Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/130

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Samstags blieb ich mehrmals darin stecken,
Als der Freund mir hat dabei soufflirt;
Dadurch ließ ich mich jedoch nicht schrecken,
Und den Sonntag ging sie wie geschmiert.
Meiner vorgeschrieb'nen Probepredigt
Hab' am letzten Sonntag in dem Jahr
Ich in Gießen mich erst dann entledigt,
Als ich lang schon Candidatus war.
Predigen hat mir in jenen Zeiten
Eben keinen großen Spaß gemacht,
Da ich manchmal mit dem Vorbereiten
Vierzehn Tage habe zugebracht.
Doch hab' ich's versucht in Ilbeshausen,
Crainfeld, Eichelsachsen, Eschenrod,
Burkhards, Niedermoos und Wingertshausen,
Wenn der Pfarrer grade war in Noth.
Sonst hab' in den Candidatenjahren
Ich der Dichtkunst und Musik gelebt,
Und nicht selten auch an mir erfahren,
Wie ein schönes Kind das Herz erhebt.
Doch die Mädchen, die ich konnte lieben,
Habe ich in Liedern schon genannt;
Darum setze, was ich dort geschrieben,
Hier voraus, als sei es schon bekannt.
Als gebracht ich hatte auch nach Gießen
Meinen Bruder Karl in's Pädagog,
Mußte endlich ich mich doch entschließen,
Thätiger zu sein als Theolog.
Damals sah ich Dora mit Entzücken,
Denn sie war bewundernswürdig schön,
Und aus ihren zauberischen Blicken
Konnt' ich, was ich wünschte, leicht ersehn.
Da ich mich indessen nicht erklärte,
Sie durch Ueberredung sich hernach
Mit dem Decker, der sie auch verehrte,
Auf dem Herchenhainer Markt versprach.
Als ich nach Verlauf von ein'gen Wochen
Wiederum einmal nach Burkhards ging,
Sprach sie: Ja, ich seh's, Sie sind versprochen;“
„Denn Sie tragen den Verlobungsring!“
„Aber,“ sprach ich, „wenn ich Ihnen sage,“
„Daß ich diesen kleinen, alten Ring,“
„Den ich hier am kleinen Finger trage,“
„Jüngst aus meiner Mutter Hand empfing?“
„Und ich kann mich fest darauf verlassen,“
Frug sie mich, indem sie mich genau,
Dabei suchte auf das Korn zu fassen,
„Daß er nicht ist von der Rabenau?“
„Hat an jenem unglücksel'gen Tage“
„Man auch dieses Ihnen vorerzählt,“
Sprach ich, „glauben Sie mir, wenn ich sage,“
„Daß ich mir kein Bräutchen noch erwählt!“
Weil nun ihre Mutter war gekommen,
Brach sie schnell die Unterredung ab,
Und ich habe bald darauf vernommen,
Daß dem Decker sie den Abschied gab.
Und da dieser rasend war verliebet
Immer noch in die verlorne Braut,
Habe ich mich über ihn betrübet,
Ob er gleich mir Anfangs nicht getraut.
Als er aber später deutlich sahe,
Daß ich doch mir keine Mühe gab,
Und mich seiner Göttin nicht mehr nahe,
Bat er weinend den Verdacht mir ab.
Meinem Grundsatz war es ganz zuwider,
Mich schon zu verloben vor der Zeit;
Lieber kämpfte ich die Neigung nieder,
Als ich ein Versprechen hätt' bereut.
Bald auch wollt' Inspector Scriba nehmen
Mich nach Wingertshausen zum Vicar,
Und ich wollte mich dazu bequemen,
Weil ich doch nun an der Reihe war.
Und er brachte aus dem Sachsenlande
Noch dazu ein solches Mädchen mit,
Das an Reizen, wie ich gleich erkannte,
Mit der Dora um den Vorrang stritt.
„Jetzo werden Sie nach Wingertshausen,“
Sprach er schmunzelnd, „kommen ganz geschwind;“
„Da Sie unter Einem Dache hausen,“
„Dort mit diesem feinen Sachsenkind?“
Da wir in Gedanken uns erschufen
Schon ein fröhliches Beisammensein,
Ward vom Kirchenrathe ich berufen
Zum Vicare hier nach Hermannstein.
Vier und zwanzig Jahre meines Lebens
Wurden an demselben Tage voll,
Als ich trotz des innern Widerstrebens
Ging von Crainfeld weg mit Friedrich Scholl.
Während ich von meinen Aeltern schiede,
Ward so groß in mir der Trennungsschmerz,
Daß mir wegen ihrer großen Güte
Fast zersprungen wär' das Kindesherz!