Schlesisches Namenbuch/028: Unterschied zwischen den Versionen

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Unter den bodenständigen Vertretern von „''Wesensart und Lebensweise''“ dürften ''Wunderlich'', ''Stiller'' und ''Ohnesorge'' am bekanntesten sein. Zum ''Frühauf'' gesellte sich einst Sloflang und Langenacht, zum ''Feierabend'': Vil erbeit. Weiter verbreitet sind ''Blumentritt'' und ''Rosentret(er)'', die inhaltlich etwa den ''Senftleben'' und Ohnesorge, den Freudenreich und Freudensprung entsprechen; sagt doch noch Luther (von seinem Wappen): ein Christenherz „auf Rosen geht“ ...


Unter den bodenständigen Vertretern von "''Wesensart'' und ''Lebensweise''" dürften ''Wunderlich'', ''Stiller'' und ''Ohnesorge'' am bekanntesten sein. Zum ''Frühauf'' gesellte sich einst Sloflang und Langenacht, zum ''Feierabend'': Vil erbeit. Weiter verbreitet sind ''Blumentritt'' und ''Rosentret''/''Rosentreter'', die inhaltlich etwa den ''Senftleben'' und Ohnesorge, den Freudenreich und Freudensprung entsprechen; sagt doch noch Luther (von seinem Wappen): ein Christenherz "auf Rosen geht" ...
In Thüringen beheimatet sind die sogen. „Un-Menschen“, wie man sie launig genannt hat<ref>Vgl. Schmidt-Ewald in „Genealogie und Heraldik“ Jg. 1951.</ref>: die ''Unruh'' und Unverricht, Unglaube und Ungerath(en), entstellt Ungrad(e), woneben einst auch Unbedocht und Unvorgessen, Ungestüme und Umbereyt begegnen.
In Thüringen beheimatet sind die sogen. "Un-Menschen", wie man sie launig genannt hat (vgl. Schmidt-Ewald in Genealogie und Heraldik" Jahrg. 1951): die ''Unruh'' und Unverricht, Unglaube und Ungerath/Ungerathen, entstellt Ungrad/Ungrade, woneben einst auch Unbedocht und Unvorgessen, Ungestüme und Umbereyt begegnen.
Durch auffallend gleichen Anlaut verraten sich ''Knauer'', ''Knauth'' und ''Knothe'', ''Knebel'', ''Knospe'', ''Knoll'' und ''Knorr'' als auch inhaltlich zusammengehörige Gruppe: es sind typische, durch die Fastnachtsspiele, durch Luther und auch sonst bezeugte ''Bauernnamen'', aus deren Kn- sinnfällig das Knorrige oder Grobe bäuerlichen Wesens herauszuhören ist. ''Spielmanns''- und ''Dichternamen'', wie sie die ruhelos "Fahrenden" aus Geltungsbedürfnis sich selber beizulegen pflegten, haben wir noch in ''Hellfeuer'' (= Höllenfeuer) und ''Irrgang'', zu denen Alt-Breslau auch Vrowinlop, Fridank und Tanhuser beisteuert.
An die zahlreichen ''Fehden'' des Mittelalters und die üblichen ''Pilgerfahrten'' erinnern die unkenntlich gewordenen ''Herforth'' (Herfert, = Teilnehmer an einer Heerfahrt) und ''Merforth'' (Merfert, desgl. an einer Meerfahrt), auch Römer als Name des Rompilgers, wie anderwärts Kumsteller als Pilger nach Santiago di Compostella. Romfahrten galten auch als Bußstrafen für Totschlag und ähnliche Verbrechen.
Wie weit hinter den Namen von ''Kleidungsstücken'' Kleidergecken und Modenarren stecken, läßt sich nicht immer entscheiden. "Kleiderordnungen" bezeugen zur Genüge den Luxus auf diesem Gebiet und die Farbenfreudigkeit des Mittelalters, besonders des 15. Jahrh., kündigt sich schon im 14. Jahrh. an mit Gelhose und Blohose, Gelmil und Rotermil, Grünrock und Rotrock; Blohut, Hengelhut, Rotkögel (= Kapuze) usw. Auch Pfobinczail (= Pfauenschwanz), Sydenswancz und Fedir in dem hute sind so zu verstehen. Die typische Bauerntracht dagegen ist vertreten mit ''Bundschuh'', bekannt als Feldzeichen aus den Bauernaufständen, sowie mit Sturreketil (= Steifkittel), Grorok, Keppil, Slappe (heute Schlappe) und Czippil (heute Zippel) nebst Breitzippil und Kögilczippil (= Kapuzenzipfel).


Berufsübernamen
Durch auffallend gleichen Anlaut verraten sich ''Knauer'', ''Knauth'' und ''Knothe'', ''Knebel'', ''Knospe'', ''Knoll'' und ''Knorr'' als auch inhaltlich zusammengehörige Gruppe: es sind typische, durch die Fastnachtsspiele, durch Luther und auch sonst bezeugte ''Bauernnamen'', aus deren Kn- sinnfällig das Knorrige oder Grobe bäuerlichen Wesens herauszuhören ist.
Weit häufiger aber dürften bei den Übernamen die Berufsübernamen vorliegen (der Ausdruck "''mittelbare Berufsnamen''" (so A. Götze in der John Meier-Festschrift Volkskdl. Gaben" 1934) dürfte sich weniger empfehlen, weil er der Umgangssprache fremd ist und manche dieser Namen (wie die von Kleidungsstücken) auch als eigentliche Übernamen deutbar sind). Ihr Geheimnis, das uns erst den Schlüssel zu ihrem Verständnis liefert, besteht darin, daß an die Stelle der eigentlichen Berufsbezeichnungen die Attribute der einzelnen Berufe oder Gewerbe treten, also vor allem: ''Werkzeug'', ''Erzeugnis'' und ''Handelsware''; ja mitunter sogar die typischen Arbeitsgeräusche und Begleiterscheinungen, so daß z. B. Pinkepank und Funke, Hinkepink und Zinzerlinz sich grundsätzlich auf den Schmied beziehen. Nur mit die-
 
''Spielmanns''- und ''Dichternamen'', wie sie die ruhelos „Fahrenden“ aus Geltungsbedürfnis sich selber beizulegen pflegten, haben wir noch in ''Hellfeuer'' (= Höllenfeuer) und ''Irrgang'', zu denen Alt-Breslau auch Vrowinlop, Fridank und Tanhuser beisteuert.
 
An die zahlreichen ''Fehden'' des Mittelalters und die üblichen ''Pilgerfahrten'' erinnern die unkenntlich gewordenen ''Herforth'' (Herfert, = Teilnehmer an einer Heerfahrt) und ''Merforth'' (Merfert, desgl. an einer Meerfahrt), auch ''Römer'' als Name des Rompilgers, wie anderwärts Kumsteller als Pilger nach Santiago di Compostella. Romfahrten galten auch als Bußstrafen für Totschlag und ähnliche Verbrechen.
 
Wie weit hinter den Namen von ''Kleidungsstücken'' Kleidergecken und Modenarren stecken, läßt sich nicht immer entscheiden. „Kleiderordnungen“ bezeugen zur Genüge den Luxus auf diesem Gebiet und die Farbenfreudigkeit des Mittelalters, besonders des 15. Jh., kündigt sich schon im 14. Jh. an mit Gelhose und Blohose, Gelmil und Rotermil, Grünrock und Rotrock; Blohut, Hengelhut, Rotkögel (= Kapuze) usw. Auch Pfobinczail (= Pfauenschwanz), Sydenswancz und Fedir in dem hute sind so zu verstehen. Die typische Bauerntracht dagegen ist vertreten mit ''Bundschuh'', bekannt als Feldzeichen aus den Bauernaufständen, sowie mit Sturreketil (= Steifkittel), Grorok, Keppil, Slappe (heute Schlappe) und Czippil (heute Zippel) nebst Breitzippil und Kögilczippil (= Kapuzenzipfel). Weit häufiger aber dürften bei dieser Gruppe
 
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==== Berufsübernamen<ref>Der Ausdruck ''mittelbare Berufsnamen''(so A. Götze in der John Meier-Festschrift „Volkskdl. Gaben“ 1934) dürfte sich weniger empfehlen, weil er der Umgangssprache fremd ist und manche dieser Namen (wie die von Kleidungsstücken) auch als eigentliche Übernamen deutbar sind.</ref> ====
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vorliegen. Ihr Geheimnis, das uns erst den Schlüssel zu ihrem Verständnis liefert, besteht darin, daß an die Stelle der eigentlichen Berufsbezeichnungen die Attribute der einzelnen Berufe oder Gewerbe treten, also vor allem: ''Werkzeug'', ''Erzeugnis'' und ''Handelsware''; ja mitunter sogar die typischen Arbeitsgeräusche und Begleiterscheinungen, so daß z.B. Pinkepank und Funke, Hinkepink und Zinzerlinz sich grundsätzlich auf den Schmied beziehen. Nur mit dieser<noinclude>
 
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Aktuelle Version vom 23. Mai 2011, 19:33 Uhr

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Schlesisches Namenbuch
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  • Namenerläuterungen und -nachweise werden mit einfachem Doppelpunkt (:) eingerückt.
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Unter den bodenständigen Vertretern von „Wesensart und Lebensweise“ dürften Wunderlich, Stiller und Ohnesorge am bekanntesten sein. Zum Frühauf gesellte sich einst Sloflang und Langenacht, zum Feierabend: Vil erbeit. Weiter verbreitet sind Blumentritt und Rosentret(er), die inhaltlich etwa den Senftleben und Ohnesorge, den Freudenreich und Freudensprung entsprechen; sagt doch noch Luther (von seinem Wappen): ein Christenherz „auf Rosen geht“ ...

In Thüringen beheimatet sind die sogen. „Un-Menschen“, wie man sie launig genannt hat[1]: die Unruh und Unverricht, Unglaube und Ungerath(en), entstellt Ungrad(e), woneben einst auch Unbedocht und Unvorgessen, Ungestüme und Umbereyt begegnen.

Durch auffallend gleichen Anlaut verraten sich Knauer, Knauth und Knothe, Knebel, Knospe, Knoll und Knorr als auch inhaltlich zusammengehörige Gruppe: es sind typische, durch die Fastnachtsspiele, durch Luther und auch sonst bezeugte Bauernnamen, aus deren Kn- sinnfällig das Knorrige oder Grobe bäuerlichen Wesens herauszuhören ist.

Spielmanns- und Dichternamen, wie sie die ruhelos „Fahrenden“ aus Geltungsbedürfnis sich selber beizulegen pflegten, haben wir noch in Hellfeuer (= Höllenfeuer) und Irrgang, zu denen Alt-Breslau auch Vrowinlop, Fridank und Tanhuser beisteuert.

An die zahlreichen Fehden des Mittelalters und die üblichen Pilgerfahrten erinnern die unkenntlich gewordenen Herforth (Herfert, = Teilnehmer an einer Heerfahrt) und Merforth (Merfert, desgl. an einer Meerfahrt), auch Römer als Name des Rompilgers, wie anderwärts Kumsteller als Pilger nach Santiago di Compostella. Romfahrten galten auch als Bußstrafen für Totschlag und ähnliche Verbrechen.

Wie weit hinter den Namen von Kleidungsstücken Kleidergecken und Modenarren stecken, läßt sich nicht immer entscheiden. „Kleiderordnungen“ bezeugen zur Genüge den Luxus auf diesem Gebiet und die Farbenfreudigkeit des Mittelalters, besonders des 15. Jh., kündigt sich schon im 14. Jh. an mit Gelhose und Blohose, Gelmil und Rotermil, Grünrock und Rotrock; Blohut, Hengelhut, Rotkögel (= Kapuze) usw. Auch Pfobinczail (= Pfauenschwanz), Sydenswancz und Fedir in dem hute sind so zu verstehen. Die typische Bauerntracht dagegen ist vertreten mit Bundschuh, bekannt als Feldzeichen aus den Bauernaufständen, sowie mit Sturreketil (= Steifkittel), Grorok, Keppil, Slappe (heute Schlappe) und Czippil (heute Zippel) nebst Breitzippil und Kögilczippil (= Kapuzenzipfel). Weit häufiger aber dürften bei dieser Gruppe

Berufsübernamen[2]

vorliegen. Ihr Geheimnis, das uns erst den Schlüssel zu ihrem Verständnis liefert, besteht darin, daß an die Stelle der eigentlichen Berufsbezeichnungen die Attribute der einzelnen Berufe oder Gewerbe treten, also vor allem: Werkzeug, Erzeugnis und Handelsware; ja mitunter sogar die typischen Arbeitsgeräusche und Begleiterscheinungen, so daß z.B. Pinkepank und Funke, Hinkepink und Zinzerlinz sich grundsätzlich auf den Schmied beziehen. Nur mit dieser


  1. Vgl. Schmidt-Ewald in „Genealogie und Heraldik“ Jg. 1951.
  2. Der Ausdruck „mittelbare Berufsnamen“ (so A. Götze in der John Meier-Festschrift „Volkskdl. Gaben“ 1934) dürfte sich weniger empfehlen, weil er der Umgangssprache fremd ist und manche dieser Namen (wie die von Kleidungsstücken) auch als eigentliche Übernamen deutbar sind.