Siebenjähriger Krieg im Vest (1756-1763)

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Der Siebenjährige Krieg (1756-63)

Als im "Schicksalsjahr" 1740 am 31.Mai in Potsdam der preußische "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. starb und Friedrich II. (der Große) sein Nachfolger wurde; und als am 20.0ktober desselben Jahres in Wien Kaiser Karl VI. starb, beerbete diesen seine Tochter Maria Theresia. Im gleichen Jahre noch begann in der Tat der bis 1742 dauernde Erste Schlesische Krieg, der Preußen den Besitz Schlesiens einbrachte und sich zum Oesterreichischen Erbfolgekrieg ausweitete. Durch den Zweiten Schlesischen Krieg (1744-45) wurde die Aneignung Schlesiens durch Preußen endgültig.

Zwischen 1742 bis 1746 sind Einquartierungen fremder Truppen in Westerholt nachgewiesen. Zum 10. Jan. 1745 wurde eine Liste über die Einquartierung holländischer Truppen bei Dorstener Einwohnern erstellt. Die Schlesischen Kriege zeigten ihre Auswirkungen im Vest.

Fast zwangsläufig erfolgte dann der Siebenjährige Krieg (1756-63). In diesen waren mit Preußen und England /Hannover auf der einen und der kaiserlich österreichischen Monarchie mit Frankreich und Rußland, sowie dem Heiligen Römischen Reich auf der anderen Seite alle Großmächte in Europa verwickelt.

Kurfürstentum Köln

Der Kölner Kurfürst (1723-1761) Clemens August, Herzog von Bayern, wäre in dem Ringen zwischen den beiden kriegführenden Parteien Preußen/England einerseits und Österreich/Frankreich andererseits am liebsten neutral geblieben.

Da es in diesem Krieg aber auch um den Besitz des englischen Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg ging, konnte der Krieg kaum an den damals angrenzenden Ländern des Kurfürsten vorübergehen (Kurfürstentum Köln, Fürstbistum Münster, Fürstbistum Paderborn, Fürstbistum Osnabrück, Fürstbistum Hildesheim). So stellte sich der Kurfürst auf die Seite Österreich/Frankreichs.

Für das Vest Recklinghausen bedeutete das Einquartierung und Durchmarsch französischer Truppen, auch unter Benutzung der Lippeübergänge bei Dorsten und Haltern.

Über den Verlauf des Siebenjährigen Krieges im Vest Recklinghausen sind wir wieder gut unterrichtet durch die Chronik von Pfarrer Blankenheim, der den Krieg als Pfarrer von St.Peter in Recklinghausen erlebte, und weiterhin durch die Chronik von Pfarrer Schmitz, der von 1760 bis 1796 die Pfarre von Oer leitete, sowie durch Schreiben des Richardus Schröder Pfarrer von Hamm Bossendorf (1741-1772) an das Haus Ostendorf.

Das Jahr 1757

Die Drangsale für das Vest Recklinghausen begannen im Jahre 1757. Am 10. April diesen Jahres setzte sich die sogenannte "Große französische Armee", 60.000 Mann stark, in Richtung auf Münster in Marsch. Die "Kleine Armee" zog über den Hellweg nach Osten. Ein ganzes Jahr lang sah das Vest durchmarschierende Truppen mit den üblichen Begleiterscheinungen. Die Stadt Recklinghausen hatte in diesem Jahr nicht weniger als 40.000 Soldaten und fast 8.000 Pferde der Franzosen zu beherbergen.

1758 Lager von Haltern unter Generalleutnant Graf de Lorger, gegenüber den Hannoveranern, dazwischen die Lippe.

Das Jahr 1758

Ende März flutete die französische Armee von Osten her vor ihren Gegnern zurück durch das Vest auf Wesel zu. Am 30. März verließen die letzten französischen Soldaten bei Dorsten vestischen Boden, nachdem sie die dortige hölzerne Lippebrücke in Brand gesteckt und alle Schiffe auf der Lippe (Dorstener Schiffbau) zerstört oder Lippe abwärts zum Transport eingesetzt hatten. Nahrungsmittelknappheit und Teuerung waren die Folge der Truppendurchzüge und deren Versorgung im Vest.

Bereits im April folgten den Franzosen preußische, hannoveranisehe und braunschweigische Truppen, die das Vest Recklinghausen als Feindesland betrachteten und es entsprechend behandelten. Im August aber kamen die Franzosen zurück. Sie besetzten Recklinghausen mit den umliegenden Bauerschaften. Das Gehöft Natrup in Börste ging durch eine Unachtsamkeit in Flammen auf.

Auch das Gebiet südlich der Lippe wurde von Franzosen besetzt. Im Pfarrhaus von Hamm-Bossendorf war das Hauptquartier dieses Truppenteils aufgeschlagen. Es kam 1758 und 1759 im Kirchspiel zu erheblichem Holzraub durch die Beatzungstruppen, die zur Wiederaufforstung Nachpflanzungen von Eichen und Buchen in großem Umfang erforderten. Etliche hohe Buchen, die noch um 1950 in dem Wäldchen beim früheren, heute abgerissenen Pfarrhaus zu sehen waren, stammen aus diesen Anpflanzungen.

Die Belastungen durch die Durchmärsche der Verbündete des Kurfürsten führte zu großer Armut und teilweiser Hungersnot. Beschwerden der Bevölkerung über den Kurfürsten beim Kaiser und beim französischen König führten zu kaum merklichen Besserungen.

Jenseits der Lippe (nördlich) lagen um diese Zeit im Münsterischen, die gegnerischen Truppen (Preußen/England). In der Stadtbücherei Von Haltern liegt eine Lagekarte aus dem Jahre 1758, welche die genauen Stellungen beiderseits der Lippe in der Zeit vom 28.08. bis zum 30.09.1758 wiedergibt.

Die Überschrift lautet ins deutsehe übersetzt: "Lager von Haltern unter dem Herrn Grafen de Lorger, Generalleutnant, gegenüber den Hannoveranern, zwischen beiden die Lippe, vom 28.August bis zum 30.September 1758."

Man sieht auf der Karte südlich der Lippe zwischen Haus Ostendorf und Bossendorf (fälschlich "Doffendorff" geschrieben) die mit „a“ bezeichneten französischen Posten ("Postes des Francois le long de la Lippe"), die Lage der Batterien mit genauer Angabe der Geschützzahl bei Bossendorf und Hamm. An der nördlichen Flußseite die mit „b“ bezeichneten gegnerischen Posten ("Postes Ennemis") der Hannoveraner.

Auffallend ist die starke Besetzung des Annaberges, was auf die damalige strategische Bedeutung dieser Stelle hinweist. Die französischen Truppen hielten demnach die Haard, die Truppen des Herzogs von Braunschweig die Hohe Mark besetzt. Größere Kampfhandlungen hat es aber wohl nicht gegeben. Nach Allerheiligen 1759 bezogen die Franzosen jenseits des Rheins Winterquartier. Das hatte zur Folge, daß von Dezember an gelegentlich preußisch/englische Einheiten in`s Vest Recklinghausen kamen und plünderten, bis der Vestische Hofrat Wesener mit der braunschweigisch-bückeburgischen Armee eine vertragliche Regelung über ihre Versorgung im Vest erreichte.

Nachweis im Kirchenbuch

Die Anwesenheit der Franzosen spiegelt sich beispielsweise auch wider in den Hamm-Bossendorfer Kirchenbüchern. So wurde am 20.09.1758 ein "Josephus Guillaume, infans gallicus" (Joseph Wilhelm, französisches Kind) beerdigt. Am gleichen Tage starb ein "miles gallicus" (französischer Soldat) "in castro gallico" (im Lager der Franzosen) "subitanea morte" (eines plötzlichen Todes). Eine ähnliche Eintragung findet sich am darauffolgenden Tage, dem 21.09. mit der Ortsbezeichnung "in castris regis Galliae" (im Lager des Königs von Frankreich).

Das Jahr 1759

Das Vest Recklinghausen war im Jahr 1759 bald von der einen, bald von der anderen kriegführenden Partei besetzt. Der Domkapitelsverwalter in Recklinghausen gibt die Lage folgendermaßen wieder: „Die frantzosen und Hannoveraner, Einer mit höflichkeit, der andere mit stoltzheit, schlagen den leib voll, Kasten und Kisten offen, nehmen den armen vorrath an speck und Dörrfleisch daraußen, benebst erpressung Geldt, Pferde, Waagen, so bey sich behalten, ohne zu wissen, ob zurückkommen sollen; in der stadt dahier sein bald frantzosen, bald die hannoveraner, einer jaget den anderen“.

Das Jahr 1760

Auch im Jahr 1760 wurden die Bewohner des Vestes auch weiterhin beansprucht durch Lieferungen an die Truppen, besonders im September, als die gegnerischen Braunschweiger durch das Vest Recklinghausen nach Westen zogen. Winterliche Vorräte für den Unterhalt und die Aussaat ließen sich kaum bilden.

Das Jahr 1761

Am 06.02.1761 starb Kurfürst Clemens August. Sein Nachfolger wurde Maximilian Friedrich, Gf. v. Königsegg-Rothenfels), zunächst im Kurfürstentum Köln (1761-1784) und ab 16.09.1762 (-1785) auch im Fürstbistum Münster.

Im Sommer kamen die Franzosen in`s Vest Recklinghausen zurück. Das Dorf Oer wurde von einem Freikorps geplündert. Dann nahm die französische Streitmacht ihren Weg über die Lippe in`s Fürstbistum Münster. Von August an gab es dann wieder ein bewegtes Hin und Her. Gegen Ende August plünderten Hannoveraner die Städte Recklinghausen und Dorsten. In Flaesheim schlug der Erbprinz von Braunschweig-Lüneburg sein Hauptquartier auf.

Die Franzosen aber kehrten zurück und nahmen das Vest Recklinghausen wieder in Besitz. Am 12.August kamen sie "nach dem Hämbken" z.) und am 2.September standen sich die Truppen beiderseits der Lippe in gleicher Stellung wie 1758 gegenüber.

Wieder folgten Hungersnot und Teuerung. Die Marler Bauern konnten wegen der drückenden Lasten und Lieferungen an die Franzosen keine Steuern mehr bezahlen und mußten ihre Markengründe verpfänden, um überhaupt die Saat für den nächsten Sommer sicherzustellen. Im folgenden Winter wurde das Vest Recklinghausen Niemandsland, da die Franzosen sich südlich der Emscher zurückzogen, während die feindlichen Truppen nördlich der Lippe lagen.

Das Jahr 1762

In diesem Jahre kam es am 25.Juni zwischen Recklinghausen und Herten zur einzigen militärischen Attacke des Krieges auf vestischem Boden. Ansonsten gab es die üblichen Durchmärsche und Kriegslasten. Hauptsächlich beherrschten die Franzosen als Verbündete des Kurfürsten von Köln das Vest.

Pfarrer Schmitz aus Oer erwähnt in seiner Chronik, daß vom 18.-21. Juli die französische Armee, die im Münsterland gestanden hatte, durch das Vest Recklinghausen ins Hessische zog. In Oer sei man zwar nicht sehr geschädigt worden, "obschon am Hämmchen, bei Buer und wo sonst die Armee auf diesem Marsche gestanden und hingekommen, alles abgemäht wurde" (Heugewinnung als Pferdefutter, siehe auch Schadenslisten). Im November verließen die Franzosen bei Dorsten endgültig das Vest.

Nachweis im Kirchenbuch

Unter dem 13.09.1761 beurkundet das Hamm-Bossendorfer KB-Register den Tod eines "miles de Legione Clermon". Das Clermontsche Freikorps, welches 1761 im Dorf Oer geplündert hatte, hielt sich also offensichtlich noch in der Gegend auf.

Das Jahr 1762

Der Siebenjährige Krieg wurde militärisch durch die Schlachten in Schlesien, Sachsen und Böhmen entschieden. Dennoch waren auch die Bewohner des Vestes Recklinghausen froh, als am 15.02.1763 endlich in Hubertusburg der Friede geschlossen wurde. Preußen behielt Schlesien und Friedrich der Große gab dem Sohn Maria Theresias, Erzherzog Joseph, seine Stimme bei der Kaiserwahl.

Nachwehen im Kirchenbuch

Auch nach dem Friedensschluß zeigten sich noch "Nachwirkungen" der Anwesenheit fremder Soldaten im Kirchspiel Hamm-Bossendorf: Am 20.04.1763 wurde ein uneheliches Kind getauft, dessen Vater ein "miles borosicus" war (ein preußischer Soldat).

Nachweis des frühesten Kartoffelanbaus im Vest

Über die Erfassung der Durchzugschäden im Vest Recklinghausen kann auch die bereits erfolgte Verbreitung des Kartoffelanbaus (Erdäpfel) im Schadensgebiet nachgewiesen werden.

Erfassung von Durchzugschäden


Quelle

  • Thewes, Peter: Chronik der Familie Albers (1987)
  • Stratmann, Bodo: Vernetzte Familien-Artikel im GenWiki (siehe Links auf diese Seite)