Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/149

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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„Zu errathen, eh' ich's kund gethan!“
„Nun, Sie wären gern zu Haus geblieben,“
Sprach der Andre, „und in Ihrer Ruh',“
„Hätte Sie nicht zu mir hergetrieben“
„Heute Ihre krank geword'ne Kuh!“
„Darf ich“ — sprach mein Großpapa — „auch
fragen,“
„Welche Kuh mir krank geworden ist?“
„Denn da Ihr das Andre konntet sagen,“
„Denke ich, daß Ihr auch dieses wißt!“
„Ihre alte Bläße ist die Kranke,“
„Die am nächsten stehet bei der Thür',“
Sprach der Andere, „und ihr verdanke“
„Ich es, daß Sie kamen her zu mir!“
„Nein, gesund sind alle meine Kühe,“
„Und ich habe keine Bläß' dabei;“
„Darum gebt Euch weiter keine Mühe;“
„Ich verlange keine Arzenei!“
„Aber gerne gebe ich sechs Batzen“
„Für die Nachricht, die Ihr mir ertheilt,“
„Denn ich ließ zur Thorheit mich beschwatzen,“
„Und von dieser habt Ihr mich geheilt!“
Da mein Großpapa also gesprochen,
Ging er wieder heim mit leerer Hand;
Nach Verlauf indeß von wenig Wochen
Meiner Mutter Uebel doch verschwand.
Als sie eine junge Frau gewesen,
Warf ein Aug' auf sie ein Officier,
Der sich damals hatte auserlesen
Meiner Aeltern Wohnung zum Quartier.
Da er aber mündlich in die Schranken
Jedes Mal von ihr gewiesen ward,
Kam er nachher auch auf den Gedanken,
Zu versuchen es auf andre Art.
Er erkühnte sich, ihr zuzusenden
Auf geheimem Weg ein Billet-doux;
Doch sie stellte es mit treuen Händen
Augenblicklich ihrem Gatten zu.
„Höre, vor dem unverschämten Laffen“ —
Sprach zu ihrem Gatten sie — „mußt Du“
„Ein für alle Mal mir jetzt verschaffen“
„Meine nur durch ihn gestörte Ruh!“
Dieser sprach : „Ach, laß ihn doch nur schreiben!“
„Denn so lang Du mir die Briefe zeigst,“
„Wirst Du mir gewiß auch treu verbleiben;“
„Drum ist es am besten, wenn Du schweigst!“
Und der Briefe, die sie zärtlich loben,
Hat von Jenem sie bekommen mehr,
Und dieselben werden aufgehoben
Als Beweise ihrer Frauenehr.
Dies Verhältniß hat der beiden Gatten
Treue Liebe nicht nur nicht gestört,
Sondern es hat jene, die sie hatten,
Auch bewähret und zugleich vermehrt.
Beide habe ich noch weinen sehen,
Als sie's über siebenzig gebracht,
Wenn sie, an des Andern Grab zu stehen,
Sich als möglich haben nur gedacht. —
Achtzehnhundertdreiundsechzig weihte
Man auch ein die neue Eisenbahn.
An dem 10. Januar mit Freude,
Die uns westlich führet längs der Lahn. —
Als der neunzehnte nunmehr erschiene
Vierundsechzig in dem Januar,
Meine liebe Tochter Wilhelmine
Um halb vier Uhr Morgens mir gebar
Ein geliebtes Enkelchen, dem Gatten
War's das vierte Kind, der dritte Sohn,
Doch der zweite, den sie vorher hatten,
War im ersten Jahr gestorben schon.
Drauf empfing im nächsten Monatslaufe
An dem vierzehnten das Kindlein auch
Von dem Oberpfarrer Förtsch die Taufe,
Wie es ist bei Christen der Gebrauch.
Pathen waren die zwei Gießer Tanten,
Kaufmann Eckard, Kellner's Principal,
Und mein Louis, doch die letzten standen
Bei der Taufe nicht in unsrer Zahl.
Karl und Heinrich Ludwig heißt der Kleine,
Otto aber wird er stets genannt,
Welcher Name ihm schon im Vereine
Von dem Vater wurde zuerkannt.
Ich, als Vicepathe, und die Tanten
Hielten hübsch den Täufling bei dem Act,
Und dann wünschten sämmtliche Verwandten
Noch den Aeltern Glück mit feinem Tact.
Drauf ging's an den Kaffee und den Kuchen,
An den weißen und den rothen Wein,
Und die Damen mußten auch versuchen
Den Champagner, aber — ganz allein.
Da wir gut gegessen und getrunken,
Und sich alle Gäste wohl gefühlt,