Brieg - Stadt und Landkreis (1964)/Gemeinden des Kreises Brieg (Brzeg)

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Nach Einführung der deutschen Gemeindeordnung im Jahre 1935 änderte sich nichts an der Einteilung der Amtsbezirke. Der Amtsvorsteher behielt seine frühere Bezeichnung weiter, lediglich der Gemeindevorsteher wurde in Bürgermeister umbenannt. Die Amtsbezirke wurden auch hier beibehalten. Die Einwohnerzahlen der Gemeinden beruhen auf der letzten Volkszählung vor dem Kriege im Jahre 1939. Die sonstigen Angaben stammen in erster Linie von den Heimatortsvertrauensmänner, der geschichtliche Teil von dem Historiker Dr. Eistert. Im Gegensatz zu den Städten Brieg und Löwen ist an authentischem Material über die Brieger Kreisdörfer, außer dem schlesischen Güteradressbuch 1937, nur sehr wenig vorhanden. Im Jahre 1955 wurden die Heimatortsvertrauensmänner aufgefordert, Einwohnerlisten nach dem letzten Stand vor der Vertreibung aufzustellen. Die meisten sind diesem Aufruf auch gefolgt. Die Listen befinden sich bei der Betreuungsstelle Brieg. Für die Dokumentation reichte das Vorhandene aber nicht aus. Es mußten Fragebogen versandt werden, um die zuletzt amtierenden Bürgermeister, Geistlichen und Lehrer zu ermitteln. Dieser Personenkreis wird von dem Vertriebenen immer wieder um Personenstandsurkunden und nach ähnlichem Beweismaterial angesprochen. Soweit die Anschriften des genannten Personenkreises noch zu ermitteln waren, sind sie mit eingesetzt.

Löwen (Lewin Brzeski)

Lage und Geschichtliches

Wappen von Löwen

Im Sommer des so schicksalhaften Jahres 1933 beging die Stadt Löwen ihre 600-Jahrfeier, und zwar die der Verleihung der Stadtrechte, nicht aber der Ortsgründung. Wann Löwen überhaupt gegründet worden ist, konnte bisher urkundlich nicht nachgewiesen werden. Urkundlich steht jedoch fest, daß Löwen durch den Piastenherzog Borislaw von Brieg im Jahre 1333 Stadtrechte erhalten hat. Löwen, oder wie es früher hieß Lewin oder Lewyn, mußte also damals im Jahre 1933 schon ein bedeutender Ort im Herzogtum Heinrichs II. gewesen sein. Löwen hat also im Verhältnis zu Brieg und anderen schlesischen Städten schon sehr früh Stadtrechte erhalten. Die Gründung des Ortes wird vermutlich in die Zeit fallen, als das Christentum im Osten Deutschlands Eingang fand und Herzog Heinrich II. fränkische Bauern und Handwerker im Osten seines Landes ansiedelte. Löwen wird also wie andere schlesische Städte schon einige Jahrhunderte vor der Verleihung der Stadtrechte gegründet worden sein. Das es eine deutsche Ansiedlung war, bezeugt die ganze Anlage der Stadt mit dem großen viereckigen Ring mit dem Rathaus in der Mitte.

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Die älteste Urkunde, in der Löwen erwähnt wird, stammt nachweisbar aus dem Jahre 1257, die auch in der Chronik der Stadt Löwen von Kurt Köhler erwähnt wird. Diese berichtet von einem Herzog auf Oppeln, der dem Johanniterhospital in Lossen bei Löwen die Mühle an der Neisse verkaufte. Der Johanniterorden hat eine große und bedeutende Rolle bei der Einführung des Christentums und der deutschen Kolonisierung dieses Teiles Schlesiens gespielt. Sein Einflußgebiet reichte tief nach Oberschlesien. Die Stadt Löwen gehörte damals zum Herzogtum Oppeln, bevor sie um 1300 durch geringfügige Grenzveränderungen an das Fürstentum Brieg fiel. Die ältesten und für die Heimatforschung bedeutendsten Urkunden befinden sich im sogenannten Roten Samtbuch der Stadt. Dieses Buch enthält auf Pergament geschrieben und in Schweinsleder gebunden eine unersetzliche Urkundensammlung über die wichtigsten Privilegien, Stadt- und Grundrechte, Zölle, Brücken- und Wegerechte, Wasser- und Fischereirechte usw. Durch die kaiserliche Kanzlei in Wien wurden alle wichtigen Urkunden über die seit der Verleihung der Stadtrechte verliehenen Privilegien usw. abgeschrieben, durch die Unterschrift des Kaisers Leopold und der kaiserlichen Räte in Wien bekräftigt und zu einem Buch in rotem Samt gebunden. Ein großes Siegel an vierfach golden gewirkten Schnüren zeigt auch äußerlich den großen Wert dieser Urkundensammlung. Sie schließt mit den Worten:

zu Urkund dies Brieffs besiegelt mit Unseren Kaiser und Königlichem anhangenden größern Insiegel Der gegeben ist Unserer Stadt Wien den dreyundzwanzigsten Monatstag July nach Christus Unsers lieben Herrn und Seeligmachers gnadenreichen Geburth im Sechzehnhundert Sechs und Siebenzigsten Jahr.


Dieses rote Samtbuch besitzt für die Löwener Heimatfoschung einen unersetzlichen Wert. Es wurde im Jahre 1933 von dem jetzigen Stadtoberinspektor Herbert Schönwitz als damaligem Beamten der Stadt Löwen in einer Bodenkammer des Rathauses in einer alten, eichenen mit Eisen beschlagenen Truhe aufgefunden. Niemand hatte von der Existenz dieses Buches eine Ahnung. Wie es dort hingekommen ist, konnte nicht festgestellt werden. Es kann vermutet werden, daß es in Kriegsjahren vor feindlichen Zugriffen versteckt worden ist. Und wiederum hat es die Wirren des letzten Krieges überdauert! Daß es weder die Russen noch den Polen in die Hände gefallen ist und damit entgültig verloren gegangen wäre, ist das große Verdienst des Löwener Zahnarztes Emil Wild, der es bei seiner Aussiedlung aus Löwen im Jahre 1960 unter großen Schwierigkeiten von den Polen erwarb und mit nach Westdeutschland brachte. Hier übergab Herr Wild dieses wertvolle Buch der Stadt Goslar, wo es einen würdigen Platz in den Räumen der Brieger Heimatstube erhalten hat.

In dem Samtbuch wird auch das älteste bekannte Siegel der Stadt Löwen mit dem Wappen beschrieben, und zwar wie folgt:

ein Löw springet aus einem Berge mit seiner Unterschrift in ein groß gelb Wachs gedruckt, welches Datum ist 1380 Jahr.

Auch im Flur des oberen Stockwerkes des Rathauses war ein uralter Stein eingemauert, der das Jahr 1933 und das damalige Wappen der Stadt zeigte. Das Wappen der Stadt zeigt heute einen aufrechtschreitenden goldenen Löwen im blauen Felde, aus einem Dreiberg herauswachsend. In einem überlieferten Siegel, das vor 300 Jahren verwendet wurde, findet sich die Umschrift

IN SIGNA CIVITATIS LOVIENSIS 1333

Die Jahreszahl bezeichnet den Zeitpunkt der Stadtrechtverleihung. Die Stadt Löwen übernahm das Magdeburger Recht von Breslau. Das Löwener Wappen schmückt heute, neben dem Brieger Stadtwappen, handgeschmiedet das Portalgitter am "Brieger Turm" zu Goslar, der würdigen Gedenkstätte der Heimat: Trotz Kriegs-, Wasser- und Feuersnot entwickelte sich Löwen zu einem bedeutsamen Handelsplatz nicht nur für den Kreis Brieg, sondern auch für die Kreise Falkenberg und Oppeln. Viele Bauern kamen aus diesen Kreisen nach Löwen. Handel und Gewerbe blühten, und bald schlossen sich die Handwerker zu Innungen zusammen:

  • 1535 die Züchner,
  • 1569 die Töpfer,
  • 1584 die Schuhmacher,
  • 1603 die Schneider und die Fleischer,
  • 1609 die Tischler,
  • 1611 die Schlosser, Schmiede, Rademacher und Stellmacher, Maler, Schwerdfeger, Messerschmiede und Nadler,
  • 1622 die Kürschner und Seiler.
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Mit den Innungen beginnt auch die Löwener Wehrgeschichte. Zum Schutze der Stadt hatte sich aus den Innungen, besonders aus der Schlosser- und Schmiedeinnung, eine Bürgerwehr gebildet. Neben anderen Pflichten forderten die Innungen, daß Meister nur werden konnte, wer auch mit dem "Gewehr" umgehen konnte. Die Mitglieder waren verpflichtet, an regelmäßigen Übungen teilzunehmen. Die Bürgerwehr war also die Vorgängerin der späteren Schützengilde bzw. Bürgergarde. Die Schützengilde wird erstmalig 1701 urkundlich erwähnt. Sie wird aber bereits im 14. Jahrhundert, ähnlich wie die Brieger Schützengilde, durch einen der Piastenherzöge gegründet worden sein. Die im Jahre 1812 durch königlichen Beschluß gemäß § 28 der Städteordnung gegründete Bürgergarde löste die Schützengilde ab. Nach Abzug des preußischen Militärs übernahm diese den Schutz der Stadt. Die Bürgergarde zählte damals 101 Mitglieder mit 29 Flinten. Sie ist nach den Befreiungskriegen wieder aufgelöst worden. 1838 wurde die Schützengilde wieder gegründet; sie erhielt im Jahre 1848 eine Fahne, welche aber einige Jahrzehnte später verlorengegangen ist. 1910 erhielt die Schützengilde eine neue Fahne, die bis zur Vertreibung im Jahre 1945 im Rathaus aufbewahrt wurde.

Alte und bedeutende Bauwerke waren die evangelische Peter- und Paulskirche, das Schloß mit Neissemühle, die Moschei und das Rathaus. Die nach St. Peter-Paul genannte evangelische Pfarrkirche wurde 1335 zum ersten Male urkundlich erwähnt. Sie wurde 1586 bei dem großen Brand völlig zerstört und ist 10 Jahre später in der jetzigen Gestalt wiedererrichtet worden. Im 30-jährigen Kriege wurde der angebaute stattliche Glockenturm durch Feuer zerstört. Im Jahre 1660 wurde er wiedererrichtet, dabei wurden Chöre angebaut und das Mittelstück der Kirche im gotischen Stil vergrößert. Das Rathaus stand auf dem weiträumigen, rechteckigen Ring. Über die Errichtung des ersten Rathauses sind urkundliche Beweise nicht vorhanden. Mehrere Brände im Laufe der Jahrhunderte haben es wiederholt vernichtet. Beim letzten großen Stadtbrand im Dezember 1832 wurde es ebenfalls mit zerstört. Erst 1837 wurde es mit vielen finanziellen Sorgen von dem damaligen Magistrat wiedererrichtet. Die Baukosten betrugen etwa 4.000 Reichtaler. 1908 ist es mit einem Kostenaufwand von 17.000 Mark umgebaut worden. Zu den schönsten Bauwerken der Stadt gehört die katholische Kirche, die am 10.11.1904 durch Fürstbischof Kardinal Dr. v. Kopp eingeweiht wurde.

Die Stadt Löwen

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Stadtgebiet - Stadtverwaltung
Größe des Stadtgebietes: ca. 1.000 ha
Größe des städtischen Grundbesitzes: ca. 50 ha
Einwohnerzahl: ca. 4.300

Bevölkerungsgliederung:

  • Landwirtschaft ca. 1/10
  • Handwerk ca. 2/10
  • Industrie ca. 5/10
  • Handel, Beamte, Angestellte ca. 2/10

Ehrenbürger der Stadt (soweit bekannt):

  • Kommissionsrat Fabrikbesitzer Hermann Thaler
  • Kaufmann Theodor Nitzschke

Stadtälteste:

  • Gustav Schmidt, Heinrich Husche, Eduard König, Gottlieb Reichert,
  • Gottlieb Gerstenberg, Wilhelm Schulz, Hermann Schmidt, Franz Wrzeciono,
  • Gottlieb Hannich, Otto Poelchen

Zahl der letzten Stadtabgeordneten: 12
Zahl der letzten Magistratmitglieder: 6

Bekannte Bürgermeister:

  • Bürgermeister Mende 1840 1857 (hat sich große Verdienste um den Bahnbau nach Löwen erworben.)
  • Bürgermeister Kriele 1858 - 1883
  • Bürgermeister Riedel 1884 - 1888
  • Bürgermeister Prohl 1888 - 1893
  • Bürgermeister Reimann 1893 - 1898
  • Bürgermeister Dr. Hasse 1898 - 1901
  • Bürgermeister Nerlich 1901 - 1903
  • Bürgermeister Gehrmann 1903 - 1913
  • Bürgermeister Dr. Rippentrop 1913 - 1921
  • Bürgermeister Dr. Peche 1921 - 1923
  • Bürgermeister Dr. Becker 1923 - 1926
  • Bürgermeister Dr. Kliem 1926 - 1934
  • Bürgermeister Hermann 1934 - 1936
  • Bürgermeister Zipffel 1936 - 1945

Letzter Stadtverordnetenvorsteher: Mühlen- und Schloßbesitzer Friedrich Bilzer, + 21.03.1951 Landshut

Schulen und Kulturpflege

Schulen:

  • Evangelische Volksschule
  • Katholische Volksschule
  • Berufsschule

Ab dem 1.4.1939 gab es nur eine Knaben- und eine Mädchenvolksschule mit je 8 Klassen.

  • Letzter Leiter: Hauptlehrer Anders
  • Hauptlehrer Kuge + Volkssturm 1945
  • Weitere Lehrer: Stribny, Hinze, Brockel, Kopp, Seifert, Sperling, Frl. Riemer und Frl. Gloger

Kirchen:

  • Evangelische Kirche letzter Pastor Dr. Hans Christiani, Berlin-Karlshorst, Hentigstraße 18a
  • Katholische Kirche letzter Pfarrer Friedrich v. Woyski, + 1958 in Endel/O
  • Jüdische Synagoge

Das Amtsgericht Löwen

Als die Steinsche Städteordnung vom 19. November 1808 daran ging,

"den Städten eine selbständigere und bessere Verfassung zu geben, in der Bürgergemeinde einen festen Vereinigungspunkt gesetzlich zu bilden, den Bürgern eine tätige Einwirkung auf die Verwaltung des Gemeinwesens beizulegen und durch diese Teilnahme Gemeinsinn zu erregen und zu erhalten",

da war es nach dem Grundsatz der Trennung der gesetzgebenden, verwaltenden und rechtssprechenden Gewalt an der Zeit, die Gerichtsbarkeit von der Kommunalverwaltung zu lösen und Stadtgerichten zu übertragen. Von dieser Zeit an bestand auch in Löwen ein von der Stadtverwaltung losgelöstes Stadtgericht, das mit Stadtgerichtsdirektor, Stadtrichter, Registrator, Kanzlist und Ratsdiener ein selbständiges, der unabhängigen Gerichtsbarkeit dienendes Leben begann. Das Jahr 1847 brachte für die preußischen Stadtgerichte und damit auch für das Stadtgericht Löwen wichtige Jurisdiktionsänderungen. Soweit für gerichtliche Verfahren sog. Gerichts-Kommissionen, d.h. durch mehrere Richter entscheidende Gerichte zuständig waren, wurden die Stadtgerichte den benachbarten Land- und Stadtgerichten angeschlossen, so das Stadtgericht Löwen dem Land- und Stadtgericht zu Brieg. Das hieß keineswegs, daß das Stadtgericht Löwen nun etwa als selbständiges Gericht zu bestehen aufgehört hätte. Nur die von "Gerichts-Kommissionen" zu bearbeitenden Rechtssachen wurden dem Land- und Stadtgericht Brieg übertragen. Das 1848 mit seinem Streben nach Einrichtung eines konstitutionellen Staates blieb auch auf die Gerichte nicht ohne Einfluß. Die Verordnung vom 2. Januar 1849

"über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des examinierten Gerichtstandes sowie die anderweitige Organisation der Gerichte"

brachte für die Kreise Kreisgerichte, beließ aber Städten, die bereits seit langem eigene Stadtgerichte besaßen, diese weiter, so daß das Stadtgericht Löwen unverändert mit zwei Richtern besetzt bestehen blieb. Als dann 1879 das Gerichtsverfassungsgesetz für das neue Deutsche Reich in Kraft trat, schlug damit die Geburtsstunde des Amtsgerichts Löwen, das nun an die Stelle das alten Löwener Stadtgerichts trat. Als seine ersten Amtsrichter wurden der Gerichtsassessor FRÄNKEL und der Kreisrichter a.D. HOLD ernannt. Die Königliche Verordnung vom 5. Juli 1879

"betreffend die Bildung von Amtsgerichtbezirken auf Grund von � 21 des preuß. Ausführungsgesetzes zum deutschen Gerichtsverfassungsgesetz"

bestimmte zum Amtsgerichtsbezirk Löwen aus dem Kreise Brieg den Stadtbezirk Löwen, die Amtsbezirke Froebeln, Groß-Jenkwitz, Lossen und Taschenberg-Michelau, aus dem Kreise Falkenberg den Stadtbezirk Schurgast und die Amtsbezirke Dambrau, Hilbersdorf, Nicoline, Niewe, Norok, Schönwitz sowie aus dem Amtsbezirk Graase den Gemeindebezirk Groß Saarne. In diesem Umfang blieb der Bezirk des Amtsgerichts Löwen bis in den zweiten Weltkrieg bestehen. Nur durch ein Gesetz vom 9. Januar 1913 wurden die Landgemeinden Böhmischdorf und Groß-Jenkwitz aus dem Kreise Brieg unter Abtrennung vom Amtsgericht Löwen vom 1. Juli ab dem Amtsgericht Brieg zugelegt. All die Jahre hindurch von 1879 bis nach dem ersten Weltkrieg amtierten in Löwen stets zwei Amtsrichter, Amtsgerichtsräte, wie ihre Amtsbezeichnung schließlich hieß. Erst den Sparmaßnahmen der zwanziger Jahre fiel die zweite Richterstelle zum Opfer. Dagegen hatte das Amtsgericht noch bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges drei Stellen für Justizinspektoren, die die Justizinspektoren FAELCKE, SCHWARZER und ZEIDLER innehatten. Die dritte Stelle wurde nach Zeidlers Tod nicht wieder besetzt. In den letzten Jahrzehnten waren am Amtsgericht Löwen meist auch zwei Rechtsanwälte zugelassen, die gleichzeitig Notare waren, zuletzt Dr. DOMNICH und Dr. GROSS.

Eine Besonderheit des Amtsgerichts Löwen lag darin, daß im Gegensatz zu anderen kleinen Amtsgerichten dort wegen der Nähe der Oder und der auf ihr betriebenen Schifffahrt für die im Amtsgerichtsbezirk wohnenden Schiffseigner ein Schiffsregister geführt wurde. Handels- und Genossenschaftsregister wiesen wegen der starken heimatlichen Industrie beachtliche Firmeneintragungen auf.

Neue Aufgaben brachte das Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933. Das Amtsgericht Löwen wurde nämlich Anerbengericht für die Erbhöfe seines Bezirks. Die Höferolle legte als Vorsitzender des Anerbgerichts der damals in Löwen amtierende Amtsgerichtsrat Dr. FLEISCHER an. Nach seiner Versetzung wurde am 1. Mai 1938 Gerichtsassessor Dr. WEBERSINN Amtsgerichtsrat des Amtsgerichts Löwen und damit zugleich Vorsitzender des dortigen Anerbengerichts, das nach Anlegung der Höferolle in einer Besetzung des Vorsitzenden und zweier Bauern als Beisitzer über die Genehmigung von Höfeübergabeverträgen sowie Belastungen und Veräußerungen von Erbhöfen, auch über Veräußerung einzelner Parzellen zu entscheiden hatte.

Als Entschuldungsgericht für die landwirtschaftliche Schuldenregelung war das Amtsgericht Löwen nur vom Sommer 1933 bis zum Jahre 1936 tätig. In diesem Jahre wurde die landwirtschaftliche Schuldenregelung den neugebildeten Entschuldungsämtern übertragen. Für die Amtsgerichtsbezirke Brieg und Löwen übernahm von 1936 ab das Amtsgericht Brieg die Aufgaben des Entschuldungsamtes.

Nach der Einberufung des letzten Amtsgerichtrats von Löwen zum Kriegsdienst im Frühjahr 1943 wurden die richterlichen Geschäfte in Löwen von Richtern des Amtsgerichts Brieg wahrgenommen. Einschneidende, als Vereinfachungs- und Kriegsmaßnahmen bezeichnete Verordnungen, die den kleinen Amtsgerichten die Daseinsberechtigung zu nehmen drohten, beeinträchtigten auch die Aussichten für ein weiters Bestehen des Löwener Amtsgerichts, das mit seinem Vorgänger, dem Stadtgericht Löwen, über ein Jahrhundert dem Recht gedient hatte, zum Wohle der Bürger Löwens und der Umgebung. Es wurde am 1. August 1943 stillgelegt. Seine Geschäfte wurden vom Amtsgericht Brieg übernommen.Letzter aufsichtführender Richter war Amtssgerichtsrat DR: JUR: WEBERSINN, jetzt Oberverwaltungsgerichtsrat beim Oberverwaltungsgericht Münster/Westf.

Das Schloß Löwen und die Neisse-Mühle

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Seit dem 15. Jahrhundert war das Schloß Löwen der Sitz einer Standesherrschaft, zu der 5 große Güter in der Umgebung gehörten. Es befand sich schon seit langem in Händen der Freiherrn, späteren Reichsgrafen von Bees. Das erste Schloß war ein Holzbau, der im Jahre 1680 einer Feuersbrunst zum Opfer fiel. Erst im Jahre 1722 wurde von Otto Leopold Graf von Bees das heutige Barockschloß erbaut, und sein Name und die Jahreszahl sind auf einem Grundstein am linken Flügel noch heute zu lesen. 1780 wurde das Fideikommiß Löwen aufgehoben, da der letzte Graf Bees ohne männliche Erben verstarb. Die Herrschaft Löwen fiel dem Schwiegersohn, einem Grafen Nostiz, zu, der den Besitz schon 1796 an den Freiherrn, späteren Grafen Stosch, verkauft. Von dessen Erben hat im Jahre 1843 der Freiherr Julius von Eckardstein das Schloß und die übrigen Besitzungen erworben. Die Familie von Eckardstein hat mit besonderem Interesse eine gründliche Erneuerung des Schlosses vorgenommen. Bilder aus dieser Zeit zeigen das Schloß Löwen im Stil des schlesichen Barock mit dem typischen Doppeldach, das leider bei einer Renovierung durch ein einstufiges Dach mit Schieferdeckung ersetzt wurde. Die Gesamtherrschaft wurde nach dem Tode Wilhelm Bernhard von Eckardstein aufgeteilt, die Güter kamen in andere Hände und das Schloß mit der bis dahin kleinen Säge- und Getreidemühle und einer kleinen Landwirtschaft fiel durch Erbschaft der Familie Scholz zu.

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Von diesem Zeitpunkt an wurde die Mühle zu einem eigenen Betrieb ausgebaut, und bereits Anfang der 70er Jahre wurde die große Getreidemühle errichtet, deren Grundmauern auch den Brand von 1921 überdauerten. Im Jahre 1907 kaufte der letzte deutsche Besitzer, Friedrich Bilzer, zuerst die Mühle und im Jahre 1918 auch das Schloß und den restlichen Grundbesitz von 60 Morgen von Rittmeister Hermann Scholz. Nachdem schon bei dem Wiederaufbau nach dem Brand von 1921 die Handelsmühle mit modernsten Maschinen ausgerüstet worden war, trieb der Besitzer diese Entwicklung mit Energie vorwärts bis zum Bau des 42 m hohen Stahlsilos, der 1935 in Betrieb genommen wurde. Als Friedrich Bilzer im Januar 1945 den Betrieb "Neissemühle Löwen, Friedrich Bilzer", wie die Firma seit 1919 hieß, verließ, hatte die Handelsmühle eine Tagesleistung von 60 Tonnen, der ein blühendes Handelsunternehmen für Saatgut und Düngemittel angeschlossen war. Sie fiel unversehrt in russische Hände, ist aber im Sommer 1945 bei dem unsachgemäßen Versuch, sie in Gang zu setzten, zum größten Teil ausgebrannt.

Das Schloß, das im Jahre 1921 unter Beseitigung stilwidrigen Beiwerks erneuert und verschönert wurde, war das Zuhause der Familie Bilzer und einiger Betriebsfamilien. Es beherbergte während des Krieges auch einen Teil der Landesführerschule des Deutschen Roten Kreuzes und viele Flüchtlinge. Auch das Schloß fiel fast unversehrt in die Hände der Russen, die es völlig ausplünderten. Die Polen richteten 1947 eine Zuckerfachschule ein. Das Schloß soll unter Denkmalschutz gestellt worden sein, so daß mit seiner Erhaltung im alten Stil gerechnet werden könnte.

Zuckerfabrik Froebeln AG

So lautete einst die Anschrift des bedeutendsten Industriewerkes in Löwen. Aber nicht nur in Löwen war die "Zuckerfabrik" ein Begriff, auch in ganz Schlesien, wo 38 Zuckerfabriken beheimatet waren, gehörte sie zu den größten Werken ihrer Branche.

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde sie von der Landwirtschaftsfamilie Moll gegründet, seit 1905 war sie Aktiengesellschaft. Die Aktien wurden amtlich an den Börsen in Breslau und Berlin notiert und waren ein gern gekauftes Anlagepapier. Zu dem naturgemäß mit Risiken behafteten Fabrikbetrieb gehörten noch 2 Rittergüter, Froebeln und Rauske, mit einigen 1.000 Morgen unbelastetem Grundbesitz.

In den Kampagnen wurden etwa 1,2 Millionen Doppelzentner (120.000 t) Rüben verarbeitet, die zumeist aus den Kreisen Brieg, Ohlau, Falkenberg, Grottkau, Neisse O/S, ja auch Groß-Strehlitz und sogar Gleiwitz zur Anlieferung mit der Eisenbahn oder LKW gelangten. Rund 2.500 Landwirte bauten für die Fabrik Rüben an. Zur Ausnützung der Kapazität wurden auch erhebliche Mengen Rohzucker zur Verarbeitung auf weiße Ware hinzugekauft, überwiegend von der befreundeten Nachbarfabrik Neugebauer in Brieg; aber auch aus Oberschlesien und Troppau kam Rohzucker ins Werk.

Die Gesamterzeugung aus Rüben und Rohzucker betrug ca. 250.000 dz (Doppelzentner = 100 kg) und Würfel. Abgesetzt wurde dieser Zucker hauptsächlich in Oberschlesien und Berlin, wo besonders die Froebelner Perlraffinade ein gesuchter Artikel war. Nach Berlin erfolgt die Verladung auf Oderkähnen ab Brieg.

Die als Nebenprodukte nach Belieferung der Landwirte der Fabrik verbliebenen Trockenschnitzel wurden dem Futtermittelhandel verkauft, der sie für Futterzwecke, vielfach an Schweinemästereien, weiter verkaufte. Das Abfallprodukt Melasse fand in Hefefabriken Aufnahme. Bis 1942 führte die Fabrik selbst noch eine Melassezuckerung durch.

Die Belegschaft während der Kampagnen betrug rund 670 Köpfe, während in der Stillstandszeit etwa 200 eine Dauerbeschäftigung in der Fabrik hatten. Frühzeitig schon hatte die Fabrikleitung für Arbeiter- und Angestelltenwohnungen gesorgt, um so einen Stamm bewährter Handwerker seßhaft zu machen. Es waren 28 Werkshäuser vorhanden, die Wohnzwecken dienten. Weiter stellt die Fabrik Gartenland und Land zum Kartoffelanbau zur Verfügung.

Die von der Fabrik gezahlten Gewerbesteuern bestimmten maßgeblich den Etat der Stadt Löwen. Als Kronpatronin der Peter und Pauls-Kirche in Löwen übte die Fabrik bestimmenden Einfluß aus.

Vorstand der Fabrik waren über Jahrzehnte Alfred Wallis, Richard Mehrle und Hermann Ehlert. Im Jahre 1930 hatte Alfred Wallis entscheidend dazu beigetragen, das durch die damalige Überproduktion ins Wanken geratene Preisgefüge für Weißzucker durch eine Absatzordnung innerhalb Schlesiens zu stabilisieren. Die Impulse, die damals von der Zuckerfabrik Froebeln im Einklang mit der Zuckerfabrik Klettendorf bei Breslau ausgingen, waren später Vorbild für die im Jahre 1932 für das gesamt Reichsgebiet errichtete "Wirtschaftliche Vereinigung für die Deutsche Zuckerindustrie".

Um die Sammlung der früheren Betriebsangehörigen hat sich der Prokurist Hans Stemmer in Elsdorf/Rheinland sehr verdient gemacht.

In der Heimat verbliebene Löwener

  • Tischlermeister Reinhold Dierschke und Ehefrau, Löwen, Margaretenstraße 2
  • Maschinist Eugen Kalusche und Ehefrau, Löwen, Schurgaster Straße
  • Landwirt Johann Pichotta und Ehefrau, Löwen, Bahnhofsstraße 50


Diese Seite enthält Text des Buches »Brieg - Stadt und Landkreis«, herausgegeben von der Stadt Goslar zum 10. Treffen der Brieger in Goslar im September 1964. Abgeschrieben von Hermann Hosp aus D-54516 Wittlich in Rheinland-Pfalz. Überarbeitet und umgesetzt in HTML-Code durch Dr.-Ing. Frank Knorr aus D-03185 Teichland, OT Maust in Brandenburg.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Stadt Goslar vom 8. Mai 2001.
Früher war dieser Text auf der alten Regionalseite www.genealogy.net/reg/SCI/Brieg/st-kr/loewen.html zu finden.