Zigarrenmacher
Einleitung
Als sich im späten 19. Jahrhundert die Zigarrenherstellung als Teil der Zigarrenfabrikation zu den Zigarrenmachern in die ländlichen Gebiete verlagerte, wurde sie zu einem großen Teil als Heimarbeit betrieben.
Zur Grundausstattung des Arbeitsplatzes eines Zigarrenmachers, egal ob in der Heimarbeit, der Manufaktur oder in der Fabrik, gehörten Arbeitstisch, Rollbrett, Zigarrenmesser, in den 1860er Jahren ergänzt durch Wickelformen und Spindelpresse.
Start des Arbeitsschutzes bei der Zigarrenherstellung
Nikotin, Tabakstaub und Tabakdunst gefährdeten die Gesundheit der Zigarrenarbeiter und -arbeiterinnen. Erkrankungen der Atemwege und der Verdauungsorgane gehörten zu den häufigsten Krankheitsbildern.
Blutarmut (Anämie) und Bleichsucht, Menstruationsstörungen und Erkrankungen im Genitalbereich wurden bei Tabakarbeiterinnen um 1900 öfter festgestellt als bei Arbeiterinnen anderer Branchen. Auch die Kindersterblichkeit war in Tabakarbeiterfamilien höher als in anderen Arbeiterfamilien.
Erst am 15. Juni 1883 verabschiedet der Reichstag das "Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter". Darin geregelt sind Krankengeld, ärztliche Behandlung, Krankenhaus, Sterbegeld und Mutterschaftshilfe.
Zwar hatte die schon vorher existierende staatliche Gewerbeaufsicht in Preußen die gesundheitliche Gefährdung der Zigarrenarbeiterschaft erkannt, doch erst 1888 traten Arbeitsschutzbestimmungen in Kraft. Diese stellten zumindest in den Fabriken bestimmte Bedingungen an die Arbeitsräume und deren hygienische Ausstattung. So sollte wegen der Ausdünstungen des Tabaks pro Arbeitskraft mindestens ein Luftraum von 7 Kubikmetern, ab 1907 von 10 Kubikmetern zur Verfügung stehen. Die Arbeitsräume mussten mindestens 3 Meter hoch sein.
Allerdings galten diese Bestimmungen für die Heiomarbeit noch nicht. Erst 1813 kam es zu gesetzlichen Auflagen auf Reichebene. [1]
Wohnen westfälischer Zigarrenarbeiterfamilien
Die Zigarrenarbeiterfamilien in Westfalen mussten um 1900 jährlich zwischen 80 bis 100 Mark Miete für ihre bescheidenen Wohnungen aufbringen, damals eine Menge Geld. War der Vermieter Landwirt, waren die Tabakarbeiterinnen und Arbeiter oft noch zusätzlich verpflichtet, im Frühjahr und Herbst dem Vermieter bei der Feldarbeit mitzuhelfen. Die Wohnverhältnisse waren beengt, die Familien lebten häufig nur in zwei Zimmern. Eine separate Küche gab es meist nicht.
Staatliche und privatwirtschaftliche Förderung des Hausbaus verbesserten seit den 1880er Jahren die Wohnsituation der ländlichen Zigarrenarbeiterfamilien. Neugegründete Bau-, Spar- und Heimstättenvereine, welche noch bis heute existieren, finanzierten und organisierten den Hausbau, auch mit Eigenmitteln. Zusätzlich stellte die Landesversicherungsanstalt in Münster preiswerte Kredite zur Verfügung. Die neuen Häuser hatten eine Diele, welche als Küche genutz werden konnte. Auf einer Seite lag ein kleiner Stall und der Arbeitsraum der Heimarbeiter, auf der anderen Seite Wohnstube und Schlafzimmer.
Im Amtsbezirk Bünde waren um 1900 von 2.587 Wohnhäusern insgesamt 449 Häuser im Besitz von Zigarrenarbeitern, Im Amt Gohfeld wurden in fünf Jahren fast 500 bescheidene Häuser von Zigarrenarbeitern gebaut. dieser "Bauboom" prägte nachhaltig die Siedlungsstruktur: Die freistehenden eingeschossigen Ziegelbauten mit Stall und einem Nutzgarten bestimmten das Landschaftsbild bis in die 1950er Jahre. [1]