Deutsche und französische Kultur im Elsass/032

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Deutsche und französische Kultur im Elsass
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und aus alter Liebe zu Frankreich zu erlernen. So ist der Stadtbürger auch völlig unsentimental, vielfach derb aber auch heiter und witzig bis zur Spottsucht, naiv empfindend, und von einer frischen ungebrochenen Naturkraft, die an das deutsche Geistesleben des 16. Jahrhunderts erinnert. Wenn man die Witze und Spässe beobachtet, die das tägliche Leben des Strassburger Kleinbürgers erfüllen, glaubt man sich in die Zeit des Fischart oder Till Eulenspiegel zurückversetzt. Meist sind es harmlose Foppereien und Streiche, wie sie auch sonst wohl vorkommen, die aber hier als hauptsächlicher Gegenstand des Nachdenkens sich bis zu derben Komödien auswachsen und das Interesse der Bevölkerung fast ausschliesslich in Anspruch nehmen. Ja, es giebt in Strassburg besondere Zeitungen, die hauptsächlich von der primitiven Wiedergabe dieser lustigen Geschichten in Wort und Bild leben. Auch bei der Bauernschaft ist noch viel altertümliches Geistesleben erhalten geblieben, das in sonderbarem Gegensatz zu ihrer sonst ganz realistisch-modernen Anschauungsweise steht. Da werden an schönen Sommerabenden oder in den winterlichen Spinnstuben uralte herrliche Volkslieder gesungen, die in Deutschland nur noch in gelehrten Sammlungen zu finden sind; auch der Aberglaube und die Gespensterfurcht sind besonders in katholischen Orten noch lange nicht verschwunden, und um die Hauptereignisse des Lebens, Geburt und Tod, Hochzeit, Ernte und Kirchweih ranken sich merkwürdige, oft poetische Gebräuche, die mit auffallender Zähigkeit festgehalten werden. Wie die bäuerliche Tracht, so hat sich auch ein gutes Stück altertümlichen Geisteslebens gerade im Elsass unter der schützenden Decke der französischen Herrschaft erhalten. Denn auch hier lebte der Mensch nicht vom Brot allein, und vom deutschen und französischen Geistesleben ziemlich abgeschnitten, beharrte das Volk eben bei seinen althergebrachten Vorstellungen, soweit diese nicht durch französischen Einfluss zerstört wurden. Aber es ist charakteristisch für das französische Regiment, dass es sich um alle diese internen Angelegenheiten des Volkslebens höchst wenig kümmerte, und nur den Körper, nicht aber die Seele verlangte.

DER MORALISCHE ZUSTAND.

Der moralische Zustand der Elsässer beruht, wie der eines jeden Volkes, zunächst auf gewissen, allen Individuen

Bildunterschrift:
v. SEEBACH: Laternenanzünder.
Bildunterschrift:
v. SEEBACH: Floretfechter.
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