Borghorst (Steinfurt)/Synagoge in Borghorst
Entstehung der jüdischen Gemeinde
In Borghorst konnten sich wahrscheinlich erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts Juden niederlassen. 1720 werden im Gesamtgeleit der Bischöfe von Münster die ersten beiden Familien, die eines gewissen Abraham Isaac und die eines gewissen Israel Isaac, erwähnt. Bis zur Auflösung des Stifts Münster im Jahre 1803 stieg die Zahl auf vier, bis zur Besitzergreifung Preußens im Jahre 1816 auf Fünf Familien an, zu denen insgesamt 27 Personen zählten.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts litten die Borghorster Juden außer unter ihren hohen Abgaben besonders unter Konkurrenz ihrer wesentlich besser gestellten Glaubensgenossen aus der benachbarten Stadt und Grafschaft Steinfurt. 1750 beschwerten sie sich bei ihrem Schutzherrn, dem Bischof von Münster, dass die Burgsteinfurter Juden ihnen beständig „großen Schaden“ zufügten, weil sie „fast wöchentlich“ nach Borghorst kämen, um „daselbst mit allerhand Waren zu hausieren“, obwohl ihnen das nach den bestehenden rechtlichen Bestimmungen eigentlich verboten sei. In Münster wies man daraufhin die zuständigen Grenzbeamten (Vögte) an, die Burgsteinfurter Juden künftig strenger zu kontrollieren und, wenn sie dieselben beim Hausieren „außerhalb der freien Jahrmärkte“ antreffen sollten, ihre Waren zu konfiszieren und zur Hofkammer nach Münster einzuschicken .
Dennoch blieb die Erwerbslage der Borghorster Juden bescheiden. 1818 waren sie nach einem Bericht des Bürgermeisters noch immer „geringe Leute, welchen es schwer“ wurde, „ihr täglich Brot zu gewinnen“. Sie schlugen sich als Metzger und Hausierer durch oder versuchten mit einem „kleinen, nicht sehr bedeutenden Ellen[waren]handel“ ihr Glück. Über Haus- oder Grundbesitz verfügte zu dieser Zeit noch niemand. Erst in den folgenden Jahrzehnten setzte allmählich eine stärkere berufliche Differenzierung und eine spürbare Verbesserung der Einkommenslage ein.
Betstuben und Gemeindeleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrunderts
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hielt die kleine Borghorster Gemeinde ihre Gottesdienste ausschließlich in Privatwohnungen ab. Anfangs wechselten sich die Mitglieder darin ab, für einen bestimmten Zeitraum unentgeltlich ein Zimmer zur Verfügung zu stellen. Mitte der vierziger Jahre hatte man diese Gepflogenheit jedoch aufgegeben und für sechs Reichstaler jährlich ein eigenes „kleines“ Zimmer angemietet, das ausschließlich für ihre „gottesdienstlichen Versammlungen“ reserviert war. Außerdem verfügte die Gemeinde im Wiemelfeld, an der heutigen Dumterstraße über einen eigenen Friedhof.
Einen Kantor oder Lehrer unterhielt sie dagegen nicht, ebenso wenig wie sie eine schriftlich fixierte Gemeindeordnung besaß.
Bau der Synagoge
Zwischen 1848 und 1856 wurde Borghorst im Zuge der Durchführung des Gesetzes vom 23. Juli 1847 als Filialgemeinde der Hauptsynagogengemeinde Burgsteinfurt zugeschlagen. Praktisch gleichzeitig entschloss sich die kleine Gemeinschaft, eine Synagoge zu bauen. Um das Gebäude finanzieren zu können, nahm sie bei dem einheimischen Kaufmann Bernhard Joseph Kock zwei Darlehn in Höhe von jeweils 1100 Reichtalern auf. Als Sicherheit verpfändete sie ihm das im Entstehen begriffene Gotteshaus bis zu dem Zeitpunkt, da sie das Kapital einschließlich einer Verzinsung von 4% jährlich vollständig zurückgezahlt hatte. Die Vereinbarung wurde in zwei Notariatsverträgen festgelegt, die von sämtlichen Gemeindemitgliedern unterzeichnet waren.
Mehr als fünfzig Jahre lang sollte es dauern, bis die Schulden endgültig abgetragen waren. Die Synagoge wurde noch im Jahr 1854 von dem Maurermeister Dalhoff im Zentrum des Dorfes an der Lechtestraße errichtet.
Weitere Gemeindeeinrichtungen
1856, gut ein Jahr nach der Fertigstellung des neuen Gotteshauses, gab sich die Gemeinde auch eine eigene Synagogenordnung.
Pläne, neben dem Gotteshaus zusätzlich eine Schule einzurichten, wurden dagegen wieder fallen gelassen. Ab 1908 engagierte man für vier Stunden wöchentlich einen Religionslehrer von außerhalb, Hermann Emanuel aus Burgsteinfurt. Ansonsten besuchten die Kinder weiterhin die christlichen Schulen der Stadt. Die Zahl der Gemeindemitglieder belief sich zu dieser Zeit auf 55, war aber rückläufig und ging in den nächsten 25 Jahren auf knapp 40 Personen zurück.
Äußere und innere Gestalt der Synagoge
Aus dem Jahre 1924 oder 1925 ist ein Bild der Borghorster Synagoge überliefert. Es zeigt „ein weiträumig von … Wohnhäusern umgebenes, freistehendes, fast quadratisches Gebäude mit Ziegelwalmdach“, dessen Vorderfront im romanisierenden Rundbogenstil gestaltet ist. Dieser an christlichen Kirchen des frühen 19. Jahrhunderts erinnernde Stil war zwischen 1850 und 1870 im Synagogenbau in Deutschland, vor allem in Preußen, sehr beliebt. Er schien den Juden damals gut dafür geeignet zu sein, sowohl ihre Anpassungsbereitschaft als auch ihren Stolz auf die endlich sich durchsetzende Emanzipation zum Ausdruck zu bringen.
Reichspogromnacht in Borghorst
In der Pogromnacht vom 9. Auf den 10. November 1938 wurde die Borghorster Synagoge angezündet und in Schutt und Asche gelegt. Die Feuerwehr wurde zwar an den Brandort gerufen, gab sich aber damit zufrieden, die umliegenden Häuser vor einem Übergreifen der Flammen zu schützen. Auch die Wohnungen der Juden wurden heimgesucht und verwüstet. Der Schreiber der Chronik der Pfarrgemeinde St. Nikomedes berichtete über die Ereignisse jener Nacht:
„Ein[en] sonderbaren Abschluss fand dieses Jahr
Der 9. November, der Tag des Blutmarsches, jetzt
Siegesmarsches von München 1923. In der Nacht zum
10. November 4 Uhr kurzer Alarm, 5 Uhr kurzes Läuten
der Brandglocken; die Synagoge brennt, Gelöscht wurde
nicht, man begnügte sich damit, die anliegenden Häuser zu
schützen. Alles, aber auch alles, wurde demoliert, kurz und
kleingeschlagen, von den Fensterscheiben bis zu den
Möbeln und Bildern . Nicht einmal die Vorräte an Lebensmitteln
Verschonte man. Einmachgläser, Weinflaschen, alles zerstört.
Es ging den ganzen Tag über, bis dann
am Nachmittag der … Aufruf des Propagandaministers kam.
Schulkinder halfen beim Demolieren.
Es war unbeschreiblich.“
Gedenken
1965 wurde an der Lechtestraße zur Erinnerung an den Standort der Synagoge ein Gedenkstein errichtet. Anlässlich seiner Enthüllung sagte der damalige Bürgermeister mit Blick auf den Tag ihrer Zerstörung:
„Borghorster empfinden Trauer und
Scham über die Ungeheuerlichkeiten
Jenes Novembertages des Jahres 1938,
der der dunkelste Tag in der Geschichte
unserer Stadt ist.“
Inschrift
HIER STAND
DAS GOTTESHAUS
DER JÜDISCHEN
GEMEINDE
ES WURDE AM
9. NOVEMBER 1938
ZERSTÖRT DURCH
FREVLERHAND
Literatur Quelle: Synagogen im Krei Steinfurtr, ISBN 3-926619-73-2
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