Tauroggen/Pfarrer Pipirs

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Pfarrer Johann Pipirs

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Pfarrer Johann Pipirs´ Wirksamkeit in Tauroggen 1871 bis 1882


Tauroggen hatte seit alters her evangelische Beziehungen zu Preußen. Schon im Jahre 1530 mußte der Pfarrer Johann Thorthylowitz aus Schilale, im heutigen Pfarrbezirk Tauroggen gelegen, um des Evangeliums willen nach Preußen flüchten, wo er vom Herzoge freundlich aufgenommen wurde. In späterer Zeit war der Bezirk Tauroggen eine Filiale von Piktupönen, bis er endlich im Jahre 1765 von Friedrich dem Großen, als dem Erbherrn des Gutes Tauroggen, zur selbständigen Gemeinde erhoben, mit einem Prediger versehen und mit den notwendigen Einkünften ausgestattet wurde (Beurk. Berlin, d. elften Oktober 1765.) Viele Leiden, Verfolgungen und Drangsale hat sie durchmachen müssen, aber dafür sind ihr auch treue Seelsorger gegeben worden. Zu diesen gehört auch Pfarrer Pipirs. Als nach dem Tode Pfarrers Czesny’s des Jüngeren das Kurländische Konsistorium keinen geeigneten Geistlichen schicken konnte, wandte sich der Kirchenrat wieder nach Preußen mit der Bitte um einen deutsch und litauisch sprechenden Prediger.

Pfarrer Pipirs, damals in Kraupischken, entschied sich gegen Ende des Jahres 1871 dorthin zu gehen. Zu seiner Introduktion sollte Anfang des folgenden Jahres der Generalsuperintendent Lamberg aus Mitau kommen. Da derselbe jedoch verhindert wurde, mußte er sich schließlich selbst einführen. Nach dem Visitationsbericht vom 21. Juli 1874 umfaßte die Gemeinde neben Tauroggen noch 7 Filialen: Neustadt, Schilale, Skaudvile, Kelmy, Rossieny, Žwyren, Georgenburg mit 13 220 Seelen. Bedeutet schon diese Zahl für einen Geistlichen eine kaum zu überwältigende Arbeit, so kommt noch dazu, daß diese Zahl sich verteilte auf ein Gebiet, das fünf mal größer ist als der Kreis Memel. Da Pfarrer Pipirs körperlich nicht sehr kräftig war, bedeuteten für ihn die Krankenfahrten ein wahres Martyrium. Bei längeren Fahrten ließ er sich gewöhnlich ein Bündel Stroh auf dem Wagen legen, worauf er sich beim Fahren bequem lagerte.

Es ist deswegen nicht verwunderlich, wenn er nicht allen Aufgaben gerecht werden konnte. Die äußere Verwaltung vernachlässigte er sehr, so daß er noch heute bei den alten Tauroggenern im Rufe eines schlechten Wirtschafters steht. Obwohl sich seine persönlichen Einkünfte auf etwa 6000 Rubel pro Jahr beliefen, heißt es von ihm, daß er sich nicht mal eine Mütze kaufen konnte. Um so tätiger war er in seinem geistlichen Amte. Seine Predigten, besonders die litauischen, haben den Grund gelegt zu einer großen Erweckungsbewegung, die durch ich auch in Hausandachten gepflegt wurde. Unter seinem Nachfolger, Pastor Keturakat, einem ausgesprochenen Gemeinschaftsprediger, erfuhr diese Erweckung eine besondere Pflege, so daß in den neunziger Jahren in Tauroggen 30 Predigerbrüder unter einem Ältesten sich befanden. Wenn auch in der späteren Zeit diese Bewegung verschiedene Entartungen aufwies, zu Pfarrer Pipirs Zeit hat sie viel Segen gewirkt. Der damals gewinnreiche Schmuggel an der nahen Grenze hatte das Gemeindeleben stark erschüttert. Die Trunksucht mit allen ihren üblen Folgen ließ das geistige Leben verrohen und verkümmern. Die heranwachsenden Kinder empfingen kein Gegengewicht; denn Schulen gab es ja nicht. Im Jahre 1867 gab es im Tauroggenschen Kirchenbezirk 15 Kirchenschulen, im Visitationsjahre 1874 war keine mehr vorhanden. Pfarrer Pipirs führte an den Sonntagen, da kein Abendmahl gefeiert wurde, Kinderunterredungen ein. Neben dem derzeitigen Kantor Sperber stellte er noch den Kantor Knopfmüller an, der das Kgl. Seminar in Bunzlau absolviert hatte. Derselbe gründete einen Kirchenchor und förderte sehr den Konfirmandenunterrricht.

In dieser Führung von Predigtamt, Konfirmandenunterricht und Gemeinschaften schaffte er die lebendigen Kräfte, welche der Verkümmerung und der Verrohung der Gemeinde aus oben angeführten Gründen erfolgreich Widerstand leisten konnten. Hierzu gehören auch die Berichte über Gebetsheilungen durch ihn. In Tauroggen wurde mir von einer seiner Konfirmandinnen erzählt, daß er ein gemütskrankes Mädchen, Ande Mertineitike, durch Gebet in der Gemeinde nach und nach gesund gebetet habe, die erst vor einigen Jahren als geistig Gesunde gestorben sei. Trotz vielen Befragens konnten andere weder diese noch eine andere Geschichte von einer Gebetsheilung berichten.

In einer Zeitungsbeilage wird folgendes berichtet, wie Pfarrer Pipirs selbst erzählt haben soll:

In Tauroggen kam zu ihm eine katholische Mutter mit der Bitte, ihre schwer kranke Tochter mit Gebet zu heilen. Er wollte es nicht, da er das noch nie getan hätte. Schließlich ging er hin, legte im Namen Gottes die Hände auf – sogleich wurde das Mädchen gesund. Er wollte dafür kein Geld annehmen, aber es wurde ihm aufgedrungen. Da überfiel ihn die Krankheit selbst. Erst als er es mit Reue und Bitte gegen Gott zurückgegeben hatte, wich die Krankheit von ihm. Wie weit hier die Legende mitgewirkt hat, ist schwer zu entscheiden. Sicher ist, daß er sich damit innerlich beschäftigt hat. In Tauroggen hat er in seiner Predigt auf die Macht des Gebets hingewiesen und von einem Pfarrer hinter Ragnit erzählt, der ein krankes Mädchen durch Gebet geheilt habe. Die Erzählung könnte später auf ihn übertragen worden sein. Auf jeden Fall aber zeugen diese Berichte von Krankenheilungen davon, daß die Tauroggener Gemeinde von ihm eine nachhaltige, innere Belebung erfahren hat. Das Fehlen von geeigneten Schulen für seine Kinder, die Überbürdung an Arbeit veranlaßten ihn, im Jahre 1882 seine Wirksamkeit in Tauroggen abzubrechen und nach Ostpreußen zurückzugehen, wo er in Memel zweiter Pfarrer an der Landkirche zu Memel wurde. [m.] [1]

Quellen, Einzelnachweise

  1. Memeler Dampfboot, Beilage: Der Grenzgarten: Heimatkundliche Beiträge aus dem Memelgebiet und den Grenzgebieten, Ausgabe 1933 Nr.1 (27.01.1933).