Handbuch der praktischen Genealogie/364
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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konstruieren, scheitern an der genealogischen Feststellung, daß die Praxis der verschiedenen Häuser und selbst innerhalb eines Hauses von Fall zu Fall ungemein verschiedenartig ist. Genau wie bei den regierenden Familien ist man auch hier auf die formellen Bestimmungen der einzelnen Hausgesetze und auf die durch genealogische Forschung ermittelte Praxis der Familien angewiesen.
Von der internationalen Anerkennung, die den deutschen Standesherren durch die Abmachungen des Wiener Kongresses 1815 gesichert werden sollte, ist heute nichts übrig geblieben. Der Anspruch der standesherrlichen Häuser, daß ihre Töchter international von den regierenden Häusern neben den Töchtern dieser Häuser selbst als ebenbürtig anerkannt werden müßten, ist unpraktisch geworden, sofern er überhaupt Anerkennung gefunden hatte. Die Zusammensetzung der standesherrlichen Adelsgruppe ist heute nach Reinheit des Blutes, Ansehen und Vermögen und allgemeiner gesellschaftlicher Wertung so wenig homogen, daß ihre einheitliche Behandlung oder gar einheitliche ausschließliche Bevorzugung, wo sie überhaupt noch stattfindet, vom genealogischen Standpunkt nicht mehr als begründet angesehen werden kann.
IV. Die Rechtlichen Verhältnisse des heutigen deutschen niederen Adels.
Die Rechtlichen Verhältnisse des heutigen deutschen niederen Adels. Die rechtliche Stellung des niederen Adels im heutigen Deutschen Reich und in Österreich ist nicht ganz klar und nicht ganz einfach zu definieren. Eine Genossenschaft, die auf rein gewohnheitsmäßigem Wege, ohne gründenden Staatsakt zustande gekommen ist und die auf Grund ihres faktischen Bestandes dem modernen Verfassungsstaat mit dem Anspruch auf Anerkennung gegenübertritt, ist notwendig in heikler Position. Das moderne Staatsrecht und genau so das moderne bürgerliche Recht ist formalistisch. Wer Rechte, welcher Art auch immer, behaupten will, der muß sie beweisen können. Die Beweisführung muß derart sein, daß sie jeden Richter[1] überzeugt. Man wird es dem unter den Einflüssen des modernen Liberalismus herangebildeten Richter nicht übelnehmen dürfen, wenn er seine Entscheidung darüber, ob er die adelige Qualität einer bestimmten Persönlichkeit anerkennen und aussprechen soll, nur ungern davon abhängig macht, daß die direkten Vorfahren dieser Persönlichkeit rein gesellschaftlich vor Jahrhunderten als adelig anerkannt worden sind. Wonach soll er beurteilen, ob eine solche Anerkennung ehemals erfolgt ist und ob sie bis heute Geltung behalten hat? Bei Familien, die lange Zeit hindurch nachweisbar im Lande, dem der Richter angehört, ständische Vorrechte des Adels genossen haben, wird ein solcher Nachweis in Verbindung mit der genealogischen Filiationsprobe gewiß den Richter überzeugen, daß die Familie adelig war und noch
- ↑ Das Wort "Richter" bezieht sich hier und im folgenden nicht nur auf die Gerichte, sondern auch auf außergerichtliche Adelsinstanzen, z. B. die Ministerien, soweit sie, wie z. B. das Ministerium des Innern im Königreich Sachsen, höchste Adelsbehörde des Landes sind.