Schlesisches Namenbuch/029

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Schlesisches Namenbuch
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I. Taufnamen: a) altdeutsche b) slawische

II. Herkunftsnamen  |  III. Berufsnamen
IV. Übernamen

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  • Namenerläuterungen und -nachweise werden mit einfachem Doppelpunkt (:) eingerückt.
  • Abkürzungen gemäß S. 13 (Benutzte Adreßbücher) werden aufgelöst und die Häufigkeitsangabe wird in eckigen Klammern wiedergegeben, also Lg33 = Liegnitz [33]
  • Außer Orts- und Familiennamen bleiben alle übrigen Abkürzungen unaufgelöst und werden, wenn nötig, gemäß ER zur Verhinderung des Zeilenumbruchs mit geschütztem Leerzeichen (&#160;) erfasst (also z. B. statt z.B.).
  • Vor 'Belege' wurde immer ein Halbgeviertstrich '–' (ALT+0150) gesetzt. (Entfiel im Original, wenn 'Belege' am Satzanfang stand.)

Erkenntnis gewinnen wir Zugang zu dem Sinngehalt zahlreicher Beinamen, die früher als Produkte der Laune oder Willkür galten. Dank urkundlicher Zeugnisse wissen wir heute, daß man den Bäcker gern Striezel und Fladen, oder Sauerteig und Hefenbauch nannte und es daher ganz abwegig ist, in solchen Nahrungsmittelnamen Lieblingsspeisen des Urahns zu erblicken. Da nun jedes Gewerbe eine Vielzahl solcher Namen hervorgebracht hat, färbt sich durch sie das Bild einstigen Gewerbelebens ungemein bunt, zumal wenn wir die untergegangenen Namen mit hinzunehmen. Mit Knüllemel und Klunkirteik fällt unser Blick in die Backstube, bei Monstriczel und Vesperbrot in den Bäckerladen, bei Wurst und Schmalz, Rindfleisch und Vleysch im huse in den Fleischerladen, und so ist Dünnbier und Birsak nicht der Säufer, sondern der Brauer oder Schankwirt, Pfankuchin und Leckentwirl der Koch, Vilstich und Sibenjopil der Schneider, desgl. Beinlich und Tappert (Beweis im Namenbuch); Viltaschen und Anetasche der Täschner, Czwevachbewtil der Beutler, Runge der Wagner, Weyrauch der Priester usw. Da wird es auch nicht schwer fallen, in Rauhut den Hutmacher, in Böseverkil den Viehhändler oder in Bittirpfyl und Schnurrpfeil den Bogenschützen oder Pfeilschmied zu erkennen oder Klapper (Lehnspferd) und Celder (Paßgänger) richtig einzuordnen. Auch über den Sinn der Siebenzahl in Übernamen wie Siebenwirt u.a. gibt es keinen Zweifel mehr, seitdem uns in Alt-Schweidnitz ein Bäckermeister Sebinströczil und anderwärts Jakob Sibenschuh der Schumacher urkundlich bezeugt ist. So entpuppen sich also in Alt-Breslau Sebinjopil als Schneider (wie andernorts Sibenrock und Simrock), Sebinvel als Fellhändler, Sebinczege als Ziegenhirt, Sebinquart als Zöllner.

Anschaulich ersteht der bäuerliche Lebenskreis mit Misthufen und Krewil (krauel = Mistgabel); Flegel (nebst Swenkinflegil und Schewenflegil), Gerste und Haberstuppel, Vowlkorn und Rübeseckil, Dönnehirse und Moh(n)haupt, Blümel und Hauesblümel, Keseundbrot und Keseindertaschen.

Erst wenn man bedenkt, welche Rolle das Zins- und Abgabenwesen im Zeitalter der Leibeigenschaft und des Feudalsystems spielte, wird der Sinn solcher Namen greifbar, die sich auf regelmäßige Abgaben oder Frondienste von Hörigen oder Lehnsbauern beziehen: vor allem die Münznamen wie Schilling und Heller (Haller, auch Dryheller und Achtczenheller), Dreilich und Vierdich, Virczigmark und Hundertmark; dann Zeitnamen wie Herbst und Pfingsten als Terminbegriffe. Selbst Sommer und Winter, Freitag, Sonntag usw. sind aus zeitlich gebundener Beschäftigung erklärbar; sind uns doch Sonntags- und Winterbäcker oder Winterhocke u. dergl. bezeugt. – Licht fällt von hier auch auf Standesbezeichnungen wie Bischof, Herzog, Graf, Markgraf, zumal sie uns nicht selten als Namen von Bauern überliefert sind, also auf ihr Dienstverhältnis zum Grundherrn, zum weltlichen oder geistlichen, weisen; hin und wieder mögen sich auch uneheliche Nachkommen dahinter verbergen, so nachweislich im Falle eines württembergischen Vogtes Heinzmann Marggraf (1371), der als markgräflicher Bastard das Wappen der Markgrafen von Rötteln führen durfte. Bei König läßt sich z.B. an Musikantenkönige denken: ein Wernher Pfifer von Altzei wird 1393 urkundlich „in unserm lande ... übir alle farnde lüte zu künge gemacht“ (Nied 2, S. 69). Auf dienstliches (oder auch verwandtschaftliches) Verhältnis zu einem Edelfräulein deutet der Name Jungfer, vgl. den Juncvrowendiner (neben Juncvroweczucht) in Alt-Breslau und Gotfridus der iuncvrowensun (1200 ca., Bacmeister 29).

Abschließend sind bei den „Übernamen“ noch die Wohnstättennamen kurz zu erwähnen, die ihres geographischen Inhalts und ihrer Formbildung wegen schon bei den Herkunftsnamen mitbehandelt sind, aber z.T. hierher gehören,