Deutschland
Der Begriff Deutschland bezieht sich heute (seit 1990) auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Historisch betrachtet steht der Begriff Deutschland dagegen synonym für eine Vielzahl von nicht nur politisch, sondern auch in ihrer Geografie ganz unterschiedlicher Staaten und Staatenbünde. Lange Zeit war Deutschland nämlich weder ein einheitlicher Staat noch ein klar definierter geografischer Begriff. Die Herleitung des Begriffs ist wissenschaftlich nach wie vor nicht ausdiskutiert. Man nimmt an, dass der Begriff deutsch im 7. Jahrhundert ("theudisk", lateinisch "theodiscus") als Sprachbezeichnung für die im östlichen Teil des fränkischen Reiches gesprochene Volkssprache entstand, im Gegensatz zu der aus dem Lateinischen entstandenen, romanischen, Volkssprache im Westteil, aus der sich später das heutige Französisch entwickelte.
Erst später wurde der Begriff deutsch nacheinander auf verschiedene Staatsgebilde und Staatenbünde übertragen. Dabei waren meist weder die jeweils als deutsch bezeichneten Staatsgebilde noch der Begriff Deutschland jemals völlig deckungsgleich mit dem deutschsprachigen Raum. So gehörten beispielsweise zum Heiligen Römischen Reich und zum Kaiserreich von 1871-1918 jeweils große Gebiete, die keineswegs deutschsprachig waren, während umgekehrt z.B. die (überwiegend deutschsprachige) Schweiz faktisch schon im Mittelalter, offiziell seit 1648 selbstständig war.
Bezeichnend für die deutsche Geschichte ist, dass zu den meisten Zeiten die einzelnen Staaten (Territorien, später Länder) eine größere Bedeutung hatten als die jeweilige "zentrale" Gewalt. Dies gilt spätestens ab dem 16. Jahrhundert für das Heiliges Römische Reich und noch bis 1871. Auch seitdem und bis heute haben die Länder auf bestimmten Gebiet (z.B. Kultur, Schulwesen) ihre Eigenständigkeit bewahrt. Für genealogische und historische Forschungen ist daher die Kenntnis der einzelnen Territorien häufig von großer Bedeutung. Diese Territorien haben vielfach die hier beschriebenen, wechselnden Staatenbünde und Bundesstaaten überdauert:
Staatliche Strukturen:
- 9. Jahrhundert-1806: Heiliges Römische Reich, schon im 10. Jahrhundert auch "Regnum theutonicum", erstmals 1438 offiziell Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
- 1806-1813: Rheinbund unter französischem Einfluss, dem in den Jahren nach seiner Gründung fast alle deutschen Staaten beitraten (Deutschland 1806-1813), jedoch ohne Preußen, Österreich, das dänische Holstein und das schwedische Pommern
- 1815-1866: Deutscher Bund. Der Versuch in der Revolution von 1848/49, einen demokratischen und einheitlichen deutschen Staat zu schaffen, scheiterte.
- 1867-1871: Norddeutscher Bund unter Führung Preußens, ohne die süddeutschen Staaten Bayern, Baden und Württemberg
- 1871-1918: Deutsches Kaiserreich
- 1918-1933: Republik ("Weimarer Republik") mit dem offiziellen Staatsnamen Deutsches Reich
- 1933-1945: "Drittes Reich". Nach der Annektion Österreichs 1938 und weiterer europäischer Gebiete vor und während des Zweiten Weltkriegs wird der offizielle Staatsname 1943 von Deutsches Reich in Großdeutsches Reich geändert.
- 1945-1949: Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland im Zweiten Weltkrieg 4 Besatzungszonen der Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich. Berlin wird unter gemeinsamer Verantwortung der 4 Mächte in 4 Sektoren unterteilt, die Gebiete östlich von Oder und Neiße, unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung gestellt.
- 1949-1990: 2 deutsche Staaten: Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik
- seit 1990: Durch den Beitritt der Deutschen Demokratische Republik 1990 zur Bundesrepublik Deutschland Wiedervereinigung Deutschlands.
Literatur
- Werner Künzel / Werner Rellecke (Hg.): Geschichte der deutschen Länder. Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Münster: Aschendorff 2005, 448 S., ISBN 3-402-03416-6, EUR 19,80
Rezension von Holger Thomas Gräf auf www.sehepunkte.de (03.08.2006)