Handbuch der praktischen Genealogie/369

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
<<<Vorherige Seite
[368]
Nächste Seite>>>
[370]
Datei:Handbuch der praktischen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.



schon als Adel bestand, ehe der Briefadel aufkam. Es gibt heute noch eine recht erhebliche Anzahl deutscher Familien, die agnatisch von alten adligen Geschlechtern abstammen und die nie ein bestätigendes, den Adel erneuerndes oder den Rang erhöhendes Diplom erhalten haben.

      Da es der Verfassungsgeschichte bisher nicht recht gelungen ist, überzeugend festzustellen, welche Familien wir heute als uradelig anzusehen haben, oder auch nur bestimmte Kriterien für die Abgrenzung zwischen dem Adel und anderen Volksschichten im Mittelalter zu geben, kann der Beweis schwierig sein. Insbesondere ist es oft zweifelhaft, ob wir ein aus privilegierten Kreisen des Bürgertums stammendes Geschlecht als uradelig anzusehen haben. Die Beweisführung wird hier in der Regel ganz in den Händen der Genealogie liegen, die durch Ermittlung der Allianzen, der Lehens- und der Besitzverhältnisse usw. Anhaltspunkte geben kann. Nachweis einer formalistisch gesicherten ununterbrochenen Stammreihe, die bis in die Zeit vor Aufkommen des Briefadels zurückreicht, kann nicht unter allen Umständen verlangt werden.

      Der Adelsbeweis kompliziert sich in neuerer Zeit vielfach durch die Notwendigkeit, freiherrlichen Rang und Titel nachzuweisen. Die Praxis der Behörden ist in Fällen, in denen dn besonderes Freiherrndiplom nicht vorgelegt werden kann, der Titel aber lange Zeit hindurch unangefochten geführt wurde, verschieden. Insbesondere sind Familien, die ehemals zur reichsunmittelbaren Ritterschaft in Schwaben, Franken und am Rhein gehörten, in solcher Lage; aber auch eine Anzahl thüringischer und westfälischer Familien. Im allgemeinen wird man heute immer strenger und will womöglich nur ein Diplom gelten lassen. Das entspricht durchaus dem Wesen des modernen Freiherrntitels, der nichts anderes ist als eine gnadenweise verliehene ehrende Auszeichnung ohne die materielle Unterlage besonderer Freiheit, wie sie im Mittelalter den freien Herren zustand. Die Familien der reichsfreien Ritterschaft bilden historisch ebensowenig die Fortsetzung jenes Standes mittelalterlicher Freien Herren (Dynasten). Allein materiellrechtlich kamen sie dem Reiche gegenüber wesentlich in die gleiche Lage, die jene Dynasten innegehabt, und waren jedenfalls bis 1806 die einzigen niederadeligen Geschlechter mit einer faktischen Freiherrlichkeit.

      Ein Punkt, der beim Adelsbeweis eine Rolle spielen kann, ist die Frage des Adelsverlustes. Genealogisch, d. h. durch Forschungen über die gewohnheitsmäßige Anerkennung von Nachkommen als adelig, können wir feststellen, daß voreheliche Geburt nicht notwendig — selbst bei hochadeligen Familien nicht — zum Verlust des Adels geführt hat und daß selbst uneheliche Geburt nicht immer gehindert hat, daß die Deszendenz in Namen, Titel und Rechte des unehelichen Vaters eintrat; allein die moderne Gesetzgebung steht der Möglichkeit einer solchen Nachfolge wenigstens der unehelichen Kinder schroff entgegen. Umgekehrt scheint die von dem geltenden Recht statuierte Regel, daß der Adel durch Adoption nicht auf den Adoptierten übertragen werden kann, in neuerer Zeit mehrfach durchbrochen worden zu sein.

      Mit Hilfe der genealogischen Forschung läßt sich leicht feststellen, daß