Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/234

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Als plötzlich fing zu schwanken
Das Bett dermaßen an,
Daß wir in seinen Schranken
Uns nicht mehr sicher sah'n.
„Ach, Gott! die Erde bebet!“
Rief Linchen gleich mit Graus:
„Wer hat so was erlebet?
„Mach' schnell Dich nur heraus!“
Sie lag wie auf der Folter,
Da sie zugleich vernahm,
Daß schreckliches Gepolter
Tief aus der Erde kam.
Es war, ich muß gestehen,
Mir auch nicht einerlei;
Doch mußte ich vergehen
Vor Lachen fast dabei.
Vor dem Gebetbuch sehe
Ich Linchen noch verstört;
Und als ich näher gehe,
Hatt's ja das Buch verkehrt!!
Vor Jettchen, meiner Nichte,
Ein Buch geöffnet lag;
Doch stand auf dem Gesichte
Ihr schon der jüngste Tag.
„Wenn auch die Erdax krachte,
„Und wär Euch noch so bang —“
Sprach ich — „ja, jetzo lachte
„Ich zum Weltuntergang!
„Ihr klammert Euch mit Aengsten
„Jetzt an den Himmel, gelt,
„Weil's, wie es scheint, am längsten
„Gewährt mit dieser Welt?
„Der Himmel läßt nicht stürmen
„Sich so auf Einen Stutz,
„Und wird Euch auch nicht schirmen,
„War't Ihr bisher nichts nutz!“
Da so mein Täubchen spassen
Mich hörte im Tumult,
Begann es auch zu fassen
Sein Herzchen in Geduld.
Bei Linchens schnellem Tode
Die Kirchweih' war im Schwang,
Und nach der alten Mode
Hier Alles sang und sprang;
Doch als die Schreckenskunde
Drang in das Kirchweihhaus,
Erscholl es in der Runde:
„Dann ist die Kirmeß aus! —“
Es war im Augenblicke
Musik und Tanz vorbei;
Man ging nach Haus zurücke,
Und hörte keinen Schrei.
Dieß mach' ich gern zum Lobe
Des ganzen Dorfs bekannt;
Auch dienet es zur Probe,
Wie hoch hier Lina stand.
Schwer habe fühlen müssen
Ich ihres Wortes Last:
„Du wirst mich doch vermissen,
„Wenn Du mich nicht mehr hast!“
Zehn Jahre sind es heute,
Daß ich sie misse schon,
Und meine Lebensfreude
War gleich mit ihr entfloh'n.
So oft ich auch noch lachte
Seit dem mit heit'rem Sinn,
Das, was mich glücklich machte —
Für immer war's dahin!
An ihres Grabes Rande
Herr Reinhard noch erhob
Die würdige Verwandte
Durch wohlverdientes Lob.
Könnt' sie mich noch umschweben,
Wie gern gäb' ich dafür
Sogleich mein halbes Leben,
Und schiede dann mit ihr! —
Doch, Schatz! weil Du entrissen
Mir bist für alle Zeit,
Will ich dafür Dich küssen
Durch alle Ewigkeit! —


Hermannstein, am 12. September 1859.
Christian Spamer.