Alt Lubönen: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Napoleonsweg am oberen Rand der Memelwiesen ist noch vorhanden. Der Blick über die Memel nach [[Kassigkehmen]] ist sehr schön.
Der Napoleonsweg am oberen Rand der Memelwiesen ist noch vorhanden. Der Blick über die Memel nach [[Kassigkehmen]] ist sehr schön.
Auch einige Wiesenteiche gibt es noch.
Auch einige Wiesenteiche gibt es noch.





Version vom 9. Juli 2011, 14:54 Uhr


Ansichtskarte von Alt Lubönen um 1900 (Bild: Bernhard Waldmann)

Hierarchie

Regional > Russische Föderation > Kaliningrader Oblast >Alt Lubönen


Regional > Historisches Territorium > Deutschland 1871-1918 > Königreich Preußen > Ostpreußen > Kreis Ragnit > Alt Lubönen



Einleitung

Alt Lubönen, Kreis Ragnit, Ostpreußen, ist ein kleines Dorf auf dem südlichen Hochufer der Memel.



Andere Namen und Schreibweisen

  • Alt Lubönen (bis 02.06.1938)
  • Friedenswalde (ab 03.06.1938 bis 1945)
  • Альт Лубёнен (1945)
  • Озёрное / Ozërnoe (ab 1946)


Allgemeine Information

Die Ortschaft grenzt im Westen an Neu Lubönen, im Osten liegt der Grenzort Schillehnen (mit einer Wagenfähre nach Schmalleningken).

Die drei Memeldörfer sind vom großen Neuluböner Forst umgeben.


Politische Einteilung/Zugehörigkeit

  • Alt Lubönen gehörte bis zum 1. Juli 1922 zum Kreis Ragnit
  • Alt Lubönen gehörte von 1922 bis 1945 zum Kreis Tilsit-Ragnit
  • Alt Lubönen gehört seit 1946 zum neugebildeten Kreis Lasdehnen, wahrscheinlich nach 1980 aufgelassen


Kirchliche Zugehörigkeit

Waldweg zum Friedhof von Alt Lubönen (Bild: Bernhard Waldmann,1993)

Evangelische Kirche

Alt Lubönen gehörte bis 1902 zum Kirchspiel Wischwill, danach zum Kirchspiel Trappönen.

Das Kirchspiel Trappönen wurde im Jahre 1902 durch Abzweigungen von Wischwill und Lasdehnen gebildet; 1904 wurde die bis dahin noch bestehende pfarramtliche Verbindung zwischen Wischwill und Trappönen endgültig aufgehoben.

Die meisten Kinder aus Alt Lubönen und Schillehnen besuchten den Konfirmandenunterricht im nähergelegenen Schmalleningken. Dazu mußten sie mit einer Wagenfähre bei Schillehnen die Memel überqueren.

Friedhof

In Alt Lubönen gab es einen Friedhof, der sich im Westen des Dorfes am Waldweg nach Neu Lubönen befand. Heute ist es sehr schwierig, die geringen Überreste der Grabmale im dichten Unterholz des Neuluböner Forstes zu finden.



Standesamt

Alt Lubönen gehörte ab 1874 zum Amtsbezirk Schillehnen (Nr. 31).


Bewohner

Einwohnerliste von Alt Lubönen

Familie Grischkat (Bild: Bernhard Waldmann)
Familie Radtke (Bild: Bernhard Waldmann, 1914)

Auf dem linken Foto sieht man die Familie Grischkat aus Alt Lubönen

V.l.n.r.: Emma Grischkat, geb. Baczun, Tochter Helene, Sohn Franz, Tochter Herta und Besitzer Georg Grischkat. Franz Grischkat war vor dem Krieg Kreisbauernführer.

Auf dem rechten Foto sieht man die Familie Radtke aus Alt Lubönen (später Schillenöhlen). V.l.n.r.: Tochter Anna, Mutter Marie Radtke, geb. Gudjons, auf dem Tisch sitzt Tochter Hildegard, daneben Bauer Georg Radthe mit Tochter Martha. Das Familienfoto wurde 1914 in Tilsit aufgenommen, weil der Bauer Georg Radtke zum Militär einrücken mußte.


Geschichte

Nachweislich wurde Alt - Lubönen erstmalig im Jahre 1722 in der topographischen Karte des Amtes Ragnit geführt und gehörte zum Kirchspiel Wischwill. Der Ort wurde als Königliches Bauerndorf bezeichnet und im Amt Kassigkehmen erfaßt.

Nur sehr zögernd konnten die Bewohner Fuß fassen (12 Feuerstellen am Anfang), denn das Gebiet ließ eine Erweiterung nicht zu. Landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie zusätzliche Erwerbseinnahmen trugen zum Lebensunterhalt bei. Die Gemeindeverwaltung wurde selbständig durch einen Bürgermeister betrieben.


Ansichtskarte von der Schule in Alt Lubönen (Bild: Bernhard Waldmann, ~1930)
Lehrer Jost vor der Schule in Alt Lubönen (Bild: B. Waldmann, ~1935)



In einer zweiklassigen Volksschule in Alt Lubönen wurden zusätzlich auch die Kinder aus den Nachbarorten Neu Lubönen (Memelwalde) und Schillehnen (Waldheide) unterrichtet. Durch die Staatsforsten im Osten und im Süden war eine Ortserweiterung nicht möglich. Mit ca. 180 Einwohner war der Ort sehr klein und hatte 30 bebaute Grundstücke. Der größte Besitzer in Alt Lubönen war Franz Grischkat mit einer landwirtschaftlichen Fläche von 72 ha. Im Dorf gab es auch eine Mühle, die Marta Neumann gehörte.

(Quelle: Erich Dowidat( © 2001), Kirchspielvertreter für Trappönen (Trappen) in der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit e.V.).


Am 15.04.1874 wurde der Amtsbezirk Schillehnen (Nr. 31 im Kreis Ragnit) aus den Landgemeinden Alt Lubönen, Dirrehlen, Neu Lubönen und Schillehnen und dem Gutsbezirk Königswald, Forst (5 Gemeinden/Gutsbezirke) gebildet. Der Amtsbezirk wurde vom Amtsvorsteher in Schillehnen verwaltet.

Am 03. 06.1938 fand die Umbenennung folgender Gemeinden statt:

  • Alt Lubönen in Friedenswalde,
  • Neu Lubönen in Memelwalde,
  • Schillehnen in Waldheide (Ostpr.).



Heutige Situation

Die ehemalige Dorfstraße von Alt Lubönen (Bild: Bernhard Waldmann, 1994)


1994 konnte man in Alt Lubönen am Waldrand noch ein Wohnhaus sehen, das gerade abgerissen wurde. Seitdem gibt es in der Gemarkung keine Gebäude mehr.

Ein Litauer, der kurz nach dem Krieg nach Neu Lubönen gekommen war, erzählte 1995, daß in Alt Lubönen noch lange Zeit schöne Häuser gestanden haben.

Das Dorf erhielt sogar einen russischen Namen, nämlich Озёрное / Ozërnoe. Aber nach und nach hätten die neuen Bewohner das abgelegene Dorf wieder verlassen. Die meisten Holzhäuser verfielen, einige wurden mutwillig zerstört. Alles Verwertbare wurde abtransportiert. Irgendwann wurden die verbliebenen Reste, die nicht vom Unterholz des Neuluböner Forstes überwuchert waren, beseitigt.

Dort, wo einst die Dorfstraße von Alt Lubönen verlief, breitet sich heute eine weite Wiesenfläche aus, auf der Kühe grasen. Nur einige Obstbäume am Waldrand weisen darauf hin, daß hier einmal Wohnhäuser gestanden haben. Vereinzelt findet man Ziegelsteine und div. Haushaltsutensilien. Den ehemaligen Standort der zweitklassigen Dorfschule kann man bis heute gut erkennen.

Der Napoleonsweg am oberen Rand der Memelwiesen ist noch vorhanden. Der Blick über die Memel nach Kassigkehmen ist sehr schön. Auch einige Wiesenteiche gibt es noch.



Verschiedenes

Internetlink

Fotos aus Alt Lubönen, Neu Lubnen und Schillehnen von Bernhard Waldmann

Karte

Karte von Alt Lubönen / Friedenswalde (Messtischblatt, Stand 1938, mit russ. Ortsnamen)


Dorfleben in früherer Zeit

Hans Gudjons (1875 bis 1958) aus Alt Lubönen hat im Mai 1951 einen langen Brief an die Tochter seines Vetters Heinrich Szagarus geschrieben. Bei der Abschrift des in einer wunderbaren Sütterlin-Handschrift verfassten Berichtes (das Original ist bis heute erhalten), hat die Szagarus-Tochter einige Einfügungen vorgenommen, die durch Kursiv-Schrift gekennzeichnet sind.

Hans G u d j on s als Leiter der Postüberwachungsstelle in Schaulen, 1915)

Szagarus-Familie

“Eine feste und bestimmte Erinnerung an Deinen Großvater Jons Szagarus habe ich nicht. Von meinen Eltern und Nachbarn aber habe ich oft gehört, dass er kräftig und wohlbeleibt war und von besonders gesundem Aussehen. Oft hörte ich über ihn die Bemerkung rodauns kaip puttins, d.h. ’das Gesicht so rot wie des Puters Kamm’ (raudonas = rot: kaip = wie, gleich: puttins = Truthahn).

Während einer Korn-Aust (Erntezeit im August), im Jahre 1877 starb Jons Szagarus ganz plötzlich im Alter von erst 36 Jahren. Er hatte den ganzen Tag in der sommerlichen Hitze auf den Memelwiesen das Korn mit der Sense gehauen und kam erschöpft und durstig auf seinen Hof zurück, ging zum Brunnen und trank viel von dem eiskalten Wasser. Danach bekam er eine Lungenentzündung, die ihn nach wenigen Tagen hinwegraffte.

Maryke (Maricke), seine Frau, blieb mit fünf kleinen Söhnen zurück: Johann, Georg, Christoph, Fritz und Heinrich (dieser Heinrich war unser Vater). Großmutter Maryke (geb. 24. Dezember 1846) konnte den Hof mit den fünf Kindern allein nicht bewirtschaften und heiratete bald ein zweites Mal, und zwar einen Paulat von der litauischen Memelseite. Aus der zweiten Ehe entstammten zwei Kinder, Ensys (Hans, der unserem Vater ähnlich sah, und den wir Mädels auch kannten), während das zweite Kind, ebenfalls ein Junge, bei der Geburt zusammen mit der Mutter verstarb. Maryke wurde vom Kindbettfieber dahingerafft, sie überlebte Jons, ihren ersten Mann, nur um etwa vier Jahre.

Eure Großmutter Maryke habe ich wohl deshalb noch im Gedächtnis, obwohl ich bei ihrem Heimgang wohl erst fünf Jahre alt gewesen bin, weil sie mich öfter bei Jungenstreichen erwischte. Da waren nämlich in ihrem Garten große und süße Birnen und ein Holzapfelbaum, der alle Jungen anlockte. Wohl deshalb fürchtete ich die große Brille der Tante sehr, weil man ihre Augen nicht sehen konnte, und wenn sie schalt, und dazu hatte sie Veranlassung genug, klang ihre starke Stimme besonders furchteinflößend.

Ich habe Eure Großmutter Maryke gut in Erinnerung: Sie war von großem und starken Körperbau, breitschultrig, und sie trug in den letzten Jahren immer eine große blaue Brille. Sie hatte ein entschiedenes Auftreten, sehr selbstbewußt, und war schnell entschlossen. Die Figur und zum Teil auch das Gesicht zeigten Tante Marie Radtke (eine Schwester von Onkel Hans Gudjons. Anmerkung von Bernhard Waldmann: Die hier erwähnte Marie Radtke, geb. Gudjons, ist meine Großmutter).

Eine kleine Episode mag das Bild vervollständigen. Es war Herbst. Die Männer droschen das Korn aus. Sechs Drescher. Maryke hatte das Frühstück bereitet und ging in die Scheune. Sie wollte die Männer herbeirufen, schaute zuvor aber den Kornhaufen an und meinte, dass er noch recht klein sei. Das ärgerte natürlich die Drescher, und zwei von ihnen spotteten über Maryke und behaupteten, wenn es sechs Weiber gewesen wären, wäre der Haufen noch viel kleiner. Denn Frauen seien ja so schwach wie Katzen.

Da ergriff Eure Großmutter Maryke stillschweigend die beiden Schreier, drückte eines jeden Kopf und Nacken unter ihre Arme und trug sie so aus der Scheune heraus. Die Männer zappelten und schrien, konnten sich aber nicht aus den Armen der kräftigen Frau befreien. Draußen drückte Maryke die beiden Kerls in den Strohhaufen und fragte, ob schwache Katzen so etwas auch könnten. Diese Geschichte hat mir meine Schwester Marie Radtke erzählt. Daraus ersieht man, dass Eure Großmutter Maryke eine ungewöhnlich starke Frau war, so recht eine ostpreußische ‘Brunhilde’.

(Hierzu noch eine Eigenart, die uns unsere Tanten Szagarus, Cousinen unseres Vaters, von ihr berichteten: Trotz ihrer stattlichen Figur, sei Maryke stets für das Schöne gewesen, sie putzte sich gern heraus, benutzte oft den Spiegel und habe meist die schwarzseidene Schürze getragen, die die Frauen sonst nur an Festtagen umgebunden hatten. Diese Tanten Dora und Emma bewirtschafteten zusammen mit ihren Brüdern Christoph und Georg den Gudjons-Szagarus-Hof in Alt Lubönen bis zur Vertreibung 1945. Sie sind alle gestorben, bzw. auf der Flucht umgekommen.)

Über Kleidung und Gewohnheiten der Zeit

Die Männer trugen Bauerntracht aus selbstgewebten Woll- und Baumwollstoffen. Im Winter Pelze aus weiß gegerbten Schaffellen. Bei Besuchen und Festlichkeiten wurde schwarzes Tuch und vielfach Seidenwesten (ebenfalls schwarz) getragen und die Pelze dazu mit dunklem Stoffbezug. Im Sommer bekamen alle Männer Anzüge aus Baumwolle, natürlich auch selbst gewebt.

Der Schneider kam im Frühjahr und Herbst auf acht bis vierzehn Tage ins Haus und “benähte” die ganze Familie. Vom Wirt (Hausherr) angefangen bis zum Hütejungen. Auch die weiblichen Mitglieder der Familie bekamen die Jacken (Blusen) vom Schneider genäht. Frauen trugen zur Arbeit meist selbstgewebte Stoffe, aber Kattun gab es auch schon (Kartun wurde er bei uns genannt).

Natürlich war die Mode für die Weiblichkeit maßgebend. Und Zeitschriften und Zeitungen sorgten für die Verbreitung der neuesten Trends. So trugen unsere Mütter schon “Krinoline” und “Biedermeier”, wie später auch Kü und Cul. Meine Mutter erzählte öfter, dass ihr die Krinoline das Leben gerettet habe. Sie war an einem Sonntag bei der Rückkehr von der Kirche in Schmalleningken mit dem Übersetzkahn untergegangen. Ihre Krinoline bauschte sich stark mit Luft auf und hielt sie so lange über Wasser, bis sie von herbeieilenden Schiffern gerettet werden konnte. Und meine Tante Hutecker (die Frau des Apothekers in Lasdehnen), zugleich Cousine von Eurer Großmutter Maryke, war die erste, die der darüber erstarrten Weiblichkeit der Verwandtschaft den ersten ‘Cu de Paris’ vorführte. Vielleicht sollte es ‘Queue de Paris’ heißen, oder besser noch ‘Cul’ (Steiss)?

Das Zusammenstellen der Aussteuer für die Mädchen begann schon, wenn sie noch in der Wiege lagen, besonders Wäsche und Handtücher wurden zurückgelegt. Und manche Bauerntöchter der damaligen Zeit brachten Hunderte von Hemden und Handtüchern, sauber gezeichnet und mit fortlaufender Nummer versehen, in die Ehe mit.

Zum Beispiel brachte meine Mutter, eine geborene Gawehns, dreihundert Hemden und ebenso viele Handtücher und anderes mit. Mein Vater hatte ebenso dreihundert Hemden. Der Grund war einfach. Denn die Knechte und Mägde trugen die Hemden des Bauern bzw. die Blusen der Bäuerin, weil die gesamte Kleidung des Dienstpersonals der Bauer bestreiten mußte. Das erklärt die Riesenmengen an Leibwäsche und Handtüchern. Mit der Bettwäsche war es ähnlich und Bettwerk gab es in jedem Haus in einer heute kaum mehr vorstellbaren Menge.




Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

<gov>FRILDEKO15GA</gov>


Quellen