Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/190

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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So ward ich wohl gewarnet,
Bevor das Mädchen kam;
Doch war ich schon umgarnet,
Eh' es noch Abschied nahm.
Ich hab' fast nichts gesprochen;
Sie wenig angeseh'n,
Und hört' es in mir pochen,
Als ich sie sahe geh'n.
Nur einen Blick zu wagen
In's große, dunkle Aug,
Konnt' ich mir nicht versagen,
Und — Puff! — da hatt' ich's auch.
Die Grazien spielten alle
Ihr schalkhaft um den Mund,
Und lockten in die Falle
Mich in der ersten Stund'.
Wie strömte Geist und Laune
Aus ihrem Rosenmund!
Nichts brach sie von dem Zaune;
Ein Wort wog auch ein Pfund.
Und wie hieß dieses Mädchen,
Das mir so mitgespielt,
Und lange meinem Käthchen
Bei mir die Wage hielt?
Ihr Name „Wilhelmine“
War mir schon lange werth,
Doch seit Sie mir erschiene,
Hab' ich ihn erst verehrt.
Aßlarer Minchen“ nannte
Sie Jeder rings umher,
Als ob im Ortsverbande
Kein and'res Minchen wär'.
Ihr Vater Bürgermeister
War damals in dem Ort;
Längst in dem Reich der Geister,
Ehrt man noch heut sein Wort.
„Emmelius“ war sein Name,
„Von Schnellenberg“ zwar auch;
Doch dieser letzt're kame
Schon lange außer Brauch.
Die Mutter Philippine,
Geborne Remy, war.
Der beiden Aeltern Miene
Stellt treu' ihr Bildniß dar.
Auch Minchens Bildniß gleichet
So ziemlich überall,
Doch nicht das Wasser reichet
Es dem Original!
Weil sie in jenen Stunden,
Wo sie dem Maler saß,
Sich gar nicht wohl befunden,
Ward auch ihr Bild so blaß.
Die stattliche Brünette
Von mittlerer Statur
Glich niemals der Kokette,
'S war eine Kraftnatur.
Die Lilienstirn umzogen
Vom schön' lichtbraunen Haar'
Und unter vollen Bogen
Ein Sonnenaugenpaar.
Ein Dutzend Amoretten
Trieb drinnen lustig Spiel,
Und jeder konnte wetten,
Er treffe stets sein Ziel.
Die Nase grad' und zierlich
Wies nach dem frischen Mund,
Da quoll der Witz natürlich,
Der Jugendscherz gesund.
Bei Oeffnung dieser Quelle
Erglänzt' in vollen Reih'n
Hinter der Rosenschwelle
Der Zähne Elfenbein.
So oft sie wollte necken,
Zuckt' froher Uebermuth
In ihres Mundes Ecken;
Das stand ihr gar zu gut!
Die Alabasterwangen,
Mit Schamroth sanft durchglüht,
Entzündeten Verlangen,
In sterbendem Geblüt.