Gilde
Hierarchie: Regional > HRR > Historische deutsche Staaten > Wirtschaft > Gilde
Gildenverfassung je nach Stadtverfassung im HRR
Im Mittelalter kannte man zwei Varianten von Handwerkerorganisationen: die Zünfte und Gilden. In einer Zunft vereinigten sich die Handwerker, die denselben Beruf oder einen Nachbarberuf der Sparte ausübten. In Gilden vereinigten sich Menschen gleicher Interessen, welche untereinander Solidarität und Harmonie unter den Mitgliedern bezweckten. Äußeres Zeichen war die jährliche Abhaltung einer gemeinsamen Mahlzeit mit Präsenzpflicht. Gott sollte durch gute Taten die ihm gebührende Ehre erwiesen werden. Sie trugen dann häufig christliche Namen.
Gilden wählen Bürgermeister und Rat
Bei dem Begriff „Gilde“ ist „(Handwerker)Zunft, Bruderschaft und teilweise auch Bauerschaft gemeint, daher auch die Bezeichnung (Handwerker)Amt. Die unterschiedlichen lokalen Regelungen sind im „Deutschen Städtebuch“ dargestellt, dort ist auch der jeweilige Status der Städte berücksichtigt. Von "Patriziern" ist dort nicht die Rede, wohl aber von Erbmänner.
Für die Handwerkerschaft und Kaufleute nahmen somit regional unterschiedlich und abhängig vom Status der jeweiligen Stadt die Gilden, Zünfte und „Ämter“ (!) auf Broterwerb und Wirtschaftsleben in Deutschland massiven Einfluß, so auch in der Reichsstadt Dortmund:
- 1260 (1259) März, Statut über die Dortmunder Ratswahl: die sechs Gilden sollen je 2 aus jeder Gilde wählen, diese 12 Leute sollen 6 aus der Reinoldsgilde (Gilde der Kaufleute) hinzuwählen, diese 18 mit dem alten Rate zusammen den neuen Rat wählen. 1260 (1259) März.
- Westfälisches Urkundsbuch Nr.7, Uk. 1049.
- In der Reichsstadt Dortmund stehen der Reinoldsgilde im ausgehenden Mittelalter noch sechs Gilden mit politischen Rechten gegenüber (Loher und Schumacher oder Johannisgilde , Bäcker. Fleischhauer, Schmiede, Butterleute, Krämer), während die politisch nicht berechteten Verbände der Goldschmiede, Weißgerber, Wollenweber, Schröder, Leineweber und Schreiner die Bezeichnung „Ämter“ führen. Für die Folgezeit gibt es wenig Dokumente über die Reinoldigilde. Ab ca. 1340 wird es still um die Reinoldigilde, es kommen danach andere Gilden (Wandschneider) zum Zuge.
- Westfälisches Urkundsbuch Nr.7, Uk. 1049.
Lokale Hinweise über Gilden finden sich unter anderem im Deutschen Städtebuch unter dem Punkt Verwaltung/Vertretung der Bürgerschaft. Eingetragen sind bereits die angeführten Städte unter
Kategorie der Handwerker
- Kategorie:Handwerk, Handwerker und ihre berufliche Darstellung im Umfeld.
Regionale Beobachtungen
Landesherrliche Städte
Schon kurz nach Verleihung der Stadtrechte durch Landesherren im Mittelalter wurde die städtische Gerichtsbarkeit zusammen mit dem Ratsvorsitz für den Adel attraktiv. Der nächstliegende adelige Inhaber eines Go- oder Freigerichts besetzte im Regellfall die städtische Richterstelle. Dies war im Mittelalter in Westfalen deswegen interessant, da selbst nach dem Ausklang des Mittelalters der zeitliche Stadtrichter zunächst zugleich als Bürgermeister dem Rat der Zwölflinge in den Städten vorsaß. Dies änderte sich erst später mit Änderung der lokalen Stadtverfassungen durch den Landesherrn.
Westfalen
Um 1600 waren z.B. in Borken (Kreis Borken) 11 Gilden mit 143 Mitgliedern aufgezählt. Für die Wollweber- und Tuchmachergilde wurde 1346 eine Satzung erlassen.
Die Gilden waren eine Art familiäre Verbrauchs- und Absatzgemeinschaft, die den einzelnen aus der Gefahr der wirtschaftlichen - sozialen Unsicherheit herausholte und ihm dafür die Solidarität der Gleichbetroffenen versprach. Als Handwerker suchte man eigentlich nicht den Reichtum, sondern die Sicherheit im Erwerb der täglichen Nahrung.
Die Gildenrolle oder Bestätigung enthielt u.a. Bestimmungen über die Aufnahme in die Gilde, die Lehr- und Gesellenzeit, die Meisterprüfung, die Anzahl der "Knechte", die ein Meister beschäftigen durfte und über die Qualität des handwerklichen Erzeugnisses.
Die Rolle wurde vor den Bürgermeistern und dem Rat beschlossen und mit dem Siegel der Stadt versehen. Da Gildenrollen bis in das Mittelalter zurückreichen sind sie eine unschätzbare Quelle für die Heimat- und Familienforschung, da daraus auch u. a. Erbfolgen zu entnehmen sind.
Gilden ud Amt versus Bruderschaft
Es ist zu unterscheiden zwischen Gilden beziehungsweise Ämtern einerseits und Bruderschaften andererseits; im späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert erhalten allerdings auch die Bruderschaften häufig die Bezeichnung "Amt".
Die Wehrhoheit in den Städten wurde anfänglich gemeinsam mit dem zuständigen Landesherrn ausgeübt. Gemäß der Wehrvefassung bestand eine Wehrpflicht als Stadtdienst für jeden "Bürger" (manchmal auch eines jeden Einwohners) der Stadt. Die Ausrüstung erfolgte über städtische Rüstkammern. Die Verwaltung der städtischen Schützen war unterschiedlich in Schützengilden oder Schützenbruderschaften unter dem Pstronat von Heiligen (z.B. st. Sebastian) organisiert welche zumindest einmal jährlich ihr Können im Rahmen eines Vogelschießens als Pflichtübung zur Schau stellen mußten.
Bruderschaft
Bruderschaften widmeten sich unterschiedlichen Zielen. Die 1408 gegründete Bruderschaft "Unserer lieben Frau" in Münster z.B. war eine Vereinigung von Kaufleuten. Nach den Täuferunruhen im Jahr 1538 rekonstituierte sich die Gruppe und schloß sich aufgrund der niedrigen Mitgliederzahlen mit der Bruderschaft St. Johannis (Kaufleute) zusammen. Die Johannisbrüder standen zuvor vermutlich in Verbindung mit der Kommende des Johanniter-Ritterordens.
Gebräuche
Gebräuchlich waren Zeremonien, öffentliche Aufzüge, Spiele und Tänze, die der Sage nach bestimmten Gewerken oder Gilden für "ewige Zeiten" gestattet worden seien, weil ihre Angehörigen in Notzeiten hervorragende Dienste geleistet hätten. Diese Zunftgebräuche sind indessen auf uralte Volksgebräuche, wie z.B. auf die Schwertertänze der germanischen Frühlingsfeier oder jenen großen Umzug des Isisschiffes auf Rädern, den alle Küstenstädte ehemals bei Eröffnung der Schiffahrt feierten, auf die Maiumzüge etc., zurückzuführen, die in den meisten Städten im 19. Jahrhundert bereits aus dem öffentlichen Leben verschwunden waren und danach nur noch vereinzelt in diesen, meist in die Karnevalszeit verlegten Aufzügen der Gewerke ihren Ausdruck fanden.
Hierher gehören die ehemals in vielen Städten üblichen Schwerttänze der Messerschmiede und Schwertfeger, das 1539 vom Rat aufgehobene Schönbartlaufen in Nürnberg, der zum Teil 1895 wieder stattfindende Umzug der Metzger von Paris und Salzburg mit dem Fastnachtsochsen, das Fahnenschwingen der Egerer Metzger und Tuchmacher und der Schäfflertanz und Metzgersprung der Münchener.
Mehr den Charakter eines allgemeinen Volksfestes hat das Sechseläuten in Zürich schon 1895 angenommen, welches am Montag nach der Frühlingsnachtgleiche stattfand und nach dem Umstande benannt war, dass an diesem Tage zum erstenmal die Abendglocke läutete. An ihm nahmen alle Gilden in ihren volkstümlichen Trachten mit ihren Emblemen und allerlei Schaustücken teil.
Der in vielen niederländischen Städten und mit besonderer Pracht in Anvers (Antwerpen) am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt gefeierte Ommeganc (Umgang) erinnert stark an die alten Schiffsumzüge und anderseits an die Fastnachtsgebräuche. In dem niederländischen Ommeganc bilden Riese und Riesin, welche jede grössere Stadt in besonderer Ausstattung bewahrt, das Hauptschaustück, dazu kommen überall volkstümliche Figuren, wie Roland, die 4 Haimonskinder, der große Drache etc. Auch fehlt das Schiff selbst nur selten in dem Aufzug. Ebenso kehren gewisse Scherze, wie spritzende Delphine etc., meist überall wieder. + Quelle: Hic Leones
Westfälische Amtsunterlagen
Zahlreiche Amtsbücher, hauptsächlich Gildeordnungen, Amtsrollen und Statuten enthaltend, wurden bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv Münster im Bestand "Fürstentum Münster, Gilden und Zünfte" geführt und die die Stadt Münster betreffenden z.B. danach an das Stadtarchiv Münster abgegeben. Auch heute noch findet sich im Staatsarchiv Münster in den Beständen "Fürstbistum Münster, Gilden und Zünfte", "Fürstbistum Münster, Kabinettsregistratur", sowie in der Sammlung "Altertumsverein Münster, Handschriften" Überlieferung zu den Gilden der Stadt. Schreiben von Osnabrück, Hamm, Paderborn und Deventer für Bürger und Kaufleute aus ihren Städten (1454, 1467, 1503, 1531).
Definitionen
„Eine Gilde im engeren Sinne war im Mittelalter ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Kaufleuten (Patrizier) einer Stadt oder einer Gruppe fahrender Händler zum Schutz und zur Förderung gemeinsamer Interessen. Im weiteren Sinne wurden mit dem Begriff auch Handwerkergenossenschaften erfasst. Allerdings werden diese doch primär und zur Unterscheidung von den kaufmännischen Vereinigungen als Zünfte bezeichnet. In manchen europäischen Sprachen wird allerdings auch das Wort ‚Gilde‘ in Zusammenhängen verwendet, die offenbare Zünfte wie Gilden gleichermaßen meinen können wie z. B. im Englischen guild. In den romanischen Sprachen, wie z. B. dem Italienischen, unterscheidet man zwischen den Arte maggiori und den Arte minori für solche Zusammenschlüsse des 15. Jahrhunderts.“[1]
Referenzen
Vergleiche
Hinweise
Deutsche Archivalienbeispiele
- 1792 – 1793 Bestätigung der Amtsrolle der Buchbinder zu Münster; Erhebung zur Gilde
- 1809 – 1812 Streitigkeiten der Ruhrorter Schiffergilde gegen die Kohlenhändler Buchloh (Duisburg) und M. Faber (Kaßlerfeld), enthält : Reglement der Gilde, 1808 (Druck)
- 1753 – 1755 Einrichtung einer Gilde der Kupferschmiede in den minden-ravensbergischen Städten
- 17. Jhdt. Gesuch der Tuchmacher-Gilde zu Metelen an die Äbtissin um Schutz gegen ungeeignete Personen unter Berufung auf die 1627 von der t Äbtissin Clara gewährten Privilegien, da die Gilde wegen schlechter Ware in Verruf komme.
- (1569) ,1691 – 1805 Angelegenheiten der Gilde der Baumseidenmacher in der Stadt Bocholt