Akt von Tilsit

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Diese Seite gehört zum Portal Memelland und wird betreut vom OFB-Team Memelland.
Bitte beachten Sie auch unsere Datensammlung aller bisher erfassten Personen aus dem Memelland
Die Gebietsansprüche der "Kleinlitauer" umfassten 1945 das gesamte Ostpreußen als "urlitauisches" Gebiet. Inzwischen erheben sie "nur" noch Anspruch auf den Kaliningrader Oblast.

Die Ursache für die Gründung des „Kleinlitauischen Rates“ (litauisch Mažoji Lietuva oder Prūsų Lietuva, englisch Lithuania Minor oder Prussian Lithuania) liegt einerseits in der Bismarck´schen Minderheitenpolitik, andererseits in der durch die Polenaufstände initiierte Russifizierung der Litauer im Zarenreich.

Memelländische Sichtweise

"Es muß hier einmal gesagt werden: Der preußische Litauer wurde nicht durch die Übernahme der deutschen Sprache zum Deutschen - er war dies viel früher durch die Übernahme der deutschen Kultur geworden. Daß nun mit der allgemeinen Erlernung der deutschen Sprache das Nationalitätenproblem des Memellandes und des nordöstlichen Ostpreußens nicht aufhörte, geht wiederum nur auf deutsche Kosten. Auf Grund der Polenaufstände im Zarenreich wurde 1865-1904 durch die Russen für Litauen ein Druckverbot verhängt. Der Zar verlangte, daß die Litauer die kyrillischen Buchstaben und damit auch die russische Sprache erlernen sollten. So durfte auf litauischem Gebiet nichts Litauisches mehr gedruckt werden. Litauische Schriftststeller und Intellektuelle flüchteten nun wiederum nach Preußen, wo sie sich in Tilsit zusammenfanden. Unter Förderung der deutschen Behörden wurde ihnen gestattet, in den Tilsiter Druckereien Maudrode und Reyländer litauische Schriften herauszugeben, die von Grenzgängern nach Litauen eingeschmuggelt und dort verteilt wurden. Aus diesen in Tilsit mit deutschen Geldern gedruckten Broschüren machten viele Litauer erstmalig Bekanntschaft mit ihrer Schriftsprache.

Statt den Deutschen für diese Hilfe dankbar zu sein, sahen sich diese intellektuellen Konjunkturritter, deren Wirkungsmöglichkeiten im Zarenreich begrenzt und ständig gefährdet waren, nach ungefährlicheren Arbeitsgebieten um. Sie setzten sich in aller Öffentlichkeit für die Erhaltung der preußisch-litauischen Sprache ein und versuchten mit allen Mitteln moralischen Druckes, die ehemaligen preußischen Litauer für die Idee eines Groß-Litauen zu begeistern. Der memelländische Pfarrer Gaigalat, der preußische Lehrer Storost, der preußische Zahlmeister Stiklorius, die zum Teil selbst erst das Litauische als Fremdsprache erlernen mußten, entdeckten plötzlich ihr litauisches Herz. Der preußische Staat sah in ihnen nur romantische Schwärmer ohne politische Bedeutung und ließ sie gewähren. Die Anhängerschaft, die sie in Tilsit und im Memelland fanden, war gering. Das Gefolge von Martin Jankus und Erdmann Simoneit umfaßte immer nur einige hundert Memelländer, da kein memelländischer Litauer Lust hatte, sich auf die niedrige Kulturstufe der sog. Großlitauer hinabziehen zu lassen.

Trotzdem fanden die litauischen Nationalisten Gehör, als 1919 das durch den Russeneinfall von 1915 schwer getroffene Memelland unter die abzutretenden Gebiete eingereiht und gegen den Willen der Bewohner abgetrennt wurde." [1]

Deutsche und litauische Sichtweisen

„Am 30. November 1918 fordern etwa zwei Dutzend Lietuvininkai die Abtrennung Kleinlitauens (Anm.: d.h. des nördlichen Ostpreußens) und die Angliederung an Litauen.“ … „Die Unterzeichner des Aktes vertraten jedoch nur eine Minderheitenmeinung. In allen Wahlen zum Memelländischen Landtag ab 1924 ergab sich, dass die pro-deutschen Parteien gegenüber den pro-litauischen Parteien eine Mehrheit von mehr als 80 % der Stimmen behaupten konnten, obwohl fast die Hälfte der Bevölkerung litauisch sprach. Dies war zum einen in der sehr langen (mehr als 600jährigen) staatlichen Zugehörigkeit zu Preußen bzw. dessen Vorgängerstaaten (Deutscher Orden) und zum anderen in einem kulturellen und Konfessionsgegensatz begründet: die preußischen „Litauer“ waren zu über 95 % evangelisch, die Bewohner Zentral-Litauens jedoch zu über 95 % katholisch.“ (Quelle: Deutsche Wikipedia [1])

Auf litauischen Internet-Sites stellt sich das anders dar: Wegen des darniederliegenden Deutschland nach dem 1. Weltkrieg und den daraus folgenden Wirren, hat sich Litauen der unterdrückten „zwangsgermanisierten“ und „zwangsarbeitenden“ Brüder angenommen, die leider im Laufe der Jahrhunderte ihre politische Orientierung verloren hatten. Beide Teile Litauens sollten nun wieder zusammengeführt werden. Am 16. Februar 1918 tagte der Litauische Rat und erklärte die Wiederherstellung eines unabhängigen demokratischen Staates, der dazu dienen sollte, alle die ethnischen Litauer wieder zu vereinen.

Die unterdrückten „Kleinlitauer“ sollten das Recht auf Selbstbestimmung bekommen und mit Großlitauen vereinigt werden. Aus Sicht der Litauer waren es Dutzende von Aktivisten, die am Akt von Tilsit arbeiteten. Man hatte 1000 Flugblätter verteilt, die auf sehr große Resonanz in der ostpreußischen Bevölkerung stießen, welches den Prozess des politischen Handelns beschleunigte. Andererseits habe es deutsche Angriffe hervorgerufen.

Ostpreußen wird also als ein Teil Litauens betrachtet, und es wird schlicht übersehen, dass ein „Großlitauen“ nicht existiert. Der Begriff Großlitauen kann bestenfalls auf jenes Litauen unter Mindaugas (1203-1263) angewandt werden.

Die Unterzeichner

  1. Jonas Vanagaitis (Johann Wannagatis aus Pabuduppen/ 1938 Finkenhagen) [2]
  2. Mikelis Deivikas (Michael Deiwick aus Rucken, Lehrer im Memelland [3]) [4]
  3. Mikas Banaitis (Michael Bannat aus Paskallwen/ 1938 Schaulen)
  4. Kristupas Kiupelis (Christoph Kiupel aus Cullmen Wiedutaten oder Zemaitisch Neustadt/ Zemaitien)
  5. Jurgis Lėbartų (Jurgis Lebarts aus Schlappschill) [5], [6]
  6. Jurgis Gronavas (Jürgen Gronau aus Aglohnen oder Oszkarten )
  7. Mikelis Mačiulis (Michel Matschullis aus dem Memelland) [7]
  8. Jokubas Juška (Jakob Juschka, vielleicht aus Pezaiten)
  9. Viktoras Gailius (Viktor Gailus aus Groß Bersteningken) [8]
  10. Arnas Smalakys (Arno Smalakys aus Memel [9])
  11. Mikelis Lymantas (Michael Limant aus Memel)
  12. Danielius Kālnišķi (Daniel Kalnischkies aus Plaschken)
  13. Enzys Jagomastas (Hans Jagomast aus Lompönen)
  14. Liudvikas Deivikas (Ludwig Deiwiks aus Rucken, Bruder von Michael) [10]
  15. Emilis Bendikas (Emil Bendiks aus Ballgarden)
  16. Mikelis Klečkus (Michael Kletschkus aus Saugen)
  17. Martyna Jankus (Martin Jankus aus Bittehnen) [11]
  18. Kristupas Paura (Christoph Paura aus Darzeppeln)
  19. Fridrikas Zūbaitis (Friedrich Subat aus Tilsit)
  20. Jurgis Arnašius (Jürgen Arnaschus aus Wannaggen)
  21. Jonas Užpurvis (Johann Uszpurwies aus Kukoreiten)
  22. Martyna Reidys (Pfarrer Martin Reid aus Skuldeinen/ Elchniederung)
  23. Valteris Didžys (Walter Magnus aus Angerapp)
  24. Jurgis Margys (Jürgen Margis aus Wersmeningken)

„Klaipeda Diena“ vom 12.1.2005

Unter dem Titel „Akt von Tilsit – ein unvollendeter Traum“ schreibt Klaipeda Diena, dass am 11.Januar 2005 das Kleinlitauische Geschichtsmuseum [12] das 87-jährige Bestehen des „Akt von Tilsit“ gefeiert hat. Doktor Silva Pocytė erinnerte an die Gründung des Litauischen Nationalen Rates und daran, dass damals die Mehrheit der Kleinlitauer nach Großlitauen zurückkehren wollte. Diese Idee wurde jedoch nur teilweise umgesetzt: Lediglich das Memelland wurde in die litauische Klaipedaregion eingegliedert.

Der litauische Kulturattaché im Kaliningrader Gebiet, Ph.D. Arvydas Smith, meinte, der einzig sinnvolle Weg sei, sich von litauischer Seite aus am „Rest des litauischen Territoriums Kleinlitauens“, nämlich dem Kaliningrader Gebiet, wirtschaftlich zu beteiligen. Denn nur noch 20% der Bevölkerung des Oblast sei litauisch geprägt. Es gäbe nur noch 18 litauische Gemeinden und Gesellschaften, die es zunehmend schwerer hätten. Schüler hätten Probleme, die litauische Sprache zu erlernen, weil diese im Oblast nur noch optional unterrichtet würde. So sei der Kaliningrader Oblast eine russische Provinz geworden. Man solle sich im übrigen an den Deutschen ein Vorbild nehmen, die schon seit 12 Jahren kostenlose Deutschkurse anböten.

(Beate Szillis-Kappelhoff)

Weblinks

  • Zeichner des Akts von Tilsit [13]

Einzelnachweise

  1. Kurschat, Heinrich A.: Das Buch vom Memelland, Siebert Oldenburg 1968, S.158f