Bettmarer/ Sierßer Bauernlehen vor den Behmen
Vorgeschichte
Beim von der Familie Behme schon vor September 1539 bewirtschafteten Bauernlehen in Sierße und Bettmar handelt es sich um ein altes, herzogliches Lehen. Bevor die Familie Behme das Lehen übernahm, ist nach heutigem Erkenntnisstand wenig über die 6 Hufen Landes in Sierße bekannt. Ein früher Hinweis findet sich im Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande. Am 24.3.1392 belehnte Herzog Friedrich von Braunschweig und Lüneburg die beiden Bettmarer Bauern, Ludemann Dilige und Heinrich Gogreve, mit 6 Hufen Land zu Sierße, Land, mit dem vorher zwei Braunschweiger Patrizier, Hinrich van dem Kerkhove und Konrad von Velstede, belehnt waren.
- „Van der gnade godes we freder̃ hertege to Brunſ vn̄ lunebr̃ Bekennen openbar in duſſem breue dat we hebben ghelegen un̄ lenet in duſſem ſuluen breue ludeman diligen un̄ hinr̃ gogreuen wohnheftich to betmer un̄ oren rechten eruen to orem rechten erue lene seſ hoyue landes mit aller ſlachten nut vn̄ tobehoringe in dorp vn̄ in velde to ſirdeſſe also dat ſulue gut van vns to lene gehad hadden hinr̃ kerchof vn̄ Cort van vrestede vn̄ willet des ore rechte ware weſen vn̄ willet ſe lenen mit hande vn̄ mit munde wanne ſe dat van vns eſſchet na godes bort dritteynhundert Jare to midfaſten.“[1]
Velstede vs. „Vrestede“
Bei „vrestede“ dürfte es sich um einen Lesefehler handeln.
Es gab 1328 einen Konrad von Velstede[2], der zu dieser Patrizierfamilie gehörte und der Kirche St. Blasius in Braunschweig den Altar der zehntausend Märtyrer stiftete.[3] Die Familie besaß tatsächlich ein Lehn in Sierße.[4]
Hermann Kleinau verzeichnet folgende Angaben für/ um dieses Jahr:
Aus dem Lehnbuch des Herzogs Otto von Braunschweig nach dem 22.9.1318 lesen wir:
- „Conr̃ de velſtede Curiam villici in Syerdeſſen.“[7]
Beide Familien, van dem Kerkhove und von (van) Velstede sind alteingesessene Patrizierfamilien aus Braunschweig. Heinrich von Kerkhove, „Hinrico de Cimiterio“, 1306 Ratsherr der Braunschweiger Altstadt, wurde 1318[8] und 1344[9] vom Herzog Otto von Braunschweig mit einem Lehen bedacht, genau wie „Conr̃ de velſtede“. Die von Kerkhoves allerdings nur 1318 „In Officio ſyerdeſſen“. Für die von Velstedes ist 1344 nicht nachvollziehbar, ob sie das Lehen in Sierße noch hielten.
Dilige und Gogreve
Ludeman Dilige erscheint, zusammen mit Jan von Liedingen im 1385 nieder geschriebenen Lehnbuch des Herzogs Friedrich von Braunschweig und Lüneburg:
- „We ffreder̃ hebben ghevulbordet ludeman dilgen vnde Jane von lidinge eyn holtbek dat belegen is bi betmer alſo dat ſe des bruken vnde affhouen moget dre Jar vmme wanne wan de vmme komen ſint ſo ſchullen ſe dar vppe wedder antwerden twelf ſchok heſtere ſtande vn vorford Datum LXXXV dominica Judica.“[10]
Der Eintrag im Lehnbuch selbst ist um 1385 entstanden. Heinrich („hennighe“) Gogreve und Ludemann Dilige müssen das Lehen mindestens 1406 noch bewirtschaftet haben. Aus einer herzoglichen Klageschrift gegen den Hildesheimer Bischof, Johann, und dessen Amtmann, Tile Berner, vom 14.6.1406 geht – zum Zwecke der Schadenswiedergutmachung – hervor:
- „...henninghe ghogreuen VI koy IIII ſtighe ſchap vn̄ IIII ſchap vn̄ an huſgherede vppe IIII mark ludeken diligen IX koy IIII ſtighe ſchap vn̄ inghedome vppe VI mark“[11].
Ludemann wird hier Ludeken angegeben. Es kann sein, daß es sich hier um den Sohn des Ludemann handelt, da Jan von Liedingen im Zusammenhang mit der Klageschrift auch, aber getrennt als Beklagter genannt wird:
- „Jane van lidinghe IIII koy. XXXVI ſchap I ſyde vleſches”[12]
Umfang
Der Behmen Lehn |
Verlauf
Nach Kleinau[13] bestand das herzogliche Lehn an die Behmen seit mindestens 1474 und wurde 1842 allodifiziert. Es wurde immer nur auf die männlichen Nachkommen weitervererbt. Das hatte natürlich im Laufe der Jahrhunderte eine enorme Zersplitterung der 6 Hufen zur Folge. Viele Behmes sind auch aus Desinteresse aus dem Lehn ausgeschieden, weil sie entweder zu weit entfernt wohnten oder an dem minimalen Lehnsanteil keinen Nutzen sahen. Beim Antritt eines neuen Herzogs, einem "Herrenfall", erfolgte eine Neubelehnung, während nach dem Tod eines Seniors dem zukünftigen Senior lediglich ein "Muthzettel"[14] ausgestellt wurde. Der Tod eines Seniors wurde als "Mannfall" bezeichnet. In beiden Fällen hatte sich der Senior der Familie, stellvertretend für alle anderen Verwandten, in der herzoglichen Kanzleistube in Wolfenbüttel für die Formalitäten einzufinden. Anhand der 562 Seiten dicken Akte lässen sich die jeweiligen Senioren der Familie verfolgen:
1474 Herzog Wilhelm d. Ä. belehnt Ludeke Beme.
1483 Herzog Wilhelm d. J. belehnt denselben.
1515 Herzog Heinrich d. J. belehnt Hans Beme.
1539 Herzog Heinrich d. J. belehnt Henning Behemen.
1569 Herzog Julius belehnt Heinrich Behme.
1573 Derselbe belehnt Ludeke Behme.
1578 Derselbe belehnt Ludeke Behme d. J.
1580 Derselbe belehnt Heinrich Behme.
1584 Derselbe belehnt Heinrich Behme d. J.
1591 Herzog Heinrich Julius belehnt denselben.
1599 Derselbe belehnt Henning Behme.
1604 Derselbe belehnt Lüdeke Behme.
1608 Derselbe belehnt Heinrich Behme.
1612 Derselbe belehnt Heinrich Behme d. J.
1614 Herzog Friedrich Ulrich belehnt denselben.
1629 Derselbe belehnt Curd Behme.
1660 Herzog August belehnt Hans Behme.
1664 Derselbe belehnt Curd Behme.
1667 Herzog Rudolf August belehnt Heinrich Behme.
1690 Die Herzöge Rudolf August und Anton Ulrich belehnen Hans Behme.
1705 Herzog Anton Ulrich belehnt Albert Behme.
1714 Herzog August Wilhelm belehnt denselben.
1718 Derselbe belehnt Christoph Behme.
1726 Derselbe belehnt Julius Behme.
1731 Herzog Ludwig Rudolf belehnt denselben.
1737 Herzog Carl belehnt Hans Behme.
1742 Derselbe belehnt Curdt Behme.
1744 Derselbe belehnt Heinrich Behme.
1755 Derselbe belehnt Hans Behme.
1756 Derselbe belehnt Jürgen Behme.
1763 Derselbe belehnt Julius Behme.
1774 Derselbe belehnt Curdt Behme.
1780 Herzog Carl Wilhelm Ferdinand belehnt denselben.
1797 Derselbe belehnt Albrecht Behme.
Literatur
- Allewelt, Werner (Hrsg.): Die Beschreibung des Amtes Wolfenbüttel von 1630. August Lax Verlagsbuchhandlung, Hildesheim. Hildesheim 1975.
- Dürre, Hermann: Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter. Braunschweig, Verlag von Grüneberg’s Buch-, Kunst- und Musikantenhandlung. Braunschweig, 1861.
- Janicke, K., Hoogeweg, H. (Hrsg): Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, Band 1 – 6. Bd 1 hrsg. V. K. Janicke = Publikationen aus dem Preußischen Staatsarchiven Bd 65; Bd 2 ff. Hrsg. V. H. Hoogeweg = Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens Bd 6, 11, 22, 24, 28.
- Kleinau, Hermann: Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig. August Lax Verlagsbuchhandlung, Hildesheim 1968.
- Meier, Paul Jonas: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Braunschweig mit Ausschluss der Stadt Braunschweig: Mit Ausschluss der Stadt Braunschweig. Verlag von Julius Zwissler, Wolfenbüttel, 1900. Band II
- Sudendorf, Hans Friedrich Georg Julius: Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande. Erster Theil: bis zum Jahre 1341. Hannover, Carl Rümpler, 1859.
- Sudendorf, Hans Friedrich Georg Julius: Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande. Zweiter Theil. Vom Jahre 1342 Bis Zum Jahre 1356. Hannover, Carl Rümpler, 1860.
- Sudendorf, Hans Friedrich Georg Julius: Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande. Sechster Theil. Vom Jahre 1382 bis zum Jahre 1389. Hannover, Carl Rümpler, 1867.
- Sudendorf, Hans Friedrich Georg Julius: Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande. Siebenter Theil. Vom Jahre 1390 bis zum Jahre 1394. Hannover, Carl Rümpler, 1871.
- Sudendorf, Hans Friedrich Georg Julius: Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande. Zehnter Theil: vom 18. März 1405 bis zum Schlusse des Jahres 1406. Hannover, Carl Rümpler, 1880.
- Zoder, Rolf: Familiennamen in Ostfalen. I A-K. Georg Olms Verlagsbuchhandlung, Hildesheim, 1968.
Weblinks
- Sudendorf, Urkundenbuch... VI
- Sudendorf, Urkundenbuch... VII
- Sudendorf, Urkundenbuch... X
- Genealogie der Familie Behme
Fußnoten
- ↑ Sudendorf, VII, S. 72, Nr. 73
- ↑ Dürre, S. 386
- ↑ Dürre, S. 361
- ↑ Sudendorf, I, S. 174
- ↑ Kleinau, S. 58
- ↑ Kleinau, S. 578
- ↑ Sudendorf, I, S. 175
- ↑ Sudendorf, I, S. 176.
- ↑ Sudendorf, II, S. 49
- ↑ Sudendorf, VI, S. 65
- ↑ Sudendorf, X, S. 301.
- ↑ Ebenda
- ↑ Kleinau, Hermann: Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, Hildesheim 1968
- ↑ (lateinisch mutuum = Lehn)
der Behmen Lehn | |