Erbnamensitte

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Als Erbnamensitte bezeichnet man eine lokal oder regional zu beobachtende gewisse Regelmäßigkeit und Reihenfolge bei der Benennung der getauften Kinder.

Der erstgeborene Sohn eine Ehepaares wurde gemäß dieser „Regel“ (in ihrer strengsten Form) nach dem Großvater väterlicherseits benannt, die erstgeborene Tochter erhielt den Namen der Großmutter mütterlicherseits. Beim zweitgeborenen Sohn war dann der Großvater mütterlicherseits namengebend und bei der zweitgeborenen Tochter die Großmutter väterlicherseits.

Begriffsbildung

Dieses Phänomen wurde erstmals von dem aus Rheydt stammenden Archivar Heinrich Müllers im Jahr 1924 in der Unterhaltungsbeilage zur Rheydter Zeitung [1]beschrieben. Überregionale Bekanntheit dürfte er aber durch die Veröffentlichung in der Zeitschrift Kultur und Leben im Jahr 1926 [2] erlangt haben. Müllers spricht allerdings noch nicht von der Erbnamensitte, sondern von der Leitnamensitte.

Müllers betonte in seinem Aufsatz einleitend ausdrücklich:

Die [..] dargestellten volkstümlichen Sitten [...] wurden von mir beobachtet und festgestellt im Gebiet meiner niederrheinischen Vaterstadt Rheydt und in deren ganzen weiteren Umgebung, wozu insbesonder die Städte M. Gladbach, Viersen, Süchteln, Odenkirchen und Rheindahlen [...], wie auch die große Anzahl aller kleineren und mittleren Orte des Kreises Gladbach und teilweise des benachbarten Kreises Grevenbroich gehören. Wie weit und ob überhaupt diese Gebräuche über den angegebenen Bereich hinaus wirksam sind, kann ich nicht beurteilen.

1950 verwarf Klocke die Bezeichnung Leitnamen und empfahl statt dessen den Begriff Nachbenennung. [3] Roelen kritisierte auch diesen Begriff als ungenau mit der Begründung, dass damit genausogut die Patennamensitte [4]ihrer Art nach erfasst werde und prägte den Begriff Erbnamensitte. [5] Er begründete:

Die Pflicht der Kinder, die Vornamen der Eltern, gegebenenfalls auch der Großeltern bei deren Enkeln bzw. Urenkeln in bestimmter Gesetzmäßigkeit fortleben zu lassen, ist u.E. derjenigen gleichzusetzen, die sich aus dem Erbrecht hinsichtlich der Übernahme von Schulden, Bürgschaften und sonstigen Belastungen durch die Erben ergaben, wie diese andererseits das Recht hatten, den Verkauf eines Grundstückes durch einen Miterben auf Grund des sogenannten Beschüttrechtes (jus retrahendi) rückgängig zu machen, indem sie durch Erlegung des Kaufpreises an den Käufer an dessen Stelle traten.


Benutzte Literatur, Anmerkungen

  1. Heinrich Müllers: Die Leitnamensitte und die Mennoniten, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, Vand XIV, 1950, Heft 2, hier: Spalte 41.
  2. Heinrich Müllers: Niederrheinische Sitten bei der Namen- und Patenwahl für Neugeborene, in: Willy Hornschuch: Kultur und Leben, Monatsschrift für kulturgeschichtliche und biologische Familienkunde, Heft 11, November 1926, S. 369 ff.
  3. Friedrich von Klocke: Die Filiation, ihre Konjektur und Injektur, insbesondere mit Rufnamen als „Nachbenennung“ im Personenkreis der Familien früherer Zeit, in: Familie und Volk, 4, 1955, 4, S. 134.
  4. Als Patennamensitte bezeichnet man den Brauch, das Kind nach dem oder nach einem der Taufpaten zu benennen.
  5. Joseph Roelen: Leit- oder Erbnamensitte? in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, 1956, Band XVII, Heft 8, Spalte 373 ff.