.
Am 03.06.1938 wird die Gemeinde Willschicken umbenannt in Wilkental.
Im Folgenden wird Willschicken bzw. Wilkental aus unterschiedlichen Sichtweisen beschrieben.
Zunächst an Hand von statistischen Standards und dann in drei Textteilen. Einmal wird die Dorfentwicklung aus der Sicht der Familien Tuttlies und Kiehl berichtet. In einem zweiten Teil kommt die Erinnerung von Hildegard Kiehl geb. Tuttlies zur Sprache.
In einem dritten, separaten Teil, geht es um die Entwicklungen in und zwischen Land, Provinz und Gemeinde. Klaus Kiehl hat in einer Recherche eine interessante Zeitreise mit vielen detaillierten Hintergrundinformationen verfasst. Diese Bericht befindet sich hier: „Ländliche Entwicklung in Ostpreußen am Beispiel des Dorfes Willschicken (Ksp. Aulenbach Ostp.)“
Dabei wird auf die erreichbaren privaten und öffentlichen Quellen zurückgegriffen. Diese Texte sollen aber keine Fachtexte sein - sondern sollen Wahrnehmungen und Erinnerungen der Tuttliesen und der Kiehls aus und über Deutschland, Ostpreußen, Willschicken und deren Hintergründe aufbewahren. Subjektive Wahrnehmungen und nachträgliche Erinnerungen schließen auch Fehler und Lücken mit ein. So z. B. das Erinnern an das Erinnerte.
Die Idee zu den drei Teilen hatte Hildegard Kiehl.
Allgemeine Information
Ortsbeschreibung
Willschicken 1),D.(orf), Pr.(eußen), Ostpr.(eußen), RB. (Regierungsbezirk) Gumbinnen, Lkr. (Landkreis), AG (Amtsgericht), Bkdo (Bezirkskommando) Insterburg, StdA (Standesamt), P.(ost) Aulowönen; A.(mt) Groß Franzdorf, E.(isenbahn) 3,2 km Groß Aulowönen; 168 E.(inwohner),"aus: Meyer Orts- und Verkehrslexikon (1912)" [1].
Die Gemeinde lag in ”Preußisch Litauen "[2] oder ”Klein Litauen” (Lithuania minor), dem nordöstlichen Teil des alten Ostpreußen.
Seine Einwohner waren nach der Reformation überwiegend evangelisch.
Ortsnamen
- Deutsche Ortsbezeichnung (Stand 1.9.1939): Wilkental, Ort & Gemeinde
- Vorletzte deutsche Ortsbezeichnung (vor der Umbenennung 1938) : Willschicken
- weitere (alte) Ortsnamen: Wilpischen,Wilschicken
Willschicken, litauisch wilszikei = Schimpfname; Wilpischen, litauisch wilpiszys = die wilde Katze
Der Ort existiert heute nicht mehr .
Geschichte
- 1678 - wird ein Waldwart genannt [3]
- 1719 - heiratet Christoph Pirage [3]
- 1785 - Wilschicken oder Wilpischen, Chatouldorf, 15 Feuerstellen, Landrätlicher Kreis Tapiau, Amt Lappönen, Patron der König [3]
- 1815 - Chatouldorf, 4 Feuerstellen, 85 Bewohner, bis 30.04.1815 zum Königsberger Departement gehörig, dann zum Regierungsbezirk Gumbinnen geschlagen [3]
Dorfentwicklung von Willschicken / Wilkental
- Der nachfolgenden Texte benutzt als Hauptquelle eine Vielzahl mündlichen und schriftlicher Überlieferungen verschiedenster Personen aus Ostpreußen. Leider sind 2023 - 78 Jahre nach Kriegsende - schon sehr viele dieser Personen verstorben. Daneben gibt es auch einiges an "grauer Literatur" wie Artikel, Briefe, Karten und Fotos aus mehreren Nachlässen. Diese privaten Quellen wurden ergänzt durch Angaben in öffentlich zugänglichen Internetseiten und einer sehr begrenzten Anzahl von Fachliteratur. Die Ergänzungen sollen im kleinen Rahmen Begriffe klären, Situationen erläutern und zeitliche Abläufe ansprechen. Sie können helfen, von Hintergründen über Willschicken zu wissen.
Willschicken (1938 umbenannt in Wilkental) wurde etwa um 1785 als Schatulldorf zuerst erwähnt. Es hatte schon eine gemeinsame Pferdetränke und einen Friedhof [4] (siehe auch separaten Bericht: "Ländliche Entwicklungen in Ostpreußen, dargestellt am Beispiel von Willschicken)".
Um 1807 wird das für Willschicken zuständige Domänenamt verantwortlich u.a. auch für die Güter Alt/Neu Lappönen und Kreppurlauken im Rahmen der „Bauernbefreiung“ aufgelöst. In Willschicken siedelten damals Schatull-Bauern. Nur auf den vorgenannten Gütern, die jedoch nur zum kleinen Teil den späteren Wilkentaler Grund bewirtschafteten, wurden später Scharwerker eingesetzt. Die Preußischen Reformen schufen mit der „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“ vom 30. April 1815 in der gesamten preußischen Monarchie eine einheitliche Verwaltungsstruktur. Am 11.03.1874 wird der Amtsbezirk Groß Franzdorf (Nr. 27) gebildet, zu dem auch Willschicken gehört. 1882 erfolgte die endgültige Feststellung der Grenzen der Gemeinde Willschicken.
Von der "Bauernbefreiung" (Ablösung der Erbuntertänigkeit, Erwerb von Eigentum und gesetzlichen Flurbereinigung) 1807-1850 waren die sieben Großbauern von Willschicken nur am Rande betroffen. Es waren alle ehemalige Schatull- und Erbfrei-Bauern, die hatten ihren Boden vom König gekauft und urbargemacht hatten. Sie waren schon Eigentümer ihres Landes. Für sie arbeitete ihr Gesinde und Instleute. Bei Bedarf kamen Tageslöhner und Wanderarbeiter hinzu. Die Landarbeiter besaßen keine größeren Grundstücksansprüche und kamen in Gemeinschaftsunterkünften oder in Nebengebäuden und Katen unter. In so einem Nebengebäude wohnten 1938 noch Friedrich Papendick und Frau Flemig, gelegen in der Nähe des Hofes von Besitzer August Herrmann Tuttlies. Teilweise wohnten die Altenteiler zusammen mit den Erben noch in einem Wohngebäude, hatten dort aber deutlich weniger Platz.
Während der "Bauernbefreiung" kam es in den Nachbargemeinden von Willschicken zu zahlreichen Landabtretungen, da die dortigen Scharwerks-Bauern die Abtretungssummen an ihre Gutsherren nicht zahlen konnten. Zu Landabtretungen kam es aber auch in Willschicken, und zwar im Erbschaftsfalle. Nach Meinung des Insterburger Landrates Konrad von Massow entstand die Parzellierung von Privatgrundstücken nach der Bauernbefreiung häufig durch Erbschaftsregulierungen, wobei der Grundstücksnehmer als Erbe nicht die Mittel besaß, um die Miterben mit Geld zu entschädigen, und sie deshalb mit Landabtretungen abfinden musste.
Der Verkauf von Bauerland aus wirtschaftlichen Notlagen kam hinzu. Die traditionellen (Ritter) Güter und Teile der Großbauern gerieten zusammen mit den früheren Amtsbauern in Ostpreußen ab 1873 in sich wiederholende schwere wirtschaftliche Krisen, so dass deren notwendigen Grundstückverkäufe nicht nur für die unmittelbaren Dorfnachbaren und den unversorgten Kindern, sondern auch für die umliegende Bauern und Güter von großem wirtschaftlichem Interesse waren. Häufig ging es hier um Arrondierungen der eigenen Grundstücke. Hinzu kamen bürgerliche Spekulanten. Diese "wirtschaftlich" notwendige Flurbereinigung erfolgte in Willschicken hauptsächlich während der wirtschaftlichen Depressionen und längeren Krisen, 1873-1879 und 1918-1924.
Es entstanden zunächst stark zersplitterten Grundstücksflächen auf dem Lande. Von 1850 - 1871 wurde versucht, die zersplitterten Grundflächen durch eine gesetzlich unterstützte Seperation zusammenzulegen, um sie so für die alten Besitzer und die Neusiedler rentabler zu machen. Die Flurbereinigung wurde auch nach der Reichsgründung durch verschiedene Programme fortgesetzt. Durch die Seperation entstanden zusammenhängende Bauern-Grundstücke. Sie waren in Willschicken durch die Bodenwerte 4 und 5 bewertbar. 1935 lag der steuerliche landwirtschaftliche Einheitswert für diese Böden im Kreis Insterburg zwischen 600 und 699 Reichsmark pro Hektar. Die gesamte Spannweite für Ostpreußen lag zwischen 300 und 1599 Reichsmark pro Hektar. Diese Werte wurden für notwendige Verkäufe und Hypotheken-Kredite zu Grunde gelegt. Im Jahr 1905 beträgt der Grundsteuer Reinertrag in Willschicken 8,87 je ha [5]
Alle drei Entwicklungen hatte auch in Willschicken räumliche Folgen. Die sieben Großbauern behielten zwar ihre Höfe, mussten aber aus wirtschaftlichen Gründen einen beträchtlichen Teil ihres Landes aufteilen und verkaufen. Von den 319 ha Gesamtfläche in Willschicken hielten die Großbauern um 1900 nur insgesamt nur noch 83 ha. Auf den verkauften Flächen entstanden durch "Abbau" und Neubau 2 Güter, 8 Mittelbauer und 8 Kleinbauer. Die Grundstücke lagen aber nicht immer dorfnahe. Willschicken wurde zu einer Streusiedlung, mit einem kleinen alten Dorfkern. Die Hofgrößen bis 7,5 ha. wurden in der Steuerklasse als Kleinbauern bezeichnet. Die Finanzierung der Neusiedler geschah neben Erbschaftsanteilen in der Regel über Hypotheken-Kredite. Eine Alternative war die Pacht. Die Pachtverhältnisse sind aus der unten folgenden Tabelle Betriebsgrößen der Höfe in Willschicken in ha 1945 zu entnehmen.
Die Konjunkturzyklen waren gerade für die Landwirtschaft in Ostpreußen eine Berg- und Talfahrt. Von 1848 bis 1873 gab es einen deutlichen und langen Aufschwung. Nach der Reichsgründung lösten sich danach bis zum 1. Weltkrieg 5 Konjunkturen und 5 Depressionen zeitlich ab. Dann folgten der 1. Weltkrieg, die Unterzeichnung des Versailler Vertrages, die Hyperinflation, die goldene Jahre, die Weltwirtschaftskrise und die Kriegsfinanzierung des 2. Weltkrieges. Alle Veränderungen betrafen besonders auch die Landwirtschaft und deren Bevölkerung auch in Willschicken fundamental, da sie keine ausreichenden Arbeitsplätze anbieten konnte.
Zwischen 1871 und 1933 verlor die Provinz Ostpreußen zwei Drittel ihres Zuwachses an Wohnbevölkerung (einschließlich Polen und Litauer) insgesamt 920.000 Menschen durch Abwanderung. Auch Willschicken und die Familie Tuttlies war von der Abwanderung betroffen. [14]
Von 1853 stieg die Einwohnerschaft in Willschicken durch Geburtenüberschuss von 110 auf 168 im Jahre 1868, um dann bis 1939 auf 127 Einwohner zu sinken. Was sich bemerkbar machte, war die dauerhafte Abwanderung der Landlosen, da die landwirtschaftlich zu nutzenden Flächen nicht beliebig vermehrbar waren, bzw. durch das Erbrecht festgelegt waren. Dazu kam, das Willschicken als kleines Bauerndorf nicht in der Lage war, dem Geburtenüberschuss seiner Bewohner eine wirtschaftliche Perspektive zu bieten.
Zur Flurbereinigung in Willschicken konnten zusätzlich durch die Gemeindereform auch kleine Teile des Landes der Rittergüter Alt/Neu Lappönen und Keppurlauken genutzt werden. 1927 wurde ein Gemeindereformgesetz erlassen, welches die bisherige kommunale Selbständigkeit der großen Güter aufhob und diese an bestehende Gemeinden angliederte oder zu neuen Gemeinden zusammenfasste. Die Gutsbesitzer bildeten aber in Ostpreußen trotzdem bis 1933 eine einflussreiche soziale Gruppe in den Kreis- und Gemeindegremien. 1932 werden zwei Gutsbesitzer in Willschicken erwähnt (siehe: Wirtschaft)
Nach der endgültigen Feststellung des Amtsbezirks „Groß Franzdorf Nr. 27“ am 17. 11. 1882 wurden die Grenzen von Wilkental festgelegt und die Lage der Neusiedlungen in Willschicken durch eine Wegekarte zu den erworbenen Grundstücken vorbereitet. Die Zufahrtswege zu den neuen Grundstücken, häufig auch über die Nachbargrundstücke, führte oft zu Rechtsstreitigkeiten. Während oder nach dem 2. Weltkrieg wurden fast alle Gebäude zerstört oder abgebrochen. Die Gemeinde wurde aufgelöst.
Aufgeschrieben von Klaus Kiehl - Nachfahre der Familie Tuttlies aus Willschicken, 2023 .
Politische Einteilung
Zugehörigkeit
Provinz : Ostpreußen
Regierungsbezirk : Gumbinnen
Landkreis : Insterburg [15]
Amtsbezirk : Groß Franzdorf [Franzdorf] [16]
Gemeinde : Wilkental (Kr. Insterburg) - ab 16.07.1938
Kirchspiel : Aulenbach (Ostp.). [Aulwowönen]
im/in : südlich der Ossa
bei : ca. 22 km nördlich v. Insterburg, ca. 3 km östlich von Aulowönen
Weitere Informationen
Orts-ID : 62435
Fremdsprachliche Ortsbezeichnung : - - -
Fremdsprachliche Ortsbezeichnung (Lautschrift):
russischer Name : - - -
Kreiszugehörigkeit nach 1945 : - - -
Bemerkungen aus der Zeit nach 1945 : Der Siedlungsplatz existiert nicht mehr
weitere Hinweise :
Staatszugehörigkeit : Russisch
Ortsinformationen nach D. LANGE, Geographisches Ortsregister Ostpreußen (2005) [17]
Kirchliche Einteilung / Zugehörigkeit
Evangelische Kirche
Der Ort Willschicken (Wilkental) gehört zum Kirchspiel Aulowönen, die evangelische Kirche befand sich in Aulowönen. Das Kirchspiel war überwiegen, auch bedingt durch die Migration der Salzburger um 1732 evangelisch. Die hierarchische Unterstellung stellt sich wie folgt dar:
- Kirchspiel Aulenbach (Ostp.) --> Kirchenkreis Insterburg --> Kirchenprovinz Ostpreußen --> Kirchenbund Evangelische Kirche der altpreußischen Union.
Kirchenbuchbestände existieren und können - jedoch gebührenpflichtig - bei www.ancestry.de unter Gross Aulowönen online eingesehen werden. Sie sind jedoch nicht immer vollständig.
- Heiraten und Tote 1737-1839
- Heiraten und Tote 1766-1866
- Taufen 1736-1775
- Taufen 1809-1817
- Taufen 1818-1839
- Taufen, Heiraten und Tote 1604-1860
- Taufen, Heirate, Tote und Index 1788-1808
Außerdem befinden sich einige Kirchenbuchunterlagen, verfilmt auf Microfiche im Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leibzig, hierbei handelt es sich um die Bestände der ehemaligen Deutschen Zentralstelle für Genealogie (DZfG).
Katholische Kirchen
Eine katholische Kirche existierte nur in Insterburg (Ostp.). Die hierarchische Unterstellung stellt sich wie folgt dar: Landgemeinde Aulowönen --> Kirchspiel Insterburg --> Katholische Kirchengemeinde Insterburg --> Dekanate Tilsit --> Katholische Kirche in Ostpreußen.
Über den Verbleib von Kirchenbüchern liegen keine Informationen vor.
Neuapostolische Kirche
In Aulowönen gab es einen Betsaal der Neuapostolischen Kirche. Die Gemeinderäume befanden sich in Haus der Familie Herzigkeit Die hierarchische Unterstellung stellt sich wie folgt dar: Bezirk Tilsit --> Apostelbezirk Königsberg (Ostp.)
Amtliche Zählungen / Zensus
Ortsgrundfläche
- 1905/1925 : 319,8 ha, Grundsteuer Reinertrag 8,87 je ha, [3]
Wohngebäude
Amtlich gezählt :
Haushalte
Einwohner
- 85 (1700)
- 134 (1815)
- 85 (1823)
- 110 (1853)
- 155 (1858)
- 127 (1865)
- 134 (1867)
- 154 (1871) davon männlich 77 [3]
- 166 (1885)
- 150 (1905) davon männlich 75 [3]
- 146 (1925) davon männlich 66 [3]
- 127 (1933) [3]
1871 sind alle Einwohner preußisch und evangelisch, 68 ortsgebürtig, 37 unter 10 Jahre, 73 können lesen und schreiben, 44 Analphabethen, 5 ortsabwesend; 1905 139 evangelisch, 11 andere Christen, 131 geben Deutsch als Muttersprache an, 15 litauisch, 4 Deutsch und eine andere. 1925 alle evangelisch [3]
Folgende Einwohner sind im Ortschafts- und Adreßverzeichnis des Landkreises Insterburg (1927) unter Willschicken genannt : Post Aulowönen, 20 km, [18]
- Besitzer : Wilh.(elm) Grigull, Franz Sieloff, Joh.(ann) Aßpodin, Gustav Kirchsat, Fritz Stuhlemmer, Aug.(ust) Stuhlemmer, Gust.(av) Kollecker, Franz Krause, Wilh.(elm) Mikuleit, Louis Bartoschat, Gust.(av) Petschull, Tuttlies, Franz Kirschning, Ferdinand Milpauer, Otto Ludszuweit, Hermann Häsler, Ferd.(inand) Tuttlies, Wilhelm Bartschat, Reinh.(ard) Reinke, Christ.(ian) Mattulat, Albert Ennulat
- Altsitzer : Karl Pastarbeit, Maria Mitukeit, Georg Greinies,
- Windmühlbesitzer : Johann Mischnat,
- Rentenempfänger: Leopoldine Kalweit
- Arbeiter : Adolf Kolweit,
- Depudant : Friedrich Jurkat, Ed. Naujokat, Heinrich Keßler.
Zahl und Größe der landwirtschaftlichen Betriebe
Wirtschaft
In Niekammer’s landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, (Band III) 1922 Seite 130/131 [19]
Willschicken : Gut, Nr. 12 zur Gem.(einde) W.(illschicken) geh.(örend) , Aulowöhnen P(ost) T(elegraph) St(andesamt) Grünheide E.(isenbahn), Groß Warkau A(=Amtsbezirk), Insterburg AG (=Amtsgericht),
- Wilhelm Grigutt: Grundsteuerreinertrag in (Reichs)Mark : 474,--; 60 ha, davon 46,5 Acker incl. Gärten, 10 Weiden, 3 Unland/Hof/Wege, 0,5 Wasser, 9 Pferde, 24 Rinder, davon 11 Kühe, 3 Schafe, 12 Schweine;
In Niekammer’s landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, (Band III) 1932 Seite 167 [20]
Willschicken, Aulowönen P(ost) T(elegraph) Grünheide E(isenbahn) 5 (km)
- Abbau Wilhelm Grigull: 60 ha, davon 42 Acker, 15 Weiden, 2,5 Unland/Höfe/Wege, 0,5 Wasser, 10 Pferde, 30 Rinder, davon 12 Kühe, 3 Schafe, 12 Schweine; Telefon: 64
- Abbau Sieloff: 43 ha, davon 30 Acker, 2 Wiesen, 10 Weiden, 1 Unland/Höfe/Wege, 8 Pferde, 24 Rinder, davon 10 Kühe, 10 Schweine; Telefon: 67.
Die Tabellen "Schadensberechnung Landwirtschaft" wurden zum Zweck eines möglichen Lastenausgleiches von der Bundesrepublik 1955 auf Grund der fortgeschriebenen Datenlage von 1945 als Erhebungspunkt erstellt Die Daten beruhen aber durchweg auf den real erhobenen vorläufigen Ergebnissen der Volkszählung vom 17.Mai 1939. Landverkäufe waren nach dem Preußischen Erbhofgesetz von 15.5.1933 in Ostpreußen nicht mehr möglich.
Die Schadensberechnung Landwirtschaft Betriebsliste Gemeinde Wilkental Kreis Insterburg, Bez. Gumbinnen (Stand 1945 - erstellt 1955) nennt folgende landwirtschaftliche Betriebe:
Gemeindehektarsatz : 650,-- Reichsmark, Gemeindefläche 320 ha, Durchschnitt der Betriebshektarsätze : 325,-- ha.
- A1. Ludzuweit, Otto und Ehefrau, 3,49 ha
- B1. Allissat, August, -,-- ha +5,00 (Zugepachtet)
- 2. Bartschat, Wilhelm, 25,00 ha / -25,00 ha
- 3. Dingel, Artur, -,-- ha +15,75
- 4. Ennulat, Kurt, 12,00 ha
- 5. Grigull, Ernst, 66,66 ha GÜ 60
- 6. Haesler, Herman, 6,50 ha
- 7. Kollecker, Gustav u- Ehefrau, 11,27 ha
- 8. Kornberger, August, 26,75 ha
- 9. Mattulat, Paul, 25,82 ha
- 10. Mikuteit, Wilhelm, 15,75 ha
- 11. Milpauer, Albert 8,75 ha
- 12. Papendick, Friedrich -,-- ha / +6,50 ha
- 13. Petschull, Gustav 4,00 ha
- 14. Reinke, Reinhold 5,00 ha
- 15. Sieloff, Franz 43,48 ha GÜ 43
- 16. Stuhlemmer, Fritz und Ehefrau 16,50 ha
- 17. Tuttlies, Ewald 7,00 ha / -7,00 ha
- 12. Tuttlies, Erich 6,00 ha
- Bisher nicht angemeldete Betriebe :
- 19. Bartoschat, Auguste, 10,25 ha
- 20. Kirschning, Franz, 4,50 ha / -4,50 ha
- 21. Krause, Leopoldine, 21,25 ha
- 22. Nolde, Kurt, 11,00 ha
Höfe - Besitzer und Beschreibungen
Höfeverzeichnis
Die folgende Tabelle zeigt die Betriebsgrößen der Höfe in Willschicken in ha 1945. Die Zuschreibungen Großbauer, Gutsbesitzer, Besitzer, Arbeiter und Meier stammen aus den Quellen Niekammers Güteradressbuch 1932,sowie dem Fachbuch "Der Landkreis Insterburg, Ostpreußen - Ein Namenslexikon". [3]
Sie gehen vermutlich auf amtliche Steuerlisten aus den Jahren 1910 und 1920 zurück.
Stand: ca. 1944 [6]
- 1: Hof: Kollecker, Gustav - Besitzer, 11,27 ha
- 2: Hof: Allissat, August - Besitzer, gepachtet von Reinke, 5,00 ha Pacht
- 3: Gut Sieloff, Franz - Gutsbesitzer, 43,48 ha
- 4: Hof Pukris - Molkerei (Molkereibesitzer),
- 5: Hof Dingel, Artur - Besitzer, gepachtet von Mikuleit, 15,75 Pacht
- 6: Hof Stuhlemmer, Fritz - Besitzer, 16,50 ha
- 7: Hof -unbekannt-
- 8: Hof Nolde, Kurt - Besitzer, 11,00 ha
- 9: Hof: Bartschat, Wilhelm (*) - Großbauer, verpachtet an Bartoschat -25,00 ha
- 10: Hof Milpauer, Albert (*) - Großbauer, 8,75 ha
- 11: Hof Mikuteit, Wilhelm (*) - Großbauer, Bürgermeister, 15,75 ha verpachtet an Dingel
- zwischen 10 und 11: Bürgermeister Stube (Gebäude auf der anderen Straßenseite mit Scheune)
- 12: Hof: Krause, Leopoldine (*) - Großbauer, 21,25 ha
- 13: Hof Kirschning, Franz (*) - Großbauer, verpachtet -4,50 ha
- 14: Hof Kornberger, August (*) - Großbauer, 26,75 ha
- 15: Hof Bartoschat, Auguste (*) - Großbauer, 10,25 ha + 25,00 Pacht
- 16: Hof Mattulat, Paul - Großbauer, 25,82 ha
- 17: Gut Grigull, Ernst - Gutsbesitzer, 60,66 ha
- 18: Hof Häßler, Hermann und Frau Bartschs - Besitzer, Nähe Friedhof 6,50 ha
- 19: Windmühle und Hof Pettschull - Besitzer, 4,00 ha
- 20: Hof Papendieck, Friedrich und Frau Flemig - Arbeiter in Tuttliesens Häuschen, 6,50 ha Pacht
- 21: Hof Tuttlies, Ewald - Besitzer, verpachtet an Papendick 7,00 ha
- 22: Hof Ludzuweit, Otto - Besitzer, 3,49 ha
- 23: Hof Ennulat, Kurt - Besitzer, 12,00 ha
- 24: Hof Tuttlies, Erich - Besitzer, Maurer, Schneider, 6,00 ha (Unterhalb der Nr. 15)
- 25: Hof Reinke, Reinholf - Besitzer, 5,00 ha
1939 bildeten nur noch 7 Großbauern von insgesamt 23 Höfe den alten Dorfkern von Wilkental. (obigen Tabelle mit (*) markiert). Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Wilkental betrug 1939: 8 zwischen 5-10 ha, 5 zwischen 10-20 ha und 10 zwischen 20-100 ha. Die Besitzverhältnisse hatten sich umgedreht. Von den 319,8 ha die Gesamtfläche der Gemeinde Wilkental in den Grenzen 1882 ausmachte, besaßen die Großbauern 1939 zusammen nur noch 83 ha, die Neusiedler dagegen kamen zusammen auf 236,8 ha. Um 1880 besaß noch jeder der 7 Großbauern in Wilkental durchschnittlich ca. 40 ha. Land.
Die Höfe und Ihre Bewohner - Familie Tuttlies
Familienstammbaum Tuttlies
Willschicken war die Heimat von Berta und Ferdinand Tuttlies. Das Ehepaar Tuttlies hatte 5 Kinder: Max, Erich, Otto, Friedel und Hildegard (*21.03.1920 in Willschicken, †19.06.2020 in Hamburg).
Die Familiennamen waren, gerade auch in den älteren Unterlagen, häufig mit unterschiedlicher Schreibweise zu finden. Es gab noch keine amtlich festgelegte Schreibweise der Personennamen. Zudem wurden die Namen im weitgehend analphabetischen ländlichen Bereich mündlich gebraucht und dabei laufend verändert. Der Amtsschreiber hat den Namen dann so geschrieben, wie er ihn akustisch verstanden hatte und wie er das Gehörte in Buchstaben umsetzen konnte. Zum Gedenken an das Ende der Befreiungskriege wurde am 4. Juni 1816 in der Kirche in der Nachbargemeinde Aulowönen eine Totenfeier für die in den Feldzügen 1813 -1815 gefallenen 28 Gemeindemitgliedern abgehalten. Unter der Ziffer 15. war zu lesen: " Johann Tutlys, Kürassier des Ostr. Rgt., Sohn des Wirthen David Tutlys aus Klein Popelken (Kirchspiel Aulowönen), er starb einen ehrenvollen Tod in der Schlacht bei Leipzig mit 23 Jahren."
Die auffindbaren Daten der Kirchenbücher und der Mühlenlisten zeigen für die männliche Linie der Tuttliesen in Willschicken folgende Einträge:
„Stammbaum von Michael Tuttlys“
- Michael Tuttlys, Losmann, *1802, in Treinlauken/Kreuzberg, †25.3.1842 in Ernstwalde, ∞23.10.1830 in Treinlauken Charlotte Schoentaube, *03.01.1806 in Spannegeln,
- Kind von 1: Johann Ferdinand Tuttlies, Maurergeselle, *11.07.1833 in Treinlaucken/Kreuzberg, †13.10.1923 in Willschicken, ∞10.11.1865 in Staggen Maria Mauscherning, *02.06.1836, †15.03.1901 in Willschicken
- Kind von 2: August Herrmann Tuttlies Besitzer, *1866 in Willschicken, †1921 in Willschicken
- Kind von 3: Ewald Tuttlies, Besitzer, *1886 in Willschicken
- Kind von 3: Ferdinand Tuttlies, Besitzer, Maurer, Schneider, *01.12.1869 in Plattupönen, †01.08.1949 in Vethem ∞14.11. 1902 Berta Tuttlies, geb. Burba, *31.08.1883 in Paduken, †03.07.1968 in Hamburg
- Kind von 5: Max Tuttlies, Kaufmann, *19.01.1903 in Paducken, †13.01.1964 in Krostiz, ꝏ Gertrud, geb. Heinrichs, *26.07.1908 in Jennen, †28.01.1982 in Jesingen
- Kind von 5: Friedel Tuttlies, Hausmeisterin, *25.10. 1910 in Willschicken, †03.12.1993 in Oberweißbach, ∞Helmuth Harward, *05.05.1906, †gef. 1944
- Kind von 5: Erich Tuttlies, Besitzer, Maurer, *19.11.1905 in Willschicken, †12.04.1995 Südkampen, ∞Erna … , *06.07.1924, †20.07.2017 Südkampen
- Kind von 5: Otto Tuttlies, *1909 in Willschicken, †31.12.1913 in Willschicken, ist schon mit 4 Jahren verstorben
- Kind von 5: Hildegard Kiehl, Angestellte, *21.03.1920 in Willschicken, †19.06.2020 in Hamburg ∞Gerhard Kiehl, *04.08.1914 in Pillwogallen, †09.09.1998 in Hamburg
Schon vor der Reichsgründung tauchte der Name Tuttlies in Willschicken auf . Nachfahren der Familie Tuttlies waren sehr aktiv in der Ahnenforschung und es gibt zahlreiche Veröffentlichungen zu den Familien Podewski, Tuttlies und Kiehl: hierzu :
- Die Nachkommen Padeffke und Podewski des Peter Paquadowski
- Stammdaten der Familie Podewski
- Vorfahren von Hildegard TUTTLIES
- Vorfahren von Gerhard KIEHL
Johann Ferdinand Tuttlies der Großvater von Ferdinand Tuttlies, ein Maurergeselle, wurde 11.07.1833 in Treinlaucken/Kreuzberg geboren. Er heiratet am 10.11.1865 in Staggen im Kirchspiel Aulowöhnen Maria Mauscherning. Er hat im Kirchspiel Aulowönen in Willschicken, während der Getreidekonjunktur 1848-1873, um 1860 als Maurer Arbeit gefunden und eine Bauernstelle als Besitzer mit Wohnhaus einrichten können. Er hat relativ spät geheiratet und ist dann auch in Willschicken gestorben. Seine 5 Söhne und sein 8 Enkel wuchsen dann ebenfalls in Willschicken auf. Von ihnen blieben nur 3 Söhne und 3 Enkel in Willschicken.
Ferdinand Tuttlies ist am 01.12.1869 in Plattupönen, dem Nachbar-Wohnort seiner Ur-Großeltern geboren worden - hier gab es eine verwandte Hebamme - ist dann aber noch als Kleinkind nach Willschicken zurückgekehrt. Das frühere Dorf Plattupönen gehörte zwischen 1874 und 1945 zum Amtsbezirk Schaltischledimmen (1929 bis 1947: Neuwiese, heute russisch: Nowoselskoje). Dieser wurde 1930 in „Amtsbezirk Neuwiese“ umbenannt und war Teil des Kreises Labiau im Regierungsbezirk Königsberg der preußischen Provinz Ostpreußen. Im Jahr 1938 wurde Plattupönen in „Breitflur“ umbenannt.
Zum regionalen Tuttliesen-Clan im Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.) gehörten, neben die Höfe von Ferdinand und Ewald Tuttlies, wie berichtet auch die Anwesen von Papendieck (mit 6,50 ha Pachtland) und Ludzuweit früher Weinowski (mit 3,49 ha Pachtland) in Willschicken und zwei weitere Höfe in Aulowönen/Lappönen – Tuttlies und Jägu. (siehe Karte Lappönen Neusiedler). Hinzu kamen weitere (unbekannte) Verwandte aus dem Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.) in den Gemeinden Klein Popelken, Staggen und Aulowönen selbst. Diese wurden in Gesprächen in Willschicken zwar erwähnt, aber nach der Erinnerung von Hildegard Tuttlies nie besucht.
Die erhebliche kürzere Lebenserwartung und Anzahl der überlebenden Kinder spielte im Leben der Familien auf dem Lande eine große Rolle. Im Deutschen Reich betrug 1871/1881 die durchschnittliche Lebenserwartung, wie schon berichtet, bei Geburt für Jungen 35,6 Jahre und für Mädchen 38,4 Jahre. Um 1900 lag die Fruchtbarkeitsziffer für Frauen bei 4,93 Kinder. Sieht man sich den Stammbaum der Tuttliesen an, trifft das nicht für alle Familienmitglieder zu. 1871/1881 wurden in jedem Haushalt im Deutschen Reich durchschnittlich 5,8 Kinder älter als 5 Jahre. Diese trifft für die Tuttliesen überwiegend zu.
Nach der Bauernbefreiung in Preußen hatte beispielsweise die Hälfte der auf dem Land Lebenden keinen Grundbesitz mehr und musste sich anderen Erwerbsquellen zuwenden, sich in der Landarbeit verdingen oder abwandern. Das galt besonders für überwiegende Zahl der aufwachsenden Kinder auf dem Lande. Dieses trifft auch auf die Familien Ferdinand Tuttlies zu. Max, Friedel und Hildegard Tuttlies verließen (zeitweise) ihr Zuhause.
Hausbau in Willschicken
Die Landwirtschaft im Willschicken war um 1900 stark von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage abhängig. Nach der Reichsgründung lösten sich bis zum 1. Weltkrieg 5 Konjunkturen und 5 Depressionen zeitlich ab. Seit dem Frühjahr 1902 gab es die 4. Konjunktur, die reichsdeutsche Wirtschaft wuchs wieder sichtbar. Sie trieb eine Konjunktur voran, die bis zum Februar 1907 anhielt. Besonders die Industrie war ein Wachstumsmotor. Von 1902 bis 1907 wuchs die Wirtschaft um 17,1 %. Wenn auch im negativen Maße, betraf das Wachstum im Westen auch die Landwirtschaft im Osten. Während dieser Zeit wanderten etwa 150 000 Ostpreußen aus der Landwirtschaft in den Westen ab, sie wurden dort als Arbeitskräfte dringend gesucht. Zu Hause fanden sie keine Arbeit. Hinzu kamen sinkende Erzeugerpreise für Getreide in Ostpreußen, aufgrund einer stark gestiegenen Einfuhr von preiswerten Roggen aus Russland ins Kaiserreich. Der private Hausbau auf dem Lande war auch stark von der wirtschaftlichen Situation der Heimatprovinzen Ostpreußen abhängig, da die Preußische Staatsregierung nach den politischen Vorgaben den rechtlichen Rahmen für Neusiedler schuf und die lokalen Institutionen häufig auch wirtschaftlich als Kreditgeber beim Hausbau gebraucht wurden.
In Ostpreußen, besonders im Regierungsbezirk Gumbinnen versuchte die Verwaltung seit langen, durch verschiedene Maßnahmen, die Bevölkerung auf dem Lande zu halten und dort zu ernähren. Dazu zählten auch die Unterstützung bei Ansiedlung von Höfen, z. B. durch die Umwandelung von Ackerland in Siedlungsflächen durch die Separation (Flurbereinigung) und der Hausbau (siehe unter: „Ländliche Entwicklung in Ostpreußen am Beispiel des Dorfes Willschicken (Ksp. Aulenbach Ostp.)“. Auch im Landkreis Insterburg wurden durch die "Ostpreußische Landgesellschaft" günstige Kredite zum Hausbau zur Verfügung gestellt. Die genaue Höhe und die Verteilung konnten aber nicht ermittelt werden. Auf alle Fälle wurde die Separation real durch die "Ansiedlungskommission" und rechtlich durch bestehende Gesetze und Vorschriften unterstützt. Bei den aufzusiedelnen Grundstücken handelte es sich überwiegend um das Land ehemalige Großbetriebe. Vor dem Ersten Weltkrieg richtete in Ostpreußen die "Ansiedlungskommission" auf 35.000 ha ehemaligen Großgrundbesitzes 1.600 Siedlerstellen ein. Die Hofstellen wurden durch günstige Hypotheken finanziert.
Manches kleine Bauerndorf hat sich durch die Separation aber zum Teil aufgelöst. Es entstanden Gemeinden in Streulagen mit einem "alten" Dorfkern - so wie Willschicken. Hier blieben nur 7 von insgesamt 22 Höfe Bauern den alten Dorfkern. Bauern deren Besitz weit vom Dorf entfernt lag siedelten aus wirtschaftlichen Gründen aus. Sie gaben ihren alten Hof auf und bauten einen neuen auf einem Außengrundstück. So wurden in Ostpreußen im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der der neuen Höfe „ausgebaut“, wie man in Ostpreußen sagte. Die andere Hälfte bestand aus Neusiedlern.
Um den "Ausbau" und das Neusiedeln technisch möglich zu machen, bedurfte es Straßen. "Zum Bau der Grünheider - Aulowöhner Chaussee, welche die Feldmark Lappönen durchschneidet, verkaufte der Gutsbesitzer von Alt Lappönen lt. Vertrag vom 21.11.1865 an den Insterburger Kreis 6 Morgen Land für 222 Taler." Die ersten Höfe in Willschicken und die Windmühle, die an dieser Chaussee lagen, bzw deren Verkehrswege hier einmünden, konnten demnach ab 1865 nach dem Straßenbau "ausgebaut" oder neu besiedelt worden sein.
Traditionellerweise lagen die Ländereien der Bauern innerhalb einer Gemeinde. Die historische gewachsenen Gemeindegrenzen waren im Regelfall identisch mit den äußeren Grundstücksgrenzen der Eigentümer deren Land am Gemeinderand lagen. Ausnahmen bildeten groß Güter, die mehrere Gemeinden umfassten, historische Entwicklungen wie die Separation und Zusammenlegungen von Gemeinden, Ver- und Zukäufe von Land während wirtschaftlicher Konjunkturen und Depressionen und Erbfälle in großen Familien, wie bei den Burbas und Tuttliesen. Seit 1882 waren die Grenzen der Gemeinde Willschicken festgelegt. Ein Teil der Chaussee zwischen Grünheide und Aulowönen, die gradlinig verlief, bildete die Gemeindegrenze zwischen Paducken und Willschicken und durchschnitt aber zwei vorhandene Grundstücke der Gemeinde. Zwei kleine Flächen der Gemeinde Wilkental lagen südlich dieser Chaussee. (siehe die Karte von 1939, die die Gemeinde Wilkental zeigt.)
Mutter Berta Tuttlies bekam zur Hochzeit 1902 als Mitgift 16 ha Land von ihrem Elternhaus - den Burbas aus Paducken – einer Nachbargemeinde. Das Land war nicht vollständig landwirtschaftlich nutzbar. 10 Hektar konnten u.a. an die Kleinbahn verkauft werden, um den Hausneubau mitzufinanzieren. Vater Ferdinand Tuttlies war Besitzer und Handwerker zugleich, er war zusätzlich als gelernter Maurer und als angelernter Schneider tätig. Ein kleiner Landteil wurde für den Hofbau als Grundfläche benötigt. Er lag direkt an der Chaussee in Willschicken. Dieses Landteil erhielt Ferdinand Tuttlies von seinen Willschicker Eltern ebenfalls zur Hochzeit.
Im Jahre 1904 machte sich Ferdinand Tuttlies unterhalb der Lindenhöher - Alt Lappöner Chaussee auf Willschicker Gemeindeland an den Bau eines eigenen Hofes. Die junge Familie suchte ein eigenes Zuhause. Auf der anderen Straßenseite lag in Willschicken sein Elternhaus. Im Elternhaus wohnte der Besitzer August Herrmann Tuttlies, geboren 1866. Nach dessen Tod 1921 übernahm es dessen 2. Sohn Ewald Tuttlies. Zum Tuttliesen-Clan gehörten auch die Anwesen von Papendieck (mit 6,50 ha Pachtland) und Ludzuweit früher Weihnowski (mit 3,49 ha Pachtland), die Nachbaren auf der anderen Straßenseite waren, zwei weitere Höfe in Aulowönen/Lappönen – Tuttlies und Jägu. (siehe Karte Lappönen Neusiedler) sowie das Baugeschäft Tuttlies im Aulowönen.
Beim Hofbau halfen Verwandte und Bekannte mit. Die Talka bezeichnete in Preußisch-Litauen die gegenseitige „Bitthilfe“ unter den Dorfbewohnern, die bei umfangreichen landwirtschaftlichen Arbeiten wie Pflügen, Aussaat, Roggenernte, Dreschen und Hausbau erbeten und gewährt wurde. Verwandte und Dorfbewohner halfen, wie damals üblich, mit. Die „Bau-Talka“ (lit. pastatyti talką) galt allgemein als bedeutende Veranstaltung im Vergleich etwa zu den weniger Personen einbeziehenden Mäh-, Dresch- und Schlacht-Talkas. Einigen Berichten zufolge war sie allerdings noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Gegend von Pillkallen eine Angelegenheit des ganzen Dorfes. Oft schloss ein großes abendliches Fest – möglichst mit Musik und Tanz – eine Talka ab, immer war sie mit reichlicher Verköstigung der Helfer verbunden.
Bei der Bau-Talka wurde in der Regel hauptsächlich am Wochenende gearbeitet. Dies erklärt auch die lange Bauzeit auf dem Tuttliesen Hof.
So entstanden für die junge Familie von Ferdinand Tuttlies und Berta Burba ein stabiles eineinhalbgeschossig Wohnhaus. Es war ganz aus Ziegel aufgemauert hatten hellen Außenputz und war mit roten Dachpfannen bedeckt. Es wurde beheizt durch einen großen Kachelofen, der seine Wärme über ein Warmlust-Kanalsystem auch im Obergeschoss verteilte, den Küchenherd und im Winter auch durch die Außenwand der eingebauten Räucherkammer. Dazu kamen im Winter in den Schlafzimmern kleine "Stöfkes".
Hof Tuttlies - eine Beschreibung
Gegenüber dem Wohnhaus lag die zweistöckige Scheune mit aufgemauerten Giebeln. Die Zufahrt war rechtwinkelig von der Straße zu der hinteren Hofseite angelegt. Sie war auch gepflastert und führte außen am Scheunengebäude vorbei. So konnte die Scheune von beiden Seiten "beladen" werden. Im rechten Winkel lag dazu das ebenfalls eineinhalbgeschossiges, mit Holz verschalte Stallgebäude. Auf der Hinterseite der Ställe gab es mit einem Schweinegarten und einem Rossgarten. Ein Anbau mit Geflügel- und Ziegenstall schloss den Vierkant ab.
Der innere Hof war mit behauenen Feldsteinen ausgepflastert. Der Hof maß etwa 15 x 15 Meter, so dass eine bespannte Feuerwehrspritze darin wenden konnte. Zur Straßenseite gab es einen Ziergarten und hinter dem Wohnhaus einen Gemüse- und Obstgarten mit 24 Obst-Bäumen. Der Hof war außen mit einem Staketenzaum umfriedet und wurde außen zum Windschutz mit Bäumen und Hecken umpflanzt. Er wurde durch ein großes Tor verschlossen und vom Hofhund Lux bewacht. Es war ein kleiner Vierkanthof entstanden. Die Baumaterialien waren Ziegel, Feldsteine, Lehm und Holz. Es hat bis 1906 gedauert, bis alles fertig war. Diese Annahme läßt sich aus dem Messtischblatt 1197 (Grünheide) Bereich Willschicken von 1934 ableiten. unten rechts. Die Vermessung muss vor 1906 entstanden sein, da sie nicht den endgültigen Ausbau des Tuttliesen-Hofes zeigt)
Vier- oder Dreikant war die vorherrschende Bauform der Höfe in Preußisch-Litauen. Die "neuen" Wohnhäuser der Bauern, zumindest im Willschicken, waren in der Regel eineinhalbgeschossig aufgemauert, außen hell verputzt , häufig mit einem Zierband aus roten Ziegeln oder weißen Aufputz um Außentüren, Fenster und am Giebel versehen und mit roten Dachpfannen gedeckt. Ställe, Scheunen und Nebengebäude wurden in Fachwerk mit einem Feldsteine-Unterbau und zum Teil mit einer äußern Holzverschalung ausgeführt. Die Ziegel kamen aus Aulenbach von der Ziegelei Teufel oder der Ziegelei Guddadt. Feldsteine, Holz und Lehm gaben das eigene Land oder das der Nachbaren in Willschicken her. Keller waren bei kleinen Höfen unüblich. Der Dachboden "de Lucht" war ein sehr beliebter Kinderspielplatz. Die genaue Quelle und Inhalte der behördlichen Bau-Vorgaben (Bauordnung) konnte bisher nicht ermittelt werden.
Aufgeschrieben von Klaus Kiehl - Aus Erinnerungen von Hildegard Kiehl, geb. Tuttlies aus Willschicken, 2019/2021 .
Geschichten & Anekdoten rund um Willschicken
Dorfleben in Willschicken / Wilkental
In Wilkental gab es 1939 das ehrenamtliche Bürgermeisteramt (Gemeindevorsteher), eine kleine Molkerei und einen Friedhof, aber es gab keinen Laden, keine Schule, keine Kirche und keine Gaststätte. Scherenschleifen, Zwiebelbauern, Heringshändler und Petroleums-Verkäufen zogen zu bestimmten Zeiten durch das Dorf, dazu kamen Vieh- und Pferdehändler und Heimatlose. Die Post kam zweimal die Woche. Seit 1825 war es gestattet, Land-, Fuß-Boten oder Briefträger einzustellen. Sie stellten zwei- bis dreimal in der Woche Briefe, Adressen, Zeitungen und Amtsblätter gegen ein Bestellgeld in der Umgegend des Postbezirks zu und nahmen, wieder gegen ein Bestellgeld, solche Sendungen an. Die Landbriefträger wurden von der Postanstalt unter Vertrag genommen und besoldet, das Bestellgeld floss in die Postkasse und sollte die Kosten für diese Dienstleistung decken. Diese Reglungen blieben bis zur Weimarer Verfassung bestehen.
Dörfer wie Wilkental haben wie zu jeder Zeit auch belastbare soziale Netze von Hilfe und Zurückhaltung (siehe: Pierre Bourdieu, Der feine Unterschied). Sie dienten der Sozialkontrollen und zur Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen Sozialgruppen im Dorf und der Region. Gutsbesitzer, Bauern und Gesinde grenzen sich sozial gegenseitig ab und heiraten so wie Gutsbesitzer häufig nur untereinander. Allerding war sozialer Aufstieg durch Einheirat in die sozial angesehene Bauerngruppen auch ein gängiges Muster. Gerade auf dem Lande gingen "Eigentumswünsche häufig vor Herzenswünsche". "Wer geht mit wem?" "Hast Du gesehen, dass... " Die Bauern sind ausgestattet mit "feinen" positiven oder negativen Verhaltensregeln den anderen Dörflern gegenüber": "Gode Frind un trie Noawersch send nich mit Gild to betoale", dauerhafte Zuschreibungen: "De ol Grigull" und fixierten Klassenschranken: "Wat du seggst un de Landrat schött, das gölt datselwige" , "Wer nuscht häd, de hoost" , "Tohuus is Tohuus" (siehe: Ostpreußische Sprichwörter, Redewendungen und Weisheiten)
Soziale Rangordnungen wurden schon von den Kindern wahrgenommen. Hildegard Kiehl berichtet von der freiwillig eingenommen Sitzordnung ihrer ersten Konfirmandenstunde: "Vorne saßen kerzengerade die Kinder der Großbauern, dann lümmelten sich die Sprösslinge der mittelprächtigen Bauern und hinten hocken die blassen Kinder der Knechte und Arbeitsleute und ganz hinten verkroch sich der Sohn Micha, sein Vater war im Nebenberuf Abdecker. Man erzählte, dass auf sehr reichen Gütern die feinen Kinder des Gutsherrn vom Pfarrer alleine zu Hause im Haus des Gutshauses über die Religion belehrt wurden - sie sollten wohl von der Dorfjugend nicht verdorben werden. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Das sie aber Privatlehrer hatten, weiß ich von meinem Vater, der schon auf solchen Gütern gemauert hatte".
Das Arbeitsleben auf den Höfen war bestimmt durch Aussaat und Ernte. Ansonsten war das Dorfleben durch christlichen Feiertag, Familienfest und die vier Jahreszeiten geprägt, wobei die langen und strengen Winter eine besondere Rolle spielten. Die Arbeit auf den Höfen richtete sich gewöhnlich nach Aussaat und Ernte nach dem Lebenszyklus von Geburt, Kindheit, Schule, Ausbildung, Armee, Hochzeit, Beruf, Altenteil und Tod. Dabei spielen die erhebliche kürzere Lebenserwartung und Anzahl der überlebenden Kinder eine große Rolle.
In Willschicken wurden die Zeitungen zwar ab 1871 mit der Post (den Gütern) zugestellt, meistens die "Königsberger Hartungsche Zeitung" oder das "Memeler Dampfboot". Sie wurden aber von den Bauern mit einem Tag Verspätung häufig aus Kostengründen in der Gaststätte gelesen. Damals, 1871 waren alle Einwohner preußisch und evangelisch, 68 ortsgebürtig, 37 unter 10 Jahren, 73 konnten lesen und schreiben, 44 Analphabeten.
Die „Ostmarken Rundfunk AG“ später Reichssender Königsberg wurde mit einem 50-Prozent-Anteil der Reichspost am 2. Januar 1924 in Königsberg gegründet. Nicht alle Höfe in Willschicken hatten schon einen Stromanschluss. Während des 2. Weltkrieges kam es in Ostpreußen ab 1941 relativ häufig zu Stromsperren, die manchmal tagelang andauerten. Manche Höfe waren froh, ihre alten Petroleum-Lampen behalten zu haben. Beim Radio musste dann zuerst noch der Akku 4 Stunden lang fremd aufgeladen werden, was aber manchmal „tagelang“ dauerte, da es außerhaus passieren musste. Die Gaststätte Lerdon in Lindenhöhe war eine elektrische "Ladestation" für die Willschicker Bauern. Tuttliesen hörten ab 1934 am Abend zwischen 20 und 21 Uhr eine Stunde Radio Königsberg.
Es gab lange Zeit keine Uhr im Haus Tuttlies. Gerichtet wurde sich nach der Sonne und den Werks-Sirenen der Ziegelei Teufel im nahen Aulowönen: 7:00 in der Frühe und 19:00 am Abend. Bei Tuttlies hieße es: „Wenn de Diwel huult“. Jeden zweiten Sonntag putzte sich die Familie Tuttlies fein heraus und besuchte mit dem Kastenwagen die Kirche in Aulowönen.
Im Stall der Tuttliesen waren 2 Pferde ("Rieke" und "Alexa") in der Regel 2 Milchkühe ("Lisa" und "Mona"), 6 kleine und große Schweine "Franz 1-6"), 4 Ziegen (Ziegenbock "Mäck" und Anhang), Hühner und Gänse zu versorgen. Die Pferde wurden häufig gegen Naturalien verliehen, da sie auf dem kleinen Hof nicht ausgelastet waren. Ferdinand Tuttlies sagte: "Wo Duwe sönd, da fleege noch Duwe to." Dazu gaben einen freistehenden echten Taubenschlag und den treuen Hofhund "Lux". Am Stall waren unter der Dachkante zahlreiche Schwalbennester gebaut worden. Trotz Drängen wollte Opa Tuttlies keine Bienenvölker, "De sönd to krabblich".
Auf den 6 ha Land wurden Roggen und Kartoffeln angebaut, die zur Eigenversorgung und zur Viehfütterung zum Teil eingelagert wurden. Der eingelagerte Roggen war bei sachgemäßer Lagerung bis zu 6 Jahren haltbar, damit konnten Missernten ausgeglichen werden. Außerdem gab es Grünland, auf dem Heu gemacht wurde. Direkt am Hof gab es noch einen großen Gemüsegarten und 24 Obstbäume. Auf "ihre" Obstbäume war Berta Tuttlies besonders stolz. Die Bäume wurden nur auf Anweisung von ihr zurückgeschnitten - beim Obst Ernten mussten aber alle mithelfen. Alle landwirtschaftlichen Geräte waren einfacher Art und zum größten Teil vererbt oder günstig gebraucht erworben. Es waren vorhanden ein Schwing-Pflug, ein Tiefpflug, eine Drillmaschine, eine Rechenmaschine, ein Kartoffel-Häufler, ein Kartoffel-Roder, vier Eggen, zwei Ackerwagen, ein Kastenwagen und ein großer Schlitten. Bei Bedarf konnten zusätzliche Gerätschaften von Nachbaren oder vom Familien Clan ausgeliehen werden.
Der größere Teil der Ernte wurden von der An- und Verkaufsgenossenschaft in Aulowönen aufgekauft. Ferdinand Tuttlies war als "Genosse" Mitglied und besaß einen kleinen Genossenschaftsanteil. Die Milch landete hauptsächlich in der Molkerei Pukris in Willschicken und diente zum Eigenverbrauch. Das Buttern der Milch zu Hause war für die Tuttliesen Kinder eine der unerfreulichsten Arbeiten - es war langweilig und dauerte viel zu lange. Die Ernteerlöse und das Milchgeld reichten etwa für ein Dreivierteljahr, um die Haushalts-Kosten zu decken. Kunstdünger wurde wegen der Kosten nicht gekauft. Das Jahreseinkommen aus der Landwirtschaft betrug etwa 1.200 Reichs-Mark. Die teuersten Posten bei den Tuttliesen waren Kaffee, elektrischer Strom und Lederschuhe. 1926 betrug Monatslohn in Deutschland durchschnittlich 139 RM, bei einem Kaffee-Preis von 7,20 RM. Man musste also auf dem Lande in Ostpreußen ungefähr 20 Stunden für ein Kilo Kaffee arbeiten (siehe auch Hof Brandstäter und Monatslohn Entwicklung [7] ). Die Bauern auf dem Landen versorgten sich mit Nahrungsmitteln und Brennmaterialien in der Regel selber. Räuchern und Einwecken diente auf den Höfen der Haltbarmachung.
Ferdinand Tuttlies war zusätzlich im Sommer als gelernter Maurer und im Winter als angelernter Schneider erfolgreich tätig. Er wurde zum kleinen Dorfschneider, den jedes Dorf hatte. "E kleenet Etwas öss beter als e grotet Garnuscht". Beide Nebenerwerbe hatte er angemeldet. Ferdinand Tuttlies „benähte“ im Winter regelmäßig seine Stammkunden, die Nachbaren, Verwandte, Bekannte und Schulfreunde "für ein paar Dittchen". Das Schneidern hatte ihm Gertrud Kianka aus dem Nachbardorf Paducken beigebracht - eine gelernte Schneiderin. Frau Kianka war langfristig an Rheuma erkrankt, da sie im Winter ihre Kate nicht ausreichend heizen konnte. Sie "hatte zu lange im Kalten genäht". Ferdinand Tuttlies hatte schon während der Anlernzeit wesentlich am Einbau eines Kachelofens bei Frau Kianka mitgearbeitet. Frau Kianka freute sich über "die flotten Hände von Ferdinand". Die Zufahrt zur Hofstelle Kianka lag westlich neben dem Soldatengrab. Frau Kiankas Mann war verstorben und lebte später unverheiratet mit Herrn Bundel zusammen, um besser versorgt zu sein. Ferdinand Tuttlies übernahm von Frau Kianka eine gusseiserne "Singer-Nähmaschine" mit Fußantrieb und Holzabdeckung, dazu zwei großen Schneider-Scheren und ein riesiges Dampfbügeleisen. Dazu kam ein wichtiger Schrank, in dem etwa 50 Schnittmuster aus Zeitungspapier von Frau Kianka lagerten. Ein selbstgebauter Schneidertisch und ein Stoffregal mit Kurzwaren vervollständigten seine "Extra-Schneider-Stube" im 1. Stock. Sie wurde im Winter, wie die Schlafzimmer, durch den Warmluft-Kanal des Kachelofens mit beheizt. Bei besonders strengen Wintern wurden aber noch zusätzliche Öfen, die einen Abzug zum Hauptkamin besaßen, angeworfen. Die extra langen Ofenrohre in den Zimmern wärmten mit. Die Schneider-Stube besaß aber auch noch einen separaten "Schneiderofen" für das Dampfbügeleisen. Sein ganzer Stolz war ein bodenlanger Spiegel und ein Kundensessel mit Lederbezug. Beide Gegenstände waren Überbleibsel des "russischen Rotes Kreuz Hauses " aus dem 1. Weltkrieg. (siehe 1.8 Soldatengrab). Sie sollen ursprünglich wohl von einem besetzten Gut der Umgebung herstammt und landeten während der russischen Besatzung bei den Tuttliesen im "Ärzte-Zimmer", es war die "Extra-Schneider-Stube".
Die Stoffe kauft Ferdinand Tuttlies nach einem bestens gehüteten Katalog auf Bestellung per Post in Insterburg ein und holte sie persönlich ab, und zwar bei der Tuchhandlung Rosenberg Gebrüder & Simon, Insterburg. Die ganz Familien musste seine Bestellung (Korrektur)lesen. Für ihn war es jedesmal eine aufregende Tagesreise. Dazu zog er jedesmal sein "englische" Jacke an - ein Sakko aus groben Tweed und eine Manchesterhose aus Cord, eine Kombination, an der auch einige Großbauern in der Umgebung Gefallen gefunden hatten. Eine Schiebermütze und von den Kindern sorgfältig geputzte Schnürstiefel vervollständigten seinen Auftritt. Mutter Berta hatte ihm eine Stulle für die Hinfahrt und eine Stulle für die Rückfahrt geschmiert. Während der deutschen Kolonialzeit wurden die Winteruniform der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika aus Cord hergestellt, daher war Cord auch in Ostpreußen bekannt. Er setzte auch jedesmal seinen selbst genähten Extra-Schneiderrucksack auf, der regendicht war; es gab auch einen entsprechenden Maurerrucksack. - "Man must e weete wat em koft" - Für die Kinder war seine Rückkehr heiß ersehnt, da er in den Taschen seines Rucksackes stets "Bomche" mitbrachte. Es verging mindestens eine Stunde, bis er zu Hause von all seinen Erlebnissen in der Bahn und in der Stadt erzählt hatte - alle waren mucksmäuschenstill und hörten gespannt zu. Auch auf dem Wochenmarkt in Aulowöhnen konnte man auch Stoffe und Kurzwaren auf Vorrat erstehen. Das Geschacheriche auf dem Markt sagte Ferdinand Tuttlies aber nicht zu, seine Frau Berta begleitete ihn dann jedesmal bei diesen Einkäufen. Manchmal kaufte er auch im Textilgeschäft Wilhelm in Aulowöhnen ein. Hier war aber die Auswahl nicht sehr groß. Die Kinder durften seine "Extra-Schneider-Stube" nur nach "ausdrücklicher" Anmeldung betreten.
Nach dem 1. Weltkrieg gab es an den Häusern viel zu reparieren. Im Sommer baute er "gegen Geld" für die „Baugesellschaft Königsberg“ bis 1930 bei den Neusiedlerhäusern in Alt Lappönen in Teilzeit beim Innenausbau mit. Auch hier wurde während der Inflation mit Naturalien bezahlt. Von Dezember bis Januar gab es für Maurer kaum Arbeit und Lohn, in den Monaten Februar, März, Oktober und November mäßige Aufträge und Einkommen. Die meiste Arbeit und vollen Lohn gab es von April bis Oktober. Ferdinand Tuttlies hatte sich Maurer für Innenausbauten einen Namen gemacht. Er wurde aufgrund seines Rufes auch von Gütern der Umgebung angefragt. Manchmal, aber sehr selten, bedingten sich Schneider und Maurer in der einen Person von Ferdinand Tuttlies auch vor Ort. Ob er dann mit zwei Rucksäcken gefahren ist, ist nicht erinnert worden.
Während der Sommermonate wurden auf dem Tuttliesen Hof bis zu 4 noch nicht schulpflichtige Waisenkinder aus Insterburg untergebracht. Dies besserte den finanziellen Haushalt der Familie noch zusätzlich auf. Ab Oktober 1940 wurden Schulkinder sowie Mütter mit Kleinkindern aus den vom Luftkrieg bedrohten deutschen Städten längerfristig in zur damaligen Zeit weniger gefährdeten Gebieten wie z. B. Ostpreußen untergebracht. Die „Reichsdienststelle KLV“ evakuierte bis Kriegsende insgesamt wahrscheinlich über 2.000.000 Kinder und versorgte dabei vermutlich 850.000 Schüler im Alter zwischen 10 und 14 Jahren und älter. Auch deren Rückkehr verlief teilweise viel zu spät und unter oft chaotischen Bedingungen. Auf dem Hof der Tuttliesen wurde Anfang 1941 eine Hausfrau mit 2 schulpflichtigen Kindern aus Köln einquartiert. Ihre Wohnung in Köln war zerbombt und ihr Mann an der Front. Es kam aber zu Spannungen zwischen den Familien. Die Kölner zogen aber bald ins traditionell katholische Ermland weiter, da die Tuttliesen aber auch das Dorf "nicht genug katholisch" waren. Auf einigen Höfen in Willschicken wurden Kinder durch die Kinderlandverschickung (KLV) untergebracht, die in Lindenhöhe auch zur Schule gingen.
Auf den anderen Kleinbauerstellen arbeiteten die Besitzer häufig Teilzeit bei den Großbauern und Gütern über das ganze Jahr verteilt. Straßen- und Eisenbahnbau und der Holzeinschlag, die Moorkultivierung und der Wasserbau waren zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten. Seit 1935 bot sich auch die Wehrmacht als "Alternative" an. Zur Erntezeit wurden auf den Gütern zusätzliche Saisonkräfte angeworben. Nach wie vor mussten die bäuerlichen Nichterben sich außerdörfliche Arbeitsplätze suchen. Bei den Tuttliesen waren zu Kriegsanfang die Kinder Max Tuttlies Kaufmann in Insterburg, Friedel Tuttlies Hausmeisterin in Königsberg, Hildegard Tuttlies Angestellte in Paßdorf. Nur Erich Tuttlies wollte als gelernter Maurer in Wilkental bleiben und der Hof übernehmen.
Erich Tuttlies arbeitete, nach seiner Mauerlehre bei seinem Onkel in Aulowönen, von 1925 bis 1933 als Maurer in einer Baukolonne, die von Baustelle zu Baustelle zog und ihr Werkzeug mitbrachten. Sie bestand aus einem soliden sozialen Netzwerk von bis zu 12 miteinander vertrauen Mauren aus dem Kirchspiel Aulowönen, das sich auch bei Notfällen wie Unfällen unterstützte, die Löhne vor Ort aushandelten, aber keine Firma war. Vor dem eigenen Hausbau gehörte auch Ferdinand Tuttlies dazu, der aber nach der Familiengründung nicht mehr wochen- oder monatelang umherreisen mochte. Die Kontakte zu den Bauherren - es waren ganz überwiegend Gutsbesitzer - kamen in der Regel durch persönliche Beziehungen oder durch Empfehlungen zustande. Später kamen auch seriöse und unseriöse Vermittler dazu. Die Kolonne arbeitete neben dem Landkreis u.a. punktuell auch in Städten wie Insterburg, dann in Königberg und mit Zwischenstationen sogar auch in Berlin, hier an einem großen Geschäftshaus in Berlin Mitte - es soll heute noch stehen. Auch das Berline Objekt gehörte einem vermögenden Gutsbesitzer aus dem Landkreis Insterburg, der es als Geldanlage bauen ließ. Erich Tuttlies hatte "während seiner Zeit in Berlin Sachen gesehen, von denen er nie was in Willschicken gehört hatte."
In Ostpreußen waren äußere Bauarbeiten auf Grund des langen Winters nur von April bis Oktober möglich. Im Winter waren dann alle Maurer wieder zu Hause. Während der Inflation 1918 - 1924 und der Weltwirtschaftskrise 1929 - 1933 war es fast unmöglich in den Städten Arbeit zu bekommen. Auf dem Lande war die Situation nur zu Teil etwas besser. Während der Wirtschaftskriese gab es eine "Flucht in Immobilien", was den Bauleuten nur zum Teil half - Aus- und Umbau waren jetzt angesagt. Für Neubauten gab es keine Kredite mehr. Die Konkurrenz war auch hier sehr groß, besonders von polnischen Bauarbeitern, die "unter Preis" arbeiteten. Von 1929 bis 1933 verloren in Ostpreußen fast zwei Drittel der in Bau- und Baunebengewerbe abhängig Beschäftigten ihre Arbeit - ca. 35.000 Handwerker wanderten ab. Viele Arbeitslose belasteten als billige Schwarzarbeiter den Markt, andere suchten sich durch Gründung von Kleinstfirmen über Wasser zu halten. Bezahlt wurde während der Wirtschaftskriese und der Inflation, wie auf dem Lande üblich, teilweise oder ganz in Naturalien. Geschlafen wurde in der Regel auf den Baustellen. Zum Teil wurden die Bauleute aber auch systematisch um ihren Lohn betrogen. Bei Protesten wurden dann die Arbeiter von der gerufenen Polizei, teils unter Waffengewalt, von der Baustelle vertrieben. Einige Gutsherrn hatten sich einen besonders schlechten Ruf "erarbeitet". Es wurden aber auch Fälle bekannt, in denen das zuvor Erbaute von den betrogenen Bauleuten nachts heimlich wieder eingerissen wurde.
Erich Tuttlies hatte den Hof seiner Eltern zwar schon 1932 überschrieben bekommen, auch weil Vater Ferdinand krank geworden war, hatte aber von 1933 bis 1935 hatte eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme am Masuren Kanal erhalten, die er auch antrat. Bis zu seiner Einberufung 1938 war er dann nur auf dem Tuttliesen Hof tätig.
„Die Faustregel hieß, dass man ein Besitztum bis zu zehn Hektar mit der eigenen Familie bewirtschaften konnte; ging es um zehn bis zwanzig Hektar, brauchte am öfters, von zwanzig Hektar ab regelmäßig fremde Arbeitskräfte“ [8]. Höfe ab 20 ha konnten ihre Besitzerfamilien in Wilkental bei guten Ernten das ganze Jahr über sicher ernähren und kleinere Rücklagen z.B. in Form von Genossenschaftsanteilen bilden. Langanhaltende Winter wie 1928/29 führten in Ostpreußen teilweise zu Missernten.
Bei den Großbauern und den Gütern waren die Ernteerträge sehr von den vorhandenen Arbeitskräften abhängig. Hinzu kamen das Wetter und die jeweiligen Konjunkturlagen. Aus der beigefügten Tabelle ist zu ersehen, dass das Getreide mit 54,9 % Fläche des Ackerlandes in Ostpreußen die "führende Ackerfrucht" war.
Auf dem Hof der Familie Tuttlies wurden hauptsächlich Roggen und Kartoffeln angebaut, außerdem wurde Heu gemacht. Vor der Aussaat wurden die Felder gedüngt, gepflügt und geeggt. Das Getreide wurde per Hand ausgesät - später mit der Drillmaschine - aber per Hand mit Sensen gemäht und zu Hocken aufgestellt. Nach dem Trockner wurde das Getreide gedroschen. Nach der Abfuhr der Hocken wurden die Felder noch abgeharkt. Dieses Reststroh wurde zum Ausstreuen des Schweine-Stalls benutzt.
Bei der Getreideernte herrschte die traditionelle Arbeitsteilung vor. Mitglieder des Familien Clan der Tuttliesen und vertrauten Nachbaren traten zur Ernte an. "Wenn der Lindenbaum zu Johanni seine Blüten offen hat, dann ist auch zu Jakobi der Roggen reif". Zunächst wurden die "langen" ostpreußischen Sensen entrostet, dann mit Hämmern gedängelt. Die Bauernwagen wurden zu Leiterwagen umgebaut und verlängert. Die Pferde bekamen eine Extraportion Hafer. Ferdinand Tuttlies erteilte als "Schnittmeister" vor Beginn einen kleinen Segen und ging voran, dann folgten die Söhne seiner Familie und danach die anderen Männer. Jedem Schnitter folgten zwei Binderinnen. Gearbeitet wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Tuttliesen benötigten zur gesamten Mad etwa vier bis fünf Tage, abhängig vom Wetter, von der Personenanzahl und deren Können.
Die Männer schnitten das Korn mit ihren eigenen Sensen. Die Stiellänge der Sensen musste zur Körpergroße passen. Nach etwa 50 Schnitten wurde mit dem mitgeführten Schleifstein nachgeschärft. Vier bis fünf Schnitte reichten für eine Garbe. Die Frauen hoben die Schnitte auf und banden die Roggenähren im Stehen zu einer Garbe. Beim Binden wurde zwischen kurz gebunden und Langbinden unterschieden. Beim Kurzbinden wurden die Köpf der Ehren umgeknickt, beim Langbinden nicht. Maßgeblich war die Weiterverarbeitung. Das Binden selbst wurde mit Roggenähren ausgeführt, Binde-Seile konnten sich nur rentable Güter leisten. Danach wurden die Garben niedergelegt und am Abend in schrägen Hocken aufgestellt, damit eventueller Regen besser ablaufen konnte. Die Garben blieben bei gutem Wetter einige Tage als Zwischenlager auf dem Feld stehen. Drohte Regen, so wurden die Roggengarden schnell in die Haus Scheune gefahren. Das verursachte jedesmal wegen der zusätzlichen Arbeit großen Ärger und war noch jahrelang Gesprächsthema in der Tuttlies Familie. Bei gutem Wetter wurde, wenn alle Hocken aufgestellt waren, rasch eingefahren. Die großen Kinder fuhren mit auf den Erntewagen, die kleinen Kinder jagten nach Mäusen, die sich in den Hocken versteck hatten.
War der Dreschtermin angesagt, wurden die Getreidegarben zum Dreschen jeweils mit zweispännigen Fudern auf den Hof der Familien Burba in Paducken - den Eltern von Berta Tuttlies - gefahren. Es waren mehrere Fahrten notwendig und es musste schnell gehen. Hier stand ein Lohndreschkasten, der vom gesamten Burba- und Tuttliesen-Clan tageweise gemietet wurde. Der fahrbare Dreschkasten - er war von der Fa. Rudolf Wernike in Heiligenbeil gebaut worden - wurden von einem Lanz Bulldog mit Rundscheibe über einen Treibriemen angetrieben. Das Be- und Entladen des Dreschkasten nahmen die Tuttliesen vor, sie waren mit dem Dreschkasten vertraut. Das Dreschen der Familie Ferdinand Tuttliesen dauerte etwa 8 Stunden, vorher und nachher waren die anderen Tuttliesen und Burbas an der Reihe, es folgten weitere Familien. Generell wurde mit dem Dreschkasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet. Je nach dem Getreidewachstum wurde der Dreschkaten etwas 4 - 6 Wochen gemietet. Wie immer, war auch hier Regen ein Spielverderber.
Vor dem Einsatz von Dreschkästen wurde auf den kleinen Höfen mit der Hand gedroschen. Auf den Gütern war das die Aufgabe von Insten und freien Lohnarbeiter. Die Dreschsaison dauerte hier häufig von Oktober bis zum nächsten April des nächsten Jahres. Als Zwischenstufe wurden auch Pferde-Göpeln eingesetzt. Mit dem Aufkommen der Dreschkästen verloren große Teile der Lohnarbeiter schlagartig ihre Arbeitsgelegenheiten - was früher auf großen Gütern 4 - 6 Monate gedauert hatte, wurde jetzt in 4 - 6 Wochen vom Gesinde erledigt.
Der größere Teil der Körner-Ernte wurden zur An- und Verkaufsgenossenschaft in Aulowönen gefahren, das Stroh zur Haus Scheune der Tuttliesen. Die Erträge bei den Tuttliesen lagen, abhängig vom Wetter, etwa bei 17 Doppelzentner Rogen pro Hektar Ackerland. Roggen wurde auf etwa 4 Hektar Land angebaut. Da auch andere Familien sehr stark am rechtzeitigen Drusch interessiert waren, gab es regelmäßig "Schachereien" um einen günstigen Termin. Häufig wurden diese "Verhandlungen" auch in der Gaststätte Lerdon geführt.
Bei den Kartoffeln wurden schon ein Häufler und ein Kartoffel-Roder eingesetzt, der von zwei Pferden gezogen wurde. Das Aufsammeln erfolgte per Hand. Hier dauerte die Ernte bei den Tuttliesen zwei bis drei Tage. Nach der Einberufung der Männer 1935 wurden auch Schulklassen zur Kartoffelernte eingesetzt. Auf den Gütern der Umgebung verdienten sich auch die schulfrei gestellten Kinder aus den umliegenden Dörfern zum Kartoffelsammeln: Neben den Mahlzeiten bekamen sie 50 Pfennig pro Tag - aber nur, wenn sie mindestens die Hälfte der Erwachsenen schafften, sonst blieb es nur bei den Mahlzeiten. Hildegard Tuttlies hatte als junges Mädchen auch einmal diese Erfahrung gemacht. Sie meine: Einmal reicht es! Die 50 Pfennige bekam sie nachträglich von ihren Eltern.
Im Herbst gab es große Feuer, auf denen das Kartoffelkraut verbrannt wurde. Das ganze Dorf Willschicken "duftete" dann nach Kartoffelkraut. Die außerhäusliche Kartoffelmiete war im Winter auch ein Anziehungspunkt für Wildschweine. Die Ernten wurden privat jeweils mit einem großen Fest mit üppigem Essen und Trinken und viel Gesang abgeschlossen. Vor dem 1. Weltkrieg wurden die Erntewochen nach Festsetzung des Gutsherrn von Alt Lappönen durch den Dorfpfarrer verkündet. Sie galten hauptsächlich für die nebenerwerblichen Dorfbewohner in den umliegenden Gemeinden von Alt/Neu Lappönen und Keppurlauken, die zur Erntehilfe angeworben werden mussten. Nach diesen Terminen richtete sich aber das gesamte Dorf Willschicken. Im selben Zeitraum waren in der Schule in Lindenhöhe alle entsprechenden Kinder freigestellt. Das Erntefest wurde auch von den Dorfautoritäten - mit einem Umtrunk im Gasthaus Lerdon, der Schule - mit einem Umzug durch das Dorf und der Kirche mit einem Gottesdienst begangen, dabei wurden jeweils angefertigte Ernte-Kronen überreicht. Bei den größten Gütern der Umgebung wurde eine Erntekrone dem Gutsherrn überreicht.
Nach der Reformation wurde das Erntedankfest in den Kirchen an unterschiedlichen Daten gefeiert. Einige evangelische Kirchenordnungen „verbanden den Dank für die Ernte mit Michaelis, andere legten ihn auf den Bartholomäustag (24. August), auf den Sonntag nach Ägidii (1. September) oder nach Martini (11. November).“ Schließlich bürgerte sich die Feier am Michaelistag (29. September) oder – weit überwiegend – am ersten Sonntag nach Michaelis als Termin ein. Diese Regelung geht u. a. auf einen Erlass des preußischen Königs aus dem Jahre 1773 zurück. Dies konnte dazu führen, dass das Erntedankfest noch in den September fällt. Im Dritten Reich wurde dann mit viel Pomp ein zentrales Erntedankfest zelebriert. 1933 verfügte Adolf Hitler zunächst, dass das Erntedankfest zentral am ersten Sonntag im Oktober gefeiert werden sollte. Mit dem Gesetz über die Feiertage vom 27. Februar 1934 wurde der Erntedanktag am ersten Sonntag nach dem 29. September (Michaelis) gesetzlicher Feiertag. An diesem Tag würdigte das NS-Regime auf der Grundlage der Blut-und-Boden-Ideologie besonders die Bedeutung der Bauernschaft für das Reich. Zentrale Veranstaltung war das Reichserntedankfest, mit dessen Organisation das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda beauftragt war.
Das Leben auf dem Lande durch den Nationalsozialismus zu beeinflussen, gelang nur teilweise. Gravierender waren die erlassenen rechtlichen Vorschriften, die auch sanktioniert wurden. Im Arbeitsalltag der Bauern war der ideologische Anspruch der Nationalsozialisten, Frauen auf ihre Mutterrolle zu reduzierte, bloße Propaganda. Während des Krieges wurden Lebensmittelkarten eingeführt, so wurde auch der Anspruch autark zu sein, zur Propaganda. Am gravierendsten waren jedoch der Einzug der Männer zum Krieg und wurde so für die Frauen zu Hause zur Doppelbelastung. Berta Tuttlies schaffte die Arbeit nicht mehr und die Kinder Hildegard und Erich kehrten auf den Hof zurück. Vater Ferdinand Tuttlies war zum "Schanzen" abkommandiert und wurde krank. Hilfskolonnen der HJ, des BDM und des RAD, dazu Tausende von Mädchen, die das neugeschaffene „Pflichtjahr“ in einem Haushalt absolvieren mussten, wurden zum „Ernteeinsatz“ in Ostpreußen abkommandiert, ohne jedoch die eingezogenen Männer ersetzen zu können. Auch die zwangsrekrutierten Ostarbeiter, Kriegsgefangen und KZ-Häftlinge konnten diese Lücke nicht schließen. Siehe dazu auch "Ländliche Entwicklungen in Ostpreußen, dargestellt am Beispiel von Willschicken (Ksp. Aulenbach Ostp.)" im weiteren Anschluss.
Das Leben auf dem Lande - auch während des Nationalsozialismus - war in Willschicken im Wesentlichen durch Alltagsroutinen geprägt. Dazu zählten die wiederkehrenden Aktivitäten an verschiedenen Orten. Was muss wie, wann und wo gemacht werden und wie komme ich dahin? Der so entstandene "Aktivitätsraum" setzte sich zusammen aus den verschiedenen Aktivitätsarten und den unterschiedlichen Aktivitätsorten. Die Aktivitäten kann man unterschieden nach Art, Häufigkeit, Zeitpunkt, Zeitdauer und Ort[9]. Es gab es für die Tuttliesen auch höchst unterschiedliche Gelegenheiten aktiv zu werden, sowohl in den Nachbargemeinden als auch zu Hause (siehe auch die folgende Tabelle). Für längere Distanzen wurden die vorhandenen Verkehrsmittel gebraucht. So wurde der Aktionsraum auch durch äußere Einflüsse beeinflusst. Mal regnete es, mal war das Fahrrad kaputt, mal war der Einkaufsladen geschlossen.
Bei längeren Distanzen war auch das "Koppeln" von Aktivitäten interessant. Nach dem Marktbesuch, die Gaststätte aufsuchen um danach bei Onkel Otto vorbeisehen und dann nach Hause fahren. In der Fortbildungsstätte für Landwirte in Königsberg wurden solche "Koppelungs-Tabellen" differenziert unterrichtet, um so auf "modernen" Gütern so auch kleinteilige Arbeitsabläufe mit Hilfe von REFA zu optimieren. Der REFA – Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e. V. ist Deutschlands älteste Organisation für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung. Die Abkürzung REFA geht auf den ursprünglichen Namen im Jahr 1924 zurück: Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung.
Auf dem Gut Neu Lappönen wurde möglicherweise auch die Zeit-Erfassung angewandt. Ferdinand Tuttlies war einmal eher zufällig in seiner Nebentätigkeit als Maurer in einem Gesindehaus des Gutes tätig. Als plötzlich ihm von einem Unbekannten ein Formular unter die Nase gehalten wurde. Er war wohl irrtümlich für einen Gutsarbeiter gehalten worden. Er sollte seine Arbeitszeit mit einem Bleistift selbst in die Tabelle eintragen. Er waren die genaue Minutenlänge seiner Arbeiten im Gesindehaus aufzuschreiben. Das widersprach allerdings den strengen REFA-Grundsätzen, die dafür einen separaten "Zeit-Erfasser" und sehr genaue Regeln vorsahen. Der Fremde wollte aber nicht bleiben, "er habe sofort im Gutshaus etwas sehr Wichtiges zu erledigen" und verschwand. Ferdinand Tuttlies sagte dazu, "dass es in beiden Häusern wohl eher sehr sehr unterschiedlich gerochen habe." Er konnte auch mit dem Formular allein nichts anfangen, da er auch keine Uhr hatte. Da der fremden "Zeit-Erfasser" nicht wieder auftauchte und der Zahlmeister des Gutes ihm auch nicht helfen konnte, brachte er stolz das leere Tabellen-Formular und den Bleistift mit nach Hause, um sie von der Familie bestaunen zu lassen. Das Formular ist im Krieg verloren gegangen. Der Vorschlag zu Hause Zeit zu messen und aufzuschreiben, ging in Gelächter unter.
Bei Anbahnungen von Heiraten und Bekanntschaften gingen die Aktionsräume der Dorfbewohner von Willschicken gewöhnlich nicht über einen Radius von 20 km kaum hinaus. Die 40 km Wege-Distanz für den Hin- und Rückweg konnte man früher an einem Tag in etwa 10 h Fußweg zurücklegen. Der Radius war bezogen auf die "alten" Verkehrsmittel zu Fuß gehen (4 km/h) oder mit dem Pferdewagen (10 km/h) oder dem Rad fahren (15 km/h), den Zustand der Straßen und Wege und die Jahreszeit. Im Winter engte sich Aktionsraum auf den eigenen Hof ein. Der Autoverkehr spielte im Landkreis Insterburg bis zum Kriegsende kaum eine Rolle. Dies galt auch, wenn vorhanden, für das Aufsuchen von Ausbildungs- und Arbeitsstellen. Ausnahmen bildeten die Distanzen, die für das Erreichen des Militärdiensts oder die weiterführende Ausbildung zurückgelegt werden mussten. Hier kam schon die Kleinbahn ab Aulenbach in Spiel. Die Aktivitäten der Tuttlies in der Heimat-Gemeinde nahmen einen großen Zeit-Anteil ein. Aber nicht alles konnte zu Hause erledigt werden. So mussten häufig auch die Nachbargemeinden aufgesucht werden, da es nur hier die entsprechenden Gelegenheiten gab.
Zu den speziellen Aktivitäten musste man sogar in die Kreisstadt Insterburg per Kleinbahn fahren.
Die Gemeinde Willschicken war von folgenden Nachbargemeinden umgeben:
- Pillwogallen später Lindenhöhe
- Paducken später Padau
- Aulowönen später Aulenbach
- Keppurlauken später Birkenhof
Die nebenstehende Tabelle versucht, eine ungefähre Übersicht der routinierten Aktivitätsarten und der bekannten Aktivitätsorte (Gemeinden) der Tuttliesen zu geben.
Es fällt auf, dass sich die Tuttliesen in ihren sozialen Aktivitäten stark zu ihren Nachbargemeinden Lindenhöhe und Paducken hin orientiert haben. Sie lagen auch räumlich näher zum Hof der Tuttliesen. Diese tatsächlichen Aktionsorte in Lindenhöhe und Paducken hatten demnach eine höhere Attraktivität als die möglichen Orte in Wilkental. Zur Nachbargemeinde Keppurlauken später Birkenhof gab es bis auf sporadische Mauerarbeiten von Ferdinand Tuttlies kaum Kontakte, was sicherlich auch an der relativ in sich geschlossenen Sozialgemeinschaft des dortigen Gesindes der Güter lag, die dort auch eine eigene Schule besaßen, so dass die dortigen Kinder zu anderen Nachbargemeinden kaum Kontakt hatten. Im Allgemeinen war die Schule eine großer "Kontakt-Anbahner" zwischen den Bewohnern in den verschiedenen Gemeinden. Hier lernte man sich zuerst kennen. Diese Gemeinde besaß auch die größte räumliche Distanz zum Tuttliesen-Hof.
Die Tabelle soll zeigen, dass die Tuttliesen auf dem Lande in einer relativ abgeschlossenen und überschaubaren Welt lebten. Wer in dieser kleinen Welt keinen Arbeitsplatz gefunden hatte, musste seine Heimat aber verlassen, um woanders unterzukommen. Die eingetragenen Nennungen in der Tabelle stammen aus der Erinnerung von Hildegard Tuttlies, verh. Kiehl. Sie sind rein subjektiv und enthalten keine Häufigkeiten und Zeitdauer. Ebenfalls ist nicht angegeben, für welche Familienmitglieder die Erinnerungen gelten. Auch ein genauerer Ortsbezug innerhalb der Gemeinden wäre zwar wünschbar, war aber nicht zu leisten. Es wird aber dabei geschätzt, dass durch die Tabelle der größte Zeit-Anteil der täglichen Routinen der Tuttliesen abgedeckt wurde. Ausnahmen wie Ferien, Krankheiten oder Aufmärsche wurden nicht berücksichtigt.
Willschicken und seine Nachbargemeinden
Familie Tuttlies und Pillwogallen / Lindenhöhe
In Pillwogallen lernte Hildegard Tuttlies ihren Mann Gerhard Kiehl kennen und ging dort zur Schule. In Geschäft von Fritz Lerdon wurde der tägliche Bedarf eingekauft. Es wurden auch die angeschlossene Gaststätte und die Tanzvergnügen besucht. Hier hatte auch der Posthalter Link seine Poststelle. Die Hebamme, die Berta Tuttlies bei den Geburten half, wohnte hinter dem Gasthof. Die Eltern von Ursel Weihnowski, der Schulfreundin von Hildegard Kiehl, hatten in Lindenhöhe ihren Hof.
Pillwogallen später Lindenhöhe grenzte nord-westlich an Willschicken. Die unmittelbare Nachbargemeinde von Wilkental hatte 1939 gezählte 187 Einwohner auf 32 Höfen, 8 davon bildeten den alten Dorfkern - an der Grünheider - Aulowöhner Chaussee. Sie verläuft in der oberen Kartenhälfe von Osten nach Westen. Hier lag auch das Kolonialwarengeschäft mit Gastwirtschaft mit kleinem Saalbetrieb der Familie Lerdon.
Das folgende Messtischblatt zeigt die Gemeine Lindenhöhe. Der Dorfkern liegt an der Kreuzung der Überland-Straßen. Auf der Lindenhöher Karte sind auch acht Höfe des alten Dorfkerns von Lindenhöhe und das Kreishaus eingetragen. Darunter befindet sich das Gasthaus von Fritz Lerdon (früher Hedwig Kiehl). Fritz Lerdon, er stammt aus der Nachbargemeinde Paducken, hat 1928 die Witwe Hedwig Kiehl geb. Padeffke geheiratet. Ihr erster Mann Max Kiehl war 1921 verstorben. Gerhard Kiehl, eines der vier Kinder aus der ersten Ehe, wird 1943 der spätere Ehemann von Hildegard Tuttlies. Räumlich waren die Tuttliesen eher auf Lindenhöhe als auf Wilkental orientiert.
Fritz Lerdon besaß 1931 das erste Auto in Lindenhöhe, war Jagdpächter und hatte zwei Höfe in Lindenhöhe gepachtet. Hier lag auch sein Kolonialwarengeschäft mit Gastwirtschaft und einen kleinen Saalbetrieb der Familie Kiehl, später Lerdon. Rechts hinter und neben der Gasstätte hatte die Hebamme Mikuteit und der Chaussee-Aufseher Kuhnke ihre Höfe, die sie als Nebenerwerbslandwirte betrieben. Wendel (Altenteil) und Link (Poststelle) waren weitere Bauernhöfe im alten Dorfkern, links neben dem Gasthof, deren Land von Lerdon gepachtet war. Dazu gab es noch auf der anderen Straßenseite den Schmied Sanowitz, vier weitere Höfe und das Kreishaus von Franzdorf, der früheren Gemeinde Schruben. 1929 erfolgte die Eingliederung der Landgemeinde Schruben aus dem Amtsbezirk Keppurlauken in die Landgemeinde Pillwogallen. In Lindenhöhe lag - nahe dem Dorfkern - auch die Schule, die Hildegard Tuttlies mit ihrer Freundin Gerda Weinowski besuchten.
Die Gaststätte Lerdon und der Laden waren auch das "soziale Zentrum" vom östlichen Wilkental. Hier gab es u.a. Mehl, Zucker, Bonbons, Schmalz, Bier, Wein, Schnaps, Salzheringe, Nägel, Schrauben, Holzschlorren, Holzklumpen, Wagenschmiere, Kuhketten, Petroleum und das Neueste aus den umliegenden Dörfern.
Zur Gemeinde Lindenhöhe gibt es leider kaum GenWiki Einträge.
Familie Tuttlies und Paducken / Padau
Aus Paducken stammten die Eltern von Berta Tuttlies , der Vater von Fritz Lerdon und die Schneiderin, die Fritz Tuttlies angelernt hat und dort hatten die Tuttliesen überwiegend ihren Landbesitz, hier wurde auch ihr Getreide gedroschen und ihre Kartoffeln geerntet.
Paducken später Padau grenzte südlich an Willschicken und hatte 1933 gezählte 77 Einwohner. Paducken wird u.a. in Meyer´s Ortsverzeichnus beschrieben: Paducken war ein Scharwerks-, Bauerndorf und Gemeinde im Kirchspiel Aulowönen. Es gab folgende Einrichtungen in den Nachbargemeinden: die Schule in Pillwogallen / Lindenhöhe, das Kreis-Amt Groß Franzdorf, das Standesamt und die Gendarmerie in Aulowönen / Aulenbach. Am 16.07.1938 als Ortsteil in die Gemeinde Klein Schunkern eingegliedert, gleichzeitig Umbenennung in Padau.
Folgende Einwohner waren 1927 im Ortschafts- und Adreßverzeichnis des Landkreises Insterburg unter Paducken aufgeführt:
- Besitzer : Albert Burba, Friedr.(ich) Burba, Herm.(an) Donner, Gust.(av) Erdmann, Wilh.(elm) Lerdon, Franz Mett, Gust.(av) Neumann, Friedr.(ich) Naties, Franz Onußeit, Karl Pallapies, Ewald Pohl, Amalie Rieser, Franz Rieser, Lina Schellwat
- Altsitzer : Wilh.(elm) Statschus, Aug.(ust) Brandstäter, Karoline Onußeit, Friedr.(ich) Rimkis, Henriette Ennulat
- Schneider : George Bundel, (Gertrud Kianka)
- Meierist: Fritz Naujoks
- Kätner : Wilhelm Genee
- Arbeiter : Karl Cohn, Julius Weinowski
Auf Basis der Einwohnerliste sowie der nebenstehenden Karte der Hofbesitzer/Pächter der Gemeinde Padau (Paducken) konnte sich Hildegard Kiehl geb. Tuttlies an die folgenden sechs Namenszuordnungen erinnern:
(6) Schellwat, Franz, Großbauer, (10) Berend, Besitzer (Lage Nähe zum Friedhof), (11) Burba, August, Großbauer - Vater von Berta Tuttlies, geb. Burba (siehe Tuttlies in Willschicken/Wilkental). Die Hofstellen Burba und Tuttliesen lagen in Sichtweite (nähere Informationen zum Familienstammbaun der Tuttliesen siehe oben) . (12) Kianka, Gertrud , Schneiderin und Bundel Georg. Frau Kianka hat eng mit Ferdinand Tuttlies im Rahmen der Schneiderei zusammengearbeitet. Die Hofstellen Kianka und Tuttliesen lagen in Sichtweite, (13) Rieser, Franz , Bauer, Altsitzer - nach Hildegard Tuttlies war er als "Kinderscheucher" sehr bekannt. (14) Lerdon, Wilhelm, Bauer und Altsitzer, Vater von Fritz Lerdon, dieser war verheiratet mit Hedwig Lerdon, verw. Kiehl, geb. Podewski in Lindenhöhe (nähere Informationen zum Familienstammbaun der Kiehls siehe oben). Der Hof von Ferdinand Tuttlies in Willschicken (No. 24) ist auf der Höfekarte von Willschicken (s.o.) sichtbar.
Die Gemeinde Paducken wurde am 16.07.1938 als Ortsteil in die Gemeinde Klein Schunkern eingegliedert und gleichzeitig in Padau umbenannt.
Familie Tuttlies und Aulowönen / Aulenbach
In Aulowönen kauften die Tuttliesen ihren höheren Bedarf ein und brachten ihr Getreide zur Verkaufsgenossenschaft. Außerdem gab es hier einen Arzt und eine Apotheke. Aulenbach besaß einen Bahnhof zur Eisenbahn-Fahrt nach Insterburg. Die Tuttliesen besuchten alle zwei Wochen fein herausgeputzt die evangelische Kirche. Hildegard Kiehl besuchte hier die Konfirmandenstunde.
Aulowönen später Aulenbach grenzte östlich an Willschicken. Aulowönen war wirtschaftlicher Mittelpunkt des gleichnamigen Kirchspiels. Es hatte 1939 gezählte 1049 Einwohner. Das Gut Alt Lappönen wurde 1925 als Wohnplatz der Gemeinde Aulowönen zugeschlagen Die nächsten größeren Einkaufsmöglichkeiten für die Willschicker lagen es in dieser Nachbargemeinde, die etwa 5 km westlich entfernt lag. Wenn etwas nicht sofort vorrätig war, wurde es in der Regel bestellt.
Es gab Einzelhändler, Schlachter, Friseure, Schuster, Konfektionsgeschäfte, den Arzt Dr. Epha, den Tierarzt Jaeckel und den Zahnarzt (Dentist) Quidor. Folgende Firmen boten ihre Produkte an: die Adler Apotheke, die Dampfziegelei Ewald Guddadt; die Gastwirtschaft August Rautenberg, die Dampfmühle Otto Schiemann und die Ziegelei Emma Teufel, die Landmaschinenreparatur u. Pflugfabrik Karl Hertzigkeit , die Autoreparatur u. Handel Schwarznecker u. Reck und die Buchdruckerei Curt Stamm, außerdem befand sich dort die Molkereigenossenschaft, die An- und Verkaufsgenossenschaft, die Raiffeisenkasse und die Volksbank Insterburg (Nebenstelle).
Neben einer öffentlichen Schule gab es in Aulenbach auch eine 1913 gegründete Privatschule. Zur evangelischen und aber auch zur neuapostolischen Kirche kamen viele Einwohner aus den nahliegenden Ortschaften und die Gottesdienste waren stets gut besucht. Als Behörden waren vertreten das Kreis-Amt, die Gendarmerie, die Poststelle und das Standesamt. Es wurden regelmäßig Wochenmärkte abgehalten, zwei Mal im Jahr ein Pferde- (Remonten)- und Viehmarkt mit Krammarkt. Den Güter- und Personenverkehr, vor allem zur Kreisstadt Insterburg, versah überwiegend die Insterburger Kleinbahn (IKB), die hier einen größeren Haltepunkt mit Verladegleisen hatte.
In Aulenbach bei der Firma Schwarznecker u. Reck absolvierte Gerhard Kiehl eine Lehre als Maschinen-Schlosser. „Seit ca. 1926 betrieben Franz Schwarznecker und Emil Reck in Aulowönen die örtliche Kfz-Werkstatt incl. Tankstellenbetrieb. Später verkaufte sie Kraftfahrzeuge der Marken DKW und Mercedes, Landmaschinen, Fahrräder und Waschmaschinen der Marke Miele.“ Gerhard Kiehl arbeitete nach seiner Lehre noch zwei Jahre als Geselle bei der Firma Schwarznecker u. Reck. Er wurde am 01.10.1935 zur Wehrmacht eingezogen.
Familie Tuttlies und Keppurlauken
In Gut Keppurlauken kaufte Ferdinand Tuttlies sein treues Pferd die "Rieke" und arbeitet kurzfristig beim Innenausbau der Gesindehäuser auf dem Gut.
Die Gemeinde Birkenhof (Ostp.) war 1928 durch den Zusammenschluss von Gut Keppurlauken, Gut Neu Lappönen und dem Ort Berszienen entstanden. Die Güter lagen nord-östlich von Wilkental in ”Klein Litauen (Lithuania minor)" oder ”Preußisch Litauen”, dem nordöstlichen Teil des alten Ostpreußens, im Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.). Es gab eine Schule am Ort, das Kreis-Amt lag in Birkenhof selbst, das Standesamt und Gendarmerie in Aulenbach. Die Post bekam über Szillen.Keppurlauken zählte 1925 199 Einwohner, im Ortschafts- und Adreßverzeichnis des Landkreises Insterburg (1927) waren unter anderem folgende Einwohner vermerkt:
Gut Birkenhof gehörte dem Eigentümer Hans Regge. Es umfasste 86 ha, davon 57 ha Acker, 25 ha Weiden, 4 ha Hofstelle, 10 Pferde, 43 Rinder, davon 16 Kühe, 7 Schafe, 5 Schweine
Gut Keppurlauken gehörte dem Eigentümer Bernhard Tinschmann. Es umfasste. E117,1 ha, mit folgendem Gesinde: Schweizer: Franz Schmidt, Deputant: Eduard Krietzan, Karl Lempke, Friedrich Goerke, Gustav Maeding Kutscher: Franz Dumluck
Gut Neu Lappönen gehörte dem Eigentümer Erich Lengnik. Es umfasste 392 ha, davon 221 ha Acker, 25 ha Wiesen, 130 ha Weiden, 13 ha Holzungen, 2 ha Hofstelle, 1 ha Wasser, 55 Pferde, 240 Rinder, davon 50 Kühe, 130 Schweine, Herdbuchvieh und eine Meierei. Im Jahre 1910 lebten auf dem Gut Neu Lappönen 80 Einwohner. Es waren Gesinde, Deputanten, Schweizer und Kutscher. Am 30. September 1928 verlor das Gut Neu Lappönen seine Eigenständigkeit und wurde als Ortsteil in die Landgemeinde Berszienen, Kirchspiel Aulowönen / Aulenbach (Ostp.) eingegliedert, die zum gleichen Zeitpunkt in „ Birkenhof (Ostp.)“ umbenannt wurde.
Der Sohn von Erich Lengnik , der Züchter Oskar Lengnik, führte hier ein Privatgestüt, dass sich vornehmlich aus besonders hoch im Blut stehenden Mutterstuten zusammensetzte. Die Stute Herold wurde im Jahre 1925 in Neu Lappönen im Kreis Insterburg geboren. Herold wuchs in ihrer Geburtsstätte auf und wurde von seinem Züchter erfolgreich in Flach- und Hindernisrennen der Provinz vorgestellt. Pferd und Reiter, gleichzeitig auch sein Züchter, brachten zahlreiche Schleifen und Ehrenpreisen von diesen Einsätzen heim. Die Krönung aller Erfolge waren jedoch die Starts bei der Pardubitzer Steeplechase, dem schwersten Hindernisrennen des Kontinents. Von beiden Rennen kehrte Herold als Sieger zurück. Die Velká Pardubická oder Steeplechase von Pardubice ist ein traditionelles Pferderennen über 6.900 m, das auf der Rennbahn im ostböhmischen Pardubice in Tschechien stattfindet. Das Hindernisrennen gilt als eines der weltweit härtesten Rennen und wird seit 1874 veranstaltet, nunmehr jeweils am 2. Sonntag im Oktober. Der Parcours ist berüchtigt für die Größe der Hindernisse, nur ein geringer Teil der startenden Pferde erreicht überhaupt das Ziel.
Beim ersten Sieg im Jahre 1935 schrieb Gustav Rau:
- "Es steigert sich das Bild zu einer geradezu phantastischen Leistung der ostpreußischen Pferdezucht, vor der alle anderen Turniererfolge verblassen, zumal die ostpreußischen Pferde auch alle anderen Militarys in diesem Jahre gewonnen haben."
Und im Jahre 1936 berichtete Reitsportzeitschrift St. Georg anlässlich Herolds Folgesieg zur Pferdezucht auch dem Gut Neu Lappönen:
- "Jede Rennbahn verlangt ihre besonderen Pferde; Pardubitz braucht neben gewaltigem Springvermögen Pferde, die in jedem Boden zu gehen vermögen, und Pferde mit einer außerordentlichen Ausdauer. Die Strecke beträgt 6.900 m. Der Boden wechselt zwischen Rennbahngeläuf, Heide, abgeerntetem Feld und Sturzacker, verlangt also Pferde, die immer wieder kommen und ihre Aktion behalten….Es ist geradezu phantastisch, was die ostpreußische Zucht für die Große Pardubitzer seit 1923 an Siegern hergegeben hat … Diese gehäuften Siege ostpreußischen Blutes in einem Rennen wie der Großen Pardubitzer sind wohl das Bemerkenswerteste, was die ostpreußische Zucht an großen Leistungen aufzuweisen hat." So wurde Herold zum strahlenden Botschafter einer weltweit berühmten Leistungszucht der ostpreußischen Warmblutzucht Trakehner Abstammung. Von der wertvollen Neu Lappönen Zucht hat nur wenig das Kriegsende überstanden: Paloma von Hendrik (von Nana Sahib x), Pandura von Damian und ihre Tochter Palme von Port Arthur sowie Luckchen von Cornelius mit ihrer Tochter Luci von Löbau kamen auf dem Treckwege nach Westdeutschland. Ihre Stämme bewegten sich immer auf sehr schmalem Grat und tun es noch."
Die Stute "Rieke" auf dem Tuttlieser Hof stammte auch von einer "Nebenlinie" der Neu Lappönener Zucht ab. Sie war bei einer Remonte-Prüfung auf dem Gut ausgemustert worden und konnte so dort von Ferdinand Tuttlies als "Dreijährige" preiswert erworben werden. Zu Hause galt sie als treu und leistete hervorragende Dienste. Trotzdem waren durchreisende Pferdehändler an "Riecke" sehr interessiert. "Sie ist doch noch für eine Privatzucht hervorragend" . Ferdinand Tuttlies hatte später kurzfristig beim Innenausbau der Gesindehäuser auf dem Gut gearbeitet.
Platt im Willschicken: Kupst und Kaddig
Die zwei Millionen Ostpreußen brachten ihre Traditionen in vielfältiger Form im Fluchtgepäck in die BRD und DDR mit. Das gesprochene ostpreußische Platt ist heute 2023 nahezu ausgestorben. Auf alten Tonträgern und im Internet lassen sich noch winzige Sprachinseln entdecken. In der Literatur sind noch einige Erinnerungen zu finden.
In Willschicken wie in weiten Teilen von Ostpreußen sprachen die ländlichen Bewohner platt. Das Platt war mit litauischen Sprachteilen durchsetzt
Von den übrigen ostniederdeutschen Dialekten unterscheidet sich das Niederpreußische in Ostpreußen vor allem durch viele Gemeinsamkeiten in Phonetik, Grammatik und Wortschatz mit dem Hochpreußischen. Einige wichtigen Merkmale des Ostniederpreußische sind nach W. Ziesemer [10] und dem Preußischen Wörterbuch [11] :
- Die plattdeutschen Infinitive haben meist ein (n); dieses gilt für die Aussprache in Westpreußen, während in Ostpreußen das Schluss-n weggelassen wird (Sie will gehen - Sö wil goh)
- Beibehaltung des ge- im Mittelwort (Hei is lopen; dagegen Ostniederdeutsch: He is jelope)
- Entrundung (Kenig, Brieder, Fraide, Kraiter für Standarddeutsch Könige, Brüder, Freude, Kräuter)
- Doppellaut mit Dehnung ai statt ei, eu, äu
- Vorliebe für Verkleinerungssilben (De lewe Gottke und hochpreußisch kommche, duche, Briefchedräger) – umlautlose Verkleinerungsformen (Hundche, Katzche, Mutterche)
- „nuscht“ für Standarddeutsch „nichts“ (Färe Dittke nuscht - für einen Groschen nichts)
Es folgt ein Auszug aus: Lituanismen im Ostpreußischen – Sprache und Alltag in Nord-Ostpreußen. [12]
Analysiert wird im Folgenden eine Auswahl von Texten, die nach 1945 in Form deutschsprachiger Buchpublikationen erschienen sind. Es mag erstaunen, dass auch noch nach über 50 Jahren - im Jahr 2000 nach Vertreibung und Flucht der Bevölkerung das ostpreußische Spracherbe, niederdeutsches Platt, in der Mundartforschung auch als niederpreußisch bezeichnet, in dieser Lebendigkeit in den Texten vorliegt.
Bei nicht seltenen deutsch-litauischen Missverständnissen ist oft zu hören: "Ei, was is dat? Ich versteh nich Litauisch. Mußt Daitsch mit mich kalbeken."
Um es vorwegzunehmen: der in Ostpreußen wohl am häufigsten verwendete Lituanismus, alltagssprachlich, wie auch im Schrifttum, ist die Bezeichnung Margell, Marjellchen, Jungensmargell, Burmargel (pltd.), u. ä. Wenn es darum geht, die äußere Erscheinung und bestimmte Eigenschaften von Mädchen allgemein und von Dienstmädchen zu charakterisieren, kann der ostpreußische Sprachschatz aus dem Vollen schöpfen “Dat es e abjefeimte (oppjeplusterte, fijuchlige, filistrije, freche, jedreiste, krätsche) Marjell“ . Ist ein Mädchen grasze (rundlich, schön genährt), dann gilt sie als besonders angriepsch . Typisch ostpreußisch klingt der Satz „Margell, bring e Kodder, eck häbb Schmand verschmaddert“ . Ähnlicher Beliebtheit erfreut sich das Lieblingsschimpfwort der Ostpreußen, die Bezeichnung Lorbas, kurz gesagt, Lümmel. Fast durchgehend findet man in den Texten die litauischen Nationalspeisen Schuppnis und Kissehl und auch die Schaltnoosen genannt, die in Ostpreußen auch unter der deutschsprechenden Bevölkerung verbreitet waren. Die meisten Begriffe werden im Zusammenhang mit Gegenständen des Alltags, bestimmten Tätigkeiten, sozialen Handlungen und allgemeinen Lebensumständen verwendet.
Da ist zunächst der Turgus , der Wochenmarkt (in Aulowönen), in der weitgehend von agrarischen Lebensverhältnissen bestimmten Umwelt, ein Zentrum der Kommunikation und des Austausches von Waren, Kontakten und Nachrichten, zu nennen. Auf den Wochenmärkten spielt sich das Leben ab, es sind kleine Volksfeste, alles war auf den Beinen. Und hier trafen sie sich, der fast nur litauisch sprechende Bauer mit dem jüdischen Händler und dem deutschen Handwerker. Vielleicht gesellte sich auch noch ein polnischer Tagelöhner dazu. In dem mehr oder weniger direkten Kommunikationsprozess spiegeln sich verschiedene Ethnien und die ostpreußische Sprachenlandschaft wider: der freche Lorbas , der schwachköpfige Glumskopf und der muntere Bocher , bilden eine Gruppe von Gerkgesellen , deren Geseier und Gejacher über den ganzen Markt erschallt.
Neben dem Wochenmarkt und der Kirche war auch der Krug (Gasthofas) häufig mit Kolonialwaren Geschäft, das soziale Zentrum der Dorfbewohnen, wo sich die Männer nach Erledigung ihrer Arbeit zu treffen pflegten, um dort in geselliger Herrenrund a Tulpche Bier oder a Konus zu trinken und sich untereinander auszutauschen. Nun, bei nur einem Schnaps oder einem Glas Bier ist es selten geblieben, denn sobald einer der Herren eine Tischrunde „schmiss“ (ausgab), war es für die anderen doch Ehrensache, es ihm gleichzutun!
Zum Turgus eilten auch Frauen mit dem Kreppsch (Korb) oder Turguskorw in den Händen. Dabei achteten sie besonders auf den Inhalt ihrer Kischenne (Geldtasche), die sie mit dem Dirschas (Riemen, Gürtel) unter der Marginne , dem zweiteiligen Rock, befestigten. Ihre Kicke (Kopfbedeckung verheirateter Frauen), die schon ganz aus der Mode geraten waren, ließen sie zu Hause. Unterwegs wurden sie von einem Schwauksch (Regenschauer) überrascht. Auch die Tochter wollte zum Markt (... „palauk man bißke“... ); sie wollte sich nur noch die Parreskes anziehen. Die Mutter war in Eile (... „nu paspek man bißke“... ). Sie gab der Tochter gleich den Rat mit auf dem Weg, sie möge ihren Bambas (Nabel) nicht herausspeilen, sonst würden ständig die Bowkes auf sie glupen.
Über den Marktplatz verteilt standen Buden, kleine Häuschen, in denen gewöhnlich Handel getrieben wurde, oder es wurde direkt von den unzähligen Pferdewagen aus gehandelt. Zum Transport mag der Dwirratsch gute Dienste geleistet haben, ein dem Bauern nützlicher zweirädriger Einspänner, der so leicht war, daß er auch von Menschen gezogen werden konnte. Es handelt sich um einen leichtgängigen Wagen mit verhältnismäßig großen Rädern, die auch bei schlechter Straße und unwegsamen Gelände ihren Dienst nicht versagten. Beim Transport kleiner Güter über kurze Entfernungen war dieses Gefährt unentbehrlich.
Gehandelt wurde mit allem: unter den Tieren sind es die Ante (Ente), Trusch (Kaninchen), Kujjel (Eber), Ramunde (Pferd), und die störrische Zibb (Ziege), die den Vorbeigehenden einen Stums (Stoss) gab. Aus Fässern wurden Zillkes (Heringe) und der Kapustes (Kohl), den man bald nicht mehr riechen konnte angeboten, nicht zu vergessen den litauischen Suris (Käse). Auch Kruschkes (Birnen) waren genug da.
Der Fischhändler hatte sicher auch den Puke (Kaulbarsch) im Angebot. Man musste aufpassen, denn das war ein echter Kupschus (Händler - negativ). Wurde man unter Männern handelseinig - besonders nach abgeschlossenem Vieh- oder Pferdekauf - dann traf man sich zum Margrietschtrinken . Hier wurde so mancher des anderen Draugs (Freund), über den man nichts mehr kommen ließ. Bei diesem Umtrunk, mit dem man das Geschäft besiegelte, blieb es nur selten bei einem Glas. Umzech (Umzechen) hieß das Trinken „der Reihe nach“, sozusagen im Kreise herum. Das übliche Maß war der Puske , die Hälfte der Halbliterflasche. Bummchen (auch Bommchen) hieß ein altes Branntweinmaß an der Theke. Es mangelte nicht an verschiedenen Schnapsarten: Degtinnis, Brantewin, Kornus, Peperinnis, Pfefferschnaps, auch Pipirskis genannt, Skaidrojis , reiner, klarer aus Roggen oder Kartoffeln gebrannter Schnaps mit 56 Volumenprozenten („Dat öss dat reine Wort Gottes“ ) und - nicht zu vergessen - der Meschkines , auf Deutsch Bärenfang (pltd. Boarefang)
Den Stellenwert des Schnapses im Bewußtsein und wohl auch im Alltag der ostpreußischen Bevölkerung zeichnen zwei verbreitete Sprüche: „Schnapske mott sön, Brotke, wenn sön kann“, „Vor’m Schnaps e Schnaps und nach’m Schnaps e Schnaps“. Die Geräuschkulisse - ein ohrenbetäubendes Stimmengewirr in den verschiedensten Sprachen und Dialekten, noch verstärkt durch das laute Rufen der Händler, und das Rauloken (Brüllen) des Viehs - bildet jenen Hintergrund, in dem von kalbeken die Rede ist, was nicht nur viel und laut reden, sondern auch dumm und weitschweifig streiten und zanken bedeuten kann, echtes Jebroasch (pltd.) Der Kalbeker und die Kalbekersche gelten allgemein als geschwätzige und zänkische Personen. So mancher hatte die Kalbekerei all satt , da viele sich eh nur halbwortsch (pltd.) verständlich machen konnten.
Die gemeinsamen Angelegenheiten (...“Wenn nu wat em Därp to beräde un to beschlute weer“... ) regelten die Bauern auf der Dorf - oder Gemeindeversammlung, Krawuhl oder Pulkus . Der Dorfschulze oder Bürgermeister ließ in manchen Gegenden die Krebulle oder Kriwulstock mit dem Krawuhlzeddel , auf dem Ort und Zeit der Versammlung vermerkt waren, von Hof zu Hof tragen. Hier handelt es sich um eine traditionelle Form der Kommunikation innerhalb der dörflichen Selbstverwaltung. (Diese Möglichkeiten der Landgemeindeordnung wurden 1927 durch das Gemeindereformgesetz abgelöst.)
Auch die geselligen Treffen der Jugend wurden Krawuhl genannt, doch gewöhnlich hießen solche Zusammenkünfte mit Tanzvergnügen Wakarelis (geselliger Abend). Neben der Ziehharmonika und dem Trubas als Begleitinstrumente, erklangen hier nicht selten litauische Dainos . Dieser Art von Lustbarkeit des litauischen Gesindes, bei dem auch der Schnaps nicht fehlte -genannt Schwentadene -, galt der deutsch-litauische Spottvers: „Huste-pruste, Heiserkeit! –Dewe dok verjniechtes Leben“ . Hier fand auch der Jurrai , der jeden Abend mit einem anderen Marjell erschien, sein Betätigungsfeld, wofür sie ihn Herzensbrecher, Landbeschäler, Deckhengst schimpften. Den dörflichen Don Juan nannte man Jemeideerpel . Für einen Butsch mußte man erst ein Mädchen finden und beim Streit unter jungen Männern wechselte so manche Dauksche (Ohrfeige) die Seite.
Doch das Leben bestand nicht nur aus Feiern und geselligem Beisammensein, im Vordergrund stand oft harte Arbeit. Verbreitet war die Talka die freiwillige, gelegentlich auch erbetene Hilfe unter den Nachbarn. Eine Talka fand zu verschiedenen Anlässen statt: während der wichtigsten Feld- und Erntearbeiten, wie Heu- und Getreideernte, der meist intensiven nächtlichen Flachsarbeit in der Jauje (Dreschtenne) oder Pirte (Badstube) und zu kleineren Anlässen, wie bei der gemeinsamen Schlachtung, genannt Skerstuwiß. Skerstuwiß bedeutet zweierlei: die Schlachtung selbst und der darauffolgende Schmaus der Beteiligten und auch der Nachbarn.
Die Talka half so manchem Bauern eine Notlage zu überbrücken; wenn z.B. eiligst das Getreide eingefahren mußte, aber gerade im Moment wegen Krankheit „Not am Mann“ war, nahm der Nachbar seinen Dwiszak (hölzerne Forke) in die Hand und eilte dem Nachbarn zu Hilfe. Größere Vorhaben, wie Hausbau, war ohne Hilfe von außen nicht zu leisten. Bei der Talka war eine Bezahlung in Form von Geld nicht üblich und wurde auch nicht erwartet, daher stand die Abschlussfeier mit großzügiger Beköstigung und reichlich Schnaps im Vordergrund.
Für die Bewirtung war die Frau des Hauses, vom Gesinde auch Herzmutter oder Herzfrauchen genannt, zuständig. Von Jurgin (23.April) bis Micheel (29. September) wurde das Vesper gereicht. Zu Essen - zum Launagies (Vesper) oder Becktuwes, Pabaigtuvis (Abschlussfeier) - gab es reichlich: weder das gute Stück, der Kampen, Schwarzbrot, noch die beliebte Bartschsuppe (pltd.Boartscht), im Sommer auch kalt mit dem Scheppkausch serviert, durfte fehlen. Der Druskus (Salz) zum Abschmecken lag immer bereit. Bei guter Arbeit nahm die Wirtin den Skilandis (Schwartenmagen) vom Lentin, dem sie mit dem Peilas (Messer) zu Leibe rückte. Die Wirtin war ständig in Bewegung, mal eilte sie zur Klete (Speicher), um einige Pagels (Holzscheite) zu holen, damit die Pliete (Kochherd) nicht kalt wurde, mal rannte sie mit dem Peed (Wassertrage) zum Brunnen, um frisches Wasser zu besorgen. Nach dem reichlichen Essen und einigen Schnäpsen lehnte sich so mancher zurück zum behaglichen Rangieken (krümmen).
Für die Frau des Hauses war hierfür keine Zeit. Die Sorge um Haushalt und Tiere nahm sie voll in Anspruch: das Schweinefutter mußte mit dem Mentas (Rührholz) gerührt, die Edzs (Futterraufe) mit Futter gefüllt werden. Und dann noch der Ärger mit der Rankin (Griff) am Brunnen, die ständig herabfiel und dem Nachbarn, der vergaß den Karnelis (Handkarre) zurückzubringen. Selbst feiertags hatten sie keine Zeit zum Ausruhen, mußte ständig irgendwas Krapschtieken (wühlen, kramen, herummurksen) und Krausticken (umräumen). Kein Wunder, dass ihr nach all dem Ungemach ein Dokschpakajus (gib Ruhe!) über die Lippen kam. Zum Glück spielte ihr der Kauks kein Schabernack und auch vom Perkun (Donner) blieb das Haus verschont.
Begräbnisse gehörten zu den Ereignissen, an denen die ganze Dorfgemeinschaft beteiligt war. Zum Zarm (Leichenschmaus) wurde ordentlich aufgefahren, denn meistens wurde eine standesgemäße Bewirtung der Trauergemeinde erwartet. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Friedhof. - so auch Willschicken. Die Gräber ( Kapas ) waren gepflegt, die Bepflanzung natürlich dem Klima entsprechend, d.h. für den Sommer setzte man Blumen, doch für den Winter deckte man die Grabstellen nur mit Tannengrün und einem Grabgesteck ab. Während der warmen Jahreszeit ging man an jedem Samstag auf den Friedhof, ( Kapinės ) brachte einen frischen Blumenstrauß hin und harkte den Boden um das Grab herum. Die alteingesessenen Einwohner nannten ganze Grabreihen ihr Eigen, die für sie auch immer reserviert blieben. Manche waren durch kunstvoll geschmiedete Zäune wie eine kleine Oase vom übrigen Teil abgegrenzt. Ganz alte Gräber dagegen hatten noch keine Grabeinfassung. Da wurden die Grabhügel nur durch immergrüne Bodendecker gehalten.
Die ostpreußische Kultur- und Sprachenlandschaft erinnert an einen bunten Flickenteppich auf dem sich in historischer, geographischer und sozialer Dimension verschiedene Ethnien, Deutsche, Litauer, Polen und Juden, in einem mehr oder weniger direktem Kommunikationsprozess, dem Land jene Farbe gaben, durch das es sich auszeichnet. Selbst unter der deutschsprechenden Bevölkerung gab es, was die Verwendung von Sprache betrifft, einen Riss: platt (ostpreußisches Niederdeutsch) sprach das Volk, hochdeutsch die „feinen Leute (Ärzte, Pfarrer, Lehrer)"
Auch die weiteren Texte von Gerhard Bauer in den Annaberger-Analen über Preußisch Litauen sind sehr lesenswert (Jahrgang 11, 13-15, 17, 18, 20 und 21). Die Annaberger-Analen sind nach 30 Jahren 2022 leider eingestellt worden. [21]
Etwa 13 Hofbesitzer im Willschicken trugen Namen mit litauischem Ursprung. Bis auf einen Gutsbesitzer und zwei Großbauern, die jeweils zugezogen waren, sprachen alle Dorfbewohner Platt. Nur wer sich in der Öffentlichkeit besonders hervortun wollte, verfiel zeitweise ins Hochdeutsche. Die ältere Generation hatte zum Teil noch den litauischen Konfirmationsunterricht in Aulenbach (Ostp.) besucht. Ab 1900 nahm der litauische Sprachgebrauch in Ostpreußen aber deutlich ab. Bis dahin wurde in einigen Dorfschulen in der Pilkaller und Gumbinner Gegend auch noch Litauisch gelernt. In der Dorfschule sollte nach den Schulkonferenzen in Preußen 1890 und 1900 in ganz Ostpreußen grundsätzlich Hochdeutsch gesprochen werden. Doch in manchen Alltagssituationen fielen gerade die kleinen Schüler wieder in ihr von zu Hause gewöhntes Platt zurück.
In der Lindenhöher Dorfschule wurde ab der 1. Klasse Hochdeutsch als Schriftsprache auf der Tafel mit einem Griffel geübt. Edeltraut Tauchmann geb. Schlack berichtet aus der Nachbargemeinde von Waldfrieden (Ostp.):
- Zu den Utensilien eines ABC-Schützen gehörten neben Fibel und Rechenbuch eine Schiefertafel mit Schreiblinien auf der einen und Rechenkaros auf der anderen Seite. Seitlich waren an zwei langen Bändern ein Schwämmchen und ein Lappen befestigt oder aus Kostenersparnis auch nur zwei Lappen. Auf jeden Fall hatte eines der beiden immer feucht zu sein, um damit das Geschriebene fortwischen zu können. Mit dem anderen schnell trockengewischt, war die Tafel dann gleich wieder einsatzbereit. Der Lehrer überprüfte hin und wieder die Feuchtigkeit des Schwammes/Lappens, aber wenn er nicht hinsah, tat's auch Spucke, und bei einem einzelnen Buchstaben war der schnell im Mund nass gemachte Finger sowieso präziser einzusetzen. Außerdem fingen die feuchten Wischer bald an zu stinken - eine wirklich unhygienische Sache! - und mussten durch neue ersetzt werde. Geschrieben wurde mit einem Griffel aus Schiefer. Er war etwa so lang wie ein Bleistift, aber dünner, und da er keine Holzummantelung besaß, war er leider nicht bruchsicher. Angespitzt wurde er mit einem scharfen Messer, aber verständlicherweise nur von Erwachsenen. Deshalb war es ratsam, morgens gleich mehrere gut angespitzte Griffel in seinem hölzernen Griffelkasten zu haben, die dann beim Laufen vernehmlich im Tornister (Schulranzen) klapperten, während die beiden seitlich heraushängenden Läppchen - oft im Verein mit den Zöpfen - lustig hinterher flogen. In der zweiten Klasse begannen wir, Bleistift und Hefte zu benutzen, in der dritten Federhalter und Tinte. [22]
Berta und Ferdinand Tuttlies sprachen in Willschicken mit ihren Eltern noch fließend Litauisch - die Kinder - wie Hildegard Tuttlies - verstanden noch Teile, sprachen es aber nicht mehr selber - Platt dagegen sprach noch die gesamte Familie. Siehe auch den Text von Hildegard Kiehl, geb. Tuttlies Willschicken - Erinnerungen, Flucht und Neuanfang. Der litauische Name Tuttlies heißt übersetzt Wiedehopf.
Aufgeschrieben von Klaus Kiehl, Hamburg, 2023
Das Soldatengrab aus dem 1. Weltkrieg
Bereits 2 Wochen nach Beginn 1. Weltkrieges am 01. August 1914, fiel Russland schneller als erwartet in Ostpreussen ein. Vom August 1914 bis zum Februar 1915 waren bis zu zwei Drittel Ostpreußens zeitweise russisch besetzt. Die zweimal durch Ostpreußen ziehende Frontlinie hinterließ durch die Kampfhandlungen ein zerstörtes Land. Traurige Höhepunkte waren die Schlachten bei Stallupönen (17. August 1914, Gumbinnen 19.-20. August 1914), Tannenberg (23.-31. August 1914) und Masuren (07.-16. Februar 1915).
In der kaisertreuen Presse wurde Paul von Hindenburg als Sieger von Tannenberg und Befreier von Ostpreußen gefeiert, im Volk gewann er eine hohe Popularität. Im Ersten Weltkrieg übte die von ihm geführte Oberste Heeresleitung nach diesem Erfolg von 1916 bis 1918 praktisch eine diktatorische Regierungsgewalt aus, der sich der Kaiser unterordnete. Die deutsche Niederlage im ersten Weltkrieg begründete er später mit der sogenannten [Dolchstoßlegende].
Bereits 1914 setzte man eine Kommission ein, welche die Verluste in Ostpreußen protokollieren sollte. Für die Gesamtprovinz belief sich der Schaden auf 1,5 Milliarden Mark. Etwa 1.500 Zivilisten waren der Besatzung zum Opfer gefallen. Insgesamt kamen während der Kämpfe 1914/15 über 61.000 Soldaten ums Leben – 27.860 Deutsche, 1.100 Österreicher sowie 32.540 Russen. Dramatische Auswirkungen zeigte der Verlust an Vieh und Pferden, der die Versorgung ernsthaft gefährdete. Viele Menschen hatten wärend der russischen Besetzung in ihren Dörfern ausgeharrt oder waren auf der Flucht von russischen Truppen überrascht worden. Auf ‚Spionageverdacht‘ hatten die Besatzer gnadenlos reagiert, es war zu zahlreichen Exekutionen gekommen. … Insgesamt wurden bis zu 13.000 Zivilisten nach Russland deportiert.[13]
Mutter Berta Tuttlies blieb 1914/15 mit vier Kindern zu Hause. Hildegard Tuttlies spätere verh. Kiehl wurde erst 1920 geboren. In Willschicken stand im August 1914 die russische Militärverwaltung vor der Tür von Mutter Tuttlies und suchte Unterkünfte für verwundete russische Soldaten in der Umgebung. Das Wohnhaus musste geräumt werden und Mutter Tuttlies und ihre vier Kinder zogen zuerst in die Scheune, nach zwei Wochen auf den Dachboden des Wohnhauses. Die Küche durfte nach Absprache weiter benutzt werden. Anfang September 1914 wurde ein schwerverwundeter russischer Soldat in das Wohnhaus gebracht, der bald darauf verstarb. Beim Abräumen des Sterbelagers durch Mutter Tuttlies standen plötzlich zwei russische Soldaten mit dem Gewehr im Anschlag vor ihr. Erst die Rufe von anderen Verwundeten „Rotes Kreuz Haus, Rotes Kreuz Haus“ bewegte die Soldaten, sich zu entfernen. Angeblich waren sie „dienstlich“ unterwegs. Der verstorbene Soldat wurde von der russische Militärverwaltung etwa 20 Meter vom Wohnhaus entfernt beerdigt, am Rand des Grabens der Grünheider Straße. Am Ende des 1. Weltkriegs kam Vater Tuttlies gesund nach Hause. Das Soldatengrab wurde nach Abzug der Russen 1915 durch die Familie gepflegt. Es erhielt ein kleines Holzkreuz mit der Inschrift: „Hier ruht ein unbekannter russischer Soldat“ und einen Staketenzaun mit einer gezimmerten Tür. Zunächst wurde das Grab durch vier hohe Pfosten gesichert. Die Kinder waren für das Unkraut verantwortlich.
- Ein besonderer Dank gilt Herrn und Frau Mattulat. Sie haben dankenswerterweise wichtige Eigenarbeiten zur Verfügung gestellt. Zu den Quellen siehe auch den folgenden Text "Ländliche Entwicklungen in Ostpreußen, dargestellt am Beispiel von Willschicken", Text von Klaus Kiehl. In der Hoffnung, dass alle Angaben und Quellen richtig eingeordnet sind, sind Berichtigungen und neue Informationen herzlich willkommen. Bitte senden Sie diese an info@kirchspiel-aulenbach.de
- Aufgeschrieben von Klaus Kiehl, Hamburg, 2023
Willschicken - Erinnerungen, Flucht und Neuanfang
Hildegard Kiehl, geb. Tuttlies, wurde am 21. März 1920 in Willschicken in Ostpreußen geboren und ist am 19.06.2021 in Hamburg verstorben. Das langjährige Mitglied der Insterburger Heimatgruppe Hamburg hatte bei den Treffen immer viel aus der Jugend zu erzählen. Auch ihre Enkel waren gespannte Zuhörer, für diese schrieb sie den nachfolgenden Text im Alter von 100 Jahren, im Herbst 2020 auf.
Zu Hause
- Im März 2020 wurde ich 100 Jahre und genau vor 100 Jahren in Willschicken geboren. Aufgewachsen bin ich auf dem Lande in einem warmen Nest; in keinem Heuhaufen, sondern auf einem Bauernhof, mit zwei Brüdern und einer Schwester. (Max, Friedel und Erich - der jüngste Bruder Otto ist schon mit 3 Jahren verstorben).
- Unsere Eltern haben uns mit viel Liebe und Fürsorge erzogen. Meine Spielgefährten waren alle Tiere, die ein Bauernhof besitzt. Meinen kleinen Ziegenbock, meinen Mäck, darf ich nicht vergessen. Er folgte mir auf Schritt und Tritt und ich tobte mit ihm um die Wette — besonders im Blumengarten, wenn dieser sauber hergerichtet war. Zur Freude meiner Mutter!! Ich war damals noch keine 5 Jahre alt, mein Mäck höchstens ein halbes Jahr alt. Für meine älteren Geschwister war ich stets die Kleine, sie behielten mich immer am Auge, soweit es ging. Nur wenn ich bei Lux, unserem Hofhund in seiner Hütte saß und mich nicht meldete, wenn ich gerufen wurde, waren sie etwas besorgt.
- Knappe 10 Minuten Fußweg von uns entfernt war mein Ehemann (Gerhard Kiehl) daheim. Seine Eltern besaßen ein Kolonialwarengeschäft mit Gastwirtschaft und einen kleinen Saalbetrieb. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich einmal dazu gehören werde! Aber mein Vater ging gerne dort hin. Überhaupt, wenn ein großes Treffen der bekannten Bauern aus der Umgebung war, am Tage der Schweineablieferung in Grünheide auf dem Bahnhof. Alle Bauern kehrten dann ( ...die Fuppen voller Geld, es war der Erlös für die Schweine) zum Umtrunk bei meinen Schwiegereltern in Pillwogallen ein.
- Pillwogallen kommt aus dem Litauischen und heißt deutsch: „Bauchende". Das gefiel den Einwohnern schon lange nicht. Auf Sondergenehmigung des Landrates Insterburg wurde der Name schon 1928 in „Lindenhöhe" unbenannt! Dort wurde der Insterburger Reiterschnaps ausgeschenkt. Ein Stück Würfelzucker und zwei ganze Kaffeebohnen wurden zerkaut und mit einem Korn nachgespült. Oder es gab einen Pillkaller. Wieder ein Gläschen Korn mit einer Scheibe deftiger Leberwurst mit einem Klacks Mostrich drauf! Vater kam dann reichlich verspätet nach Hause — aber stets lustig!
- Opas (Gerhard Kiehl) zuhause war ein Kolonialwaren Geschäft mit Gastwirtschaft (später bekannt als Gasthof Fritz Lerdon, Lindenhöhe), und dort kauften alle Bewohner im weiten Umkreis ein. Es gab fast alles, was das Herz begehrte. Mehl, Zucker, Bonbons, Schmalz, Kuhketten, Holzschlorren, Klumpen, Bier , Wein, Alkohol, Wagenschmieren und Salzheringe. Sie lagen in einem großen Fass in Salzlake. Das Holzfass stand gleich hinter der Ladentür, darüber ein großer Stapel Packpapier als Einwickelpapier.
- Nun benötigte meine Mutter (Berta Tuttlies geb. Burba), eure Uroma Salzheringe. Sie wurden gewässert und dann eingelegt. Also machte sich mein Vater (Ferdinand Tuttlies), Euer Urgroßvater auf die Beine, um 10 Salzheringe zu holen. Bis Lindenhöhe waren es keine 10 Min. Fußweg auf einer glatten Straße. Für meinen Vater ein schöner Spaziergang am frühen Vormittag. „Öck kom bol wedder“ sagte mein Vater zu meiner Mutter, nahm seinen Krückstock vom Haken, setzte seine „Schlippkemütze“ auf und marschierte dann los! Doch vom baldigen Nachhausekommen wurde nichts. Ich entsinne mich noch, wie meine Mutter immer unruhiger wurde. Die Stunden vergingen un meine Mutter wurde auf Vater sehr böse. Das Mittagessen war fertig und wieder vom Tisch abgeräumt, die Schweine versorgt, die Kühe gemolken und immer noch kein Gebein von Vater. Ich weiß nicht mehr, wann er wirklich kam. Ich habe in Erinnerung, wie er frohen Mutes ins Haus reinkam und vorsichtig das Päckchen mit den Salzheringen auf den Küchentisch legte. Vater hatte zuvor viel zu erzählen, wen er alles im Krug in Lindenhöhe getroffen hatte, alles alte Bekannte und alle geben eine Korn nach dem anderen aus. Ein Korn kostete damals 10 Pf. und er, der Nante Tuttlies, musste tüchtig mithalten – und deshalb ist es auch etwas später geworden.
- Meine schweigsame Mutter hatte inzwischen das Päckchen mit den Heringen aufgemacht – darin lag nur noch ein einziger Salzhering! Auch meinem Vater blieb die Spucke weg. „Ei der Dausend, wo sön de andere geblewe? Bestennt söb se miet ut de natte Papier underweges rutgerutscht!“ Und so war es. Sie hatten ja schon einige Stunde im Packpapier gelegen und es aufgeweicht. Vater nahm darauf stillschweigend seine Schlafdecke und ein Sofakissen unter den Arm, ging über den Hof zum Stall, stieg die Leiter hoch und verschwand durch die Luke auf seinen geliebten Schlafplatz im Heu. Ja und dann? Ich war damals 5 Jahre alt und wurde von meiner Mutter mit einer Schüssel losgescheucht, vielleicht noch einige Heringe am Straßenrand zu finden. Ein Hering kostete 10 Pf. und die 10 Stück 1,-- Reichsmarkt und das war Geld. Und was glaubt Ihr? Ich hatte Glück und brachte alle Neune meiner Mutter heim. Sie lagen meistens verstreut im Gras am Straßenrand. Die „Unglücks-Heringe“ wurden gut gewaschen, gut gewässert und dann sauer eingelegt. Euer Uropa hatte bald seinen Rausch ausgeschlafen, Eure Uroma ihren Ärger vergessen, denn die kleine Marjell, die Hills, hatte ja alles wiedergefunden. Es wurde noch viel darüber gelacht.
- Anfang April 1926 wurde ich in ein Matrosenkleid gesteckt, die langen Strümpfe hatte Mutter selbst aus Schafswolle gestrickt (kratzten fürchterlich). Meine schwarzen Spangenschuhe wurden gewienert und einen Tornister bekam ich aufgehubbelt! An Mutters Hand ging es in die zweitklassige Schule nach Pillwogallen. Ich war sehr neugierig auf sie. Als ich dann einige Tage artig auf meinem Platz gesessen und mir alles angesehen hatte, fiel mir ein, dass gerade unsere Küken aus den Eiern zu der Zeit rausgekrabbelten, und ich musste dabei sein! Also ließ ich meinen Ranzen in der Bank liegen und ging nach Hause. Doch ich kam nicht weit. Lehrer Wiederhöft holte mich ein, fasste mich am Schlafittchen und meinte: „Ille (so nannte er mich) Du gehörst in die Schule!" Gefiel mir gar nicht. Viel schöner war es Zuhause, bei meinem Ziegenbock!
- Das linke Foto zeigen die Straße von uns nach Lindenhöhe. Hinter dem Gehöft auf der rechten Straßenseite kam gleich der Dorfteich und dann anschließend, ebenfalls an der Straße gelegen, Opas (Gerhard Kiehl) zuhause. Auf der linken Straßenseite des Bildes ist im Hintergrund ein größeres helles Haus zu sehen. Es war unsere Volksschule. Opa ging hier vier Jahre und anschließend zur Oberschule in Insterburg und Gumbinnen. Ich hielt es acht Jahre aus, ging aber dann noch anschließend zur Handelsschule in Insterburg. Auf dem Foto geht Oma mit ihrer Freundin spazieren. Das rechte Foto zeigen die Straße von uns nach Lindenhöhe im Jahr 1982.
- Anbei noch einmal unsere liebe alte Schule. Rechts und links je ein Klassenraum, vor dem Haus war ein Spielplatz, hier haben wir in den Pausen Völkerball gespielt oder aber auch Singspiele waren damals an der Tagesordnung, natürlich ohne die „frechen Jungen“. Durch die Haustür kam man in einen kleinen Flur, dort stand ein hohes Schuhregal, worin wir im Winter unsere „Holzschlorren“ hineinstellten, denn fast alle Kinder trugen sie der Kälte wegen mit selbst gestrickten dicken Strümpfen aus Schafswolle. Ein jeder hatte aber warme Hausschuhe für die Schulstube im Ranzen. Auf dem Schulweg kamen wir an der „Haus-Schmiede" vorbei. Sie war tipp topp und er ein guter Schmied. Er hatte schon die dritte Frau am Haken und 12 Kinder und ein sehr baufälliges Wohnhaus, in das es reinregnete. War es des Nachts, wenn sie schon im Bett lagen, sagte sie zu ihm: „Papake, spann dem Scherm op! On et wer wi im Himmel!" In der Schule saßen hinter mir zwei Lautze von der Sorte. Ich hatte lange Zöpfe und die steckten sie mir ins Tintenfass, das hinter mir stand. Und ich hatte ein weißes besticktes Nesselkleid an. Worüber sich Mutter wieder sehr freute! Auch Martha gehörte zur Familie. Sie war eine drugglige Merjell und plinste oft, wenn sie in der Schule nicht weiterwusste.
- Viele Jahre lebten wir in guter Nachbarschaft mit Hermann Weinowski. Er war der Opa von unserem „Heinz Weinowski", der 2001 mit seiner Ursel zu unserer Heimatgruppe kam, und wir wussten beide nicht, wer wir waren! Die Überraschung war groß!
- Die Jahre vergingen und ich durfte schon mal auf den Schwoof gehen. Am schönsten waren die Manöverbälle bei meinen Schwiegereltern im Garten, auch dort war eine Tanzfläche aus Holz vorhanden. Mein Vater hatte meiner Schwester und mir vor dem Gehen zur Aufgabe gemacht, jede noch zwei Kühe zu melken. Meine „Muschekühe" waren artig, ich erzählte mich oft mit ihnen und streichelte sie auch. Aber bei meiner Schwester war es anders. Sie bedeckelte sie oft mit dem Melkschemel — und dann tanzten sie im Ross-garten Polka, zur Soldatenkapelle, die wir schon spielen hörten!
- Und wieder verging die Zeit – und ich hatte meinen Gerhard geangelt, oder er mich? Wir wollen meinen 18. Geburtstag gebührend feiern. Nicht daheim, sondern in Insterburg im Kaffee Alt-Wien! Mein Mann war damals in Insterburg als Berufssoldat stationiert. Ich hatte meine Bleibe bei meinem ältesten Bruder und seiner Familie in der Albrechtstraße 15, dem großen Eckhaus, das heute noch steht. Ich ging in Insterburg zur Handelsschule.
- Alles war vorbereitet und wir saßen mit unseren geladenen Gästen im Kaffee Alt-Wien. Die Musik spielte die schönsten Weisen von „Waldeslust" und „Es war einmal ein treuer Husar...". Der Wein mundete hervorragend und wir waren sehr lustig und vergnügt! Bis ich beim Tanzen plötzlich auf meinem Rücken einen leichten „Schurrr..." vernahm. Ob mich der Gerhard zu sehr an sich gedrückt hatte 9 Ich wollte es wissen und ging zur Garderobenfrau. „Freileinchen — Sie sind aufgeplatzt...!" rief sie. Der ganze Rücken meines schwarzen Taftkleides vom Ausschnitt bis zum Gürtel war bloß...! Und nun stand das aufgeplatzte „Freileinchen" da — was war zu machen? Es war ein Kleid aus Mutters Beständen, das uralt war und für mich umgearbeitet worden war. Die Musik spielte, und ich feierte meinen 18. Geburtstag. Heute wäre ein bloßer Rücken (und noch etwas Nacktes) in Mode gewesen; aber damals? Aber Dank Mutters Fürsorge hatte ich meine lange selbstgestrickte Jacke aus Schafswolle unter dem Mantel an. Sie zog ich über, ging zurück zum Tisch und tanzte und schwitzte mit allen Gästen und meinem Gerhard als „aufgeplatzte Braut"... Das Taftkleid war lange Jahre unbenutzt, es hing gut aufgehoben auf der Lucht in dem großen Schrank, hinter Vaters „Schößchenrock". Taft verschleißt nach Jahren, und das war der Fall.
Kornaust, Kruschkemus und Wrukensuppe
- Nun ist es über 75 Jahren her, dass wir aus unserer geliebten Heimat vertrieben wurden. Fast nichts konnten wir mitnehmen, aber wir sind voll mit unserem Ostpreußen verbunden und verstehen die alten Ausdrücke, mit denen wir aufgewachsen sind. Wer weiß, was ein „Pomuchelskoopp" ist? (ein dicker, großer Fisch — oder auch ein Schimpfwort „Du Dammliger....!") oder was auch ein „Kalabräser" ist?
- Ich konnte nicht stillsitzen und war immer neugierig. Wenn unsere lieben Nachbarn Onkel Hermann & Tante Auguste Weinowski zu uns in die „Uhleflucht" zum „kadreiern" (erzählen) kamen, war es für mich ein Ereignis! Vater saß dann mit Onkel Hermann auf der Bank vor der Haustüre. „Mien Mutterke" aber mit Tante Auguste im Garten; und ich sauste von einem zum anderen, um viel mitzubekommen! Die lieben Nachbarn waren die Großeltern von unserem Heinz Weinowski, der 2001 mit seiner Ursula zu uns in die „Heimatgruppe Insterburg / Sensburg" kam. Bis dahin wussten wir aber noch nichts voneinander. Die schönsten Zeiten waren für mich im Sommer die „Kornaust" und im Winter das „Federreißen" am warmen Kachelofen. Herrlich war es, wenn es draußen schneite oder gar „stiemte"! Wir saßen ja im Geborgenen. Da durften wir Kinder keine „Flunsch" ziehen, wenn uns die Arbeit nicht passte! Wurden wir noch „oppstornosch", gab es von Vater einen kleinen „Mutzkopp", ab und zu „plinsten" wir uns noch aus und wir waren dann nicht mehr „gluppsch", vielleicht noch ein wenig „dreibastig"... (frech)!
- Mutter hat immer gut für Essen und Trinken gesorgt! Von „Klunkermus" mit Farin gesüßt, „Keilchen", „Pierag", selbstgemachte „Glumse" mit selbst gekochter Kirschkreide im großen Waschkessel in der Waschküche unter ständigem Rühren mit Zucker einige Stunden gekocht. „Brennsuppe", „Wrukensuppe", „Kruschkemus", „Kissehl", „Königsberger Fleck" mit 6 Gewürzen, gebackene Stinte — und meine „Spirgel", die ich heute noch gerne esse! Einige Leute daheim waren „Gniefke" (Geizhälse). Sie saßen auf ihren „Dittchen". Selten, daß sie einen „Kornus" geschweige einen „Pillkaller" ausgaben; und zum „Barbutz" gingen sie auch nicht. Dann kam ein „Bowke", er musste aber schon älter sein aus der Nachbarschaft und schnitt ihnen die Mähne mit der Schere. Zuhause wurden von Männern viel „Klumpen" und von Frauen „Schlorren" getragen. Prima waren sie zum „Schorren" auf dem Eis. Es ging aber auch ohne sie — auf selbstgestrickten dicken Socken aus Schafswolle! Im Hause schlüpfte man in warme „Wutschen", die oft per Hand hergestellt waren. Erläuterungen dieser ostpreußischen Ausdrücke unter : Begriffe: "Der ostpreußische Dialekt"
- Gingen wir aber zum „Schwoofen", wurden die Sonntagsschuhe angezogen. Während des „Schwoofens" bekam man auch ab und zu mal einen „Bärenfang" spendiert und zum "Verzählchen" eingeladen. Die Männer tranken gerne „e Tulpche Bier", aber nicht zu viel, dass man sich nicht de „Tuntel" begoss! Auch wenn derjenige seine Spendierhosen anhatte, und noch gerne einen ausgegeben hätte! Aber auf dem Nachhauseweg hätte man sich leicht „verbiestern" können! Schlimm war es, wenn ich als kleine „Marjell" einer „Ziegahnsche" oder einem „Pracher" begegnete. Dann nahm das Betteln kein Ende. Hatte ich für sie etwas inne „Fupp", einen „Knasterbombom" oder einen Dittchen, war ich sie los! Mein Vater war wütend, wenn der „Koppschäller" (Pferdehändler) immer wieder zu uns kam. Dieser hatte es auf unsere „Rieke" abgesehen. Sie kam aus Neu Lappönen und war eine Trakehner Stute, Vater hat dann immer überlegt, wie er den Kerl auf Nimmerwiedersehen loswürde!
- Aus der Gegend Friedrichsdorf und Große Friedrichsdorf kamen häufig auch die Zwiebelfahrer. Sie kamen zu uns mit Pferd und Wagen und riefe: „Zippeln, Zippeln“. Sie tauschten Zwiebeln gegen Roggen. Gemessen wurde nach Scheffel, ein hölzernes Hohlmaß ca. 40 Inhalt.
- Zu unserer Nachbarschaft gehörte auch die Familie Baltruweit. Sie saßen auch auf einem Bauernhof, Vater, Mutter, Opa, Oma und vier „Marjellens". Opa und Oma waren auf dem Altenteil. Diese bewohnten die kleinste Stube, nur dass sie zur Nacht eine Bleibe hatten. Am Tage waren sie immer noch mit leichter Arbeit in Haus und Hof beschäftigt. Nun hatte Opa Baltruweit in der Nacht oft Nacken- und Kopfschmerzen. Also stand er wieder mal im Halbdunkel auf, tastete sich an sein Regal mit dem verschiedenen Einreibemittel in Fläschchen. Das Mittel wirkte Wunder, dachte er, er konnte schlafen und kam am anderen Morgen munter in die Küche. Doch „o Schreck" — Opa war blau im Gesicht, an den Händen, am Nacken! Ja, das war das Ende vom Lied — Opa hatte im Dämmerlicht de Tintenflasche erwischt; die in Reserve im Regal stand! Vater gab aber Opa den guten Rat: Bloß nicht mit Tinte de Kopke önriewe, dat helpt nich...!
- Eine der vier Marjellens ist meine liebe Gerda. Mit ihr bin ich zusammen zur Schule gegangen, sie ist genau so alt wie ich. Sie wohnt in Bielefeld. Wir stehen bis zum heutigen Tage noch immer in Verbindung und sind dick befreundet. Wir telefonieren oft miteinander und tauschen unsere Erinnerungen aus — meistens auf platt! Auch unsere liebe Heimatgruppe ist immer im Gespräch... Ja, das war mein Zuhause, mein warmes Nest!
Kindheit in Willschicken
- Es war für uns Kinder zu Winterzeit eine Freude, auf blanken Eisflächen auf Schlorren zu rutschen – „schorren“ sagten wir. Noch besser aber ging es auf den dicken Strümpfen, also ohne Schlorren. Und das schönste war, meine Mutter hat nie geschimpft, wenn ich nass nach Hause kam „De Kinderdes motte sich uttobe“ sagte sie.
- Ich wollte gerne unserem Hofhund beibringen, mich auf meinem kleinen Rodelschlitten zu ziehen. Leider ist es mir nie gelungen. Gewiss lag es daran, dass er nur mit einer Schnur am Schlitten festgebunden war. Opa hatte darin mit seinem großen Hund mehr Glück, der Hund gehorchte ihm, er war ja mit einem richtigen Geschirr vor den Schlitten gespannt. Leider, leider hat Opa damals eure Oma noch gar nicht angeguckt, vielleicht hätte er mich dann einmal mitgenommen bei seine Hundeschlittenfahrten.
- Schön waren die Rodelschlittenfahrten über weite Strecken zur Schulzeit. Die Väter der Bauernkinder kamen dann mit Pferden auf einem stabilen Schlitten an der Schule vorgefahren und daran waren unsere Rodelschlitten hintereinander angehängt. Meist fuhren auch mehrere Gespanne mit Schellengeläut die Kinderschlitten im Anhang und viel Frohsinn zum nahen Wald und wie oft sind wir dann da runtergepurzelt. Wenn aber in meinem Zuhause im Winter mit dem großen Schlitten und zwei Pferden spazieren gefahren wurde, kam in die große Pelzdecke, die den Schlitten ausfüllte, ein warmer Ziegelstein. Er war im Bratofen aufgeheizt und blieb sehr lange warm. Ich durfte zwischen meinen Eltern sitzen und war so warm verpackt, dass nur die Augen rausschauten. Meistens ging es auch in den Wald. Vater nahm dort die Schlittenglocken von den Pferden ab. Er meint: „Wir wollen die Stille nicht stören“. Es wurde auch nicht viel gesprochen.
- Ja – unsere Winter in Ostpreußen waren einmalig! Viel Schnee mit viel Sonne und klarem blauen Himmel. Dazu strenger Frost um die 20 Grad minus. Der Winter war sehr lange, mitunter fuhren wir zu Ostern noch mit dem Schlitten. Vor Weihnachten, in der Adventszeit, gab es dicken Raureif. Das war für mich immer eine Märchenwelt. Nicht zu vergessen waren die meterhohen Schneewehen bei „Stümwetter“ – trockener Pulverschnee vom Sturm zusammengeweht. Bei schlimmem Sturm mit eisiger Kälte wurden Straßen und Höfe, Zäune und Gebüsch wurden zu hohen Schneeflächen. Es fuhr kein Schlitten, niemand wagte sich aus dem Haus. Die Schule fiel aus und wir bliebe allem im warmen Zuhause. Wenn der „Spuk“ vorbei war, wurde Schnee geschippt. Ich habe mir in den hohen Schneewehren Höhlen gebaut. Für warme Winterbekleidung hat mein Vater für uns gesorgt. Er war auch Schneider und hat für Mutter und uns Kinder Mäntel und Jacken mit Pelz abgefüttert genäht. Wir haben nie gefroren, obwohl lange Hosen damals von Mädchen noch nicht getragen wurden. Dafür hat dann aber meine Mutter Strümpfe und Unterwäsche auf Schafwolle gestrickt. Die kratzten fürchterlich.
- Der Monat Dezember war mit viel Arbeit ausgefüllt. Zu Anfang wurden zwei dicke Schweine geschlachtet. Daraus wurden auch herrliche Würste gemacht, Dauerwurst, Leberwurst, Blutwurst und meine Grützwurst. Viel Fleisch wurde in Gläsern eingeweckt, Schinken und die Speckseiten kamen in Holzfässern zum Pökeln in Salzlauge. Nach vier Wochen kamen sie in die Räucherkammer, die am Schornstein angebaut war. Meine Schwester musste die Kochwürste kochen. Dabei durfte sie nach altem Brauch nicht sprechen – sonst platzen sie. Alle Nachbaren erhielten zur Probe eine Schüssel volle „ganzer“ Kochwürste. Nach dem Schweineschlachtfest mussten die Gänse daran glauben. So 10 oder 12 Stück waren es in jedem Jahr. Es begann in aller Frühe das Gänserupfen. Dazu wurde eine große ovale Zinkwanne in der Küchenmitte gesteilt und wir saßen alle auf Stühlen drum herum. Jeder hatte eine Ganz auf dem Schoß und musste die fein und sauber abrupfen, getrennt nach Federn mit Posten und Daunen. Wir alle hatten zu Schluss – es dauerte mehrere Stunden bis wir fertig waren überall Federn sitzen. Mein Vater hatte sie im Bart, Mutter in den Haaren, Onkel Erich steckte sich meiste die großen Flügelfedern hinter beide Ohren, Tante Friedel hatte sie auch in ihrem krausen Haar und mir krochen die Daunen stets in die Nase und beim Niesen wirbelten sie in der Wanne hoch. Es wurde viel gelacht, denn im Grunde lachte uns schon der leckere Gänsebraten entgegen. Nach dem Schlachtfest wurden Plätzchen gebacken. Der Teig dafür war schon einige Woche fertig. Er stand in einer großen gut zugedeckten Schüssel in der großen Stube im Kalten, denn diese Stube wurde im Winter – bis auch Weihnachten und Sylvester - nicht benutzt. Das Backen der Pfefferkuchen ging schnell vor sich. Vier Bleche auf einmal konnten in den großen Backofen, der mit Holz geheizt wurde, geschoben werden. Da musste schnell ausgerollt und schnell ausgestochen werden. Und wieder war die ganze Familie der Tuttliesen dabei, selbst Onkel Erich ließ sich erweichen, er und euer Uropa verkrümelten sich aber bald.
- Die Vorfreude auf Weihnachten wurde noch durch unser Weihnachtsfest in der Schule verschönt. Es wurden Theaterstücke, Lieder und Gedichte eingeübt und die Kostüme wurden auch selber genäht. Das war ein Spaß. Sogar eine Bühne wurde gebaut. Es klappte alles prima. Zum Schluss kam ein großer Weihnachtsbaum ins Schulzimmer; dann wurden die großen Schiebetüren, die die beiden Klassenräume verbanden, aufgemacht – und die Lindehöher Schule hatten den schönsten Theater-Raum.
- Unseren eigenen Weihnachtsbaum hat mein Vater stets besorgt, woher er ihn hatte, wurde nie verraten. „Vom Weihnachtsmann“ sagte er lachend. Das Weihnachtsfest selbst war eine riesige Freude in meinem Elternhaus. Es gab nicht viele Geschenke. Meine heißgeliebte Puppe begab sich immer in der Adventszeit auf eine Winterreise, sie kam aber dann stets am Heiligen Abend mit neuen Kleidern wieder zurück. Aber da stand der prächtige Tannenbau, der uns allein schon in festliche Stimmung versetzte. Dann begann Eure Uroma „Stille Nacht, heilige Nacht“ leise zu singen und wir alle stimmten fröhlich mit ein. Wir saßen am warmen Kachelofen, draußen war tiefer Winter. Es duftete nach Weihnachten in der großen Stube und in der Küche brutzelte der Gänsebraten. Euer Uropa saß in seinem Stuhl, hatte die Hände gefaltet und sagte nur „Kinder, sön dat wedder scheene Wiehnachte“.
- Es war Herbstzeit und wieder einmal hatte Euer Uropa Fritz Hasen geschossen. Eure Uroma Hedwig Kiehl - Lerdon hat auf einem Foto einen dicken erlegten Hasen auf dem Arm. Sie steht vor der Verandatür auf der Hofseite. Uropa Fritz war zuhause Jagdpächter und durfte im Herbst und im Winter Wild schießen. Es wurden zur Jagd Freunde und Verwandte eingeladen. Eine große Gesellschaft machte sich auf die Beine. Auf dem Foto links ist Tante Anneliese (Kiehl) auf dem Hof zu sehen mit Uropas Jagdhund „Arac“. Dahinter steht der Hofhund „Lord“. Zu jeder Jagd gehören auch Treiber. Es waren junge Leute aus dem Dorf. Sie haben zusammen mit den Hunden die Hasen aufgestöbert und sie den Jägern zugetrieben, denn die Hasen hatten sich in Hecken und Büschen verkrochen. Das geschah mit großem Lärm. Der Ausklang solcher Jagdtage war ein großes Essen bei Eurem Großvater in der Gastwirtschaft Eure Uroma Hedwig hatte mit den Frauen aus der Nachbarschaft alles bestens vorbereitet. Es ging lustig zu. Es wurde gut gegessen und dazu ordentlich getrunken, viel erzählt, viel gelacht und zuletzt ordentlich gesungen. Uropa Fritz begleitete auf dem Klavier. Die geschossenen Hasen hatte inzwischen der Kutscher mit dem Pferdefuhrwerk nach Hause geholt und auf dem Dachboden zum Abhängen aufgereiht.
- In der Gaststätte wurde im Allgemeinen kein Essen angeboten, da die Gäste in der Regel vor oder nach dem Besuch schon zu Hause aßen. Es gab aber Kleinigkeiten wie Soleier, Halben Hering oder eingelegten Zwiebeln oder Sure Gurken und für die "Damen" Schokolade oder Bomche. Wurde bei großen Festen dennoch ein Essen eingeplant, so gab Hilfe aus dem Dorf und in einem Nebengebäude - das auch als Waschküche diente - wurde der lange Schamott-Herd zum Kochen, Braten und Warmhalten angeworfen und der große Geschirrschrank aufgeschlossen. Das Besteck stammte zum Teil noch aus einem russischen Offizierskasino aus dem 1. Weltkrieg. In der Regel fanden aber alle Familienfeste zu Hause statt. In Opas Zuhause (Gasthof Lerdon) fanden im Sommer an Wochenenden die Tanzvergnügungen im Freien statt – falls es nicht regnete. Es war im Garten eine Tanzfläche mit Holzdielen vorhanden. Die Dielen wurden vorher extra gebohnert. An der Theke bediente Onkel Walter zusammen mit Nachbarinnen aus dem Dorf. Flotte Weisen spielten zwei Dorfmuskanten zusammen mit Uropa Fritz auf. Uroma Hedwig überwachte die Kasse. Auch unsere Sommerschulfeste wurden hier gefeiert mit Volkstänzen, Liedern und Gedichten. „Sommer o Sommer du fröhliche Zeit“ sangen wir hier bei unserem Umzug von der Schule durch das Dorf zu Opas Garten. Alle Kinder waren festlich herausgeputzt. Selbst der „Rüpel“ Otto Schützler, der mal meine Zöpfe ins Tintenfass gesteckt hatte, sah richtig schick aus, sein Haarschopf hatte einen geraden Scheitel. Wir Mädchen trugen zum Umzug halbrund Holzbügel, die mit Blumen umflochten waren, in den Händen. Unsere beiden Lehrer gingen voran – und so hielten wir den Einzug in den Festgarten, wo schon alle auf uns warteten. Jedesmal waren wir froh, wenn Petrus für uns die Sonne scheinen lies.
- In der Gastwirtschaft geschah allerlei. Viele Dörfler trafen sich hier. Alle kamen sie mit Pferd und Wagen, im Winter mit Schlitten. War das Wetter kalt, wurden die Pferde gut eingedeckt.- oder sie kamen in die „Einfahrt“ – ein großer Stall, der für die Pferde der Gäste gebaut worden war. Alle Gäste – zogen, bevor sie die Gaststube betraten, ihre Holzklumpen aus. So ging einmal ein Bauer aus Bessen nach seinen Pferden sehen und war überrascht – seine Holzklumpen waren angenagelt – er hatte seine Schulden nicht gezahlt.
- Oft kam auch der Gutsbesitzer und sehr erfolgreiche Rinder- und Pferdezüchter Johann Scharfetter im Sommer zu einem Rotwein oder im Winter zu einem Grog mit seinem Spazierwagen in die Gaststätte. Im Wagen saßen er und sein großer treuer Hund. Scharfetter steuerte dann alleine in „seine“ Ecke in der Gaststube, zu Füßen sein Hund und auf dem Tisch div. Flaschen - im Sommer Rotwein oder Rum im Winter. So saß er sehr lange und schlief ein und er und sein Hund fingen an zu schnarchen. Uropa Fritz (Lerdon) hat dann die Petroleumlampe auf Sparflamme gestellt und ist ins Bett gegangen. In der Nacht ist Herr Scharfetter aufgewacht, fand in der Regel mit Hilfe des Hundes zum Spazierwagen und schlief, so wurde beobachtet, im Wagen wieder ein. Sein treues Pferd fand den Weg nach Hause alleine – zu jener Zeit fuhren ganz selten Autos nachts auf den Straßen.
- Als Uropa Fritz – auch nachts mit seinem neuen Mercedes die Straßen unsicher machte – war das eine Sensation. Zeugen bekundeten, dass er das "nur" tue, um Gäste nach Hause zu fahren. Besonders zwei unerschrocken nach Ostpreußen versetzte Lehrerinnen aus Köln benutzte zusammen diesen Service - so dass es schon zu besorgte Nachfragen des Schulrates kam, die aber grundlos waren. Der Besuch von Gasthäusern von alleinstehenden Lehrerinnen war den Dorfbewohner suspekt. Die beiden verkündeten aber „ … der rheinische Frohsinn ist hier noch nicht angekommen" und wurden langsam in der Gaststätte akzeptiert.
- Hedwig Lerdon führte nach 1941 den Laden an 2 Tagen in der Woche fort, sofern es die Versorgungslage zu ließ, bis zur Flucht im November 1944 allein weiter. Die Ladenöffnung war auch für die Einlösung der Lebensmittelkarten und Bezugsscheine wie z. B. von Petroleum von großer Wichtigkeit. Fritz Lerdon war einberufen war und nur während des Soldatenurlaubs zu Hause. Die Gaststätte wurden nur für amtlichen Zusammenkünfte und für "Privat-Kunden" geöffnet. Nach und nach blieben aber alle wehrpflichtigen Männer weg, da sie eingezogen wurden. Später wurde Köln, nach einer Zwischenstation in Mirow, für die Familien Lerdon das Ziel der Flucht aus Ostpreußen.
- Im Jahre 1934 wurde Lindenhöhe mit elektrischem Strom versorgt. Uropa war einer der ersten im Ort, denn ein Anschluss war damals sehr, sehr teuer und nicht jeder konnte ihn sich leisten. Jedenfalls hat es geklappt und Euer Uropa hat aus diesem Grund ein Lichtfest veranstaltet. Dabei wurden die größten seiner Petroleumlampen mit großem Gefolge und Musik im Dorfteich versenkt. Umwelt war damals ein unbekanntes Fremdwort. Ich habe das Petroleumlicht gerne gemocht – aber wehe, wenn die Petroleumkanne leer war. Dann hatten wir kein Licht, dann dauerte unsere „Uhlenflucht“ bis zum Schlafengehen. Im Sommer brauchten wir kaum Licht, dafür im Winter umso mehr. Die „Uhlenflucht“ fand bei uns im Sommer auf der Hausbank vor der Tür draußen statt, im Winter war die Bank vor dem warmen Kachelofen der Versammlungsplatz. Dann haben meine Eltern aus ihrer Kinderzeit und ihrem Zuhause erzählt. So hatte meine Mutter schon mit 6 Jahren Strümpfe stricken müssen. Mein Vater hatte vor der Schule schon Vieh und Gänse hüten müssen. Als Schuljunge erhielt er eine besondere Genehmigung, die ihn als Hütejunge zwei Tage in der Woche von der Schule freistellte. In meinem Zuhause sollten erst 1939 elektrischer Strom gelegt werden. Zunächst gab es auch nur vier Lampen und eine Steckdose. Im selben Jahr brach auch der 2. Weltkrieg aus und wir haben unsere Petroleumlampen behalten. Euer Opa hatte als Junge eine Vorliebe für den Heuboden. An langweiligen Sonntag-Nachmittagen klemmte er sich ein Karl May Buch unter den Arm – es gab vier verschiedene Bände – und stieg die Leiter hinauf und entschwand durch die Luke im Heu. Vor hier konnte er auch alles prima überblicken, wurde er gerufen, hat er sich nie gemeldet, denn das Versteck war sein Geheimnis – und er hat es auch keinem verraten. Als ältester seiner vier Geschwister wurde er regelmäßig zu deren Aufsicht eingeteilt. Der Autor Karl May veröffentlichte bis 1914 bereits 1,6 Millionen Bände. Seine Schriftstellerkollegin Hedwig Courths-Mahler kam bis 1914 mit ihren Romanen der "Schicksalsergebenheiten" und dem Vorbild des traditionellen Rollenverhalten von Frauen aber bereits auf 14 Millionen verkaufte Bände.
- Unser Leben auf dem Lande war aber nicht langweilig – eben bis auf die Nachmittags-Sonntage. Ich bin dann meistens viel mit dem Rad gefahren. Mit 12 Jahren erhielt ich mein erstes Fahrrad, mit 14 Jahren zur Konfirmation die erste Armbanduhr und mein erstes Buch - es war ein Gesangsbuch.
- Ein Radio hatten wir dann später auch schon. Leider wurde es ganz selten angemacht. Weil wir noch keinen Strom hatten, war das Radio an Anoden und Akkumulatoren angeschlossen, und diese Batterien wurden schnell leer und mussten dann zum Aufladen weggebracht werden, was immer einige Tage dauerte, bis man sie wieder abholen konnte. Nun hörte aber meine Mutter und natürlich auch die Kinder sehr gerne Radio, aber mein Vater schimpfte dann – es wäre zu teuer. Er ist dann aber zeitig zu Bett gegangen und wenn er anfing zu schnarchen, war es so weit, dass wir das Radio wieder anstellen konnten. Gehört haben wir den Reichssender Königsberg. Im Winter waren die Abende oft mit Radiosendungen ausgefüllt. Wenn wir keine Arbeit vorhatten, Stricken, Stopfen, Nähen und ähnliches, saßen wir am warmen Kachelofen, draußen war dichter Schnee und der Mond schaute zum Fenster rein, dazu viele Sterne am wolkenlosen Himmel und wir hörten eine Stunde Radio. Meine alte Katze saß auf meinem Schoß, sie wurde dann aber vor dem Schlafengehen von mir in den Stall gebracht.
- Eine Sensation waren zuhause die Zigeuner. Sie fuhren in ihren Planwagen oft über Land. Woher sie kamen und wohin sie wollten wusste niemand. Ein Planwagen war ein einfacher Wagen- überspannt mit starken Weidenruten und darüber ein Tuch als Plane gezogen, zum Schutz gegen Wind, Sonne aber auch Regen. An der Außenwand des Wagens baumelten verbeulte Kochtöpfe, Bratpfannen oder Eimer, in dem Wagen unter der Plane saßen die Frauen mit den Kindern auf Stroh. Der Zigeunervater saß vorne im Wagen und lenkte ein müdes Pferd. Oft aber schwärmten alle aus, um mitzunehmen was nicht niet-oder nagelfest war. Weil das Land zuhause flach war, sahen wir sie schon von weiten auf der Straße ankommen, immer mehrere Fuhrwerke auf einmal. Dann kam unser Vater in Haus gestürmt und rief: „Kinder, de Ziegäner kome“. Falls Wäsche auf der Leine hing, wurde sie schnell abgenommen, die Hühner, Gänse und Schweine in den Stall gescheucht, das Hoftor und alle Türen und Fenster fest verschlossen und der Hofhund Lux wurde losgemacht. Nichts war vor ihnen sicher. Mein Vater stand irgendwo versteckt auf dem Hof und passte auf, wenn sie zum Betteln anrückten. Mir war eine solche Sippe immer interessant, gab doch viele, viele Kinder zu bestaunen, die neben den Wagen liefen und so vor den Hof erst zu singen und dann zu betteln anfingen. Die ein freies Leben führten – ohne Schule!
Der Zweite Weltkrieg
- Am 1. September 1939 war der Krieg ausgebrochen — aber wir fühlten uns in unserem Ostpreußen in Sicherheit. Wir waren ja weit weg vom Schuss, vom großen Deutschen Reich und hatten reichlich zu essen und zu trinken, und wir waren ja die Kornkammer Deutschlands!
- „Denn heute gehört uns Deutschland", sang die Jugend vor Begeisterung! Ich war 19 Jahre alt und hatte mir nach der Handelsschule eine Stelle im Büro auf dem Lande, im herrlichen Masuren in Pristanien / Paßdorf bei Angerburg gesucht.Es war die große Baumschule „ Bruno Wenk " mit 12 Angestellten, vom Obergärtner bis zu den Lehrlingen; dazu war mein Chef „Bürgermeister" und die Postagentur gehörte auch da hinein. Im Büro waren wir zwei Angestellte, also gab es reichlich zu tun. Aber trotzdem war ich viel am Mauersee, der ganz in unserer Nähe lag. Die Bunkern des Hauptquartiers des Oberkommandos der Wehrmacht lagen beim Dorf Mauerwald am Mauersee, das spätere Führerhauptquartier, die „Wolfsschanze" wurde bei Rastenburg gebaut.
- Wir hatten ein weibliches Arbeitsdienstlager mit über 100 Maiden in unserem Bezirk (Kreis Rastenburg). Sie waren im „Reich" beheimatet und bekamen viel Post, die sie sich selbst abholten.
Der folgende Text wurde eingefügt:
Das Pflichtjahr wurde 1938 von den Nationalsozialisten eingeführt. Es galt für alle Frauen unter 25 Jahren – sogenannte Pflichtjahrmädel/-mädchen – und verpflichtete sie zu einem Jahr Arbeit in der Land- und Hauswirtschaft. Es stand in Konkurrenz zum etablierten Landjahr sowie ab 1939 durch die Einführung des Reichsjugenddienstpflichtgesetzes zum Dienst im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes (RAD). Dies betraf vor allem jene Jugendlichen, die bis dahin keiner Parteijugendorganisation angehörten und zudem auch keine Berufsausbildung absolvierten. Die Zwangsverpflichtung im RAD erfolgte dabei nach rein willkürlichen Richtlinien, ohne Rücksicht auf Interessen, Fähigkeiten oder Affinitäten jeglicher Art. Weder der Dienstort noch die Art der Tätigkeit standen dabei zur Auswahl.”
Neben dem männlichen Arbeitsdienst war mit dem Reichsarbeitsdienstgesetz auch der weibliche Arbeitsdienst (RADwJ) für junge Mädchen (Arbeitsmaiden) im Alter von 18 bis 21 Jahren eingeführt worden. Ab dem Jahr 1938 entstanden überall im damaligen Deutschen Reich 327 Lager des weiblichen Arbeitsdienstes, von denen 108 als Bauernlager, 116 als Siedler- und 108 als NSV-Lager (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) anzusprechen waren. Damit zeigte sich bereits die Einsatzart der weiblichen Arbeitsdienstangehörigen. Sie wurden entsprechend auf Bauerhöfen als Hilfskräfte (Mägde) eingesetzt oder in landwirtschaftlichen Siedlungen als Kindermädchen, Säuglingsschwestern, Lehrerinnen oder als eine Art von Sanitätspersonal.“ [14]
Hildegard Kiehl fährt fort:
- Auch ich bekam viel Post von Opa! (d.h. ihrem späteren Ehemann. red.) Zuerst aus Insterburg, später kamen dann Feldpostbriefe von der Front. Auch besucht hat er mich oft in Masuren. Die Zeit lief dahin. Ich war dort von 1939 bis 1942, drei Jahre — und dann kam der grausame Krieg immer näher an unsere Heimat. Mein Bruder Erich (Tuttlies) , der auf dem Hof bei meinen Eltern lebte, wurde zur Front eingezogen. Als Sanitäter arbeitete er meistens in Lazaretten. Für ihn erhielten Uropa und -Oma einen Weißrussen, Michael, als Arbeitskraft. Er war ein anständiger und fleißiger junger Mann, er war gerne bei uns.
- Dann erkrankte mein Vater am Herzen, meine Mutter schaffte es auch nicht mehr, und so ging ich dann nach Hause. Ich wäre auch gerne dortgeblieben. Ich hatte großen Spaß an der vielseitigen interessanten Arbeit. Zwar waren fast alle deutschen Baumschulangestellten zur Wehrmacht eingezogen. Aber an ihrer Stelle kamen 20 polnische Hilfsarbeiter, die kaum deutsch sprachen mit einem deutschen Wachmann, der stets eine Pistole bei sich trug, es war grausam! Doch der Versand der vielen Obstbäume, der Nadelhölzer, der Nutz- und Ziersträucher musste ja weitergehen. Am 15.05.1942 verließ ich das Büro der Baumschule Bruno Wenk in Paßdorf um zu Hause, den kranken Vater Ferdinand Tuttlies zu unterstützen. So war ich dann wieder zuhause. Opa kam ab und zu mal von der Front in Urlaub. Die Rückfahrt zur Front war dann immer am schlimmsten. Im Oktober 1943 haben wir geheiratet. Ich blieb aber in Wilkental wohnen. Die Front rückte immer näher. Nachdem die Wehrmacht in Polen besiegt war, rückte Russland weiter vor.
- Die größten Städte in Ostpreußen wurden schon bombardiert. Im Sommer 1944 musste nach Königsberg auch Insterburg daran glauben. Es war sehr schlimm; denn mein ältester Bruder Max (Tuttlies) wohnte in der Albrechtstraße Nr. 15 mit seiner Familie dort. Es blieben alle verschont und wurden nach Kroslitz bei Leipzig evakuiert.
Einschub: " Zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs war Insterburg aber eine wichtige Garnisonsstadt der preußischen Armee. Im Osten der Stadt entstand ein großes Kasernenviertel. In Insterburg standen 1914 das Kommando der 2. Division mit zwei Brigadekommandos und mehreren Verbänden der Infanterie, Kavallerie und Feldartillerie (darunter zwei Bataillone des Infanterie-Regiments 45), insgesamt über 2000 Soldaten. 1902 schied die Stadt Insterburg aus dem Landkreis Insterburg aus und bildete einen eigenen Stadtkreis. 1913 wurde ein Bismarckturm errichtet. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs war die Stadt infolge der Schlacht bei Gumbinnen vom 24. August bis 11. September von der russischen Armee besetzt und wurde danach Hauptquartier von Paul von Hindenburg.
In der Zeit der Weimarer Republik war Insterburg Sitz des Landratsamtes, eines Amts-, eines Land- und eines Arbeitsgerichtes, eines Finanz- und eines Zollamtes, einer Reichsbank-Nebenstelle sowie einer Industrie- und Handelskammer. Die Wirtschaft hatte sich mit der Ansiedlung von Ziegeleien sowie von Unternehmen zur Herstellung von Zuckerwaren, Essig und Mostrich, Chemikalien und Lederwaren weiter diversifiziert. 1926 wurde nach Fertigstellung des Pregelseitenkanals der Hafen Insterburg eingeweiht. Nachdem die Stadt zur Zeit der Reichswehr ihre Garnison behalten konnte, erfolgte von 1935 bis 1937 der Bau eines großen Flugplatzes und von Kasernen für die Wehrmacht. 1939 wurde mit der Restaurierung der Insterburg begonnen. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war die Bevölkerung auf 49.000 Einwohner angewachsen.
Am 27. Juli 1944 wurde Insterburg durch einen sowjetischen Bombenangriff erheblich zerstört. 120 Tote waren zu beklagen, obwohl der Kern der Altstadt mit besonders leicht brennbaren Häusern schon geräumt worden war. Von da an wurde die Stadt schrittweise weiter evakuiert, besonders ab dem zeitweisen Einbruch der Roten Armee bei Goldap im Oktober 1944 . Anfang Januar 1945 befanden sich noch 8.000 bis 10.000 Insterburger in der Stadt, vorwiegend solche mit Funktionen in noch nicht evakuierten Betrieben und Institutionen. Am 13. Januar 1945 begann die sowjetische Großoffensive in Ostpreußen. Einem schweren Luftangriff am 20. Januar fielen noch einmal 30 Zivilisten zum Opfer. Von da an lag die weitgehend geräumte Stadt unter ständigem Beschuss durch Tiefflieger und Artillerie. Der letzte Zug verließ Insterburg am 22. Januar 1945 um 0:30 Uhr. [15]
Hildegard Kiehl berichtet weiter:
- Für mich war es immer eine Freude, wenn ich nach Insterburg zu meinem Bruder Max mit meiner Schwester fahren durfte. Er hatte ein Geschäft mit vielen, vielen Bonbons. Meine Schwester Friedel wohnte in Königsberg. Ihr Mann war an der Front und sie wurde nach Lugau im Erzgebirge evakuiert.
- Eine wichtige Einnahmequelle für seinen Kolonialwarenladen zuhause, waren die wohlhabenden Schüler der nahe liegenden Schulen die regelmäßig versuchten, ganz viel Bomche für ganz wenig Dittchen zu erstehen. Als tüchtiger Kaufmann hatte mein Bruder Max (Tuttlies) zum Wechseln immer viel Kleingeld in der Ladenkasse. Angeblich versuchten einige Eltern, durch ein Ladenverbot die Kauflust Ihrer Sprösslinge in den Griff zu bekommen.
- Im Herbst 1944 mussten auch große Teile der Landbevölkerung die Heimat verlassen. Sämtliche Kühe wurden zu großen Herden zusammengetrieben, und weiter in den Westen sollte es gehen; was wir aber nicht glaubten! Ich höre heute noch das verzweifelte Brüllen der Tiere und unsere älteste Kuh stand eines Tages vor dem Stall auf dem Hof. Sie war heimgekehrt, und wir haben sie behalten. Pferde durften bleiben; denn der Flüchtlingstreck ging mit Pferd und Wagen in den Kreis Mohrungen in Ostpreußen. Der größte Kastenwagen wurde mit einer Plane überspannt und mit Hab und Gut, so viel hineinging, beladen. Unser Termin war der 15. November 1944. Doch plötzlich wurde Vater wieder sehr krank. Er hätte wohl den langen Treck mit der großen Aufregung nicht überstanden. So beschlossen wir, noch etwas Daheim zu bleiben. Vom 21. 10. – 1. 11. 1944 wurde die Räumung des Kreisgebietes Insterburg (teilweise) von der Zivilbevölkerung angeordnet. Aufnahmekreis ist der Landkreis Mohrungen. Unser Michael war noch immer bei uns. Noch einmal, zum letzten Male in unserem Leben, haben wir Weihnachten zuhause erlebt, mit einem kleinen Weihnachtsbaum — es war sehr traurig. Michael versprach Vater, auf alles zu achten; denn er wollte in Wilkental wohnen bleiben. Feldpost kam auch nicht mehr. Unsere Wehrmacht war auf dem Rückmarsch. Mit der Bahn nach Königsberg, in die leerstehende Wohnung von Tante Friedel und weiter bis über die Weichsel ( ... denn es war eine Hoffnung, daß der Russe dort zum Stillstand käme!).
Dann in Gottes Namen!
- So packten wir nur Handgepäck, soviel wir schleppen konnten. Alles wurde auf einen kleinen Kasten Wagen geladen, Michael spannte beide Pferde davor und fuhr am Wohnhaus vor. Vater und Mutter gingen noch einmal durchs Wohnhaus, Stall und Scheune, schlossen alles ab und stiegen zu Michael und mir in den Wagen. Die Schlüssel übergab Vater an Michael. Vater nahm Michael die Leine ab, sagte: „Dann in Gottes Namen.!" Vater trieb die Pferde an; und wir fuhren von unserem geliebten Hof und Grundstück zur Bahnstation Grünheide. Es war der 10 Januar 1945. Die Flucht begann. Wer nach Westen wollte, brauchte eine Reisegenehmigung, um Fahrkarten für einen der wenigen noch verkehrenden Züge zu erwerben.
- Auf dem Bahnhof nahm Vater Michael in den Arm, uns allen liefen die Tränen; wir stiegen in den Zug in Richtung Insterburg und von hier aus ging es nach Königsberg weiter. In Königsberg kamen wir in der Wohnung meiner Schwester Friedel, trotz Fliegeralarm, etwas zur Ruhe. Das Zweifamilienhaus war Kasernengelände und vor der Stadt gelegen. Mein Schwager war Hausmeister in der Kaserne, zusammen mit einem zweiten, der in demselben Haus wohnte — und dieser war noch da, während mein Schwager an der Front war.
- Die Freude war groß — aber nicht zu lange! Einmal bin ich noch nach Hause gefahren. Michael war nicht mehr da. Auch Lisa und Mona, unsere treuen Kühe, war weg. In der Veranda lag unser Hofhund, aber erschlagen. Die Haustür aufgebrochen; aber das Haus war nicht ausgeräumt. Viele Einheiten von deutschen Soldaten hatten sich in der Umgebung niedergelassen, die auf dem Rückzug waren. Auch Opas Einheit war dabei, allerdings einige Kilometer entfernt. Sie alle schützten unser Hab und Gut vor Plünderungen, so gut es ging. Der Russe plante weitere Großangriffe, die kamen dann auch, es war ein bitterkalter Winter mit 20 Grad minus und mehr und viel Schnee.
Weitere Hintergrundinformation zur Evakuierung Ostpreussens : „Die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“, in Verbindung mit Adolf Diestelkamp, Rudolf Laun, Peter Rassow und Hans Rothfels bearbeitet von Theodor Schieder, [16]
Die Königsberger Bevölkerung war zunächst mit Eisenbahnzügen geflohen, bis der Zugverkehr nach dem Reich am 21. Januar aufhörte. Danach hatten sich große Teile nach Pillau begeben, um von dort aus entweder über die Nehrung nach Westen zu gelangen oder über See ins Reich abtransportiert zu werden. Als Ende Januar 1945 die Einschließung der Stadt vollendet war, wurden noch geringe Teile der Bevölkerung zu Schiff von Königsberg nach Pillau gebracht, und Mitte Februar, nachdem im Norden der Stadt die Verbindung nach dem Samland für einige Wochen wieder freigekämpft war, konnten noch weitere Teile der Zivilbevölkerung aus Königsberg ins Samland übergeführt werden. Dennoch blieben ca. 100 000 Menschen in Königsberg zurück. Viele von ihnen kamen den Räumungsaufforderungen der Partei absichtlich nicht nach, weil sie sich in der Stadt sicherer glaubten als im Samland oder auf dem gefahrvollen Fluchtweg über Pillau. Fortgesetzte Bombenabwürfe und Artilleriebeschuss auf Königsberg zerstörten während der Wochen der Einschließung einen großen Teil der ohnehin durch Luftangriffe schon früher schwer mitgenommenen Stadt und richteten unter der nur noch in Kellern lebenden Zivilbevölkerung hohe Verluste an. Als schließlich am 6. bis 9. April der Generalangriff der Roten Armee auf Königsberg erfolgte, wurden nochmals viele Zivilisten in die Kriegsereignisse hineingerissen. Ca. 25 Prozent der in Königsberg verbliebenen Bevölkerung waren im Laufe der Kampfhandlungen ums Leben gekommen, als am 9. April die Stadt an die Russen übergeben wurde.
Als letzte Bastion in Ostpreußen blieb nunmehr nur noch der Streifen entlang der Samlandküste und der Raum um Pillau—Fischhausen in deutscher Hand. Noch immer betrug die Zahl der aus Königsberg, dem Samland und aus weiter östlich gelegenen Kreisen in Pillau, Fischhausen, Palmnicken, Rauschen und Neukuhren untergebrachten Menschen viele Tausende, obwohl die Hauptmasse der Flüchtlinge bereits von Pillau aus über See abtransportiert worden war. Die ersten mit Flüchtlingen beladenen Schiffe hatten am 25. Januar Pillau verlassen, und am 15. Februar konnte in Pillau bereits registriert werden, daß 204.000 Flüchtlinge mit Schiffen abbefördert und weitere 50000 nach Neutief übergesetzt und im Treck oder Fußmarsch auf der Frischen Nehrung weitergeleitet worden waren. Aber noch immer strömten viele Tausende nach Pillau. Sie kamen nicht nur über Land, sondern auch von Neukuhren aus mit kleinen Schiffen an. Die Stadt beherbergte an manchen Tagen über 75.000 Menschen, unter denen die ständigen sowjetischen Fliegerangriffe hohe Verluste anrichteten. Allein in der Zeit von Anfang März bis Mitte April fanden 13 schwere Luftangriffe auf Pillau statt, während gleichzeitig auch sowjetische Artillerie Stadt und Hafen beschoss.
Vom 8. März an musste für ca. drei Wochen der Abtransport von Flüchtlingen aus Pillau eingestellt werden, weil aller zur Verfügung stehende Schiffsraum in dieser Zeit zum Abtransport der Flüchtlinge aus den Städten Danzig und Gdingen benötigt wurde, denen in Kürze die Einnahme durch sowjetische Truppen drohte. In dieser Zeit, als keine Schiffe von Pillau abfuhren, zogen viele Tausende nach Neutief herüber und die Nehrung entlang, denn von der Danziger Niederung aus verkehrten auch nach der Einnahme Danzigs noch Fährprähme nach Hela, von wo aus dann der Weitertransport ins Reich erfolgen konnte. Ab Ende März wurde der Schiffsverkehr von Pillau aus nach dem Westen wieder aufgenommen. [17]
Die bekannteste Zahlenangabe in der Literatur zur Vertreibung besagt, dass rund zwei Millionen Deutsche insgesamt infolge der Vertreibung umgekommen seien. Hans-Ulrich Wehler schätzt, dass während der Flucht, Vertreibung oder Zwangsumsiedlung 1,71 Millionen Deutsche ums Leben kamen. Der Kirchliche Suchdienst und das Bundesarchiv kamen 1965 und 1974 unabhängig voneinander mit Einzelfallrecherchen auf 500.000 bis 600.000 bestätigte Toten in unmittelbarer Folge der Verbrechen im Zusammenhang mit der Vertreibung. Unter allen deutschen Ländern hatte Ostpreußen im Zweiten Weltkrieg die meisten Verluste erlitten: Von seinen fast 2,5 Mio. Einwohnern fielen 511.000 Menschen (darunter 311.000 Zivilisten) im Kampf, auf der Flucht, durch Verschleppung und Lagerinternierung sowie dem Hunger und der Kälte zum Opfer. [18]
Auch der Gauleiter von Ostpreußen Erich Koch begab sich auf die Flucht. Erich Koch floh am 24. April 1945 mit einem Flugzeug von Pillau-Neutief auf die Halbinsel Hela, von wo er auf dem eigens für ihn extra bereitgehaltenen Hochsee-Eisbrecher "Ostpreußen" am 27. April 1945 vor den vorrückenden Truppen der Roten Armee über die Ostsee entkommen konnte. Am 29. April 1945 erreichte er Saßnitz, das ebenfalls schon von der Roten Armee bedroht wurde, am 30. April 1945 Kopenhagen und am 5. Mai 1945 Flensburg. Dort nahm er eine neue Identität an, indem er sich falsche Papiere ausstellen ließ. Sein „ Hitlerbärtchen” rasierte er ab, zudem trug er nun zur Tarnung eine Brille.” 1949 wurde er verhaftet und an Polen ausgeliefert. 1986 starb er dort im Gefängnis. [19]
- Hildegard Tuttlies berichtet weiter:
- In Königsberg kam der Bescheid, dass die Stadt sofort von Zivilisten geräumt werden müsste. Dieses Mal sollte es per Schiff weitergehen. Unser Nachbar brachte uns zum Hafen. Hier lag ein Riesenschiff vor Anker (den Namen weiß ich nicht mehr...), im Begriff auszulaufen. Die Zugangsbrücke war schon eingefahren, aber an Strickleitern zogen sich Flüchtlinge noch eilig an Bord, und wir sollten auch hoch — aber Uropa und -Oma wehrten sich dagegen. Und das war unser Glück! Das so überladene Schiff bekam auf hoher See einen Volltreffer und ist mit Mann und Maus gesunken! Und nun kam der gefürchtete Fliegeralarm. Wir liefen in einen Bunker, es ging alles glimpflich ab. Plötzlich tauchten deutsche Soldaten auf. Sie trennten die Männer von ihren Familien, sie sollten zur Verteidigung der Stadt zurückbleiben, so auch mein Vater — und das mit 76 Jahren! Frauen und Kinder mussten geschwinde aus dem Bunker, wir wurden mit der Menschenmasse nach draußen gedrängt, Vater blieb fassungslos zurück!
Abschied von der Heimat!
- In großen Militärtransportern ging es zum Nordbahnhof, von hier dann mit dem Zug nach Pillau, in den nächsten Seehafen; vom Bahnhof dann bis zum Hafen mit unserem schweren Gepäck zu Fuß. Ich hatte einen großen Koffer — mit Schinken und Speck und noch einen zweiten Koffer mit Bekleidung. Es war ja tiefer Winter... Ich packte beide Koffer übereinander, zurrte sie mit langen Riemen sehr fest und schleppte sie im Schnee und Eis hinter mir her. Mutter hatte einen Riesenmarmeladeneimer voller Schweineschmalz und eine große Tasche dazu gepackt. Bei Vater war ein Rucksack mit Würsten und eine Tasche mit Zeug zum Anziehen. Er hatte seinen großen Fahrpelz über seine Bekleidung gezogen, dazu Pelzmütze und Pelzhandschuhe, also frieren konnte er nicht! Auch Mutter hatte ihren Pelz an. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben eine lange Hose an, die Trainingshose von meinem Bruder.
- In Pillau kamen wir auf kleine Seesicherungsboote, dicht gedrängt. Mutter saß auf dem Schmalzeimer, ich mit einer jungen Frau zusammen auf meinen Koffern. Die Reisestrecke war Pillau—Stettin.
- Die Bahnfahrt im Güterzug hat fast acht Tage gedauert. Wir hatten oft Fliegerbeschuß, mussten dann ganz schnell aus dem Zug heraus, uns in Büschen und Gräben verstecken. Wenn die Gefahr vorbei war, pfiff der Zug — alles rannte wieder zum Zug — und weiter ging es. Des Nachts standen alle Räder still. Mich wunderte es nur, dass wir immer wieder unseren wertvollen Schmalzeimer und den Speckkoffer vorfanden. Aber wieder „Gott sei Dank..."! Es ging alles gut — und dann standen wir vor der Tür von Tante Friedel, es war früh an einem Morgen. Müde, dreckig, hungrig, alles verloren, ohne unseren Vater. Es war ein trauriges Wiedersehen.
- Allmählich lebten wir uns ein; trotz der großen Flüchtlingszahl — und der sehr knappen Verpflegung auf Lebensmittelkarten, obwohl wir immer noch etwas aus unserem Mitbringsel zuzusetzen hatten. Es gab keinen Fliegeralarm, dafür sehr viele Russen als Besatzung; man ging ihnen aus dem Wege und so blieb man ungeschoren! So konnten wir wenigstens in der uns zugewiesenen Bodenkammer lange und ruhig schlafen, um vielleicht eine Mahlzeit einzusparen; denn unsere Vorräte wurden immer weniger. Dazu kam das bange Warten auf Nachricht von meinem lieben Gerhard, meinem Vater, meinem Bruder, meinem Schwager, dem Mann meiner lieben Schwester.
- Wir waren sehr lange unterwegs. Gott sei Dank, wir kamen, trotz Fliegeralarm, heil in Stettin an. Ab hier ging es mit der Bahn quer durch Deutschland nach Chemnitz und weiter nach Lugau im Erzgebirge zu Tante Friedel und ihren Kindern. Das Ziel hatten wir uns schon zu Hause vorgenommen.
Der 8. Mai 1945
- Und dann kam der große Tag — 8. Mai 1945, „Tag der Kapitulation". Meine Mutter und ich standen draußen am Hofzaun, schauten ins weite Land und weinten, weinten. Wir hatten Heimweh nach unserem Ostpreußen und Sehnsucht nach unseren Lieben. Ob sie noch am Leben waren? Dazu die bange Frage, was sollen wir kochen, wieder eine Wassersuppe von Rübenblättern, die wir von den Feldern stibitzten, oder vielleicht lieber „Spinat von Brennnesseln" mit nichts drin?
- So verging die Zeit... Mai und Juni war auch fast vorbei — und dann kam sie, die lang ersehnte Nachricht von meinem lieben Mann, Eurem Opa! Den Brief mit der vertrauten Schrift hielt ich lange in den Händen. Ich wagte ihn kaum zu öffnen, ging nach draußen, setzte mich in eine stille Wiesenecke und habe den Brief geöffnet! „ Mollhagen bei Trittau in Holstein", stand neben dem Datum. Er schrieb mir, dass er gesund den furchtbaren Krieg überstanden habe und dass er beim Engländer auf einer Entlassungsstelle arbeite. Er hoffe nur, dass ich mit meinem Lieben alles gut überstanden hätte und dass wir uns recht bald in Mollhagen wiedersehen mögen. Tante Friedels Anschrift aus Lugau hatte er nach unserer Abreise aus Königsberg zufällig in der unbewohnten Wohnung gefunden! „Glück muss der Mensch haben!"
- Ich fuhr dann sofort zu Eurem Opa. Ab Chemnitz nach Hamburg im offenen Güterzug. Es war Sommer, die Sonne schien und uns stand das Wiedersehen bevor! In Trittau (Schleswig-Holstein) trafen wir uns. Ein halbes Jahr ohne Nachricht waren wir; und ich war so schüchtern ihm gegenüber — er aber auch!
- Es gab kein jauchzendes Wiedersehen; sondern leise weinend lagen wir uns in den Armen. Dann ging es mit einem Dienstwagen nach Mollhagen, unserer Unterkunft. Es war ein großer Bauernhof mit einem schönen geräumigen Wohnhaus. Über die Diele gelangte man zur Treppe nach oben in unser Zimmer.
- Es war klein und ärmlich möbliert. Ein breites Bett mit einer Strohschütte, darüber eine alte Decke, ein gebrauchtes Kopfkissen und eine zweite Decke zum Zudecken (ohne Bettwäsche!). Dann ein winziger Tisch und zwei verdreckte Gartenstühle, eine Kochhexe und ein Brett als Ablage für einen Eimer, einen alten Kochtopf, zwei Teller, zwei Löffel, zwei Gabeln und Messer und zwei Becher! „Na, gode Morje — ös dat alles?" sagte wütend Euer Opa! Aber zwischen den zwei Fenstern hing ein riesiger Wandspiegel von der Decke bis zum Erdboden!
- Die Wirtsleute verhielten sich sehr reserviert — wir aber auch! Wir waren ja Flüchtlinge aus Ostpreußen, die für den Krieg verantwortlich waren. „Vielleicht kommen DIE sogar aus Polen...", hieß es von unserem Gastgeber, dem Herrn ehem. „Ortsbauernführer"! Über unsere Schwelle kam der Bauer nie. Wenn er uns großzügig mal ein trocknes Brot zukommen ließ, riss er die Türe auf und warf es uns zu!!! Wir bedankten uns überschwänglich und lachten dabei! Das stand bei uns fest, unsere Bleibe war dort nur von kurzer Dauer! Wir waren glücklich, nachdem wir uns wieder aneinander gewöhnt hatten. Der Krieg war vorbei — wir waren jung und gesund und hatten die Zukunft, ganz gleich wie, vor uns! Über die erste Bettwäsche auf Bezugsschein haben wir uns riesig gefreut!
- Ich betätigte ich mich jede Woche einmal beim Hausputz. Dann stand der Altbauer, ihr Vater, mit Spazierstock Schmiere, ob ich auch alles gut machte! Ich feudelte dann wie wild um ihn herum, und jedes Mal rief er: „Aufhören!
Neubeginn beim Zoll
- In unserem gemeinsamen Leben ist aber alles gut gegangen. Mein Mann und ich hatten immer einen Schutzengel, und ich bin unserem Herrgott dankbar, dass wir fast 55 Ehejahre gemeinsam erleben durften. Nun hatte sich Euer Opa bei den örtlichen Behörden, die es noch gab, beworben.
- Im Juni 1946 bekam er die Einberufung zum Zollgrenzschutz als Zollassistent nach Vennebrügge, Gemeinde Uelsen, Kr. Grafschaft Bentheim an der holländischen Grenze. Mit Dienstwohnung — was waren wir froh! Zwei Tage und eine Nacht waren wir von Trittau bis Neuenhaus, die letzte Bahnstation vor der Grenze, also Vennebrügge, unterwegs. Des Nachts standen alle Räder still.
- Die letzten 12 km ging es per Anhalter — nur mit Pferdefuhrwerk — weiter! Die Welt war dort zu Ende und die Zeit wohl stehen geblieben! Es war ein winziges Grenzdorf mit drei holländischen Bauern ( Kampherbeek, Stegink, Schulding – auf der deutschen Seite) einem Arbeitshaus, ein bewirtschaftetes Zollhaus, d.h. Zollamt für den kleinen Grenzverkehr, vor dem Krieg neu erbaut und von zwei Zollbeamten mit Familien bewohnt, ein altes ausgeräubertes Zollamt, das wieder später als Dienstwohnung in Stand gesetzt wurde. Ein Beamter wohnte dort schon und empfing uns und hat uns in unsere Wohnung eingewiesen.
Unsere Wohnung hatte drei Zimmer, Stall — und Plumpsklo
- Wir fingen an mit einem selbst gestopften Strohsack, einem Tisch aus alten Dielenbrettern, mit zwei Stühlen ohne Sitze, einer kleinen Hängelampe mit Petroleum. Keinen Herd, nur mit einem Kanonenofen und einem Kochgeschirr wurde gekocht! Das war unser neues Leben in unserer neuen Wohnung.
- Sie hatte drei Zimmer, eine geräumige Küche und Stallungen für Schwein und Hühner und ein Plumpsklo! Ein Garten für Gemüse gehörte auch dazu. Aber keine Türen, kaum Fensterscheiben, kein Strom, kein Wasser, weder Herd noch Ofen, natürlich hatten wir auch keine Möbel! Aber zwei frischgestopfte Strohsäcke lagen für uns bereit. Euer Opa hatte zwei Decken und seinen dicken Wehrmachtsmantel aus dem Krieg mitgebracht. Dazu noch zwei Paar Knobelbecher, meine waren in der kleinen Größe, aber zu groß — also wir haben sie in der kalten Jahreszeit getragen. Das war der Anfang unseres gemeinsamen Lebens.
- Der Pole war dort Besatzungsmacht und hat bei seinem Abzug alles „kurz und klein geschlagen", hieß es.
Die polnische Besatzungszone war von 1945 bis 1948 ein Sondergebiet innerhalb der britischen Besatzungszone im Nachkriegsdeutschland und befand sich im mittleren nördlichen Gebiet des heutigen Landkreises Emsland sowie in der Gegend von Oldenburg und Leer. Sie grenzte an die Niederlande und umfasste ein Gebiet von 6470 km². Die Zone mit einem Lager für Displaced Persons wurde von der polnischen Exilregierung verwaltet. Verwaltungszentrum dieser polnischen Zone war die Stadt Haren. Sie war während dieser Zeit als Maczków nach Stanisław Maczek benannte Besatzungszone. Weitere Orte, die von der deutschen Bevölkerung geräumt werden mussten, waren Teile von Papenburg und Friesoythe (der Ortsteil Neuvrees wurde in Kacperkowo umbenannt und weist aus dieser Zeit noch heute eine so genannte „Polenkirche“ auf). Das Straßendorf Völlen wurde nicht evakuiert. Hier erfolgte die Trennung der Bevölkerungsgruppen entlang der Straßenmitte: die deutschstämmige Einwohnerschaft wurde auf der östlichen Straßenseite konzentriert, während in die leer geräumten Häuser auf der westlichen Straßenseite Polen einzogen.
Die neue polnischstämmige Bevölkerung setzte sich zusammen aus etwa 30.000 Displaced Persons, vor allem ehemaligen Häftlingen der Emslandlager – zu diesen gehörten auch Angehörige des Warschauer Aufstandes vom August 1944 – und 18.000 polnischen Soldaten.
Da die überwiegende Zahl aus den damaligen polnischen Woiwodschaften Lwów und Stanislau, dem heutigen Iwano-Frankiwsk, kamen, wurde die Stadt Haren zuerst in Lwów umbenannt. Die wichtigsten Straßen der Stadt erhielten polnische Namen dieser Orte. Bereits nach einem Monat wurde auf sowjetischen Druck der Name am 24. Juni 1945 erneut geändert.
Die Stadt wurde nunmehr nach dem polnischen General Maczek benannt, der mit seiner 1. Panzerdivision die umliegenden Gefangenenlager befreit hatte. Da sich ein großer Teil der in deutschen Lagern internierten polnischen Intelligenz hierauf in Maczków niederließ, entwickelte sich der Ort sehr dynamisch zum Zentrum des polnischen Verwaltungsgebietes, hinter dem die antikommunistische polnische Exilregierung stand.
Die polnische Exilregierung soll sogar darüber nachgedacht haben, die Enklave auf bis zu 200.000 Polen aufzubauen, um so indirekt Druck für freie Wahlen in Polen ausüben zu können. Die durch die polnische Exilregierung verwaltete polnische Besatzungszone im Emsland war für die Sowjetunion nicht tolerierbar, obwohl Winston Churchill diese Pläne zunächst begrüßte. Deshalb verlangte die Sowjetunion von den britischen Behörden, die polnische Zone aufzulösen, was auch geschah. [27]
In den 15 Emslandlagern der Nazis mußten die Häftlinge unter KZ-Bedingungen schwerste Moorarbeiten leisten. Displaced Persons „heimatlosen Ausländern“ wurden u.a. im Dorf Neuvrees, ein heutiger Stadtteil der Gemeinde Friesoythe - umbenannt in Kacperkowo, kurzfristig nach 1945 angesiedelt. Dort wurde 1945 sogar eine neue Kirche von Displaced Persons gebaut. Der polnischen Historiker Rydel hat als Erster die militärgeschichtlichen Quellen aufgearbeitet und den verwickelten politischen Entscheidungsprozess nachgezeichnet, der zu der Einrichtung einer polnischen Enklave im Emsland innerhalb der britischen Besatzungszone führte [28].
- Hildegard Kiehl berichtet weiter:
- In Vennebrügge kam aber alles wieder zurecht, Türen und Fenster zuallererst. Zwei eiserne Bettgestelle ohne Rahmen (da kamen einfach Dielenbretter aus dem alten Zollhaus hinein!), dann zwei neue Stühle, auch ohne Sitze, ein Herd und ein Kanonenofen ohne Rohre! Im nahen Wald lagen genug leere Konservenbüchsen, das wurden die Ofenrohre; die wahnsinnig räucherten! Machte nichts, wir waren glücklich in unserer Wohnung!
- Euer Opa hat dann aus Dielenbrettern einen Tisch und ein kleines Regal gezimmert. Strom hatten wir immer noch nicht. Aber wir bekamen eine kleine Petroleum-Wandlampe von einer lieben Einheimischen geschenkt. Sie (die Lampe) war unser kostbarstes Stück, ohne Zylinder! Zwei große leere Benzinkanister aus dem Wald hat Euer Opa zu Wasserbehältern umgebaut, das Wasser mussten wir von den Bauern schleppen! Auch Waschbehälter entstanden daraus. Die Tage vergingen sehr schnell; denn wir hatten immer eine Beschäftigung. Ich half den Bauern viel auf den Feldern, gegen Naturalien. Wenn Euer Opa Zeit hatte, gingen wir gemeinsam hin, pro Tag gab es für beide 1 Zentner Kartoffeln, auch in der Getreideernte waren wir dabei.
- Essen gaben uns die Bauern obendrein, leckere Bratkartoffeln und Milchsuppe zum Abend; am Nachmittag dicke Wurstschnitten und Kaffee - alles satt! Wir konnten ein Schwein versorgen, auch Hühner, sechs an der Zahl und einen Hahn. Dieser war zu unsere Nachbarin Frau Recke aus unserem Haus sehr böse! Sie durfte sich nicht in seiner Nähe blicken lassen, schon saß er ihr auf dem Rücken und teilte heftige Schnabelhiebe aus; darum wanderte er in den Kochtopf. Der dritte Nachbar war die Familie Panck, mit einem alten DKW-Motorrad – allerdings ohne Benzin, aber welch eine Sensation!
„Nich griene, mien Marjellke, wie schaffe et!"
- Inzwischen ist es Herbst geworden. Euer Opa und ich haben im nahen Moor Topf gestochen; denn wir brauchten ja Brennmaterial, und der Winter stand bevor. An Kohlen war nicht zu denken! Acht Kilometer war es bis zum Moor, wir hatten nur ein Fahrrad, das Dienstrad! Es war unser einziges Verkehrsmittel „die Fietz", hieß es holländisch! Das Fahren auf dem nur „einem Rad" ging für zwei Personen immer nur abwechselnd; fahren, überholen, abstellen — zu Fuß weiter, bis man wieder zum abgestellten Rad gelangte. Viel später gab es aber dann ein Damenfahrrad und ein Moped. Darauf bin ich, Eure Oma, mit Eurem noch „kleinen Papa" wie die Feuerwehr auf den schlimmen, ausgefahrenen Straßen, wo nur ein schmaler Pfad für „Fietsen" war, entlang gebraust! Es ging aber immer alles gut.
- Große Achtung hatten wir vor der nahen „Holländischen Grenzbevölkerung". Auch sie waren nur auf ihre Fahrräder angewiesen, ob Jung oder Alt, alle kamen sie am Sonntagmorgen an uns vorbei, die älteren Frauen in langen Röcken — eine Halbschürze davor, Bluse und Jacke und eine Haube gehörte dazu, an den Füßen hatten sie holländische Botten aus Holz an. Wenn's regnete, hatten sie in einer Hand noch einen Regenschirm aufgespannt! Sie fuhren in eine bestimmte Kirche – die altreformierte Kirche in Uelsen.
Die Evangelisch-altreformierten Gemeinden entstanden ab 1838 in der Grafschaft Bentheim und ab 1854 in Ostfriesland aus den dortigen reformierten Gemeinden. Grund waren die liberalen Strömungen in der Theologie der reformierten Gemeinden, denen sich viele Gemeindeglieder widersetzten und sich daher von ihren Gemeinden absonderten. Den Anfang machte die niederländische Gemeinde Ulrum in Groningen, die sich von der reformierten Kirche am 13. Oktober 1834 trennte. Ihr Pastor Hendrik de Cock wurde zur Leitfigur der in Ostfriesland und der Grafschaft Bentheim nach ihm benannten „kokschen“ Abscheidungsbewegung (niederländisch Afscheiding). Betont wird die Mündigkeit und Überschaubarkeit der Ortsgemeinde, die vom Kirchenrat geleitet wird. Jeder Haushalt wird alle ein bis zwei Jahre von zwei Vertretern des Kirchenrates besucht. Die Gemeindekirche lebt vom Engagement ihrer zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiter. Missionarisch steht die altreformierte Kirche mit Gemeinden in Asien in enger Verbindung, insbesondere in Indonesien und Bangladesch. 2004 kam es als Abschluss des sogenannten „Samen op weg (Gemeinsam auf dem Weg)“-Prozesses zur Wiedervereinigung mit der Niederländisch-reformierten Kirche zur Protestantischen Kirche in den Niederlanden.” [30]
- Wir hatten als junge Zöllnerfamilie in Vennebrügge an allem großen Spaß, es war ein einfaches, aber schönes Leben für uns — noch immer hatten wir keine Möbel, wenig Gehalt — anfangs nur 160,85 Reichsmark, es gab noch immer fast nichts zu kaufen; alles nur auf Bezugsscheine, die kaum zu haben waren.
- Dazu die Sorgen um meinen Vater und meinen Bruder. Beide galten als vermisst. Ob sie noch lebten? Meine Mutti war noch im Erzgebirge, bei Tante Friedel. Zwar hatten wir für Vater und Bruder Suchmeldungen an das „Rote Kreuz" nach Hamburg geschickt — aber alles vergebens.
- Inzwischen war der November des Jahres 1947 vorbei. Die Tage waren auch dort dunkel und regnerisch. Ich strickte für die Bauern Strümpfe, Pullover, Schals für wenige Lebensmittel, sie waren geizig. Euer Opa machte den Grenzdienst bei Wind und Wetter!
- Und eines Tages, Anfang Dezember 1947 kam über das „Rote Kreuz" Nachricht von meinem Vater — und auch zugleich über Onkel Erich, beide lebten! Vater war in einem Ort bei Walsrode. Mein Bruder in Lübeck in einem Lazarett als Sanitäter. Sofort fuhr ich zu Vater, der bei einem Bauern lebte. Wieder war die Fahrt beschwerlich; aber ich bin dort gut angekommen.
- Angekommen fragte ich mich erstmal nach dem Bauern durch. Auf mein Klopfen an die Küchentüre trat ich ein und sah vor mir eine lange vollbesetzte Tafel, es war Mittagszeit. Ich stellte mich vor und fragte nach meinem Vater — und sah ihn am unteren Ende des Tisches sitzen. Als er seinen Namen hörte schaute er auf — und wir lagen uns in den Armen. Vaters erste Frage war nach Mutter; auch sie lebte und wurde etwas später zu Vater nach Vethem gebracht, mein Bruder Erich siedelte aus Lübeck. Unsere Lieben hatten ein wunderbares Leben bei Bauer „Heini" Lühmann. Ihm herzlichen Dank! :
- Ich war wieder wohlbehalten in Vennebrügge gelandet. Mein Gerhard, Euer Opa, konnte aus dienstlichen Gründen nicht zu uns kommen. So gab es viel zu berichten — und nun nahte schon Weihnachten; das Wiederfinden unserer beiden Lieben war schon „ein Geschenk vom lieben Gott!" Wir waren arm, schliefen immer noch auf einem Strohsack, und waren unsagbar froh und glücklich! Und nun stand das schönste Fest aller Feste, nämlich Weihnachten vor der Türe. :
Weihnachtsbaum in der Konservendose
- „Ohne Baum keine Weihnachten", meinte euer Opa. Also holte er einen kleinen Baum aus dem Wald. Er wurde in eine mit Erde gefüllte Konservendose gestellt. Ich schmückte ihn mit kleinen Äpfeln, die ich in flüssige Schlemmkreide getaucht hatte. Er sah prächtig aus in seinem einfachen Schmuck — ohne Kerzen und Lametta. Es war unser erster Weihnachtsbaum in unserem gemeinsamen Leben!
- Am Heiligen Abend saßen wir dann auf unseren zwei Stühlen, schon mit richtigen Sitzen! Die brennende Petroleumlampe hing an der Wand. Im Herd knisterten die Dannäpfel, die Herdtür stand offen und beleuchtete unseren Naturweihnachtsbaum. Ein Lied kam aber nicht über unsere Lippen, es fiel uns schwer – das Singen.
- Wir gingen unseren Gedanken nach — jeder für sich. Der schreckliche Krieg war vorbei, wir waren gesund geblieben und hatten uns wieder! Ich bekam aber doch nasse Augen. Euer Opa nahm mich in den Arm und sagte in seiner ruhigen Art zu mir: „Nich griene —mien Marjellke — wie schaffe et!"...Und wir haben es geschafft!
- Die Zeit lief so langsam dahin. Noch immer hatten wir keine Möbel, wenig Geld, ein knappes Gehalt von 160,85 Reichsmark. Es gab fast nichts zu kaufen, doch zu essen und zu trinken und ein Dach über dem Kopf hatten wir ja — das war das Wichtigste!
- Bis dann am 20. Juni 1948 die große Wende eintrat. Die neue Währung war da! Die „Deutsche Mark" löste die alte Reichsmark ab. Pro Person gab es 40.- DM Kopfgeld. Die Spareinlagen betrugen für 10.- Reichsmark 1.- DM. Wir hatten keine Spareinlagen — also hatten wir auch keine DM-Gutschrift. Aber der Lebensstandard raste in die Höhe. Es gab mit einem Male alles zu kaufen, was das Herz begehrte. Lebensmittelkarten und Bezugsscheine verschwanden. Ein Lebensmittelhändler kam einmal wöchentlich mit seinem vollen Auto vor unsere Haustür. Endlich gab es mal wieder Schokolade!
- Ja — und langsam konnten wir uns auch Möbel kaufen — auf Kredit, gefiel Eurem Opa gar nicht, aber wir haben es geschafft! Es war ein Freudentag, als zuerst die Küche dran war: Dann das Schlafzimmer, dann das Wohnzimmer, zuletzt das Kinderzimmer! Wir schwebten auf „rosa Wolken".
- Leider verstarb mein lieber Vater, Euer Uropa Ferdinand Tuttlies 01.08.1949 in Vethem. Eure Uroma, meine Mutter haben wir dann von Vethem zu uns geholt. Berta Tuttlies starb am 03.07.1968 in Hamburg. Wir hatten ein schönes, ruhiges Leben an der holländischen Grenze. Gemeinsam mit den wenigen holländischen Einwohnern, ihnen halfen wir immer noch bei der schweren Feldarbeit gegen Naturalien; denn Arbeiter waren knapp und wir hatten ja noch „Franz" (unser liebes Schwein) und unsere Hühner zu versorgen.
- Wir Zöllner gehörten zur Dorfgemeinschaft. Wenn eine Familienfeier bei den Holländern war, gehörten auch wir alle dazu, wurde ein „Söpken" (klarer Schnaps) ausgeschenkt, es ging der Bauer oder sein Sohn mit der vollen „Schnapsflasche" und nur einem „Schnapsglas" von einem zum anderen.
Zwei Enkel und die Heimatgruppe Insterburg füllen mein Leben aus
- Euer Papa Klaus (Kiehl) kam im April 1949 angerauscht. Zur Entbindung ging es vier Stunden per Pferdewagen über holprige Landstraßen ins Krankenhaus nach Hilten.
- Klaus wurde dann später in Wielen, 4 km entfernt, eingeschult. Zuerst musste er aber lernen Fahrrad zu fahren, denn für den Schulweg war er auf seinen Drahtesel angewiesen!
Es war eine einklassige Dorfschule mit 24 Schülern, darunter knapp die Hälfte Zoll- und Flüchtlingskinder. Bei schlechtem Wetter, wie Schneefall im Winter, konnten die Kinder warten, bis sich das Wetter beruhigt hatte. Die kleineren Kinder bekamen dann zum Mittag in der Lehrerwohnung eine Suppe, die größeren im Klassenraum eine Stulle Brot. Vorher mussten aber immer noch längere Bibeltexte angehört werden. Der Landkreis Grafschaft Bentheim war und ist ein Zentrum der (Alt)reformierten Christen in Deutschland.
Während der Zeit des Nationalsozialismus stand die übergroße Mehrheit der Altreformierten im Bentheimer Land, ihrer Hochburg, als ehemalige Wähler des streng protestantischen Christlich-Sozialen Volksdienstes (CSVD) aber in Opposition zum Regime. (siehe auch: Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen)
Bei der Reichstagswahl von 1930 gewann die betont evangelische Partei die CSVD besonders viele Stimmen in Regionen, welche durch eine starke pietistische oder freikirchliche Tradition geprägt waren, so in ländlichen Teilen Ostpreußens, in Ostwestfalen, Württemberg, Baden, Hessen-Nassau, im Siegerland und Wittgenstein, wo die antisemitische Ausrichtung nach wie vor zum Wesen der hier als „ Evangelischer Volksdienst“ (EVD) auftretenden Partei gehörte, in der Grafschaft Bentheim und dem westlichen Ostfriesland sowie um Düsseldorf. Sie war mit 14 Abgeordneten im Reichstag vertreten, die in der Regel den Zentrums-Reichskanzler Heinrich Brüning unterstützten.
Die Schulen in der Grafschaft Bentheim waren nach dem 2. Weltkrieg nach dem Mehrheitswillen der Eltern wieder wie vorher zur Bekenntnisschulen geworden, auch um den "Flüchtlings-Religionen vorzubeugen". Die Region um Uelsen mit dem Kirchspiel Uelsen als zentraler Punkt war und ist vornehmlich evangelisch-(alt) reformiert geprägt. Im 19. Jahrhundert entstand die (alt)reformierte Kirche, mit Beendigung des zweiten Weltkrieges ließen sich auch Lutheraner und Katholiken hier als Flüchtlinge nieder. 1960 gab es in Uelsen und Umgebung 6.500 Evangelisch Reformierte, 700 Evangelisch Alt Reformierte, 900 Lutheraner und 630 Katholiken als eingetragene Gemeindemitglieder.
Lehrer Lindner erhielt in der Nachkriegszeit die Nahrungsmittel für die Schulkinder vom Heide Gut Springorum in Wielen, dass direkt nebenan lag und eine große Gutsküche hatte. Das Gut, mit ursprünglich 421 ha Heide, war 1921 von der rheinischen Industriellen Familie Springorum dank großzügiger Subventionen als Versuchsgut zur Pflanzenaufzucht auf trockenen Heideböden angelegt worden. Auf dem Gut waren nach dem 2. Weltkrieg viele Flüchtlinge untergebracht. Die Kinder der drei Dorfbauern von Vennebrügge gingen in Holland zur Schule. Da diese Dorfbauern deutsche und holländische Pässe besaßen, brauchten sie keine Flüchtlinge aufnehmen. Die Hälfte der rund 600 Einwohner von Wielen besitzt 2020 die niederländische Staatsangehörigkeit. Es bestehen enge Wechselbeziehungen, vor allem familiärer Art, über die Grenze hinweg. Mehrere Gemeindewege führen über die „grüne Grenze“. Im Jahre 2023 stehen Gutshaus Springorum mit 1.223 qm Wohnfläche und der Park mit 30.000 qm zum Verkauf.
- Hildegard Kiehl berichtet weiter:
- Euer Opa wurde 1956 noch für kurze Zeit nach Nordhorn versetzt. Und dann ging er 1958 nach Hamburg ins „Hauptzollamt-Oberelbe", zuletzt war er dort Zoll-Amtsrat. Wir bekamen eine Wohnung in der Eduardstraße in Hamburg Eimsbüttel, in der ich bis heute lebe. Bisher krame ich aber immer noch gerne in meinem alten Kopf nach alten Erinnerungen. Der Pflegedienst kommt auch regelmäßig, und sieht nach, ob ich noch alles richtig mache.
- Das war mein Leben in kurzen Zügen. Inzwischen bin ich 100 Jahre jung geworden! Mein Gerhard, unser lieber Opa, ruht nun schon fast 22 Jahre. Ich fühle mich aber nicht einsam, denn ich habe ja Euch, Ihr Lieben, zwei an der Zahl. Ihr füllt mein Leben aus. Sehr viel gibt mir auch meine „Insterburger Heimatgruppe".
Über Hildegard Kiehl, geb. Tuttlies, * 21.03.1920 in Willschicken, †19.06.2021 in Hamburg, zuletzt Eduardstr 41 c, 20257 Hamburg :
Hildegard Kiehl hatte nach der Flucht viel von zu Hause aufgeschrieben, in Hamburger Bibliotheken gestöbert, Verwandte und Bekannte ausgefragt und ist in ihre alte Heimat gefahren. Sie hat sich für die Heimatliteratur und Zeitschriften interessiert und begrenzt Fachbücher und graue Literatur erworben. Sie hat in Heimatzeitschriften kleine Artikel veröffentlicht und hat in ihrer Heimatgruppe viel berichtet. Sie hat "genealogisch geforscht" und hat die Ergebnisse in den "Tuttliesen Nachrichten 1 - 6" verteilt, die leider vergriffen sind. So hat sie alle damaligen deutschen Telefonbücher nach dem Namen Padefke (Mutter von Gerhard Kiehl) durchsucht und hat wochenlang zur Ahnenforschung im Preußischen Staatsarchive in Berlin und bei den Mormonen in Hamburg gearbeitet. Alle interessanten Funde wurden - soweit möglich - telefonisch oder schriftlich befragt. Etwa ein Drittel hat auch geantwortet. Ihr Mann Gerhard Kiehl hat sie dabei tatkräftig unterstützt. Es entstand eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Klaus-Peter Podewski, einem Mathematiker der Uni Hannover. Das Internet haben aber beide noch nicht benutzt. Ein Arbeitsergebnis der Familienforschung zu den Familien Padefke/Podewski (Stand 1986), kann per E-Mail von klaus-kiehl@t-online.de erbeten werden. Weitere genealogische Ergebnisse zu den Familien Tuttlies und Burba (Stand 2020), sind auch in GenWiki zu finden
Die Fotos, die Abbildungen und die markierten Textstellen wurden nachträglich von Klaus Kiehl eingefügt. In der Hoffnung, dass alle Angaben und Quellen richtig eingeordnet sind, sind Berichtigungen und neue Informationen herzlich willkommen.
Bitte senden Sie diese an die E-Mail-Adresse von Klaus Kiehl: klaus-kiehl@t-online.de
Ländliche Entwicklung in Ostpreußen am Beispiel des Dorfes Willschicken (Ksp. Aulenbach Ostp.)
In Ergänzung zu den vorgenannten Texten siehe auch den folgenden Hintergrundbericht: „Ländliche Entwicklung in Ostpreußen am Beispiel des Dorfes Willschicken (Ksp. Aulenbach Ostp.)“
Bildmaterial
Wir suchen noch Fotos von Wilkental / Willschicken (Kreis Insterburg) für eine Veröffentlichung an dieser Stelle. Sollten Sie Bilder oder interessante Informationen haben, würden wír uns über eine Kontaktaufnahme freuen :
info@kirchspiel-aulenbach.de
Vielen Dank für die Unterstützung seitens Klaus Kiehl , der mit der Aufbereitung der Dokumente von Hildgard Kiehl, geb. Tuttlies maßgeblich die Informationen zu Willschicken ermöglicht hat.
In der Hoffnung, weitere Informationen zu erhalten oder auch in einen Austausch zu gehen, nehmen Sie gerne direkt Kontakt mit Ihm auf. In diesem Fall senden Sie bitte eine E-Mail-Adresse an Klaus Kiehl: klaus-kiehl(at)t-online.de
Kartenmaterial
Dokumente zu Willschicken
Bibliografie
Genealogische und historische QuellenQuellen
[Koordinaten:] * Waldfrieden (Ostp.) Ksp. Aulowönen auf der Webseite Google maps 2014
Standesamtunterlagen / Zivilstandsregister (ab 1874)Das für Willschicken (Wilkental) zuständige Standesamt war ab 1888 gemäß der Zuordnung des AGOFF das StA Gross Aulowönen. Die Bestände sind teilweise, trotz Kriegseinwirkungen, erhalten und seit 2015 digitalisiert worden. Sie können gegen Gebühr (Mitgliedschaft) bei Ancestry unter StA Gross Aulowönen eingesehen werden.
KirchenbuchbeständeDie für Willschicken (Wilkental) zuständige evangelische Kirchengemeinde war Aulowönen / Aulenbach (Ostp.). Viele Bestände wurden im Digitalisierungsprojekt “Archion” der deutschen evangelischen Kirchen online gestellt, leider keine Bestände aus Aulowönen. Es gibt jedoch ebenfalls gegen Gebühr (Mitgliedschaft) bei Ancestry unter Gross Aulowönen einsehbare Bestände. Außerdem befinden sich einige Unterlagen im Sächsischen Staatsarchiv in Leibzig, siehe auch Sächisches Staatsarchiv - Kirchenbuchbestände Landkreis Insterburg
Adressbücher
In der Digitalen Bibliothek
Verschiedenes
WeblinksOffizielle WebseitenGOV-Kennung : WILTALKO04VT [23] ZufallsfundeOft werden in Kirchenbüchern oder anderen Archivalien eines Ortes Personen gefunden, die nicht aus diesem Ort stammen. Diese Funde nennt man Zufallsfunde. Solche Funde sind für andere Familienforscher häufig die einzige Möglichkeit, über tote Punkte in der Forschung hinweg zu kommen. Auf der folgenden Seite können Sie Zufallsfunde zu diesem Ort eintragen oder finden. Bitte beim Erfassen der Seite mit den Zufallsfunden ggf. gleich die richtigen Kategorien zuordnen (z.B. über die Vorlage:Hinweis zu Zufallsfund).
Private Informationsquellen- und SuchhilfeangeboteAuf der nachfolgenden Seite können sich private Familienforscher eintragen, die in diesem Ort Forschungen betreiben und/oder die bereit sind, anderen Familienforschern Informationen, Nachschau oder auch Scans bzw. Kopien passend zu diesem Ort anbieten. Nachfragen sind ausschließlich an den entsprechenden Forscher zu richten.
Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis<gov>WILTALKO04VT</gov>
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