Handbuch der praktischen Genealogie/370
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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die bürgerlich geborene Frau eines niederadeligen Mannes dessen Adel und Adelstitel erhält, ebenso ihre Kinder; daß dagegen die Tochter eines adeligen Hauses durch Verheiratung mit einem Nichtadeligen ihren Adel und ihren Titel verliert.[1]
Schlußbetrachtung. Die Unsicherheit der Rechtslage des niederen Adels und die Tendenz, alle Adelsberechtigung in unhistorischer Weise auf Ernennungsdekrete zu fundieren, bestätigt dem Genealogen, was ihm jeder Blick in die Stammtafeln und Ahnentafeln verrät: die alte deutsche Genossenschaft niederadeliger Familien befindet sich heute in einer zerstörenden Krisis. In Masse sind seit 100 Jahren neue Familien durch Erhebung in diese Genossenschaft eingeführt worden. Die älteren Familien haben es nicht fertig gebracht, sich des Ansturms zu erwehren. Sie selbst nehmen neuerdings mehr und mehr durch bürgerliche Heiraten fremdes Blut auf, ohne daß Regeneration des Blutes dabei den Impuls gibt. Die Genealogie, die lange geradezu die Adelswissenschaft war, ist infolgedessen heute nur mehr eine formelle Feststellungsmethode. Die alte Gemeinschaft gleich privilegierter deutscher Adelsgeschlechter hat sich materiell so gut wie formell aufgelöst An ihre Stelle ist eine Zufallsgemeinschaft rein äußerlich titelmäßig ausgezeichneter Personen getreten, nicht mehr zusammengehalten durch Bande des Blutes, gemeinsame Sonderrechte und gleiches Bewußtsein besonderer Verpflichtungen. Immer schwerer wird es darum denen, die noch in den alten Gewohnheiten und Anschauungen fortleben, das altüberkommene adelige Pflichtempfinden aufrecht zu halten, das mehr war als verfeinerter Anständigkeitssinn, das in der Überzeugung einer angeborenen besonderen Verantwortlichkeit bestand. Das Adelige in den Anschauungen des niederen deutschen Adels war von jeher die stete Bereitwilligkeit, sich dem Dienste großer politischer Ideen leidenschaftlich uneigennützig mit Gut und Blut hinzugeben. Das spezifisch germanische mittelalterliche Treueprinzip hat diesen Sinn für mehr als allgemein angemessenes Verantwortungsgefühl einst geboren. Nur eine starke und gemeinsame Tradition konnte den dadurch bedingten Opfermut erhalten. Staatliche Massenauszeichnungen, Anerkennungen und Titelverleihungen werden den lebendigen Geist dieser Tratition nicht sichern noch erzeugen.
- ↑ Die Wiener Gepflogenheit, der Frau in diesem Falle den Titel, zu dem sie geboren ist, weiter zu gewahren, hat keine rechtliche Grundlage.