Deutsche und französische Kultur im Elsass/037

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Deutsche und französische Kultur im Elsass
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[036]
Nächste Seite>>>
[038]
Datei:Kultur elsass.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



bemüht, die einflussreichen Kreise des Landes, also besonders die Notabeln, durch allerlei Begünstigungen und Gewährung materieller Vorteile für das neue Regiment zu gewinnen. Auch war man rasch bei der Hand, etwaige politische Unzuverlässigkeit oder protestlerische Anwandlungen durch „administrative" Strafen, d. h. Nichtgewährung oder Entziehung solcher Vergünstigungen, über welche die Regierung in Menge verfügte, zu ahnden. Die vermittelst dieses „Systems" angestrebten Zwecke wurden nun in der Regel nicht erreicht, dagegen wurde die Bevölkerung zunächst daran gewöhnt, die Notabeln als ihre geborenen Beschützer und Vermittler zwischen ihr und der Staatsgewalt zu betrachten. Ausserdem aber erschien dem Elsässer das ganze politische Leben nicht als eine Bethätigung des Gemeinsinns, sondern ausschliesslich als eine Gelegenheit zur Interessenvertretung und ferner als ein Jagdgebiet zur Erbeutung persönlicher Vorteile, das um so schonungsloser ausgeschossen wurde, je feindlicher man innerlich der herrschenden Ordnung gegenüberstand.

Endlich darf nicht vergessen werden, dass wie in jedem eroberten Land so auch im Elsass nach der Annexion gewissenlose Streber auftauchten, die die Zurückhaltung oder das Verschwinden der bisher politisch massgebenden Personen benutzten, um eine politische Rolle zu spielen. Ihr Hauptzweck war natürlich, vermöge dieses Einflusses grösstmögliche persönliche Vorteile zu erlangen. Auch diese Persönlichkeiten haben zur Verschlechterung der politischen Moral ihr Teil beigetragen.

Heute ist es allerdings besser geworden. Die Bevölkerung hat sich an die deutsche Herrschaft gewöhnt, die zweifelhaften Politiker sind verschwunden, und neue Parteien, die es mit der Politik ernst meinen, wie der Klerikalismus und die Sozialdemokratie sind entstanden und haben in der Bevölkerung zahlreiche Anhänger gefunden. Man braucht die Endziele dieser Parteien nicht zu billigen und kann doch anerkennen, dass sie die politische Moral des Volkes bedeutend verbessert haben. Aber gerade in den einflussreichen Kreisen des Kleinbürgertums und der Notabeln ist dieser Tiefstand der Moral des öffentlichen Lebens noch immer sehr bemerkbar. So ist auch die politische Moral der Elsässer ein merkwürdiges Produkt aus den verschiedenartigsten Faktoren. Gegebene Anlagen des

Bildunterschrift:
v. SEEBACH: "Lohkäs"-Händler.