Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/185

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Bei


Erblickung eines von fremder Hand auf Käthchens Grab gepflanzten
Rosen- und Lilienstöckchens.


Quale rosae fulgent inter sua lilia mistae!
Ovid.
Seid gegrüßet mir auf diesem Schmerzenshügel,
Seid willkommen, Wer euch auch gepflanzt,
Liebes Rosenstöckchen hier und Lilienstöckchen!
Wer euch pflanzte, hat es gut gemeint.
Sorgsam ausgewählt seid ihr und schön beschnitten,
Zierlich angebunden, eingesenkt!
Gott verleihe nun von oben das Gedeihen,
Daß ihr wurzelt auf dem heil'gen Grab!
Wachset, blühet, düftet, wehet Wohlgerüche
Mir entgegen an dem Wallfahrtsort,
Wenn ich künftighin mit Thränen ihn besuche
Um die Theure, die verwesen soll!
Bringet hier alljährlich euer Todtenopfer,
Wo der Geist der Wehmuth nie entschläft!
Statt des Weihrauchs streuet eure Blätter nieder,
Wenn im Schmerz mir das Gebet erstickt!
Rosen, Lilien, o, wie schön auf Ihren Wangen
Blühtet ihr in traulichem Verein!
Wenn ihr aber in der Seele eines Weibes
Und zugleich auf seinen Wangen blüht,
Dann erst ist das Weib vollkommen schön zu nennen;
Und ein solches schläft in dieser Gruft!
Edle, was an Leib' und Seel' Du trugst im Leben,
Trägst Du nicht im Tode unverdient!
Ach, ein schlechter Trost für mich! er wird zur Klage;
Oel in's Schmerzensfeuer gießt er nur!
Pflegen will ich zwar der Freundin Trauerzeichen,
Daß sie schmücken Dir das letzte Bett;
Doch, wird dieses auch der schönste Blumenhügel,
Ach, es ist und bleibt ja stets Dein Grab! —


Gespräche verklärter Freunde.
Käthchen.
(Erwachend aus dem Todesschlummer.)
Ah — wie ist mir so wohl! Die Krankheit hat mich verlassen!
Ich bin völlig gesund! Weg ist der brennende Durst!
Niemals fühlte ich mich so frei von jeglichem Schmerze!
Welch' ein zaub'rischer Schlaf hat mich dem Tode entrückt!
Vorhin meinte ich noch, es sei mir nicht mehr zu helfen;
Und verwandelt bin ich plötzlich, wie neugebor'n!
Doch — wie komm' ich mir vor? Ist's Traum nur, oder ist's Wahrheit?
Liege ich nicht mehr zu Bett'? Aber wo bin ich denn nur?
Alles so still um mich her! Ich athme den leichtesten Aether!
Pfeilschnell schwebe ich hin! Nirgends haftet der Fuß!
Sanfter als Zephyrhauch schwimm' ich im unendlichen Raume!
Aufwärts geht es darin, und kein Körpergewicht
Wehrt mir die herrliche Fahrt zu immer noch höheren Sphären!
Nichts auch zieht mich hinab! Bin ich denn außer dem Leib? —
Wahrlich, es ist nur ein Schein, was mich als Körper bekleidet!
Nicht aus Fleisch und Gebein sind diese Glieder geformt,
Nein, noch feiner als Luft ist diese beschauliche Hülle,
Zwar der vorigen gleich, aber von anderem Stoff!