Vogt
Vogt ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Vogt (Begriffserklärung). |
Berufsbezeichnung
Bedeutung: zunächst "rector", "praepositus", "vicedominus", "advocatus" dann Schutzherr, Vetreter des Landesfürsten, Anwalt, Statthalter, Aufseher, Richter, Gemeindevorsteher
Begriff Vogt
Vogt oder Voigt ist ein althochdeutscher Begriff (in lat. Urkunden des MA. „Advocatus“) und bedeutet der „Herbeigerufene“ oder der „Rechtsbeistand“. Es war ein von Männern bekleidetes Amt und beinhaltete die Vertretung von Personen, Institutionen und Interessen.
Das Amt des Vogtes entwickelte sich aus
- römischen Rechtsformen (-advocatus) in Verbindung mit der
- germanischen Munt, vermutlich auch der
- keltischen Klientel sowie der
- Haus-, Sippen- und Gefolgsherrschaft.
Advocatus
- = (lat.) der Herbeigerufene, der Rechtsbeistand nach römischem Recht.
- = Vogt
- advocatis burgi, advocatis major = Domvogt
Munt
- (hdtsch. munt) = Schutz, lateinisiert „mundium“
- Personal- familienrechtliches Schutz- und Vertretungsverhältnis eines Muntherren über Familienabgehörige, wie auch Hörige und Schutzunterworfene.
- Aus dem Königschutz für die Kirche entstand die Vogtei über Kirchen und Klöster.
- Das Herrschaftsrecht des Grundherren gegenüber seinen Grundholden entstammt diesem Muntrecht.
Advocatiae ecclesiae
Während eine der wichtigsten Aufgaben der christlichen Kaiser zunächst der Schutz der Kirche (advocatia ecclesia) war, wuchs sie später zur weitgehenden Schutzherrschaft und zur Bevormundung (jus advocatiae) aus.
Auf Grund eines kaiserlichen Erlasses vom Jahre 401 waren der Kirche „advocati„ vorgeschrieben, da sie sich (nach Tim. II, 2, 4) sämtlicher weltlicher Geschäfte enthalten soll. Im Frankenreich, zunächst bei den Westfranken, wurden in den geistlichen Immunitäten die Immunitätsleute durch einen Vogt (zunächst rector, praepositus, vicedominus) vertreten; er schützte sie durch seine Macht und führte auch deren Aufgebot, später Schirmvogtei genannt; im Immunitätsgericht übte er das Richteramt aus.
Erblehen
Im Jahre 802 berief Karl der Große (reg. 768-814) grafschaftsweise Vögte sowohl für Bistümer als auch Abteien; sie wurden durch den zuständigen Grafen im echten Ding eingesetzt und von den „Missi“ kontrolliert, welche für das gesamte Reich verbindlich wurden (nachdem sie zunächst privat-rechtlichen Charakter gehabt hatten). Sowohl die Gerichts- als auch die Schirmvogtei wird während des 10. Jh. zu einem erblichen Lehen des Hochadels.
Dynastische Vögte als Schutzvögte
Erbvögte hochadeliger kaiserlicher oder freiweltlicher Stifter waren so z. B. in den meisten Fällen Dynasten, welche sich später keinerlei Weisungen unterwarfen.
- Die reichsunmittelbare Herrschaft Gemen besaß als Erblehen die Vogtei über das Stift Vreden
Eigenvogteien
In Eigenklöstern konnte die Vogtei durch die Klöster selbst zur Eigenvergabe übernommen werden. Dem Adel diente die Vogtei zur persönlichen Machterweiterung, weshalb die kirchliche Reformbewegung des 11. Jhdts. den Versuch unternahm, diesen Mißbrauch zu beseitigen; dies gelang ihr durch die Einrichtung der „abbatiae liberae“.
Stifter Vögte
Stifteten Adelige Klöster, Stifter oder Kirchen, behielten sie sich in den meisten Fällen die Erbvogteirechte über die Einrichtung vor.
Vogteiabgaben
Während des gesamten Mittelalters betrachtete sich der König als oberster Schirmvogt über das Reich, namentlich über die Reichskirche, seit der Zeit der Salier und Staufer (1024/1138) über die Reichsstädte und -bauern. Zur Zeit des Spätmittelalters war der Landesherr in seinem Territorium, das sich nicht selten aus Vogteien entwickelt hatte, der oberste Vogt, insbesondere über die landsässigen geistlichen und weltlichen Grundherrschaften sowie die freien Bauern; sie hatten als Abgabe das Vogtrecht (Fastnachtshuhn, Vogthaber u.a.) zu entrichten.
Beamteter Vogt
Ein Reichs-Vogt war auch der vom König (im HRR bis 1806) bestellte Verwaltungsbeamte sowie Hochrichter eines Krongutbezirks oder einer königlichen Abtei. Diese gelagten meistens, wie bei den Klöstern, an die Städte selber.
Amtsvogt
In Ämterverfassungen von Territorien konnten aus Sprengeln (Kirchspielen) Vogteibezirke oder Vogteien gegründet werden, denen der Richter sowie der Verwaltungsbeamte eines Sprengels (Vogtei), der meist Teil eines Amtes, vereinzelt auch (z.B. in Württemberg seit dem ausgehenden 15. Jh., das Herzogtum Westfalen) eines aus mehreren Ämtern bestehenden Bezirks war (mit dem Titel Obervogt). Insgesamt gesehen war die Stellung eines Vogtes von Territorium zu Territorium verschieden, gemeinsam aber war den von Territorialherren bestellten Vögten, daß es sich dabei stets um einen herrschaftlichen Beamten handelte. In den Städten konnte dem Vogt auch die Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit obliegen; häufig wurde er im Verlauf des Mittelalters durch den Schultheiß ersetzt.
- Vor 1802: Im Fürstbistum Münster: Ein landesherrlicher Beamter höheren oder niederen Ranges, der die lokale oder regionale Aufficht in oder über etwas (Kirchspiel, Stadt, Einrichtung) führt, gewöhnlich mit einem Zusatz, der sein Geschäft näher bezeichnet, z. B. Schloßvogt, Amtsvogt, Hausvogt, Feldvogt oder ähnlich.
Landesvogteien
Landesfürsten setzten als Landesvogt einen Landdrosten, Vizedominus (Statthalter, Amtmänner) direkt dem zuständigen unterstellt.
Vogteiordnung-Osnabrück
- Den Vögten ist in ihren Vogteien, wozu bisweilen mehrere Kirchspiele gehören, nicht nur die Hebung des Schatzes, sondern auch die Polizey anbefohlen. Sie sind aber den Beamten untergeordnet, deren Befehle sie vollstrecken, und welchen sie alles, was in ihrem Kirchspielen sträfliches vorgeht, berichten müssen. Die Vögte ~ Ordnung befindet über die obliegenden Pflichten. 26. Jan. 1651.
- Quelle: Aus dem alphabetischen Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück mit Rücksicht auf die benachbarten westfälischen Provinzen, von I. Aegidius Klöntrup. 1799.
Ehevogt
Aus dem „Munt“ direkt entstandenes familienrechtliches Schutz- und Vertretungsverhältnis eines Eheherren über seine Ehefrau (Familienabgehörige).
Begriffserweiterungen
Vogtei
Amt oder Amtsbezirk eines Vogtes. (siehe Vogtei)
Vogteigericht
Das Gericht eines Vogts. Während es sich in den späteren Territorien hierbei meist um Niedergerichte handelte, waren es als Patrimonialgerichte in reichsunmittelbaren Herrschaften oder Erbherrschaften und in den Städten in der Mehrzahl der Fälle Hochgerichte.
Vogteigut
Ein bäuerliches Gut, das nur einem Schirmvogt unterstand (im Spätmittelalter häufig dem Landesherrn). Da es keiner Grundherrschaft angehörte, zahlte sein Besitzer lediglich Bede oder das Vogtrecht.
Vogtfrei
Die Freiheit vom Gericht eines Vogts. Vogtfrei waren vor allem Klöster, u. a die der Zisterzienser.
Vogtleute
Allgemein sämtliche Leute, die einem Vogt unterworfen waren und die ein Vogtrecht entrichteten, namentlich die Angehörigen einer Immunität
Bibliografie
- Glier, L. Die Advokatia ecclesia Romanae imperatori in der Zeit von 1519 bis 1648 (1897)
- Hirsch. H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit (1913)
- Klebel, E. Eigenklosterrecht und Vogtei in Bayern und Dtsch.-Österreich (1939)
- Kroeschell, K., Haus- und Herrschaft im frühen dtsch. Recht. (1968)
- Mayer, Th. Fürsten und Staat (1950)
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- Schlesinger, W. Die Entstehung der Landesherrschaft (1941)
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