Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/202

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
Inhalt
GenWiki E-Book
<<<Vorherige Seite
[201]
Nächste Seite>>>
[203]
Datei:Chronik Spamer.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: fertig
Dieser Text wurde zweimal anhand der angegebenen Quelle korrekturgelesen.



Im Schlafe und im Wachen
Sah ich ihr theures Bild
Mir hold entgegen lachen,
So wonnig, engelmild!
„Ach komm' in meine Nähe,
„Du heißgeliebtes Weib,
„Daß ich dich wiedersehe
„Mit Seele und mit Leib!“
So rief ich oft im Stillen,
Doch freilich nun zu spat;
Sie konnte nicht erfüllen,
Was ich so innig bat.
Den abgeschied'nen Seelen
Muß die Gelegenheit
Zur Rückkehr gänzlich fehlen,
Sonst hätt' sie mich erfreut.
Ein Lichtglanz zwar umschwebte
Mein Bett um Mitternacht,
Wenn ich, die nicht mehr lebte,
Recht lebend mir gedacht;
Dann fing ich an zu meinen,
Sie werde auf der Stell'
Jetzt in Person erscheinen,
Und setzte auf mich schnell,
Um gleich sie zu umfangen,
Wie die Gestalt auch sei;
Doch nie ward mein Verlangen
Befriediget dabei.
Der Flimmer, den ich schaute,
Lag im erhitzten Blick;
Die heißersehnte Traute
Kam nie zu mir zurück.
O, käm' noch heut die Rare
In voriger Gestalt!
Heut' grade wär' der Jahre
Sie dreiundfünfzig alt!
Möcht' sie auch älter scheinen,
Als da sie mich verließ;
Vor Freude würd' ich weinen
Im neuen Paradies!
Ach, diese Wünsche bleiben
Bei mir im vollsten Lauf,
Doch hör' ich, sie zu schreiben,
Hier endlich einmal auf!
Vielleicht will's Manchem scheinen,
Dieß Lied sei viel zu groß;
So lang könn' Niemand weinen
Um seine Zweite Ros'.
Doch Leser dieses Glichters,
Die sahen nimmer blüh'n
Die Rose unsers Dichters,
Sonst hätten sie's verzieh'n,
Sie in Erinn'rung bringen,
Ist meine Seligkeit;
D'rum möcht ich von ihr singen
Bis an das End' der Zeit!
Wie wird sie herrlich prangen
In jenen Himmelshöh'n!
Wie werden mit Verlangen
Die Engel nach ihr seh'n!
Die würde ich beneiden,
Wenn ich nicht sicher wüßt',
Daß Engel nimmer streiten,
Und droben Niemand küßt.
Drum harr' ich ohne Eifer,
Bis einst in jenen Höh'n
Ich selbst zum Himmel reifer
Sie werde wiederseh'n.
Leb' wohl in jenen Räumen,
Du Herzenslust und Weh!
Und laß mich von Dir träumen,
Bis ich Dich wiederseh'! —


Hermannstein am 26. April 1859.
Christian Spamer.