Schirwindt

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Disambiguation notice Schirwindt ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Schirwindt (Begriffserklärung).
Schirwindt Schrift.jpg


Die Pillkaller Straße in Schirwindt
Schirwindt auf der Karte des Landkreises Pillkallen (Schloßberg)
Umgebungskarte von Schirwindt und Naumiestis
Ausschnitt aus dem Messtischblatt Schloßberg, 1938
Stadtplan von Schirwindt

Hierarchie



Einleitung

Das ganze Ausmaß der ostpreußischen Tragödie zeigt sich beispielhaft am Schicksal der Stadt Schirwindt im Kreis Pillkallen. Schirwindt hat einige „Rekorde“ besonderer Art aufzuweisen. Es war die östlichste Ortschaft und die kleinste Stadt des Deutschen Reichs, zudem Standort der größten Windmühle, die je gebaut worden ist. Schirwindt war die erste deutsche Ortschaft, die 1944 von der Roten Armee besetzt wurde, und es blieb die einzige Stadt Europas, die nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut wurde.

Name

Der Ortsname bezieht sich auf den Fluss Schirwindt und beschreibt ein langsames Gewässer.

  • litauisch "skirvinti" = kriechen

Wappen

Wappen-Schirwindt-k2.jpg

Das Wappen, das König Friedrich Wilhelm IV. der Stadt am 3. 8. 1846 verliehen hat, zeigt in Blau mit zweireihig schwarz-silberngeschachtem Bord ein rotes, offenes Zinnentor mit schwarzem Fallgatter; im Torbogen schwebt über der aufgehenden, goldenen Sonne der schwarze preußische Adler mit allen Attributen.

Allgemeine Informationen

Schirwindt (russisch Kutusowo / Кутузово, litauisch Širvinta, polnisch Szyrwinta) ist heute eine aufgelassene Ortschaft in der russischen Oblast Kaliningrad, im Rajon Krasnosnamensk. Die Gemarkung von Schirwindt liegt im Osten des Kaliningrader Gebietes unmittelbar an der Grenze zu Litauen am Fluss Schirwindt (lit. „skirvinti“: kriechen), einem Nebenfluss der Szeszuppe (lit. „šeže upis“: dunkler Fluss), der hier den Grenzfluss zu Litauen bildet. Die litauische Nachbarstadt heißt Kudirkos Naumiestis (deutsch Neustadt) Die nächste größere Stadt Gussew (Gumbinnen) liegt etwa 50 Kilometer südwestlich.

  • Einwohner:
1939 - 1.090 Einwohner (17.Mai)


Politische Einteilung / Zugehörigkeit

Kreiszugehörigkeit

  • Von 1818 bis 1945 war Schirwindt eine Stadt im Landkreis Pillkallen (ab 1938 Kreis Schloßberg,
    Reg.-Bez. Gumbinnen.
  • Ab 1945 ist Schirwindt / Kutusowo eine aufgelassene Ortschaft im Rajon Krasnosnamensk
    (Oblast Kaliningrad).

Grenzübergang

Der heutige Grenzübergang Schirwindt / Kudirkos Naumiestis ist nur für Russen und Litauer passierbar, wird aber kaum genutzt. Diese Grenze existiert schon seit dem 13. Jh. Ein Unikum in der Geschichte mag sein, daß einst die Russen östlich der Szeszuppe die Grenze bewachten, aber heute westlich davon ihr nunmehr isoliertes Territorium abriegeln.

Schon vor dem Krieg war der Grenzübergang allenfalls von regionale Bedeutung.


Kirchliche Einteilung / Zugehörigkeit

Evangelische Kirche

Kirchengebäude

Die ev. Immanuelkirche in Schirwindt
Die Orgel in der ev. Immanuelkirche in Schirwindt

Wenn man heute von Pillkallen nach Osten unterwegs ist, fährt man durch eine menschenleere Gegend. Die Kirchtürme, die schon von weitem auf der schnurgeraden Straße zu sehen sind, stehen in Neustadt (Kudirkos Naumiestis) in Litauen. Das “preußische Gegenstück” sucht man vergebens.

König Friedrich Wilhelm IV. soll - auf der gleichen Strecke - angesichts der hochragenden Barocktürme der katholischen Kirche im damals russischen Wladislawowo (dt. Neustadt) gesagt haben: “Habe ich im Westen den Katholiken einen Dom erbaut, so will ich im Osten hier den Evangelischen einen Dom erbauen, der ebenso stolz nach Rußland hineinragt, wie die katholische Kirche von drüben hierher.” Er meinte damit den 1842 begonnenen Weiterbau des Kölner Doms.

In der Stadtchronik von Schirwindt fand sich dazu folgende Eintragung: „Zum Andenken an meinen Aufenthalt in dieser Stadt habe ich den Neubau der schadhaften Pfarrkirche genehmigt und werde Mich sehr freuen, dieselbe einst vollendet zu besuchen. Schirwindt, früh 8 Uhr, den 8. Juni 1845. Friedrich Wilhelm“.

Am 14. September 1856 wurde die prächtige, nach den Plänen von August Stüler geschaffene Immanuelkirche im Beisein des Königs geweiht. Der erste Bau einer Kirche in Schirwindt war bereits 1582 fertig gestellt. 1640 brannte das Gotteshaus ab und wurde 1694 bis 1710 als strohgedeckter Bau erneuert und 1737 durch einen kleinen Turm ergänzt. Diese Kirche war zu Beginn des 19. Jahrhunderts bereits baufällig. Der Neubau, eine für das kleine Städtchen Schirwindt völlig überdimensionierte Backsteinkirche aus roten Ziegeln, erhielt auf Wunsch des Königs den Namen „Immanuelkirche“. Sie war mit einem Ziborium-Altar von Stüler ausgestattet. Die Orgel wurde vermutlich in den 60er oder 70er Jahre des 19. Jahrhunderts eingebaut. Der Orgelbbauer konnte noch nicht ermittelt werden, es sollte aber etwa ein Sauer, Buchholz oder Goebel sein.

Fast 90 Jahre war das beeindruckende Gotteshaus mit den beiden 56,3 Meter hohen Türmen nicht nur eine Zierde der Stadt, sondern auch das Wahrzeichen für den östlichsten Punkt Deutschlands.


Kirchengemeinde

  • Gründung der Kirchengemeinde 1549.
Gemeinden des Kirchspiels Schirwindt
Schirwindt Jodzahlen Paplienen
Augstupönen Jodzuhnen Patszen
Baltruschen Jodupönen Paszillballen
Baragehlen Kaptainischken Paszuiszen
Barsden Kaunohnen Pieragen
Birkenfelde Kermuschienen Samelucken
Budupönen Kischen Schilleningken
Daynen Groß u. Klein Königsbruch Schimkuhnen
Doristhal mit Schönbruch [1] Klein Kubilehlen Urbantatschen
Dwarischken Kummetschen Groß u. Klein Warupönen
Eichenfelde Maurutschatschen Warupönen Gut
Gettkanten Nowischken Wöszupchen
Goberischken Neuhof Vorwerk Wöszupöhlen

Kirchenbücher

Archiwum Panstwowe w Olsztynie: Taufen 1806 - 1830 , Heirat 1806 - 1830, Tote 1806 - 1830.

Zerstörung

Die Immanuelkirche blieb 1914/1915 weitgehend unbeschädigt.
Das war angesichts der umfangreichen Zerstörungen von Schirwindt sehr erstaunlich.
1944 war das anders: bei der Einnahme durch den Russen wurde einer der beiden Türme gänzlich zerstört.
Die Kirche war total ausgebrannt, Dach und Gewölbe waren eingestürzt.
Heute ist von der Kirche nur ein ca. 1 Meter hoher Schutthügel erhalten. Dort steht ein Erinnerungsschild.

Katholische Kirche

Kath. Kirche Bilderweiten
  • Kath. Kirche in Bilderweitschen, Kreis Stallupönen
  • Die kath. Pfarrgemeinde Bilderweitschen (ab 1938 Bilderweiten)
    war vor 1945 das Zentrum für eine weitgestreute Pfarrei, die bis nach Litauen reichte.
    Die Pfarrei gehörte zum katholischen Bistum Ermland.
  • Das neugotische Kirchengebäude in Bilderweitschen ist erhalten geblieben.


Kirchenbücher:

Deutsche Zentralstelle für Genealogie in Leipzig: Taufen 1852 - 1874, Heirat 1852 - 1874, Tote 1852 - 1874.

Standesamt

Schirwindt,Unterlagen gelten als verschollen.


Geschichte

Napoleonische Soldaten.jpg

Schirwindts eigentliche Bedeutung lag in seiner Natur als Grenzstadt zu Litauen, wobei die Grenze damals wie heute von den Flüssen Scheschupe und Schirwindt markiert wird. Über den Fluß Schirwindt führt immer noch die 1882 erbaute Eisenbrücke, über welche die Einwohner der litauischen Nachbarstadt Wladislawow, jetzt Kudirkos-Naumestis, gern auf den berühmten Markt von Schirwindt kamen.

Das galt nur für friedliche Zeiten, von denen die Stadt wenige erlebte: Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie von Schweden erobert, von Tataren verwüstet, von Russen besetzt, im Juni und Dezember 1812 von Napoleons Truppen durchquert, die zuerst als siegesgewisses Heer, dann als dezimierter und geschlagener Haufen kamen. In beiden Weltkriegen wurde die Stadt fast zur Gänze zerstört, und wenn sie in ihrer Geschichte einmal nicht Opfer kriegerischer Händel war, dann wurde sie von Cholera, Diphtherie, Pocken und anderen Übeln heimgesucht. Kamen darum so auffallend häufig Könige und andere höchste Herrschaften nach Schirwindt, als „Trostpreis“ für eine oft gebeutelte Stadt? [2]

Zahlen der Geschichte

König Friedrich Wilhelm IV.
verlieh Schirwindt 1725 die Stadtrechte
  • 1516 zum erstenmal wird der Ort Scherwint erwähnt.
  • 1725 erhob Friedrich Wilhelm I. Friedrich Wilhelm IV. das Kirchdorf zur Stadt und ließ auf königliche Kosten die für eine solche Erhebung nötigen 20 fehlenden Häuser bauen.
  • Schirwindt blieb ein Städtchen mit Ackerbürgern und Handwerkern.
  • 1757 Die Russen fallen im Sommer (im Siebenjährigen Krieg) unter Graf Fermor und Feldmarschall Graf Apraxin in Ostpreußen ein. Zarin Elisabeth I. erklärt durch Patent vom 31. Dezember 1757 Ostpreußen als russisches Eigentum.
  • 1758 Jan. Eine russische Armee unter Graf Fermor besetzt kampflos das ungeschützte Ostpreußen.
  • 1762 Nach dem Tod der Zarin Elisabeth (5.1.1762) kommt es unter ihrem Nachfolger, Zar Peter III., zum Frieden mit Preußen (5.5.1762 Vertrag von St. Petersburg). Russland gibt ohne Entschädigung die besetzten bzw. bereits annektierten Gebiete Ostpreußen, Hinterpommern und Neumark zurück. Die Russen ziehen ab, Schirwindt wird wieder preußisch.
  • 1914 wurde die Stadt bei den Kriegshandlungen bis auf die Kirche und zwei Häuser eingeäschert, dann nach einem einheitlichen Plan mit Hilfe Bremens aufgebaut.
  • Informationen zur Geschichte [3]
  • 27. und 28. September 1944, ein letzter Besuch in Schirwindt; Erlebnisse in den Kriegsjahren 1943 bis 1945, eine Abschrift eines Berichtes von Hildegard Sturm, geborene Kallweit, geboren am 17.5.1916. Das Ehepaar Sturm zog im November 1942 nach Schirwindt. Ihr Mann, Horst Sturm, war in Schirwindt Pfarrer und hat nur wenige Amtshandlungen während seines Fronturlaubes im November 1942 wahrnehmen können. Er ist am 20.2.1943 im großen Donez-Bogen in Russland gefallen.

Untergang

Russische Soldaten überschreiten bei Schirwindt
die Grenze des Deutschen Reiches, Okt. 1944

Am 31. Juli 1944, punkt 18 Uhr, verließen die Einwohner von Schirwindt ihre Stadt, die zuvor unter heftigen Bombardements russischer Kampfflugzeuge gelegen hatte. Die Gemeinde hatte 1944 noch rund 2.000 Einwohner.
Dann folgte jedoch die Vernichtung.
Am 17. Oktober 1944 gelang den Sowjets mit einem konzentrierten Angriff nördlich und südlich von Schirwindt ein Durchbruch. In Schirwindt selbst wurde um jedes Haus gekämpft, aber am Abend dieses Tages mußten sich die deutschen Soldaten vor der Übermacht des Gegners zurückziehen. Es gibt keine deutsche Stadt, die im Zweiten Weltkrieg stärker zerstört worden wäre. Damit endete die deutsche Geschichte der Stadt, die jedoch später „mit deutscher Gründlichkeit“ in einer „Eigenbau-Chronik“ von 500 Seiten in kleinster Schrift erfaßt wurde.

Dieses Werk bekam der Moskauer Bühnenstar Aleksandr Schirwindt (Александр Анатольевич Ширвиндт) geschenkt, und es bildete die Faktengrundlage seines „Schirwindt“-Buchs, das in Rußland Aufsehen erregt hat.
»Ich baue Schirwindt wieder auf«, lautet die provokante Ankündigung im Buch, das sich zum größten russischen Bucherfolg der letzten Jahre gemausert hat.
Es stand ja auch alles in der Schirwindt-Chronil darin: Verzeichnis der Einwohner, Lagepläne von Straßen und Häusern, Namen von Pfarrern und Lehrern aus über 100 Jahren und vieles mehr – bis zu solchen Details, daß im Winter 1845 eine Temperatur von minus 32,5 Grad gemessen wurde und daß am 1. und 2. Juli 1928 ein Meter Schnee gefallen war.

Sogar über den Weggang der Einwohner fanden sich einige konkrete Daten: 26 starben während der Flucht, 191 wurden in der späteren DDR ansässig, 415 in der späteren Bundesrepublik, „über die anderen gibt es keine Angaben“. Heute soll es in Deutschland noch 40 Schwirwindter geben, „der jüngste wurde 1944 geboren“.

Als sich Jahrzehnte später die ersten Schirwindter wieder in die Heimat wagten, konnten sie zu dieser nicht durchdringen. Auf dem Gelände des alten Schirwindt war ein Truppenübungsplatz errichtet worden, dessen Einzelheiten der Historiker Gennadij Kretinin kennt: „Seine Fläche maß 20 mal 40 Kilometer, er war der größte seiner Art in der Sowjetunion. Hier fanden Militärübungen des Warschauer Paktes statt. Bis 1985 durften Deutsche nicht hierher kommen, ausgenommen der DDR-Verteidigungsminister, der bei einem Manöver Gast war. Seine Mutter war in Königsberg begraben, und er versuchte, ihr Grab zu finden. Aber in den 1980er Jahren waren die deutschen Friedhöfe von Königsberg längst beseitigt.“

Von Königsberg bis Schirwindt benötigt man heute etwa drei Stunden Autofahrt, was weniger an der Entfernung und mehr an der schlechten Straße liegt: Sie ist nicht asphaltiert – „eher für Panzer bestimmt als für nicht-wehrpflichtige ausländische Automarken“ (lästerte die Illustrierte „Ogonjok“). Wer fährt schon nach Schirwindt? Dort tun noch acht Grenzsoldaten Dienst und drei Hunde, „deutsche Schäferhunde“. [2]

Prästationstabellen [4]

Datei:Bild Schirwindt Prästationstabellen.pdf In den nebenstehenden Prästationstabellen und Mühlenconsignationen befinden sich historische Einwohnerlisten aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Folgende Hinweise können dazu beitragen, diese Listen besser zu verstehen bzw. Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Hinweise zu den Prästationstabellen und Mühlenconsignationen, Erläuterungen von Prof. Erwin Spehr.
Vorbemerkung: In der Stadt Schirwindt unterstand nur die Mühle der Aufsicht des Domänen-Amtes. Deshalb finden sich im 18. Jahrhundert in den PTn nur wenig Informationen zu Schirwindt.


Verschiedenes

Weblinks

Karten

Ostpreußenkarte 1936
Prußische Stammesgebiete


Kudirkos Naumiestis Wappen.jpg

Aktuelles aus der Nachbarstadt Kudirkos Naumiestis




Zufallsfunde

Oft werden in Kirchenbüchern oder anderen Archivalien eines Ortes Personen gefunden, die nicht aus diesem Ort stammen. Diese Funde nennt man Zufallsfunde. Solche Funde sind für andere Familienforscher häufig die einzige Möglichkeit, über tote Punkte in der Forschung hinweg zu kommen. Auf der folgenden Seite können Sie Zufallsfunde zu diesem Ort eintragen oder finden. Bitte beim Erfassen der Seite mit den Zufallsfunden ggf. gleich die richtigen Kategorien zuordnen.


Weblinks

Webseite von Dobrowolski / Schloßberg

Begrüßung auf der Original-Webseite von Dobrowolski / Schloßberg:
„Doбро пожаловамь!“ (Sinngemäße Übersetzung: „Wir grüßen Euch!“
Link zur Original-Seite: [2] (russisch)
Link zur deutschen Übersetzung von „Google“: [3]

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Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>SCHNDTKO14KS</gov>

Quellen

  1. mit Schönbruch und Vielemühe
  2. 2,0 2,1 © Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007, »Ich baue sie wieder auf«, ein Artikel von Wolf Oschlies
  3. aus: ostpreussen.net [1]
  4. Mühlenconsignationen und weitere Begriffe und Abkürzungen
  5. Prästationstabellen von 1746 bis 1845, Seiten 1 bis 2